DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis in die Nacht hinein im äußersten Süden Gefahr schwerer Gewitter!
Am Mittwoch an den Küsten und auf einigen Berggipfeln stürmische Böen oder
Sturmböen. Donnerstag und Freitag von Südwesten zunehmende Hitze, an den Alpen
vereinzelte kräftige Gewitter möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... dauert die fast schon herbstliche Züge annehmende zyklonale Westlage
an. Dabei gerät Deutschland zunehmend in den Einflussbereich eines breiten
Höhentroges, dessen Drehzentrum sich im Laufe der Nacht allmählich von der
nördlichen Nordsee nach Südnorwegen verlagert. Vor allem Süddeutschland befindet
sich anfangs noch trogvorderseitig unterhalb einer südwestlichen Höhenströmung,
während sie ansonsten mit Übergreifen des Troges mehr und mehr auf West dreht.
Das korrespondierende Bodentief vor der Südwestküste Norwegens bleibt nahezu
quasistationär, nimmt aber zunehmend Dipol-Struktur an mit einem weiteren
Tiefkern über der Haltenbank. Die Kaltfront des Tiefs hat inzwischen die Donau
erreicht, gerät aber - zunehmend höhenströmungsparallel exponiert - ins
Schleifen und erreicht erst im Laufe der Nacht den Alpennordrand. Präfrontal
haben sich innerhalb der potenziell instabilen Luftmasse kräftige Gewitter
gebildet, die sich im Laufe der ersten Nachthälfte allmählich abschwächen und
ostwärts verlagern. Bei markanter hochreichender Scherung (15 bis 25 m/s),
mäßiger Cape (über 1000 J/kg) und relativ hohen PPW-Werten (über 35 mm) besteht
in den kommenden Stunden noch ein recht hohes Unwetterpotenzial, am ehesten im
östlichen Alpenvorland (Chiemgau, Berchtesgadener Land); aufgrund der Scherung
und der inverted-V-Struktur der Aufstiege (großer Spread im Vorfeld der
Gewitter) sind neben größerem Hagel und Starkregen über 30 mm in kurzer Zeit vor
allem schwere Sturm- bis hin zu Orkanböen (bei Bow Echo Segmenten) ins Kalkül zu
ziehen.
Nach Abzug der Gewitter fällt vor allem an den Alpen und im angrenzenden
Alpenvorland noch gebietsweise schauerartiger Regen, dabei ist auch
mehrstündiger Starkregen nicht ausgeschlossen. Die Signale dafür aus der
Probabilistik sind aber nur gering.
Im übrigen Land ist die Kaltfront überwiegend wetterinaktiv durchgezogen. Ihr
folgt erwärmte maritime Polarluft (T850 hPa morgens zwischen 4 Grad im
Nordwesten und 12 Grad am Alpenrand). Dabei weitet sich von Frankreich her ein
Bodenhochkeil nach West- und Süddeutschland aus, so dass der Gradient rasch
auffächert und der Wind fast überall bereits in den Abendstunden deutlich
nachlässt. Lediglich ganz im Norden, insbesondere im Nordseeumfeld und in
Schleswig-Holstein, führt die Annäherung eines Bodentroges erneut zu einer
Gradientverschärfung und nach kurzer Abnahme frischt der Wind dort erneut mit
verbreiteten steifen und exponiert auch stürmischen Böen (Bft 7 bis 8).
Mit Annäherung der Trogachse kann im Laufe der Nacht die Schauertätigkeit im
äußersten Norden wieder etwas aufleben. Die Schauer reichen aber kaum bis 600
hPa, die -10 Grad Top-Temperatur werden somit kaum erreicht, so dass die
Wahrscheinlichkeit für kurze Gewitter nicht allzu hoch ist.
Während sich von Nordwesten her bis in die Norddeutsche Tiefebene gebietsweise
recht dichte SC-Bewölkung ausbreitet und es auch südlich der Donau bis rüber zum
Bayerwald meist stark bewölkt bleibt, lockern die Wolken sonst stärker auf,
gebietsweise ist es auch gering bewölkt, vor allem im Westen und in der Mitte.
Im äußersten Süden bleibt es mit Tiefstwerten zwischen 17 und 13 Grad relativ
mild, sonst kühlt es auf 13 bis 7 Grad ab, in einigen Mittelgebirgstälern bei
klarem Himmel eventuell auch noch etwas darunter.

Mittwoch ... schwenkt der Trog über Mitteleuropa hinweg ostwärts. Knapp westlich
der Britischen Inseln wölbt sich ein Höhenrücken auf, so dass die Höhenströmung
auf Westnordwest dreht, wobei sie relativ glatt konturiert bleibt.
Gestützt durch den Rücken, weitet sich der Bodenhochkeil über die Mitte und den
Süden Deutschlands hinweg weiter nach Osten aus, etwa über dem Ärmelkanal und
Nordwestfrankreich kann sich eine kleine Hochdruckparzelle abspalten. Insgesamt
verstärkt sich das Absinken über dem Vorhersagegebiet und die Kaltfront an den
Alpen löst sich auf. Der Regen am Alpenrand hört in den Frühstunden auf und im
Tagesverlauf lockern die Wolken auch dort stärker auf. Unterhalb der
Absinkinversion in 800 bis 850 hPa bleibt die Luftmasse in der Mitte und im
Süden zwar leicht labil geschichtet, ist aber recht trocken, so dass es nur für
flache, Richtung Alpen und ostbayerischen Mittelgebirgsraum auch für etwas höher
reichende Quellwolken reicht, es bleibt aber wohl meist trocken. Ansonsten
scheint vielerorts die Sonne, am längsten im Südwesten.
Der Norden bleibt noch im Einflussbereich des langsam abziehenden Höhentroges.
Vor allem Richtung Küsten und in Schleswig-Holstein gibt es einzelne Schauer.
Diese reichen aber weiterhin kaum höher als 650 hPa bzw. -10 Grad, so dass die
Gewitterwahrscheinlichkeit vernachlässigbar gering bleibt. Weiter landeinwärts,
über der Norddeutschen Tiefebene, reicht die Inversion kaum über 750 bis 800
hPa; an ihr können sich zwar gebietsweise etwas dichtere SC-Felder ausbreiten,
so dass sich die Sonne rar macht, es bleibt aber trocken.
An der Südflanke des Bodentiefkomplexes über Süd- und Mittelskandinavien
verlagert sich der Bodentrog über Dänemark und den äußersten Norden Deutschlands
hinweg ostwärts und sorgt noch für eine weitere Gradientverschärfung. Somit
frischt der Wind im Norden und Osten mit Unterstützung durch den Tagesgang auch
im Binnenland aus West bis Südwest auf und es gibt recht verbreitet steife Böen.
An den Küsten reicht der Gradient für verbreitete stürmische Böen, an
exponierten Abschnitten zunächst der Nord- später der Ostsee kann es auch
einzelne Sturmböen geben, ebenso auf dem Brocken.
Im Einflussbereich des Hochkeils kann sich die Luftmasse vor allem im Süden und
in der Mitte wieder erwärmen, die 850 hPa-Temperatur steigt bis zum Abend auf 15
Grad im Südwesten, während sie über der Nordsee bei 4 Grad verharrt. Somit
bleibt es im Norden mit Höchstwerten zwischen 17 und 22 Grad fast schon
herbstlich, in der Mitte werden 22 bis 27 Grad, im Süden 24 bis 28, im südlichen
Oberrheingraben knapp 30 Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag verstärkt sich die inzwischen vom Südosten Englands
bis weit nach Ost- bzw. Südosteuropa reichende Hochdruckzone weiter und bildet
einen Schwerpunkt in etwa über der Mitte des Vorhersagegebietes aus. Der
Tiefdruckkomplex über Skandinavien füllt sich nur langsam auf, an dessen
Südflanke bleibt der Gradient auch aufgrund der Tatsache, dass sich das
Hochdruckgebiet etwas verstärkt, vor allem im Nordosten recht scharf ausgeprägt.
Während der Wind im Binnenland rasch nachlässt, gibt es an den Küsten weiterhin
steife, vor allem an der Ostsee anfangs auch noch stürmische Böen aus West bis
Nordwest, an der Nordsee dürfte er ausgangs der Nacht aber kaum mehr
warnrelevant sein. An den Küsten kann es noch vereinzelt kurze Schauer geben,
allerdings reichen die kaum höher als 750 hPa und sind kaum mehr erwähnenswert.
Niedertroposphärisch nimmt die KLA im Norden/Nordosten mit Winddrehung auf
Nordwest sogar noch etwas zu, die Temperatur in 850 hPa sinkt noch ein wenig ab.
Etwas dichtere SC-Felder können sich dabei unterhalb der Inversion bis ins
küstennahe Binnenland ausweiten.
Weiter südlich bleibt es meist gering bewölkt oder klar, ganz im Süden kann sich
innerhalb der dort noch etwas feuchteren Grundschicht örtlich Nebel bilden.
Entsprechend frisch fällt auch die Nacht aus, vor allem in den mittleren
Landesteilen. Unter den dichteren Wolken im Norden bzw. Nordosten sowie ganz im
Süden liegen die Tiefstwerte meist zwischen 14 und 10 Grad, sonst zwischen 11
und 6 Grad, in einigen Mittelgebirgstälern kann es auf unter 5 Grad abkühlen.

Donnerstag ... setzt sich eine markante Austrogung über dem mittleren
Nordatlantik weiter fort. Auf dessen Vorderseite stützt kräftige WLA weiterhin
den Höhenrücken über den Britischen Inseln, der nur zögernd nach Osten
vorankommt, sich aber weiter nach Norden aufwölbt. Dadurch dreht die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Nordwest und bleibt im Nordosten
leicht zyklonal konturiert.
Die sich wieder etwas abschwächende, aber weiterhin durch den Rücken gestützte
Hochdruckzone nimmt eine etwas meridionalere Ausrichtung an und reicht abends
von der Nordsee über das Vorhersagegebiet hinweg südostwärts bis nach
Südosteuropa. Nordöstlich der Divergenzachse gelangt aber weiterhin recht kühle
Meeresluft (T850 hPa 5 bis 8 Grad) in den Norden und Nordosten des Landes. Die
Absinkinversion liegt tagsüber bei etwa 800 hPa, so dass es für Schauer auch an
den Küsten nicht mehr reichen sollte, dafür aber für Wolkenfelder, die sich an
der Inversion ausbreiten. Dennoch dürfte die Sonne größere Spielanteile als am
Vortag haben und es wird mit 18 bis 23 Grad wohl auch ein wenig wärmer.
Der Wind weht im Nordosten weiterhin lebhaft aus Nordwest, allerdings fächert
der Gradient allmählich auf, so dass es wohl lediglich im Ostseeumfeld sowie
vielleicht in Ostvorpommern noch für einzelne steife Böen reicht.
In der Mitte und im Süden scheint dagegen bei nur wenigen flachen Quellwolken
vielerorts die Sonne. Die meist trockene Luftmasse kann sich kräftig erwärmen
auf etwa 14 Grad in 850 hPa im zentralen Mittelgebirgsraum und bis 21 Grad im
äußersten Südwesten. Das mündet in Höchstwerte zwischen 24 und 31 Grad, im
Südwesten bis 34 Grad.
Im äußersten Süden weist die Luftmasse allerdings bereits wieder eine erhöhte
potenzielle Instabilität auf und mit der Einstrahlung sowie der
Feuchteanreicherung innerhalb der Grundschicht können vor allem an den Alpen und
im angrenzenden Vorland über 1000 J/kg ML-Cape generiert werden. Allerdings ist
sie durch das überlagerte Absinken noch ziemlich stark gedeckelt, so dass
lediglich die Orographie zur Auslöse beitragen kann. Sollte das der Fall sein,
ist bei PPW-Werten bis nahe 30 mm und nur geringer Zuggeschwindigkeit vor allem
aufgrund von Hagel und Starkregen schnell Unwetterpotenzial erreicht.

In der Nacht zum Freitag erreicht der Höhenrücken die Nordsee. Auf dessen
Vorderseite dominiert über dem Vorhersagegebiet weiterhin Absinken. Das
Bodenhoch nimmt nochmals eine geringfügig meridionalere Ausrichtung an und
dessen Divergenzachse kommt ein wenig nach Osten voran.
Somit steht eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Eventuelle Gewitter an
den Alpen lösen sich rasch auf und auch die Wolken im Nordosten bekommen größere
Lücken. Vielerorts ist es gering bewölkt oder klar, im Süden bildet sich örtlich
Nebel. Die Tiefstwerte dürften ganz im Süden/Südwesten in einigen Regionen kaum
mehr die 20 Grad unterschreiten, während es sonst mit 17 bis 12 Grad, in einigen
Mittelgebirgslagen und im Nordosten gebietsweise unter 10 Grad noch recht frisch
wird.

Freitag ... kommt der nach wie vor markant ausgeprägte Höhenrücken weiterhin nur
zögernd nach Osten voran und erreicht mit seiner Achse erst in den Abendstunden
den Westen Deutschlands.
Die inzwischen fast vollständig meridional ausgerichtete Hochdruckzone verlagert
sich allmählich ostwärts und reicht abends von Südskandinavien über die
Osthälfte Deutschlands und den Ostalpenraum bis zum Balkan. Dabei dreht die
Strömung niedertroposphärisch mehr auf Süd bis Südwest und macht vor allem im
Westen und Süden den Weg frei für heiße Subtropikluft. Die 850 hPa-Temperatur
steigt bis zum Abend auf 12 Grad an der Oder, während sie im Südwesten zumindest
nach Lesart des ICON-EU auf 20 bis 24 Grad steigt. IFS von 00 UTC hat ähnlich
hohe Werte auf der Agenda, nach Lesart des GFS sind sie aber um etwa 2 bis 3 K
niedriger.
Im Süden bleibt die Luftmasse potenziell instabil geschichtet, der starke Deckel
führt zu einer weiteren Feuchteanreicherung innerhalb der Grundschicht. Vor
allem entlang und südlich der Donau werden seitens ICON-EU gebietsweise mehr als
2000 J/kg ML-Cape simuliert, GFS hat ähnlich hohe Werte auf der Agenda,
allerdings etwas weiter im Südwesten, diese sind auch wohl dem Feuchtebias des
Modells geschuldet.
Die markante Deckelung dürfte Auslöse weitgehend verhindern; sollte dennoch die
Orographie als Trigger reichen, stehen erneut Starkregen und Hagel und mit dem
großen Spread auch Sturmböen im Fokus, wobei die Unwetterkriterien rasch
erreicht sind.
Ansonsten steht aber ein wettertechnisch ruhiger Tag ins Haus. Vor allem im
Nordosten zeigen sich noch einige flache Quellwolken, sonst scheint aber
verbreitet die Sonne. Im Norden und Osten erreichen die Höchsttemperaturen noch
verhältnismäßig angenehme Werte zwischen 24 und 28 Grad, an den Küsten bei
auflandigem Wind 20 bis 23 Grad. Im Süden und Westen wird es dagegen heiß mit
Höchstwerten zwischen 29 und 35 Grad, an Rhein, Mosel und Umgebung können auch
sehr heiße 34 bis 38 Grad erreicht werden.



Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen. Auch im Detail simulieren die Modelle eine sehr
ähnliche Wetterentwicklung, sieht man mal von der aktuell noch laufenden
Gewitterlage ganz im Süden ab.
Nach wie vor hat ICON-EU am Freitag um etwa 2 bis 3 K höhere 850
hPa-Temperaturen auf der Agenda als das GFS.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff