DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2020 08:01
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.07.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz
Heute mit Kaltfrontpassage - außer im Westen/Südwesten - Schauer und teils
kräftige Gewitter, vor allem im Südosten mit geringem Unwetterpotenzial. Am
Montag wohl keine signifikanten Wetterereignisse, am Dienstag im Süden
vorübergehend heiß, abends einzelne Gewitter mit Unwetterpotenzial, auf einigen
Bergen Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... steht zur Abwechslung mal eine Trogpassage ins Haus. Die mit einer
negativen Neigung ausgestattete Achse des Troges steht aktuell quasi "ante
portas" über der Westgrenze des Vorhersagegebietes und überquert selbiges bis
zum Abend rasch ostnordostwärts. Vor allem in 300 hPa ist der Trog ziemlich
scharf ausgeprägt, was auf markante differentielle Krümmungsvorticity hindeutet.
Somit kommt es auf dessen Vorderseite zu kräftiger PVA, wodurch markante
dynamische Hebung generiert wird, die durch überlagerte schwache KLA nur wenig
gedämpft wird.
Der Trog korrespondiert mit der Kaltfront eines sich im Bereich der
Färöer-Inseln vom hochreichenden Zentraltief nordwestlich von Schottland
abgekoppelten Teiltief, die aktuell auf den Nordwesten/Westen Deutschlands
übergegriffen hat und zunächst recht flott ostsüdostwärts vorankommt. Vor allem
präfrontal hat sich ein breites Regengebiet entwickelt, das im Vormittagsverlauf
bereits auf den Osten und Südosten übergreift. Aufgrund der markanten
Hebungsprozesse sind die Niederschläge gebietsweise konvektiv durchsetzt,
vereinzelt treten/traten einzelne eingelagerte Gewitter auf, stellenweise fällt
auch mehrstündig Starkregen. Im Laufe des Nachmittags wird die Front vom
Höhentrog schließlich überlaufen, wodurch die Regenfälle im präfrontalen Bereich
an Intensität einbüßen und die Front selbst aufgrund zunehmend
höhenströmungsparalleler Exposition (rückseitig des Troges dreht die
Höhenströmung auf West) nur noch langsam südostwärts vorankommt.
Mit Kaltfrontpassage und auch innerhalb der postfrontal einströmenden subpolaren
Meeresluft (T850 hPa zwischen 7 und 10 Grad) treten vor allem im Norden und
Osten innerhalb der labil geschichteten Luftmasse (300 bis gebietsweise 700 J/kg
ML-Cape) zu weiteren, teils kräftigen Gewittern. Bei mäßiger Scherung (15 m/s
oder knapp drüber DLS, meist weniger als 10 m/s LLS) sind am ehesten mit
Frontpassage auch linienförmig organisierte Multizellensysteme denkbar,
ansonsten bleibt der Organisationsgrad der Zellen eher gering. Somit dürften
sich die Begleiterscheinungen überwiegend im markanten Bereich abspielen
(Starkregen, kleiner Hagel, Sturmböen, wenns blöd kommt, auch mal schwere
Sturmböen), höchstens aufgrund von Starkregen besteht aufgrund der recht hohen
PPW-Werte (anfangs um 30 mm, später von Westen weniger) trotz vorhandener
Zuggeschwindigkeit ein geringes Unwetterpotenzial, vor allem nach Osten zu.
Im Westen und Südwesten sowie in den mittleren Landesteilen klingen die Schauer
und Gewitter postfrontal hingegen rasch ab, dort trocknet die Luftmasse mit
Vorstoß eines Azorenhochkeils rasch ab, die PPW-Werte sinken bis zum Abend auf
teilweise unter 20 mm.
Die Südhälfte, insbesondere der Südosten (Bayern, eventuell noch Teile von
Sachsen und Südostbrandenburg) befindet sich hingegen noch längere Zeit im
präfrontalen Bereich (T850 hPa 10 bis 14 Grad). Nach Abzug des Regengebietes
(das im äußersten Südosten vielleicht auch gar nicht so richtig ankommt) lockern
dort die Wolken noch einmal auf, so dass innerhalb der potenziell instabilen
Luftmasse mit etwas Einstrahlung gebietsweise mehr als 500 J/kg, nach Lesart des
SuperHD regional eng begrenzt auch nahe 1000 J/kg ML-Cape generiert werden
können. Deckel ist kaum vorhanden, dagegen noch einiges an dynamischen
Hebungsantrieb (generiert durch einen weiteren, von Westen heranziehenden
kurzwelligen Troganteil), so dass es im Laufe des Nachmittags doch recht
verbreitet - nicht zuletzt noch zusätzlich mit Unterstützung durch die
Orographie - zur Auslöse kommen sollte. Bei ähnlich hohen PPW-Werten wie im
Nordosten, allerdings etwas schwächerer Höhenströmung ist das Unwetterpotenzial
der Zellen dort wohl etwas höher einzuschätzen als in den übrigen Regionen, vor
allem den Starkregen, aber auch den Hagel betreffend. Mit Annäherung eines
weiteren kurzwelligen Troganteils nimmt die Scherung zum späten Nachmittag/Abend
hin vor allem im Alpenvorland etwas zu. Am besten passt die Überlappung
Cape/Scherung noch im östlichen Oberbayern bzw. in Niederbayern, wo auch mal ein
etwas langlebigeres System vorstellbar ist, vielleicht auch in Form eines Bow
Echos, wobei dann auch schwere Sturmböen oder mehr ins Kalkül gezogen werden
sollten.
Als Nebenschauplatz bleibt noch der Wind. Vor allem mit Kaltfrontpassage und
unmittelbar postfrontal weht er lebhaft aus westlichen Richtungen, in freien,
windanfälligen Lagen (z.B. im Lee des Harzes) können auch ohne Konvektion mal
verbreiteter steife Böen (Bft 7) auftreten. In den Hochlagen einiger
Mittelgebirge gibt es stürmische Böen (Bft 8), auf dem Brocken Sturmböen (Bft
9). Spätnachmittags und abends flaut der Wind aber rasch ab.
Die Höchstwerte dürften sich allgemein zwischen 20 und 28 Grad bewegen, mit den
höchsten Werten im Südwesten, wo noch am längsten Die Sonne scheint. Im
Nordseeumfeld bleibt es gebietsweise kühler.

In der Nacht zum Montag verlagern sich sowohl der markante Trog als auch die
folgende flache Kurzwelle rasch ostnordostwärts, dahinter zonalisiert die
Höhenströmung deutlich und vor allem über Süddeutschland stellt sich auch eine
leicht antizyklonale Isobarenkrümmung ein. Im Osten und Südosten gibt es mit der
durchschwenkenden Kurzwelle anfangs noch einzelne Schauer und Gewitter, die im
Laufe der ersten Nachthälfte rasch abklingen sollten.
Ansonsten verstärkt sich der über Mitteleuropa hinweg nach Osten schwenkende
Azorenhochkeil, die Luftmasse trocknet allgemein ab und die Wolken lösen sich
mehr und mehr auf. Stellenweise bildet sich Nebel.
Im Westen und Nordwesten macht sich allerdings im Laufe der Nacht bereits wieder
verstärkt WLA in Form zeitweise etwas dichterer hoher und mittelhoher
Wolkenfelder bemerkbar, es bleibt aber (noch) trocken. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 15 und 8 Grad, in einigen Mittelgebirgstälern bei länger klarem Himmel
auch etwas darunter.

Montag... greift südlich des Zentraltiefs, welches sein Drehzentrum ein wenig
nach Norden verlagert, der nächste Trog auf die Britischen Inseln über, wodurch
die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet etwas zurückdreht. Nach wie vor ist
sie über Süddeutschland leicht antizyklonal konturiert, im Norden und Westen
dagegen leicht zyklonal. Von Westen her verstärkt sich die WLA, der Hochkeil
wird ins östliche Mitteleuropa abgedrängt. Die kräftige WLA macht sich in vielen
Landesteilen anhand durchziehender, vorübergehend auch mal recht dichter hoher
und mittelhoher Wolkenfelder bemerkbar, vor allem im Süden und Südwesten sowie
ganz im Osten scheint aber auch längere Zeit die Sonne. Für leichte Regenfälle
reicht es nach Lesart der meisten Modelle aber wohl nur ganz im Norden (GFS vom
Emsland bis nach Ostvorpommern, IFS lediglich im Nordseeumfeld und in
Schleswig-Holstein), lediglich ICON-EU simuliert auch im Westen sowie im
zentralen Mittelgebirgsraum leichte Niederschläge, wobei C-D2 (nicht zum ersten
Mal in diesem Sommer) als einziges Modell sogar regelrechte "Gewitterteppiche"
(Warmlufteinschubgewitter) auf der Agenda hat, was aber wohl angesichts der nur
bedingt labilen Schichtung eher unwahrscheinlich erscheint, zumal auch der
dynamische Input in Form eines markanten Kurzwellentroges fehlt (alleine die WLA
reicht nicht aus).
Mit etwas Labilität ausgestattet ist auch noch die Luftmasse im Südosten des
Landes, allerdings dürfte diese kaum für Überentwicklungen reichen; wenn, dann
am ehesten mit Unterstützung durch die Orographie (ostbayerischer
Mittelgebirgsraum, Alpenrand).
Vor allem in den Süden gelangt auch niedertroposphärisch zunehmend warme Luft
subtropischen Ursprungs, so dass sich das Temperaturgefälle zwischen Süd und
Nord verschärft. Die Temperatur in 850 hPa steigt im Süden bis zum Abend auf 15
bis nahe 20 Grad, während sie an den Küsten bei etwa 8 Grad verharrt. Das mündet
in Höchstwerte zwischen 18 Grad unter den dichten Wolken an der Nordsee und 32
Grad im südlichen Oberrheingraben.
Kurz erwähnt sei noch der Wind, der auf Südwest dreht und vor allem in den
Hochlagen wieder auffrischt. Auf dem Brocken kann es zum Abend hin stürmische
Böen geben.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Trog weiter zur Nordsee, ebenso auch ein
korrespondierendes und sich intensivierendes Bodentief, das morgens die
nördliche Nordsee erreicht. Die Warmfront des Tiefs streift noch
Norddeutschland, zieht dann aber nordwärts ab, so dass die leichten Regenfälle
im Norden und Westen vorübergehend nachlassen. Die Kaltfront überquert bis zum
Morgen die westliche Nordsee. Dabei setzen präfrontal - gestützt durch
dynamische Hebung aufgrund trogvorderseitiger PVA - schauerartige Regenfälle
ein, die in der zweiten Nachthälfte auch die deutsche Nordseeküste erfassen.
Dabei ist ein eingelagertes kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen.
Mit Annäherung des Tiefs verschärft sich der Gradient im Nordwesten und der Wind
frischt aus Südwest auf, im Bereich der Deutschen Bucht dürfte es für steife
Böen reichen. Auch in den Kam- und Gipfellagen einiger Mittelgebirge,
insbesondere der östlichen, gibt es einzelne stürmische Böen, auf dem Brocken
eventuell Sturmböen.
Während die Wolken in der Mitte und im Norden allgemein etwas dichter werden,
bleibt es im Süden und Südosten noch teils gering bewölkt. Die Nacht bleibt mit
Tiefstwerten zwischen 18 und 12 Grad sehr mild.

Dienstag... wird der Trog durch einen von Nordwesten hereinlaufenden
kurzwelligen Anteil regeneriert, wodurch er nur wenig nach Osten vorankommt und
erst zum Abend hin auch auf den Nordwesten des Vorhersagegebietes übergreift.
Das Bodentief kommt noch etwas ostwärts bis nach Südwestnorwegen voran, die
Kaltfront greift auf Nordwestdeutschland über, kommt aber aufgrund
höhenströmungsparalleler Exposition nur langsam südostwärts voran und erreicht
bis zum Abend in etwa eine Linie Saarland-Uckermark. Ihr folgt ein Schwall
erwärmter Meeresluft polaren Ursprungs (T850 hPa zwischen 5 und 8 Grad).
Da der Trog bereits von KLA überlaufen wird und sich von Westen her erneut ein
recht markanter Azorenhochkeil annähert, büßt die Kaltfront deutlich an
Wetterwirksamkeit ein, so dass es nur noch für einzelne Schauer im Norden und
Nordosten reicht. Kurze Gewitter sind am ehesten im Nordosten denkbar, wo noch
etwas Cape simuliert wird.
Die Südhälfte bleibt präfrontal zunächst noch im Einflussbereich sehr warme
Luftmassen subtropischen Ursprungs. Diese zeichnet sich allerdings wohl nur noch
im Süden und Südosten Bayerns durch eine recht hohe potenzielle Instabilität
aus, da ansonsten bereits im präfrontalen Bereich niedertroposphärisch KLA
einsetzt, die der Annäherung des Azorenhochkeils und der damit einhergehenden
frühzeitigen Winddrehung auf westliche Richtungen geschuldet ist. Vor allem über
dem Alpenvorland ist in den Prognosesoundings vorübergehend auch eine recht gut
ausgeprägte EML (um 12 UTC zwischen 800 und 600 hPa) erkennbar. Dabei werden bei
850 hPa-Temperaturen zwischen 16 und 20 Grad punktuell dort mehr als 1500 J/kg
ML-Cape simuliert bei PPW-Werten um 30 mm oder darüber. Ob und wann es
angesichts der starken Deckelung zur Auslöse reicht, ist fraglich. Am ehesten
dürfte das am Nachmittag bzw. Abend durch die Orographie getriggert der Fall
sein. Dann sind aber angesichts zunehmender hochreichender Scherung (auf über 20
m/s DLS) auf jeden Fall markante, wahrscheinlich aber auch unwetterartige
Entwicklungen zu erwarten. Sollte es durch das alpine Pumpen noch zu einer
Tiefdruckentwicklung im Alpenvorland kommen, könnte es mit Unterstützung durch
die Richtungsscherung auch zu langlebigen Entwicklungen (Superzellen) kommen.
Das ist aber noch sehr unsicher und angesichts der doch recht kräftig
ausgeprägten Westwindkomponente mehr als fraglich.
Apropos Wind: Der weht - angefacht durch den Tagesgang - in weiten Teilen des
Landes lebhaft aus westlichen Richtungen. Vor allem im Norden und Osten, später
eventuell auch im Südwesten und im Alpenvorland, kann es Böen Bft 7 geben. In
einigen Höhenlagen sowie entlang der Nordfriesischen Küste sind auch stürmische
Böen denkbar, auf dem Brocken Sturmböen.
Das Temperaturgefälle bleibt erhalten: Während die Höchsttemperaturen im
bewölkten Norden und Westen Werte zwischen 18 und 24 Grad erreichen, wird es im
oft noch sonnigen Süden und Südosten mit 28 bis 34 Grad heiß.

In der Nacht zum Mittwoch überquert die Trogachse Mitteleuropa ostwärts. Das
Bodentief kann sich sogar noch etwas vertiefen und nistet sich in etwa über dem
Skagerrak ein. An dessen Südflanke weht weiterhin lebhafter Westwind mit Böen
Bft 7 bis 8 an den Küsten, während der Wind im Binnenland mit Übergreifen des
Keils eines Hochs mit Schwerpunkt südwestlich der Britischen Inseln auf die
mittleren und südlichen Landesteile rasch abschwächt.
Die Kaltfront löst sich über Süddeutschland auf, die Luftmassengrenze erreicht
die Alpen. In ihrem Bereich gibt es vor allem an den Alpen und im angrenzen
Alpenvorland schauerartige Niederschläge, anfangs eventuell auch noch kräftige
Gewitter.
Postfrontal flutet die erwärmte maritime Polarluft weite Teile des Landes, die
850 hPa-Temperatur sinkt auf 4 Grad im Nordwesten und 10 Grad an den Alpen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine signifikanten
Modellunterschiede ausmachen. Auch bzgl. der konvektiven Aktivität am heutigen
Sonntag fahren die (Konvektion erlaubenden) Modelle eine einigermaßen
einheitliche Linie.
Der Gewitterteppich, den C-D2 am morgigen Montag für den Westen und den
zentralen Mittelgebirgsraum auf der Agenda hat, erscheint unrealistisch und kann
anhand der synoptischen Umgebungsbedingungen nicht wirklich abgeleitet werden.
Mit Unsicherheiten behaftet ist auch die konvektive Entwicklung am Dienstag im
äußersten Süden des Landes.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff