DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 27.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Dienstag Kaltfrontpassage, im Südosten präfrontal kräftige Gewitter mit
Unwetterpotenzial. Im Bergland, am Mittwoch auch an den Küsten, stürmische Böen
oder Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... greift von den Britischen Inseln her ein umfangreicher
Langwellentrog auf die Nordsee über. Dessen Drehzentrum verlagert sich bis
Dienstagfrüh von Schottland zur nördlichen Nordsee.
Das mit dem Trog korrespondierende und aktuell nahe der schottischen Ostküste
gelegene Bodentief "DANA" befindet sich anfangs entwicklungstechnisch günstig
auf dessen Vorderseite und kann sich noch etwas vertiefen (Kerndruck um 06 UTC
knapp über 985 hPa), ehe es in den Frühstunden des Dienstags achsensenkrecht
unterhalb des Höhentiefs positioniert ist und den Höhepunkt seiner Entwicklung
erreicht hat.
Die Warmfront überquert im Laufe der Nacht die Nordsee bzw. den äußersten Norden
Deutschlands rasch nordostwärts, die Kaltfront erreicht in den Frühstunden
bereits die Deutsche Bucht.
Bereits im Vorfeld der Warmfront ist aktuell über dem Norden und Osten des
Vorhersagegebietes markante WLA aktiv, die sich in der Nordhälfte und im
Nordwesten in Form dichter Wolkenfelder und leichter Regenfällen bemerkbar
macht, die im Laufe der Nacht nordwärts abziehen. Vereinzelt kann es in den
Abendstunden ganz im Westen sogar Warmlufteinschubgewitter geben.
In der Südhälfte bleibt es dagegen vielerorts gering bewölkt und auch in der
Mitte lockern die Wolken vorübergehend auf, ehe sie mit Annäherung der Kaltfront
im Westen wieder dichter werden. Im Vorfeld bzw. mit Passage der anfangs noch
halbwegs wetteraktiven Front kann es im Nordseeumfeld ausgangs der Nacht
gebietsweise schauerartige Niederschläge geben, ein kurzes Gewitter nicht
ausgeschlossen.
Mit Annäherung des Tiefs verstärkt sich vor allem im Nordwesten der Druckfall,
was zu einer Gradientverschärfung führt. In den Kamm- und Gipfellagen einiger
Mittelgebirge (in erster Linie Harz und Erzgebirge) kann es später stürmische
Böen (Bft 8) aus Süd bis Südwest geben, auf dem Brocken auch Sturmböen (Bft 9).
Auch im Nordseeumfeld frischt der Wind im Laufe der zweiten Nachthälfte aus Süd
auf und dreht mit Kaltfrontpassage auf West, dabei kann es steife Böen (Bft 7)
geben.
Ansonsten verläuft die Nacht aber wettertechnisch ruhig. Erwähnenswert am Rande
ist noch die kräftige niedertroposphärische Advektion sehr warmer Luft
subtropischen Ursprungs von Südwesten her, wodurch sich ein markanter Gradient
der 850 hPa-Temperatur aufgebaut hat. Um Mitternacht werden über dem
Alpenvorland 21 Grad simuliert, über der Deutschen Bucht dagegen 10 Grad.
Aufgrund des oft klaren Himmels kann die Luftmasse bodennah über Süddeutschland
(nachdem im Südwesten bereits heute bis zu 33 Grad erreicht wurden) aber noch
einigermaßen auskühlen, so dass sich die Tiefstwerte recht einheitlich zwischen
18 und 12 Grad bewegen, lediglich in einigen Ballungszentren entlang des Rheins
bleibt es eventuell milder.

Dienstag ... kommt der Langwellentrog über der Nordsee zunächst kaum nach Osten
voran, abends befindet sich dessen Drehzentrum vor der norwegischen
Südwestküste, somit bleibt das Vorhersagegebiet trogvorderseitig unterhalb einer
verhältnismäßig glatten, leicht zyklonal konturierten südwestlichen
Höhenströmung.
Die Kaltfront des nur zögernd ostwärts zur nördlichen Nordsee ziehenden
Bodentiefs kommt relativ zügig nach Südosten voran. Sie wird von KLA und
Druckanstieg überlaufen und büßt weiter an Wetterwirksamkeit ein, so dass es am
ehesten im Nordwesten und Norden vielleicht mal für einen kurzen Schauer reicht
(nach Lesart des GFS und IFS mehr als nach ICON-EU), es aber ansonsten mit
Frontpassage vielerorts trocken bleibt. Allerdings frischt der Wind
vorübergehend aus West auf, in freien und windexponierten Lagen kann es steife
Böen geben, in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge stürmische Böen, auf
dem Brocken Sturmböen. Präfrontal muss aufgrund orographischer Effekte (z.B.
Leitplankeneffekt) auch im Südwesten, in Franken sowie im westlichen
Alpenvorland mit einzelnen steifen, im Schwarzwald und entlang der Alb auf
exponierten Gipfeln auch mit stürmischen Böen gerechnet werden.
An der Südostflanke des Tiefs verschärft sich der Gradient vor allem im
Nordseeumfeld und in Schleswig-Holstein, so dass es dort ebenfalls Böen Bft 7,
entlang der nordfriesischen Küste eventuell auch stürmische Böen (Bft 8) gibt.
Am Abend erreicht die Front bereits in etwa eine Linie Schwarzwald-Oberfranken.
Postfrontal folgt ein Schwall erwärmter maritimer Polarluft vor allem nach
Nordwestdeutschland, die 850 hPa-Temperatur sinkt bis zum Abend auf 5 Grad über
der Nordsee und knapp über 10 Grad im Frontbereich.
Präfrontal gelangen vor allem in den Südosten nochmals sehr warme Luftmassen
subtropischen Ursprungs, die zunehmend potenziell instabil geschichtet sind. Da
sich niedertroposphärisch aber auch dort aufgrund des von Westen her
nachdrückenden kräftigen Hochkeils mit auffrischendem Westwind bereits schwache
KLA bemerkbar macht, ist die Luftmasse zunächst stark gedeckelt. Diese
Konstellation unterdrückt auch einmal mehr das alpine Pumpen im Alpenvorland und
das dadurch induzierte Rückdrehen des Bodenwindes auf Nordost. C-D2 simuliert
allerdings lediglich gebietsweise im östlichen Alpenvorland am Nachmittag
vorübergehend schwache östliche Winde, andere hochauflösende Modelle bleiben bei
eher westlichen Winden.
Dennoch dürfte sich etwas verstärkender dynamischer Hebungsantrieb (aufgrund von
PVA) mit Unterstützung durch die Orographie im Laufe des späten Nachmittags oder
Abends am Alpenrand zur Auslöse reichen. Mit Hilfe der Einstrahlung und lokaler
Feuchteflusskonvergenzen können im Alpenvorland 1000 bis 1500 J/kg ML-Cape
generiert werden bei recht hohen PPW-Werten von teils über 35 mm. Mit
Trogannäherung überlappt diese mäßig hohe Cape vor allem am Abend mit markanter
hochreichender Scherung von 15 bis 25 m/s (hochreichend, also 0 bis 5 km), dazu
kommt - im Falle einer bodennahen Winddrehung auf Ost - nach Osten zu auch
Einiges an bodennaher Richtungsscherung, die zu erhöhter sturmrelativer
Helizität im Vorfeld eventueller Gewitter führen könnte.
Summa summarum reichen diese Zutaten für Gewitter mit Unwetterpotential.
Vorstellbar sind am späten Nachmittag und/oder Abend erste kräftige Zellen an
den Alpen, die sich relativ rasch zu einem MCS, vielleicht auch zu einem
längerlebigen Bow-Echo organisieren und sich über das Alpenvorland hinweg
ostwärts verlagern. Alle Begleiterscheinungen können dabei lokal eng begrenzt
Unwetterkriterien erreichen (über 30 mm in kurzer Zeit, Hagel um 3 cm und
schwere Sturmböen über 100 km/h), im Falle eines Bow Echos können auch Orkanböen
nicht ausgeschlossen werden (zumal die Prognosesoundings ein durchaus
erwähnenswertes inverted-V Muster zeigen). Entlang einer aus einem eventuellen
MCS bzw. Multizellensystem herauslaufenden Outflow Boundary kann es auch etwas
weiter nördlich einzelne isoliertere Gewitter geben, die aber wohl ein etwas
geringeres Unwetterpotenzial aufweisen dürften.
Ob das Ganze wirklich so kommt, muss natürlich abgewartet werden. Ein stärkerer
Deckel, der lediglich direkt an den Alpen einige kräftige Gewitter zulässt,
könnte dabei auch einen Strich durch die Rechnung machen. Allerdings haben die
meisten hochauflösenden Modelle jeweils leicht modifiziert das oben beschriebene
Szenario auf der Agenda.
Während es im Südosten, vor allem in Südbaden, Teilen Bayerns und in der
Lausitz, mit Höchstwerten zwischen 29 und 34 Grad nochmals heiß wird, liegen die
Höchstwerte im Nordwesten nur noch zwischen 19 und 24 Grad, ansonsten zwischen
23 und 28 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert der Trog sein Drehzentrum zum Skagerrak bzw.
nach Südnorwegen und greift auf das westliche Mitteleuropa über. Die Kaltfront
des ebenfalls Richtung Skagerrak ziehenden Bodentiefs gerät über dem
Alpenvorland ins Schleifen und kommt nur langsam Richtung Alpen voran. Mit
Trogannäherung und damit einhergehenden, etwas zunehmenden dynamischen
Hebungsantrieb wird sie wieder aktiviert und die Gewitter an den Alpen bzw. im
Alpenvorland gehen in schauerartigen Regen über, wobei dann gebietsweise auch
mal "ungewittriger" Starkregen auftreten kann. Morgens klingen die Niederschläge
aber rasch ab.
Kurze Schauer gibt es auch mit Durchschwenken eines kurzwelligen Troganteils im
äußersten Nordwesten und Norden Deutschlands, allerdings reichen diese kaum
höher als 600 hPa, so dass die Gewitterwahrscheinlichkeit nur gering bleibt.
Weiter landeinwärts reicht es dann im Nordwesten kaum mehr für Schauer, sondern
nur noch für dichtere Wolkenfelder.
Von Warnrelevanz bleibt allerdings der Wind an den Küsten, die zunehmend an die
Südflanke des Bodentiefs geraten in den Bereich des schärfsten Gradienten. Im
Nordseeumfeld gibt es verbreitet steife, später auch stürmische Böen aus West,
an der Ostseeküste dagegen nur entlang exponierter Küstenabschnitte steife Böen.
Im Binnenland und auf den Bergen spielt der Wind dagegen warntechnisch keine
Rolle mehr.
Während es im äußersten Südosten mit 17 bis 13 Grad recht mild bleibt, kühlt es
sonst innerhalb der weiter südwärts vorstoßenden Meeresluft auf Werte zwischen
13 und 8 Grad ab, an den Küsten bleibt es etwas milder, in den westlichen und
zentralen Mittelgebirgen bei aufgelockerter, teils geringer Bewölkung wird es
gebietsweise kälter.

Mittwoch ... schwenkt der Trog über Mitteleuropa hinweg ostwärts. Knapp westlich
der Britischen Inseln wölbt sich ein Höhenrücken auf, so dass die Höhenströmung
wieder auf West dreht, wobei sie relativ glatt konturiert bleibt.
Gestützt durch den Rücken, spaltet sich aus dem Azorenhochkeil ein
Hochdruckgebiet über dem Ärmelkanal bzw. Nordwestfrankreich ab. Von dort reicht
ein Keil nach West- und Süddeutschland. Dort verstärkt sich das Absinken und die
Kaltfront an den Alpen löst sich auf. Unterhalb der Absinkinversion in 700 bis
850 hPa bleibt die Luftmasse leicht labil geschichtet, ist aber recht trocken,
so dass es nur für flache Quellwolken reicht, ansonsten scheint in der Mitte und
im Süden vielerorts die Sonne.
Der Norden bleibt noch im Einflussbereich des langsam abziehenden Höhentroges.
Vor allem Richtung Küsten und in Schleswig-Holstein gibt es einzelne Schauer.
Diese reichen meistens kaum höher als 600 hPa bzw. -10 Grad, so dass es
höchstens ganz vereinzelt mal für ein kurzes Gewitter reicht.
Weiter landeinwärts, in der Norddeutschen Tiefebene, breiten sich die
Quellwolken an der dort in etwa 700 hPa oder knapp darunter liegenden
Absinkinversion aus, so dass sich die Sonne zwar vielerorts eher rar macht, es
aber weitgehend trocken bleibt.
An der Südflanke des nach Südschweden ziehenden und sich nur langsam
auffüllenden Bodentief bleibt der Gradient vor allem im Norden und Osten scharf
ausgeprägt, zumal sich der Hochkeil auch noch etwas verstärkt. Mit dem Tagesgang
frischt somit der Wind auch im Binnenland aus West bis Südwest auf und es gibt
recht verbreitet steife Böen. An den Küsten reicht der Gradient für verbreitete
stürmische Böen, an exponierten Abschnitten zunächst der Nord- später der Ostsee
kann es auch einzelne Sturmböen geben, ebenso auf dem Brocken.
Im Einflussbereich des Hochkeils kann sich die Luftmasse vor allem im Süden und
in der Mitte wieder erwärmen, die 850 hPa-Temperatur steigt bis zum Abend auf 14
Grad über dem Hochrhein, während sie über der Nordsee bei 4 Grad verharrt. Somit
bleibt es im Norden mit Höchstwerten zwischen 17 und 22 Grad fast schon
herbstlich, in der Mitte werden 21 bis 26 Grad, im Süden 24 bis 28, im südlichen
Oberrheingraben vielleicht auch nahe 30 Grad erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich der Hochkeil weiter nach Osten aus, das
Hochdruckgebiet verlagert seinen Schwerpunkt in etwa in die Mitte des
Vorhersagegebietes. Das Bodentief füllt sich weiterhin nur zögernd auf und zieht
allmählich zur mittleren Ostsee, an dessen Südflanke bleibt der Gradient ganz im
Norden weiterhin recht scharf. Während der Wind im Binnenland rasch nachlässt,
gibt es an den Küsten weiterhin steife, vor allem an der Ostsee anfangs auch
noch stürmische Böen aus West bis Nordwest.
Ganz im Norden bleibt die Schichtung weiterhin bis etwa 650 hPa leicht labil,
was insbesondere an den Küsten noch für einzelne Schauer reicht.
Niedertroposphärisch nimmt die KLA im Norden/Nordosten mit Winddrehung auf
Nordwest sogar noch etwas zu, die Temperatur in 850 hPa sinkt auf 3 bis 5 Grad.
Dabei können sich nach wie vor gebietsweise dichtere SC-Felder bis in die
Norddeutsche Tiefebene ausbreiten, etwa bis zum Emsland, ins südöstliche
Niedersachsen bzw. bis nach Brandenburg.
Weiter südlich bleibt es meist gering bewölkt oder klar. Entsprechend frisch
fällt auch die Nacht aus, vor allem in den mittleren Landesteilen. Unter den
dichteren Wolken im Norden bzw. Nordosten sowie ganz im Süden liegen die
Tiefstwerte meist zwischen 14 und 10 Grad, sonst zwischen 11 und 6 Grad, in
einigen Mittelgebirgstälern kann es auf unter 5 Grad abkühlen.

Donnerstag ... setzt sich eine markante Austrogung über dem mittleren
Nordatlantik weiter fort. Auf dessen Vorderseite stützt kräftige WLA weiterhin
den Höhenrücken über den Britischen Inseln, der zwar kaum weiter nach Osten
vorankommt, sich aber weiter nach Norden aufwölbt. Auf dessen Vorderseite dreht
die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Nordwest und bleibt im Nordosten
leicht zyklonal konturiert.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt über die Mitte Deutschlands ein wenig
nach Norden. Nördlich der Divergenzachse gelangt aber weiterhin recht kühle und
gebietsweise auch wolkenreiche Nordseeluft in den Norden und Osten des Landes.
Die Absinkinversion liegt tagsüber bei etwa 800 hPa, so dass es für Schauer auch
an den Küsten nicht mehr reichen sollte. Allerdings kann sich auch die Sonne nur
schwer durchsetzen und es wird mit 18 bis 23 Grad maximal nur geringfügig wärmer
als am Vortag.
Der Wind weht im Nordosten weiterhin lebhaft aus Nordwest, allerdings fächert
der Gradient allmählich auf, so dass es wohl lediglich im Ostseeumfeld noch für
einzelne steife Böen reicht.
In der Mitte und im Süden scheint dagegen bei nur wenigen flachen Quellwolken
vielerorts die Sonne. Die trockene Luftmasse kann sich kräftig erwärmen auf etwa
12 Grad in 850 hPa im zentralen Mittelgebirgsraum und bis 18 Grad im äußersten
Südwesten. Somit liegen die Höchstwerte dort zwischen 24 und 30 Grad, am
Oberrhein werden bis zu 32 Grad erreicht.



Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich im Kurzfristzeitraum bis
Donnerstag keine signifikanten Modellunterschiede ausmachen.
Ob die morgige Gewitterlage im Alpenvorland die Ausgabe einer Vorabinformation
gerechtfertigt, muss abgewartet werden; wenn sich der aktuelle Modelltrend auch
am Dienstag bestätigt, würde sich die Ausgabe einer solchen im Stile eines
"Watches", wie es vom US-amerikanischen Wetterdienst herausgegeben werden,
vielleicht relativ zeitnah zum Ereignis, im Laufe des Nachmittags, empfehlen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff