DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 29.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Samstag Gewitterlage, auch lokale Unwetter wahrscheinlich.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... wird die westliche Strömung über Europa geprägt von einem
Höhenrücken, der sich amplifiziert und auf Westeuropa übergreift, sowie einem
Trog über Skandinavien und dem östlichen Mitteleuropa, der langsam nach Osten
abzieht. Der Rücken stützt ein Bodenhochdruckgebiet, das vom Ärmelkanal kommend
nach Norddeutschland zieht.
Die ehemals frischere Meeresluft konnte sich schon tagsüber erwärmen und
modifiziert zu einer Festlandsluftmasse, in der eine meist wolkenarme und recht
kühle Nacht ansteht. In der trockenen Luft gehen die Temperaturen gebietsweise
wieder in den einstelligen Bereich zurück. Nebel bildet sich höchstens über
Süddeutschland örtlich, wird aber kaum warnrelevant.
Der Norden liegt zunächst noch im Übergangsbereich zu tiefem Luftdruck über
Skandinavien in einer westlichen bis nordwestlichen Strömung mit der feuchtere
Nordseeluft einfließt.
Diese ist bis 750/800 hPa leicht instabil geschichtet, was zunächst für ein paar
leichte Schauer reicht, mit denen im Laufe der Nacht Schluss sein dürfte, da das
Absinken die Inversion nach unten drückt.
Der Druckgradient im Norden fächert auf. Anfangs gibt es an der See Böen Bft 7
bis 8 aus West bis Nordwest, zum Morgen beschränken sich Windböen um 55 km/h im
Wesentlichen auf die Ostseeküste und exponierte Lagen an der nordfriesischen
Küste.

Donnerstag ... verhält sich das Strömungsmuster leicht progressiv. Ein
Langwellentrog über dem Nordatlantik kommt bis vor die europäischen Küsten nach
Osten voran. Durch kräftige Warmluftadvektion auf seiner Vorderseite kräftigt
sich der Rücken über Westeuropa weiter und verlangsamt seine Ostprogression,
langt aber dennoch zum Tagesende über der Nordsee an. Das Bodenhochdruckgebiet
unter seiner Vorderseite liegt über Norddeutschland und schwächt sich mit
fortschreitender Erwärmung im Tagesverlauf etwas ab, was aber nichts an dem
andauernden leichten Absinken bei uns ändert.
Der Nordosten und Norden liegen zunächst im Randbereich zum Trog, bzw. dem
tiefen Druck über Skandinavien und Osteuropa in einer unter 800 hPa feuchteren
nordwestlichen Strömung. Darin ziehen einige Sc, Cu Wolkenfelder ohne
nennenswerte Niederschläge durch. Die Temperatur steigt auf Maxima zwischen 18
und 25 Grad an.
Etwas Druckgradient ist im Nordosten zunächst auch vorhanden und bringt an der
Ostsee kräftige Böen aus westlicher Richtung bis Bft 7 an exponierten
Küstenabschnitten.
Im Bereich des Hochs und südlich davon scheint vielerorts die Sonne und die
Luftmasse erwärmt sich durch Absinken und kräftige, nahezu ungehinderte
Einstrahlung weiter. In 850 hPa werden zwischen 12 Grad im nördlichen
Mittelgebirgsraum und 20 Grad im äußersten Südwesten erreicht, was sich in 2m
Temperaturen von 26 bis 33 Grad widerspiegelt.
Im äußersten Süden reichert sich in der Grenzschicht wieder einiges an
Feuchtigkeit an, die Luftmasse wird labiler und es werden CAPE Werte ganz im
Süden bis über 1500 J/kg generiert. Allerdings sitzt der Deckel durch das
Absinken auch fest, sodass eine Auslöse der Labilität unwahrscheinlich ist.
Sollte es mithilfe der Orografie am Alpenrand doch mal reichen, wären
unwetterartige Entwicklungen nicht ausgeschlossen.
Die Nacht zum Freitag verläuft unter dem Einfluss des mit Schwerpunkt langsam
nach Osten wandernden Hochs ruhig und meist gering bewölkt oder klar. Örtlicher
Nebel im Süden wird nicht warnwürdig und auch an der Ostsee ist in Sachen Wind
nicht mehr viel los.

Freitag ... kommt der weiter aufsteilende Höhenrücken mit seiner Achse nach
Westdeutschland voran, während das Bodenhochdruckgebiet in einer von
Skandinavien nach Südosteuropa reichenden Hochdruckzone aufgeht.
Der Trog über dem Atlantik nähert sich dem Kontinent weiter an und auf seiner
Vorderseite bildet im Tagesverlauf über Frankreich eine Tiefdruckrinne vor der
der Zustrom heißer subtropischer Luft nach Deutschland einsetzt.
Diese ist meist noch trocken, weshalb verbreitet anhaltend die Sonne scheint.
Die Temperaturen überschreiten im Westen, Süden und der Mitte häufig die 30
Grad-Schwelle, im Südwesten, vor allem am Oberrhein wird es bei 850 hPa Werten
bis 23 Grad teilweise bis 38 Grad heiß.
Nur der Norden und Osten kommen weniger warm davon, obwohl auch hier meist die
Sonne scheint und außer ganz im Nordosten ein sehr warmer Sommertag ansteht.
Die Luftmasse wird im Süden immer labiler, meist fehlt aber weiter die nötige
Feuchte (der dynamische Trigger sowieso) um hochreichende Konvektion möglich zu
machen. An ehesten ganz im Süden, in den Alpen sind mit Hilfe der Orografie
nachmittags und abends einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen. Die kaum
ziehenden Zellen können durch Starkregen und Hagel schnell in den
Unwetterbereich gelangen.
Der Wind spielt keine prominente Rolle, er lebt tagsüber aus östlichen bis
nördlichen Richtungen auf, die Böen liegen unterhalb der Warnschwellen.

In der Nacht zum Samstag kommt die Bodenrinne nach Benelux und in den Nordosten
Frankreichs voran. Je nach vorangegangener Entwicklung im Bereich der Rinne
könnten erste, vielleicht kräftige Gewitter den Westen und Südwesten
Deutschlands im Laufe der Nacht erfassen.
Unter den Wolken, die im Westen aufziehen, geht die Temperatur gebietsweise
nicht unter 20 Grad zurück, in Innenstädten liegen die Minima teils um 23 Grad.
Hier wird im Zusammenhang mit den Tagestemperaturen die Hitzebelastung wieder
ein Thema.
Darüber hinaus hält sich über der Mitte und dem Osten der Einfluss der
schwächelnden Hochdruckzone mit geringer Bewölkung und vor allem nach Osten hin
auch schlaftauglichen Lufttemperaturen.

Samstag ... schwenkt die Rückenachse langsam über Deutschland nach Osten,
während sich das Bodenhoch weiter nach Osten zurückzieht. Wir kommen derweil auf
die Vorderseite des westeuropäischen Troges. Die vorgelagerte Rinne mit
Konvergenz und feuchterer sowie potentiell instabiler Luft schiebt sich von
Westen nach Deutschland herein.
PPW steigt im Westen bis 40 mm, ML CAPE bis 2000 J/kg womit die Voraussetzungen
für starke Gewitter immer besser werden. Die Labilität ist zwar teilweise stark
gedeckelt, doch liegen nun - außer im Süden - auch dynamische Hebungsantriebe
durch kurzwellige Tröge und das in der Rinne gebietsweise konvergente
Bodenwindfeld vor, die die Auslöse unterstützen.

Entsprechend dürften sich über dem Westen, Südwesten und der Mitte im
Tagesverlauf, so denn nicht schon aus der Nacht heraus hochreichende Konvektion
unterwegs ist, teils starke Schauer und Gewitter bilden, die rasch
Unwetterkriterien genügen können. Dabei spielen vor allem Starkregen und Hagel
eine Rolle, aber auch Sturmböen, teils schwer sind durch die trockene
Grundschicht (Stichwort: invertet V) durchaus möglich. Im Süden sind eventuelle
Gewitter wohl eher an die Orografie geknüpft. Obwohl es für Details noch zu früh
ist, scheint eine überregionale Unwetterlage möglich, auch wenn z.B. die
Globalmodelle die Niederschläge noch sehr verhalten simulieren.

Im Norden und Osten hält die trockene östliche Strömung aus der Hochdruckzone
dagegen, so dass es dort trocken und meist sonnig bleibt.
Die Temperaturen überschreiten außer im Norden die 30 Grad, im Süden sind
gebietsweise um 35 Grad möglich mit großer Hitzebelastung.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren den großräumigen Ablauf ohne wesentliche Unterschiede.
Die möglichen Gewitter morgen und Freitag am Alpenrand sind zwar nicht
ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.
Für Samstag deutet sich eine Gewitterlage an. Wie intensiv das Ganze wird, ist
noch unsicher; die Globalmodelle zaudern mit den Niederschlägen.

Auf jeden Fall sprechen die Zutaten (Trogvorderseite, Bodenrinne mit steigender
Feuchte und sehr labiler Luft etc ...) auch für eine Schwergewitterlage, die
eine Vorabinfo rechtfertigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner