DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

30-07-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 30.07.2020 um 10.30 UTC



Nach Hitzepush in der Kurzfrist ab Sonntag wieder zurückgehende Temperatur,
dabei zunächst wechselhaft. Im Laufe der Woche von Süden zunehmender
Hochdruckeinfluss.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 06.08.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag ist die
erste kleine Hitzewelle (bezogen auf Fläche und absolute Temperatur) des Sommers
2020 schon wieder vorbei. Glücklicherweise könnte man jetzt noch hinzufügen,
allerdings hat sich der Verfasser vorgenommen, die von Haus aus geforderte
Neutralität bei der Schilderung meteorologischer Prozesse weitgehend
einzuhalten.
Also, Fakt ist, dass sowohl das hitzebringende Hoch mit überlagertem Rücken als
auch die nachfolgende Rinne mit rückseitiger Kaltfront den Vorhersageraum im
Wesentlichen überquert haben. Im Wesentlichen deswegen, weil die Kaltfront im
Osten anfangs noch Präsenz zeigt und zudem im äußersten Süden bzw. Südosten ins
Schleifen kommt. Dahinter setzt sich landesweit erwärmte Meeresluft subpolaren
Ursprungs durch, deren Temperaturprofil in 850 hPa zum Tagesende von etwas über
6°C an der Nordsee bis zu 13°C im äußersten Süden reicht. Der mit der leichten
KLA verbundene Druckanstieg sorgt einmal mehr für die Auferstehung des
Azorenhochkeils, der sich rank und schlank bis nach Süddeutschland vorarbeitet.
Allerdings kann er nicht verhindern, dass es im Süden und Südosten zu teils
kräftigen Gewittern und (Stark)Regenfällen kommt und auch im Osten kann es - je
nach Timing - ordentlich krachen. Nach Nordwesten hin entwickeln sich in
Verbindung mit einem durchschwenkenden Kurzwellentrog einige, wahrscheinlich
nicht-gewittrige Schauer.
Zu Beginn der neuen Woche gelangen wir nur kurzzeitig auf die Vorderseite eines
mäßig amplifizierten Höhentrogs, der sich relativ bald zum Übergriff auf den
Vorhersageraum entscheidet und uns wechselhaftes Wetter mit teils gewittrigen
Niederschlägen und weiter zurückgehenden Temperaturen beschert. So geht die
850-hPa-Temperatur im Norden vorübergehend mal auf Werte um 5°C, im Süden um
10°C zurück.
Am Mittwoch folgt dem Trog ein flacher Rücken, bevor die Höhenströmung zum
Donnerstag hin eine vergleichsweise glatte Kontur annimmt. In Norddeutschland
setzt sich in der Peripherie eines von Irland in Richtung Norwegen ziehenden
Tiefs das wechselhafte Wetter mit zeitweiligem Regen und mitunter spürbar
auffrischendem Südwestwind fort. In der Mitte und im Süden dagegen überwiegt
leichter Hochdruckeinfluss (Kenner der Szene ahnen es bereits, der
Azorenhochkeil) und es bleibt abgesehen von ein paar wenigen Überentwicklungen
(Schauer oder Gewitter) über dem Bergland trocken. Temperaturmäßig geht es
wieder mächtig bergauf, bis Donnerstagabend steigt T850 auf etwa 10°C an Nord-
und Ostsee sowie dem angrenzenden Binnenland und bis zu 20°C zwischen Schwaben
(Bayern) und Südbaden.
"Blatt IV" (die erweiterte Mittelfrist von Freitag bis Sonntag) spricht eine
eindeutige Sprache: Austrogung über dem Ostatlantik => stromab Aufwölbung eines
veritablen Rückens über Mitteleuropa => zunehmender Hochdruckeinfluss mit Zufuhr
von Subtropikluft => nächste Hitzeattacke (T850 im Norden um 15°C, im Süden um
oder sogar über 20°C). Möglicherweise die (nach Siebenschläferregel etwas
verfrühte) von den einen erhoffte, von anderen durchaus verzichtbare Umstellung
der großräumigen Strömungskonfiguration???
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der Konsistenz der jüngsten Läufe von IFS (ECMF) kann lediglich das Attribut
"mittelmäßig" verliehen werden. Unstrittig ist, dass die heute beginnende kleine
Hitzewelle im Laufe des Wochenendes bereits wieder beendet wird. Dass es danach
leicht wechselhaft weitergeht, wird ebenfalls nicht angezweifelt. Unklar
hingegen sind Timing und Konfiguration der dann folgenden wetterbestimmenden
Systeme (in der Höhe Tröge und Keile bzw. Rücken, im Bodenniveau Hochs und
Tiefs), die von Lauf zu Lauf etwas anders simuliert werden. Damit ändern sich
freilich auch die Niederschlagsprognosen (Intensität und räumliche Verteilung),
während die Auswirkungen auf die Temperaturentwicklung zunächst weniger sensibel
ausfallen.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die Aussage aus dem vorherigen Kapitel lässt sich ohne Wenn und Aber auf den
Modellvergleich übertragen. Jedes Modell, hier ICON, GFS, GEM und UKMO, hat
seine eigenen Vorstellungen vom Ablauf der wetterbestimmenden kurzen Wellen.
Dabei lohnt es nicht, jedes Szenario an dieser Stelle zu erörtern und
gegeneinander abzuwiegen, da auch die interne Konsistenz der anderen Modelle
nicht besser ist als bei IFS.
Bemerkenswert ist aber, dass die Modelle mit erweitertem Prognosehorizont über
168 h hinaus, nämlich die nordamerikanischen Koalition GFS und GEM, ebenfalls
auf eine hitzelastige und nicht nur ein, zwei Tage andauernde Hochdrucklage
hinarbeiten. Man darf gespannt sein...
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen durchweg einen bis
Prognoseende erfreulich eng gebündelten Verlauf, wie man ihn nicht alle Tage
antrifft. Damit lässt sich trotz der o.e. Konsistenzschwierigkeiten bei den
kurzen Wellen ein absolut belastbarer Kurs festzurren. Daran ändert auch die
Tatsache nichts, dass die Streuung im Laufe der nächsten Woche kontinuierlich
etwas zunimmt. Die Trends sind eindeutig mit einem bis Dienstag währenden
Temperatur- und Potenzialrückgang, der von täglich wiederkehrenden
Niederschlagspeaks begleitet wird. Danach geht es bei zunehmender Abtrocknung
(außer im äußersten Norden) wieder bergauf, wobei sich Haut- und Kontrolllauf
jeweils am oberen Rand der Kurvenscharen befinden. Die GFS-EPS-Rauchfahnen
zeigen übrigens nahezu das gleiche Muster, nur ganz am Ende (Richtung zweites
Augustwochenende) nimmt die Heterogenität merklich zu.
Bei der Clusterung werden zu Beginn (T+72...96h, Sonntag auf Montag) zwar vier
Module gezeigt, in denen vom allerdings durch den schleichenden Alterungsprozess
beeinträchtigten Auge des Verfassers zumindest für unseren Raum keine
Unterschiede festgestellt werden konnten. Ab Dienstag (T+120...168h) erhöht sich
die Anzahl der Cluster auf fünf, die aber alle die beschriebene Trogpassage
offerieren und auch alle dem Klimaregime "NAO positiv" zugeordnet werden.
Unterschiede offenbaren sich in der Geometrie des Troges (mal mehr, mal weniger
flach, in CL 5 (nur 4 Fälle) gar mit Abtropfen südlich der Alpen a la GFS und
ICON) sowie des nachfolgenden Rückens. Für den Zeitraum T+192...240 h (Freitag
bis Sonntag) wird die Clusterung auf die maximale Anzahl von sechs ausgereizt.
Bis auf CL 6 (4 Fälle) setzen alle auf Hochdruckeinfluss mit überlagertem
Rücken.

FAZIT: Der Generalkurs steht. Die Schwankungen um den Median herum lassen
hingegen noch Spielraum, dem in den offiziellen Wettervorhersagen mit
allgemeinen Formulierungen Rechnung getragen wird.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Anfangs, also am Sonntag und Montag, ist die Wahrscheinlichkeit für kräftige
Gewitter mit lokaler Unwettergefahr am größten, auch wenn noch keine
zufriedenstellende räumliche Zuordnung erfolgen kann. Der Süden und Osten
schälen sich aber als die Regionen heraus, in denen am meisten gehen sollte. Mit
Unterstützung von "Gegenstrom" ist am Montag im Süden auch mal länger
andauernder, mit Gewittern durchsetzter Regen möglich.
Im Laufe der Woche nimmt die Wahrscheinlichkeit signifikanter
Wettererscheinungen ab. Vor allem am Mittwoch liegt für die Nordseeküste eine
geringe Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen 8 Bft um Südwest vor. Zudem
könnte in der zweiten Wochenhälfte von Süden die Wärmebelastung wieder zunehmen.

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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-MOS mit IFS-EPS und Modell.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann