DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

31-07-2020 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 31.07.2020 um 10.30 UTC



Teils schwere Gewitter und Dauerregen im Südosten vertreiben vorübergehend die
Hitze und läuten zumindest im Norden bis Donnerstag einen etwas unbeständigen
Wettercharakter ein.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 07.08.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Montag liegt Deutschland
auf der Vorderseite eines markanten Kurzwellentroges, der sich von der Nordsee
bis zu den Balearen erstreckt und langsam nach Deutschland hinein und in der
Nacht über das Land hinwegschwenkt. Rückseitig bäumt sich vom Ostatlantik bis in
das Seegebiet zwischen Island und den Britischen Inseln ein Rücken auf, der
bodennah mit einem Azorenhochkeil korreliert, der sich allmählich von Westeuropa
bis in den Westen Deutschlands ausdehnt. Der Kurzwellentrog steht dagegen mit
einer Tiefdruckrinne in Verbindung, die sich ausgehend von Skandinavien über
Polen und Tschechien bis nach Norditalien zieht. In diese eingebettet ist weiter
ein konvergenter Bereich/Konvergenzlinie. Zudem liegt eine Luftmassengrenze von
dem Oder-Neiße-Gebiet bis zum Hochrhein, die feuchtheiße subtropische Luft im
Südosten Deutschlands von kühlere Atlantikluft im Nordwesten trennt. Vor allem
zwischen der Luftmassengrenze und der Konvergenzlinie, mit Schwerpunkt etwa
südlich der Donau sowie im Südosten Bayerns muss demnach weiter mit kräftigen
vertikalen Umlagerungen gerechnet werden. Die Folge sind starke bis schwere
Gewitter, die allmählich in schauerartig verstärkten Dauerregen übergehen. Aber
auch sonst sind im Umfeld der Frontalzone teils kräftige Schauer und einzelne
Gewitter zu erwarten. Zudem stehen Schauer und Gewitter mit einschwenkender
Trogachse auf dem Programm, die in der kühleren sowie trockeneren und somit
weniger energetischen Luftmassen eine deutlich schwächere Intensität aufweisen.
Zusätzlich wirken auch die bodennahen zunehmend antizyklonalen
Strömungsverhältnisse dämpfend.

Am Dienstag liegt die Trogachse über Ostdeutschland und schwenkt allmählich nach
Polen heraus. Gleichzeitig gelangt der Westen auf die Vorderseite des
nachstoßenden Rückens, dessen Achse sich von der Iberischen Halbinsel bis in die
nördliche Nordsee erstreckt. Bodennah kann sich gestützt von dem Rücken der
Azorenhochkeil weiter ostwärts ausdehnen und verstärken, sodass landesweit
antizyklonale Verhältnisse vorliegen. Die Kaltfront hat das Land dabei nach
Osten verlassen und liegt über Polen, Ost-Tschechien und dem Osten Österreichs.
Hebungsantrieb geht hierzulande zunächst nur noch von dem Trog aus, der im
äußersten Osten und Südosten weiter Schauer und einzelne Gewitter produzieren
kann. An den Alpen regnet aufgrund der Nordstaulage auf der Vorderseite des
Hochkeils aber auch weiter. Sonst sorgt Absinken meist für eine
Wetterberuhigung. Allenfalls der Nordwesten gelangt schon am Abend in den
Einflussbereich eines neuen Troges, der sich von den Beneluxstaaten nähert und
in der Nacht schließlich über den Nordwesten nordostwärts hinwegsteuert. Der
Trog gehört dabei zu einem Höhentief westlich von Schottland, das im Bodenniveau
mit einem Tief an gleicher Stelle korreliert. Mit den hochreichend zyklonalen
Strömungsverhältnisse greift zudem die WLA der zum Schottlandtief gehörenden
Warmfront auf den Nordwesten Deutschlands über. Trog vorderseitige Hebung
gepaart mit der WLA erzeugt nachfolgend schauerartige Niederschläge, die sich
bis Mittwochmorgen von Westen langsam über die Nordhälfte ausdehnen.

Am Mittwoch schwenkt der Kurzwellentrog samt bodennaher Warmfront über
Deutschland hinweg nach Polen, wobei sie nur in der Nordhälfte über eine gewisse
Wetteraktivität verfügt. Im Norden werden die teils schauerartig verstärkten
Regenfälle von einem weiteren kurzwelligen Anteil, der sich von den Britischen
Inseln her nähert zusätzlich befeuert. Die zum Kurzwellentrog korrelierende und
bodennah vom Tief bei Norwegen ausgehende Kaltfront erreicht das Bundesgebiet
aber erst in den Frühstunden des Donnerstags. Im Süden dominiert dagegen weiter
hoher Luftdruck, der zunächst auch weiter von der Rückenachse gestützt wird, die
nur langsam Lust bekommt, das Land nach Osten zu verlassen.

Am Donnerstag verlagert sich die Kaltfront von der Nordsee her bis in die Mitte
des Landes. Allerdings wird ihr dabei zusehends die Kraft genommen.
Verantwortlich dafür ist ein ausgeprägter Rücken, der sich von der Iberischen
Halbinsel bis zum Nordmeer aufbäumt. Dabei hobelt dieser den eh schon nur wenig
amplifizierten Kurzwellentrog weiter glatt. Da der Rücken Bodennah
typischerweise mit einem Hoch einhergeht, welches sich in diesem Fall über West-
und Nordwesteuropa breitmacht und auch Deutschland zunehmend einnimmt, steht der
frontalen Hebung Absinken gegenüber. Somit büßt die Kaltfront bis Freitagmorgen
mehr und mehr an Aktivität ein und löst sich schließlich ohne den Süden zu
erreichen auf.

Am Freitag liegt Deutschland weiter auf der Vorderseite des ausgeprägten
Rückens, der jedoch seine Wellenlänge verkürzt und dessen Achse sich allmählich
in die Nordsee sowie Beneluxregion schiebt. Bodennah wird dabei weiter ein Hoch
über der Nordsee gestützt, sodass hierzulande weiter "antizyklonal" Trumpf ist.
Auf der Vorderseite des Hochs wird allerdings mäßig warme bis warme Luft aus
nördlichen Breiten ins Land gesteuert, die über der Mitte auf die sehr warme,
teils heiße Subtropikluft trifft. Die überwiegend antizyklonalen Verhältnisse
und das Absinken trockener Luft lassen wohl aber keine Niederschläge zu.
Allenfalls der Nordosten wird noch etwas von einem Höhentief über Polen
beeinflusst, sodass dort einzelne Schauer nicht auszuschließen sind.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die großskaligen Strukturen des Geopotential- und Luftdruckfeldes werden von den
vergangenen drei IFS-Läufen insgesamt konsistent abgebildet. Geringe
Unterschiede gibt es bei der Verlagerungsgeschwindigkeit der
Trog-Rücken-Kombinationen. Der neuste IFS-Lauf zeigt in der kommenden Woche
demnach etwas größere Amplituden der Strukturen. Der Trog über dem Ostatlantik
kann sich weiter nach Süden ausdehnen und stützt dabei auf der Vorderseite im
Vergleich zu den Vorläufen einen stärkeren Rücken über West- und Mitteleuropa.
Bodennah führt dies dazu, dass über die Wochenmitte hinweg abgesehen vom Norden
und Nordosten antizyklonale Verhältnisse dominieren. Während der gestrige 00
UTC-Lauf auf der nahenden Trogvorderseite ab Mittwoch schon wieder in weiten
Teilen des Landes einen zu Schauern und Gewittern neigenden Wettercharakter
zeigte, soll es nach den neusten Berechnungen am Dienstag und Mittwoch bevorzugt
nur im Norden und Nordosten, ab Donnerstag wenn überhaupt nur im äußersten
Nordosten unbeständig werden.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Mittwoch zeigen die Modelle verschiedener Wetterdienste
(IFS, ICON, GFS, GEM, UKMO) vergleichbare Geopotential- und
Luftdruckverteilungen. Am Mittwoch lässt das ECMWF allenfalls die Niederschläge
aufgrund noch etwas zyklonalere Verhältnisse über Deutschland weiter nach Süden
vorankommen, während vor allem GFS und ICON schon in der Mitte aufgrund von
Absinken den Hahn abdrehen. Ab Donnerstag nehmen die Unterschiede zu, wobei vor
allem GFS und ICON sich im Duett vom IFS entfernen. Nach deren Interpretation
kommt der Trog über dem Atlantik schon weiter nach Osten voran und stützt den
kräftigen Rücken auf der Vorderseite. Daher fehlt in diesen Berechnungen der
beim IFS ab Mittwochabend analysierte zweite kurzwellige Anteil komplett.
Nachfolgend erstreckt sich die Achse des Rückens beim GFS und ICON von der
Iberischen Halbinsel bis nach Westrussland und verläuft somit etwa über den
Süden Deutschlands hinweg. Beim IFS dagegen kann sich der Rücken nordwärts bis
zum Nordmeer amplifizieren. Entsprechend ist auch die Lage der korrelierenden
Bodenhochdruckgebiete verschieden. Während das IFS den Hochschwerpunkt über der
Nordsee sieht, plustert sich das Hoch bei ICON und GFS über Polen und
Weißrussland auf. Vor allem bei der Temperaturvorhersage sorgen die Unterschiede
für signifikante Unterschiede. Bei ICON und GFS kann sehr warme bis heiße
Subtropikluft das Land erobern, während bei IFS mäßig warme Luft von Norden her
dagegenhält.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen diverser Städte in Deutschland zeigen bei einem geringen Spread
sowohl bei der Temperatur in 850 hPa als auch beim Geopotential in 500 hPa bis
einschließlich Montag eine sehr hohe, bis einschließlich Mittwoch eine hohe
Vorhersagegüte. Erst zum Donnerstag wird der ENS-Raum des IFS langsam
aufgespannt, sodass die Unsicherheiten, analog zu den deterministischen
Modellunterschieden, deutlich zunehmen. Auffällig ist, dass sowohl Haupt- als
auch Kontrolllauf ab Freitag bei den Temperaturen und beim Geopotential im
unteren Bereich des Ensembles liegen. Die Meteogramme stützen die Rauchfahnen
und zeigen die Box-Plots ab Donnerstag deutlich gespreizt.

Die nur geringen Unterschiede zwischen den verschiedenen Globalmodellen sind bei
der Clusteranalyse für den Zeitraum +72 bis +96h auch im IFS-ENS zu verzeichnen,
sodass nur ein Cluster benötigt wird, um die Abweichungen im Geopotential- und
Luftdruckfeld zu beschreiben.
Im Zeitraum von +120 bis +168h sieht es dann schon anders aus. Die Zunahme der
Unsicherheiten im ENS macht in diesem Zeitraum schon vier Cluster nötig. Den
Haupt- und den Kontrolllauf in Cluster 3 stützen dabei noch weitere 12 Member.
Damit ist er mit Cluster 1 und Cluster 2 etwa gleich stark vertreten. Cluster 1
mit insgesamt 17 Mitgliedern simuliert die Geopotential und Luftdruckstrukturen
von Mittwoch bis Freitag zudem ähnlich zu Cluster 3, indem der Rücken ebenfalls
eine nordwärtige Erstreckung aufweist. Allerdings ist bei Cluster 1 der Rücken
etwas weniger stark ausgeprägt und auch das Höhentief über dem Nordostatlantik
kommt etwas schwächer daher. Das zweite Cluster kann als Visualisierung der
deterministischen Prognosen vom ICON und GFS angesehen werden, wobei die Zone
mit hohem Geopotential im Vergleich zu den besagten det. Modellen sogar noch
etwas weiter nach Norden verschoben ist. Wichtig ist jedoch, dass Deutschland
bodennah analog zum ICON und GFS auf der Westflanke des Hochs prognostiziert
wird, während das Land bei Cluster 1 und 3 auf der Ostseite des Hochs über der
Nordsee liegt. Gestützt wird die Version von Cluster 2 von 14 IFS-Member.
Cluster 4 mit 7 Mitgliedern möchte gerne Cluster 1 und Cluster 3 folgen.
Allerdings sind die Geopotentialfelder noch etwas schwächer simuliert. Vor allem
der Rücken kann sich nicht so weit nach Norden erstrecken und wird vom
nachstoßenden Trog schon wieder abgehobelt. Bei dieser Interpretation würde das
Land schon am Freitag von Westen auf die Vorderseite des Troges gelangen.
In der erweiterten Mittelfrist sind die Unsicherheiten im Geopotential- und
Luftdruckfeld so groß, dass fünf Cluster benötigt werden, um die Unterschiede
der Strukturen ausreichen zu beschreiben. Einigkeit herrscht allerdings bei der
Wahl des großskaligen Schemas, indem alle Cluster dem Schema Blocking zugeordnet
werden können. Der blockierende Rücken schiebt sich bei der Mehrzahl der Cluster
etwa von Mitteleuropa zur Nordsee und Skandinavien. Das korrelierende Bodenhoch
würde sich demnach zumindest bei den ersten vier Clustern über Skandinavien
einnisten. Deutschland würde nachfolgend eine meist antizyklonale östliche
Grundströmung erfahren. Niederschläge wären dann wohl nicht Sicht.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Bezüglich potentieller Extremereignisse in Deutschland gibt es vom EFI als auch
von der Probabilistik nur am Montag deutliche Hinweise. Von Sonntagabend bis
Dienstag sollen die konvektiven Niederschläge von der Neiße bis zu den Alpen
zunehmend skaligen Charakter annehmen und schließlich in Dauerregen münden.
Demnach zeigen die Modelle in Sachsen, im Osten und Süden Bayerns sowie im
schwäbischen Allgäu von Montagmorgen bis Dienstagmorgen 25 bis 50, in Ostsachsen
und an den Alpen auch bis 75 l/qm/24h. Die Probabilistik stützt 24h-Regenmengen
über 30 l/qm mit Wahrscheinlichkeiten zwischen 20 und 70% beim C-Leps, 25 bis
90% beim EZ-EPS und 10 bis 50% beim ICON-EPS. Für Mengen über 50 l/qm/24h werden
modellübergreifend Werte zwischen 10 und 45% gezeigt. Im 48h-Zeitraum von
Sonntagabend bis Dienstagabend werden von Ostsachsen bis zum Alpenrand 30 bis 60
l/qm, an den Alpen regional bis 80 l/qm simuliert. Das Überschreiten der
Unwetterwarnschwelle von 60 l/qm sehen beim C-Leps etwa 10 bis 25 von 51 Läufen,
beim EZ-EPs sind es 13 bis 25 Läufe und beim ICON-EPS etwa 10 bis teils 35 von
40 Läufen. Der Schwerpunkt liegt dabei an den Alpen sowie im Vorland dieser.

Neben dem Niederschlagsereignis steigen zum Ende der kommenden Woche auch die
Temperaturen wieder signifikant an und erreichen im Südwesten wieder die
30-Grad-Marke. Entsprechend zeigt der EFI dort für die Jahreszeit leicht
überdurchschnittliche Temperaturen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Bis einschließlich Dienstag det. EZ und MOSMIX, ab Mittwoch EZ-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel