DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2020 16:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute Abend im Osten und Süden Gewitter, mit geringem Unwetterpotential
bevorzugt im Südosten. Am Montag an der Nordsee einzelne steife, im
Hochschwarzwald auch stürmische Böen, sonst voraussichtlich warnfrei, im
Südwesten heiß. Am Dienstag im Süden und Osten sehr warm bis heiß, ab dem
Nachtmittag kräftige Gewitter mit Unwetterpotential, sonst windig, in den
Hochlagen auch stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... zeigt sich die Troposphäre mal wieder abwechslungsreich. Zwar sind
wir von einer hochsommerlichen Schwergewitterlage weiter weit entfernt und auch
länger anhaltender Dauerregen scheint aus der Fantasiewelt zu entstammen.
Stattdessen folgte am heutigen Sonntag auf eine kurze Phase der Wetterberuhigung
wieder die unbeständige Sommerseite. Der Sommer bleibt also zumindest derzeit
weiter auf mitteleuropäischem "Normalo-Kurs".

Am heutigen Sonntagabend schwenkt ein markanter Höhentrog von Ostdeutschland
nach Polen und in das Ostseegebiet weiter. Rückseitig stellt sich ausgehend von
dem zentralen Höhentief über den Färöer-Inseln und hohem Geopotential eine
verhältnismäßige glatte westliche Grundströmung ein, die vor allem nach Süden zu
jedoch noch einen weiteren signifikanten kurzwelligen Anteil umfasst, der über
den Südosten am Abend und in der ersten Nachthälfte ostwärts hinwegzieht.

Bodennah korreliert der Höhentrog mit der Kaltfront eines Tiefs vor der Küste
Norwegens, welches wiederum vom Zentraltief bei den Färöer-Inseln gesteuert
wird. Dabei wird die Kaltfront vom Trog überlaufen und in der Nordhälfte mit der
westlichen Höhenströmung rasch ostwärts nach Polen rausgeschoben. Im Südteil des
Landes nimmt die Front dagegen zunehmend eine strömungsparallele Komponente an,
sodass sich die südostwärtige Verlagerung stetig verzögert. Gleichzeitig kann
sich auf der Vorderseite eines schwach ausgeprägten Höhenrückens über Westeuropa
und dem Ostatlantik im Bodenniveau das Azorenhoch erneut bis nach Mitteleuropa
schlängeln. Absinkende Luftbewegungen und somit die Austrocknung der postfrontal
einfließenden subpolaren Meeresluft machen den konvektiven Bestrebungen im
Westen und Südwesten sowie im Verlauf auch in der Mitte schnell den gar aus.

Resultierend bleiben am Abend und in der Nacht zunächst zwei Wetterkampfgebiete
übrig. Zum einen liefert die in den Nordosten und Osten vorankommende leicht
labil geschichtete subpolare Meeresluft (T850 hPa 7 bis 11 Grad) dort noch
ausreichend Hebungsantrieb (200 bis 750 J/kg), um das eine oder andere Gewitter
auszulösen. Bei geringen Werten an DLS zwischen 12 und 18 m/s und LLS bis 10 m/s
sind vereinzelt linienhafte Strukturen zu erwarten, sodass der Fokus in diesen
Bereichen auf dem Wind liegen sollte. Demnach sind im Nordosten und Osten
Sturmböen bis 85 km/h und kleinkörniger Hagel wahrscheinlich, Starkregen um 20
l/qm/h aufgrund der Zuggeschwindigkeit der Zellen trotz PPW-Werten bis 30 mm
jedoch nur gering wahrscheinlich.

Durch die zögerliche Verlagerung der Kaltfront nach Südosten liegen die Teile
des Landes noch länger im präfrontalen Bereich (t850 hPa 10 bis 15 Grad). In der
potentiell instabilen Luftmasse konnten und können nach ICON sowie auch anderen
höher aufgelösten Modellen zwischen 500 und 1000 j/kg Cape generiert werden.
Zusätzlichen Treibstoff bekommt die Konvektion dort durch den nahenden, oben
schon beschriebenen kurzwelligen Anteil. Auch die Orographie kann dann noch
ihren Teil beitragen, sodass sich bestehende Gewitter intensivieren und bei
zunehmend besseren Scherungsbedingungen (LLS bis 10 m/s und DLS zw. 12 und 18
m/s) auch organisieren und teils langlebig sind. Als Folge sind auch
unwetterartige Gewitterentwicklungen wahrscheinlich, wobei der Hauptfokus beim
Wind sowie dem größeren Hagel liegt. Gebietsweise kann bei PPW-Werten zwischen
25 und 30 mm auch heftiger Starkregen nicht ausgeschlossen werden, eng begrenzt
ist durch wiederholt auftretende Gewitter bzw. Gewitterlinien in
Strömungsrichtung auch mehrstündiger heftiger Starkregen möglich.

In der Nacht zum Montag verabschiedet sich der Trog vollends nach Osten, sodass
der schwache Rücken von Westen an Einfluss auf das Wetter in Deutschland
bekommt. Abgesehen von den Küstenregionen überwiegen hochreichend antizyklonale
Verhältnisse. Entsprechend klingen auch die Schauer und Gewitter im Südosten
rasch ab. Lediglich im Küstenumfeld führen Hebungsprozesse durch kurzwellige
Anteile wiederholt auch zu kurzen Regenschauern. Die Hebung der weiter über das
Land verlaufenden Kaltfront reicht aber wohl nicht mehr aus, signifikante
Niederschläge auszulösen.
Montag ... liegt Deutschland in der Höhe im Bereich des schwachen Rückens, der
sich vom zentralen Mittelmeerraum bis nach Schweden aufbäumt und dessen Achse
Deutschland im Tagesverlauf langsam ostwärts überquert. Dabei ist die zwischen
dem Höhentiefkomplex an der Westküste Norwegens und dem hohen Geopotential über
Südwesteuropa grundsätzlich zonal ausgerichtete Höhenströmung zunächst meist
leicht antizyklonal geprägt. Im Tagesverlauf gelangt der Norden und Westen
jedoch auf die Vorderseite des Haupttroges sowie des korrelierenden Bodentiefs
bei Schottland, wodurch die Strömung in der Nordwesthälfte Deutschlands
zunehmend zyklonaler wird. Gleichzeitig greift verstärkt WLA auf die genannten
Regionen über.

Die kräftige WLA macht sich in vielen Landesteilen anhand durchziehender,
vorübergehend auch mal recht dichter hoher und mittelhoher Wolkenfelder
bemerkbar, vor allem im Süden und Südwesten sowie ganz im Osten scheint aber
auch längere Zeit die Sonne. Niederschläge werden von den Modellen im Norden und
Nordwesten sowie im nördlichen Mittelgebirgsraum angeboten. WLA gepaart mit
orographischer Unterstützung sowie leichten diabatischen Antrieben können bei
guten Scherungsbedingungen (hauptsächlich Richtungsscherung) den einen oder
anderen schauerartigen Niederschlag bringen. Bei fehlenden dynamischen Antrieben
sollte die Hebung jedoch nicht ausreichen, großräumig Gewitter alla C-DE2
auszulösen.

Etwas interessanter könnte es im Tagesverlauf jedoch südlich der Donau zugehen.
Dort ist die Luftmasse etwas labiler geschichtet. Die leichte südwestliche
Strömung könnte wie ab und an von den Modellen angedeutet im Alpenvorland ein
alpines Pumpen auslösen und so die Gewitterentwicklungen fördern. Insgesamt sind
Überentwicklungen aber gering wahrscheinlich und meist nur in orographischer
Hilfe möglich. Sollten sich dann doch einzelne Gewitter bilden, muss lokal auch
mit unwetterartigen Entwicklungen gerechnet werden. Der Fokus liegt dann bei
PPW-Werten von 25 bis 30 mm sowie langsamer Verlagerung auf dem heftigen
Starkregen und durch Cape-Werten zwischen 250 und 550 J/kg auf dem kleinkörnigen
Hagel.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Haupttrog samt korrespondierendem, sowie
weiter intensivierendem Bodentief weiter zur Nordsee. Die Warmfront des
Bodentiefs streift dabei allenfalls den äußersten Norden des Landes und sorgt im
Küstenumfeld noch für schauerartige Niederschläge. Ansonsten ebben potentielle
Regenfälle im Westen und der Mitte sowie an den Alpen ab.

Mit Annäherung des Tiefs verschärft sich der Gradient im Nordwesten und der Wind
frischt aus Südwest auf, im Bereich der Deutschen Bucht dürfte es für steife
Böen reichen. Auch in den Kam- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge,
insbesondere der östlichen, gibt es einzelne stürmische Böen, auf dem Brocken
eventuell Sturmböen.
Dienstag ... kommt die ostwärtige Verlagerung des Langwellentroges etwas ins
Stocken, da dieser auf der Westflanke durch einen hereinlaufenden kurzwelligen
Anteil regeneriert wird. Nachfolgend wird die Trogachse erst zum Abend im
Nordwesten Deutschlands erwartet, sodass das Land zuvor weiter auf der
Trogvorderseite verharrt. Auch das korrelierende Bodentief hat es mit der
Verlagerung nicht eilig und schafft es bis zum Abend gerade mal bis zur
Südspitze Norwegens. Allerdings greift die Kaltfront auf den Nordwesten
Deutschlands über. Aufgrund der höhenströmungsparallelen Exposition kommt sie
jedoch nur langsam südostwärts voran und erreicht bis zum Abend in etwa eine
Linie Saarland-Uckermark. Ihr folgt schließlich ein Schwall erwärmter Meeresluft
polaren Ursprungs (T850 hPa zwischen 5 und 8 Grad). Da der Trog bereits von KLA
überlaufen wird und sich von Westen her erneut ein recht markanter
Azorenhochkeil annähert, büßt die Kaltfront auf dem Weg nach Süden bei zunehmend
antizyklonalen Verhältnissen im Bodenniveau deutlich an Wetterwirksamkeit ein.
Für einzelne kurze Schauer sollte es demnach bevorzugt in der Nordhälfte noch
reichen.

Die Südhälfte bleibt präfrontal zunächst noch im Einflussbereich sehr warme
Luftmassen subtropischen Ursprungs. Diese zeichnet sich allerdings wohl nur noch
im Süden und Südosten Bayerns durch eine recht hohe potenzielle Instabilität
aus, da ansonsten bereits im präfrontalen Bereich niedertroposphärisch KLA
einsetzt, die der Annäherung des Azorenhochkeils und der damit einhergehenden
frühzeitigen Winddrehung auf westliche Richtungen geschuldet ist. Vor allem
südlich der Donau sowie allgemein in Südostbayern sind sehr gute Voraussetzungen
für kräftige Gewitterentwicklungen zu finden. Dort werden bei Temperaturen in
850 hPa zwischen 15 und 23 Grad Cape-Werte zwischen 750 und 1500 J/kg, lokal
auch über 2000 J/kg simuliert. Zudem zeugen PPW-Werte zwischen 30 und 40 mm für
eine sehr feuchte Luftmasse und somit für erhöhte Gefahr von heftigem
Starkregen. Auch die Scherungswerte (LLS bis 12 m/s und DLS bis 22 m/s
begünstigen schwere Gewitter bis hin zu Superzellen bei geeigneter
Richtungsscherung, die wiederum durch alpines Pumpen ausgelöst werden kann. Als
einziger Gegenspieler auf dem Feld bleibt die Deckelung. Zumindest anfangs wird
so die Euphorie deutlich gedämpft. Im Tagesverlauf soll der Deckel aber brüchig
werden, sodass getriggert durch die Orographie die Wahrscheinlichkeit für die
Auslösung zunimmt. Dann kann nur noch die kräftig ausgeprägte Westwindkomponente
den Gewittern die Entwicklungschancen nehmen.

Bei der ganzen Gewitterproblematik darf am Dienstag auch der Wind nicht
vergessen werden. Dieser lebt im Tagesverlauf auf und weht aus westlichen
Richtungen. Dabei kann es gebietsweise zu einzelnen steifen (Bft 7), in einigen
Höhenlagen sowie entlang der nordfriesischen Küste auch stürmische Böen kommen,
auf dem Brocken stehen Sturmböen auf dem Programm.
In der Nacht zum Mittwoch überquert die Trogachse Mitteleuropa ostwärts. Das
Bodentief kann sich sogar noch etwas vertiefen und nistet sich in etwa über dem
Skagerrak ein. An dessen Südflanke weht weiterhin lebhafter Westwind mit Böen
Bft 7 bis 8 an den Küsten, während der Wind im Binnenland mit Übergreifen des
Keils eines Hochs mit Schwerpunkt südwestlich der Britischen Inseln auf die
mittleren und südlichen Landesteile rasch abschwächt.

Die Kaltfront zeigt bei zunehmenden antizyklonalen Verhältnissen im Bodenniveau
über der Südhälfte Deutschlands Auflösungserscheinungen. Konvektive Umlagerungen
sind dann allenfalls im Küstenumfeld im Trogbereich sowie an den Alpen in der
präfrontal weiter feuchtwarmen Luftmasse zu verzeichnen. Anfangs kann es an den
Alpen auch noch für das eine oder andere kräftige Gewitter reichen, bevor der
nahende Keil den Saft langsam abdreht.
Mittwoch ... liegt Deutschland zwar weiter in einer vom Höhentief über dem
Westen Schwedens ausgehenden zyklonalen Höhenströmung, durch den Abzug der
Trogachse nach Polen liegen aber zunehmend konvergente Strömungsverhältnisse
vor. Das korrelierende Bodentief ist über dem südlichen Schweden auch vollends
zufrieden und hat keinen Zwang, schnell weiter zu ziehen. Auf dessen Rückseite
wird Deutschland von der Nordsee her weiter mit erwärmter maritimer Polarluft
geflutet, die allmählich auch die Alpen erreicht. Nennenswerte Hebungsantriebe
sind am Mittwoch aber nur im Norden und Nordosten erkennbar, wo hochreichend
zyklonale Strömungskomponenten vorherrschen. Allerdings dürfte die einsickernde,
recht trockene Luft zumindest im Binnenland der Konvektion sämtliche Ambitionen
nehmen, sodass der Schwerpunkt potentieller Schauer im direkten Küstenumfeld zu
finden sein sollte. Ansonsten stützen die konvergenten Strömungsverhältnisse in
der Höhe die Ausbreitung des Bodenhochkeils von Westen her. In der Südwesthälfte
werden somit nahezu überall Niederschlagsansätze unterdrückt. Allenfalls am
direkten Alpenrand gibt es von dem einen oder anderen Modell noch Hinweise für
kurze Schauer. Für Gewitter sollte es jedoch auch dort nicht mehr reichen.
Entsprechend steht in der Südhälfte einem recht sonnigen Tag nur wenig entgegen,
während im Norden durchaus auch mal dichtere Wolkenfelder von der Nordsee über
das Land driften.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die großskaligen Strukturen weitgehend übereinstimmend.
Geringe, typische Unterschiede gibt es zwischen den Modellen bei der Ausprägung
der Gewitter begünstigenden Parameter (Cape, Scherung, dyn. Prozesse, etc.).
Gleichermaßen werden bei den konvektiven Ereignissen die Lage und die Intensität
der Niederschläge geringfügig unterschiedlich gezeigt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel