DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-08-2020 07:30
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 07.08.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM (Brücke Mitteleuropa), allmählicher Übergang zu HNa (Hals-Nasen-Ohren...,
nee, Hoch Nordmeer antizyklonal)

Hitze, Sonne und Trockenheit sind Trumpf. Im Laufe des Wochenendes nur wenige
Hitzegewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein stark meridional
geprägtes Muster. Als den für uns relevanten Protagonisten lässt sich ein
breiter Rücken ausmachen, der sich schräg von Nordwestafrika über weite Teile
Mitteleuropas bis nach Fennoskandien erstreckt. "Bewacht" wird der Rücken gleich
mal von drei Kandidaten, nämlich einem sehr breiten Trog über dem Ost- bzw. dem
mittleren Nordatlantik sowie einem zweiten Trog, der von Nordwestrussland über
das Kaspische Meer bis nach Vorderasien reicht. Hinzu kommt noch ein veritables,
aus einem Abtropfvorgang hervorgegangenes Höhentief (übrigens ein alter
Bekannter, war es doch stark an den kräftigen Regenfällen vor einigen Tagen in
Süddeutschland beteiligt), dessen Drehzentrum im Grenzbereich zwischen Albanien
und Griechenland in Stein gemeißelt scheint. Summa summarum ein kompaktes und
nur schwer umzustoßendes Paket, das uns bis auf Weiteres eine Blockierung
garantiert.
ZU einer solchen gehört natürlich auch ein vernünftig ausgestattetes
Hochdruckgebiet, das aktuell mit seinem Zentrum zwischen 1025 und 1030 hPa (also
gar nicht mal so ein Klotz) über dem Baltikum liegt und den Namen DETLEF trägt.
Der gut im Futter stehende (was seinen stattlichen Umfang angeht) DETLEF scheint
sich dort derart wohlzufühlen, dass er am heutigen Freitag quasi keinen
Millimeter vom Fleck weicht. Das wiederum bedeutet aber, dass er einerseits
sämtliches Tiefruckgeschehen vom Atlantik einfach mal wegblockt, anderseits von
Osten (biedertroposphärisch von Südosten) sehr warme bis heiße Luftmassen nach
Deutschland lenkt. So steigt die 850-hPa-Temperatur mit Unterstützung
großräumigen Absinkens bis heute Abend auf 14 bis 18°C, was bei nahezu
ungehinderter Einstrahlung Tagesmaxima der Temperatur zwischen 28°C im südlichen
Alpenvorland bzw. am Alpenrand und bis zu 36, vereinzelt vielleicht schon mal
37°C im Westen zur Folge hat. Nicht ganz so heiß wird es lediglich im höheren
Bergland sowie an den Küsten- und Inselabschnitten, wo der Wind (in der Regel
aus Ost bis Nordost) direkt von der See weht.
Einige tagesgangbedingte Quellwolken bilden sich vornehmlich im Süden und Osten,
wo die Luftmasse etwas feuchter ist als in den übrigen Regionen. Erkennbar ist
das bereits heute früh anhand der Taupunkte, die in den genannten Regionen teils
bei 15/16°C liegen. Auch die spezifische Grenzschichtfeuchte ist mit rund 10
g/kg, im Süden sogar bis zu 13 g/kg (Nachwirkungen des kräftigen Dauerregens zu
Wochenbeginn) deutlich höher als beispielsweise im Westen (6/7 g/kg). Allzu hoch
steigen die Kumulanten aber nicht, weil sich ab ca. 800 hPa zwar keine
monumentale Absinkinversion, wohl aber eine veritable und sich noch etwas
verstärkende Sperrschicht in den Weg stellt. Vor diesem Hintergrund scheinen die
insbesondere von GFS für den Osten (Thüringer Wald, Erzgebirge, aber BB und
Vorpommern) sowie den Südschwarzwald und den Alpenrand apostrophierten
konvektiven Umlagerungen doch arg unrealistisch.

In der Nacht zum Samstag tut sich wetterlagenmäßig wenig bis nichts, so dass der
Tagesgang das Geschehen bestimmt. Die Quellungen beginnen sich schon in den
Abendstunden aufzulösen, so dass einer verbreitet klaren Nacht nichts im Wege
steht. An der See, in einigen Innenstädten (vor allem im Westen, aber z.B. aber
auch in Berlin) sowie in Hanglagen der Mittelgebirge (also dort, wo sich keine
abstrahlungsbedingte Kaltluft sammeln kann) geht die Temperatur nicht unter 20°C
zurück (Tropennacht). Sonst stehen häufig Tiefstwerte zwischen 20 und 15°C auf
der Karte. Im Süden (gebietsweise) sowie in einigen Mittelgebirgstälern wird es
mit bis zu 11 oder 10°C am kühlsten im Deutschlandvergleich.


Samstag... bleibt der sich wenig verändernde Höhenrücken das Maß der Dinge für
unser Wetter. Dagegen steht im Bodendruckfeld ein Wachwechsel bevor: DETLEF geht
ein wenig die Luft aus (kein Wunder, könnte man angesichts der Leibesfülle
sagen, aber wollen wir das gute Hoch mal nicht zu stark vermenschlichen), dafür
steigt der Luftdruck zunächst über UK/Irland, später dann auch über dem Südteil
des Europäischen Nordmeers. Folgerichtig verlagert das daraus resultierende
Bodenhoch (Gott zum Gruße EMIL; wahrscheinlich jedenfalls) seinen Schwerpunkt
von etwas über 1025 hPa in der Nacht zum Sonntag zur nördlichen Nordsee. Derweil
fällt bei uns - nicht zuletzt wegen der Überhitzung - der Druck etwas, so dass
sich die über der Iberischen Halbinsel und Frankreich liegende Tiefdruckrinne
bis nach Nordostdeutschland respektive Nordpolen ausdehnen kann.
Allerdings ändert das nichts daran, dass auch der morgige
Champions-League-Samstag (wer hätte das mal gedacht, dass an einem Samstag im
Hochsommer zwei Achtelfinalrückspiele in dieser Kategorie ausgetragen werden)
von einem Übermaß an Sonnenschein und abermaliger Hitze geprägt ist. Dabei legt
nicht nur die 850-hPa-Temperatur noch etwas zu auf 15 bis 20°C, auch in 2 m Höhe
werden noch ein paar Kohlen aufgelegt, was am Ende 32 bis 37°C, im Westen
stellenweise sogar 38°C bedeutet. Einzig am südlichen und nördlichen Rand der
Nation sowie in höheren Gefilden wird es etwas weniger heiß - wobei die
Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sich an Nord- und Ostsee durch die Überhitzung
und den Druckfall im Landesinnern ein kühlender Seewind aus nördlichen
Richtungen einstellt.
Thema Wolken und Konvektion: Vor allem im Osten und Norden sowie im äußersten
Süden entwickeln sich einige Quellungen, die in den meisten Fällen aber trotz
der sich abschwächenden Sperrschicht lediglich das Himmelsbild schmücken. Im
Nordosten sowie südlich der Donau bzw. im Südschwarzwald wird in der sich
labilisierenden Heißluft ein gewisses Maß an ML-CAPE generiert, das in
Einzelfällen zu konvektiven Umlagerungen in Form von Schauern und vereinzelten
Gewittern verarbeitet werden kann. Nicht gerade überbordend wahrscheinlich und
bezogen auf die Fläche auch keine große Sache, die in den Wetterberichten nicht
überbetont, auf der anderen Seite aber auch nicht negiert werden sollte. Als
Impulsgeber fungiert einmal mehr die Orografie, sprich das Bergland, was im
platten Nordostdeutschland allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden
ist. Dort ersetzen Windkonvergenzen innerhalb der Rinne oder durch Seewind
ausgelöst (in SH z.B. kommt der Seewind von zwei Seiten, aber die Luftmasse
könnte zu stark gedeckelt sein) sowie ein am späten Nachmittag von der
westlichen Ostsee durchschwenkender Sekundärtrog (nur in der unteren Troposphäre
erkennbar) die Funktion der Orografie. Für den Fall der Fälle muss in den meist
nur kurzlebigen Einzelzellen mit Starkregen gerechnet werden.

In der Nacht zum Sonntag tut sich synoptisch nicht viel, Wolken und
Schauer/Gewitter lösen sich auf. Lediglich das sehr konvektionslastige GFS
simuliert im Nordosten sowie in der Harzgegend munter weitere konvektive
Umlagerungen, was zu bezweifeln ist. In den meisten Fällen wird die Nacht klar
und noch einen Tick (rund 1 Grad) wärmer als die Nacht zuvor.

Sonntag... verbleibt Deutschland unter dem breiten Höhenrücken, der an seiner
Ausrichtung kaum etwas ändert. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert sein
Zentrum langsam vor der Westküste Südnorwegens (um 12 UTC knapp westlich Svinöy)
nach Norden in Richtung Haltenbank. Auf seiner Südflanke legt sich eine schwache
und weitgehend inaktive Kaltfront vor die deutschen Küsten, die zu einem Tief
über Finnland gehört.
Wichtiger scheint aber die Tatsache, dass bei sehr geringen Luftdruckgegensätzen
die im Vorhersageraum lagernde Luftmasse niedertroposphärisch noch wärmer
(Anstieg T850 auf 16 bis 21°C) und dadurch auch labiler wird. Auch ist eine
gewisse gesamttroposphärische Feuchtezunahme nicht abzustreiten, auch wenn diese
eher gering ausfällt und keinesfalls alle Regionen betrifft. Auf alle Fälle
nehmen die Flächen über Deutschland, in denen ML-CAPE (gebietsweise 500 bis
1000, im Süden gar bis etwa 1500 J/kg oder etwas darüber) generiert wird,
gegenüber Samstag zu. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit konvektiver
Umlagerungen, wobei wir hier immer noch von Einzelfällen sprechen, deren genaue
räumliche Zuordnung noch nicht ganz klar ist. Jedes Modell sieht die Aktivitäten
etwas anders, als potenzielle Zonen kommen aber die östlichen Landesteile, der
zentrale Mittelgebirgsraum incl. Harz und der westlichen Mittelgebirge sowie
Franken (SuperHD) und der Bayerische Wald (GFS) in Frage. Dagegen zeichnet sich
im Schwarzwald und über der Alb, bedingt aber auch am Alpenrand ein Minimum ab.
Von der Struktur her stehen einmal mehr Einzelzellen auf dem Zettel, die
aufgrund ihrer quasi nicht vorhandenen Mobilität das Attribut "Stehburger"
verdienen und vornehmlich durch Starkregen auffällig werden, im worst case auch
mal mehr als 25 l/qm innert kurzer Zeit (WU).
Die Bullenhitze begleitet uns auch am Sonntag, die Tageshöchstwerte liegen auf
nahezu dem gleichen Niveau wie am Samstag.

Die Nacht zum Montag wird gering bewölkt oder klar und einmal mehr lau bis warm
mit Minima, die vielerorts um oder über 20°C liegen. Am ehesten kühlt die Luft
noch gebietsweise im Süden sowie in prädestinierten Mittelgebirgstälern ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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An der bevorstehenden, im Grunde ja bereits laufenden Hitzewelle ist nichts zu
rütteln. Auch die am Wochenende ganz allmählich zunehmende Bereitschaft der
Atmosphäre, die eine oder andere Überentwicklung zu starten, wird
modellübergreifend nicht angezweifelt. Allerdings sollte man diesbezüglich nicht
so stark in die Offensive gehen wie es beispielsweise GFS tut, das dafür aber
bekannt ist. So dürfte sich die im Text erwähnte mögliche Konvektion am Samstag
südlich der Donau im Wesentlichen inneralpin abspielen und wahrscheinlich kaum
deutsches Hoheitsgebiet traktieren. Ohnehin sollte man die Konvektion nicht
überbetonen, Trockenheit und Dürre (wenn auch nicht überall, aber doch
verbreitet) sowie die starke bis extreme Wärmebelastung (übrigens nicht nur
durch die hohen Tageswerte hervorgerufen, sondern auch durch die fehlende bzw.
nur kümmerlich ausfallende nächtliche Abkühlung) sind die Botschaften, die
deutlich stärker gewürdigt werden sollten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann