DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 241800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Samstag Zwischenhocheinfluss. Am Sonntag knackige Trogpassage mit
vorgelagerter, baroklin nicht besonders üppig ausgestatteter Okklusion
respektive Kaltfront.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt die großräumige Strömungskonfiguration das typische
Sommer-2020-Bild: eine von Nordamerika über den mittleren Nordatlantik bis weit
auf den europäischen Kontinent verlaufende, leicht mäandrierende Frontalzone
(NAO positiv), die Horden von Tiefdruckgebieten auf der kalten vom Azorenhoch
nebst Keil sowie einem weiteren Hoch über Russland auf der warmen Seite trennt.
Ein in die Frontalzone eingelagerter flacher Trog ist aktuell dabei, Deutschland
in Richtung Osten zu verlassen, wobei es knapp südlich der Alpen trotz
limitierter Amplitude zu einer Abtropfung kommt. Von Westen folgt ein flacher
Rücken nach, der für Druckanstieg sorgt und dem Azorenhochkeil wieder etwas mehr
Leben einhaucht. Derweil zieht das inzwischen komplett okkludierte
Frontensystem, das zu einem flachen Tief über Südskandinavien gehört über den
Osten und Nordosten des Landes hinweg gen Polen.
Damit ist die Nachtgeschichte schnell erzählt. Die konvektiven Prozesse im Süden
stellen ihren Betrieb zunehmend ein, was im südöstlichen Bayern, im Grenzbereich
zu Austria, am längsten dauert (möglicherweise bis nach Mitternacht). Auch die
schwachen, anfänglich im Norden und Osten noch beobachteten Schauer stehen vor
dem Aus, vielleicht reicht es unmittelbar an der Küste noch für die eine oder
andere kurze Husche. Ansonsten gestaltet sich die Nacht teils wolkig, teils klar
und trocken.

Samstag ... setzt sich der Zwischenhocheinfluss unter der ÄGIDE von ALBRECHT II
- so heißt der über den Alpen liegende Ableger des Azorenhochs - zunächst fort.
Leichtes Absinken hat eine Inversion entstehen lassen, die um 12 UTC in den
meisten Regionen um 700 hPa verortet ist. Etwas höher und auch schwächer
ausgeprägt liegt die Inversion im Südosten, wo noch ein wenig Restlabilität und
geringfügig feuchtere Luft vorhanden sind. Nutzt wahrscheinlich aber nix, für
mehr als ein paar wenige orografisch getriggerte Schauer dürfte es - wenn
überhaupt - nicht mehr reichen.
Somit gestaltet sich der Samstag vergleichsweise unspektakulär mit viel Sonne,
insbesondere im Osten und Süden. Nach Nordwesten hin sind unterhalb der
Inversion auch einige Wolken am Start, zwischen denen sich zunächst aber noch
Lücken offenbaren. Erst später, also am Nachmittag und Abend nimmt die Bewölkung
von Westen her zu und gegen Abend beginnt es im Nordseeumfeld sowie im
westlichen Niedersachsen zu regnen.
Ursache sind die Annäherung einer teilokkludierten Kaltfront sowie eines neuen
Höhentroges, die beide zu dem hochreichenden Tief CHRISTIANE zwischen Island und
Schottland gehören. Vorderseitiger Druckfall lässt den Gradienten über der
Deutschen Bucht etwas anziehen, was für einen auflebenden, wahrscheinlich aber
warnunkritischen, auf südliche Richtungen rückdrehenden Wind sorgt.
Im Norden und Nordwesten wird es mit 20 bis 26°C ein mäßig warmer bis warmer,
sonst mit 25 bis 30°C ein warmer bis sehr warmer Samstag.

In der Nacht zum Sonntag kommen wir auf die diffluente Vorderseite des zunehmend
negativ geneigten Höhentrogs. Aufgrund seiner scharfen Kontur ist reichlich
zyklonale Krümmungsvorticity vorhanden, deren Advektion einen stattlichen
Hebungsimpuls auslöst, der auch durch überlagerte schwache KLA nur wenig
gedämpft wird. Das dynamische Hebungsmaximum überlappt gut mit der auf
Nordwestdeutschland übergreifenden Front, was die Intensivierung der sich
relativ zügig ost-südostwärts ausbreitenden Regenfälle erklärt. Der meiste
Niederschlag soll - bei aller noch gegebenen Unschärfe der numerischen Prognosen
- von der Nordsee bzw. SH über das westliche Niedersachsen bis in den Westen
NRWs fallen, wobei akkumuliert über 12 h durchaus 10 bis 20 l/qm, lokal um 25
l/qm zusammenkommen können. Wahrscheinlicher als markanter Dauerregen scheint -
bedingt durch schauerartige Einlagerungen sowie später auch einzelne Gewitter
(erkennbare Zunahme von ungedeckeltem MU-CAPE auf 100 bis 200 J/kg im Westen und
Nordwesten in der zweiten Nachthälfte könnte für ein paar wenige
Überentwicklungen ausreichen) steht eher teils mehrstündiger Starkregen auf der
Agenda.
Südlich der Donau sowie zwischen Erzgebirge und Vorpommern bleibt es bis zum
Morgen wahrscheinlich noch trocken. Der südliche, präfrontal gebietsweise auf
Südost rückdrehende Wind legt vor allem in exponierten Hochlagen spürbar zu, was
sich in Böen 8 Bft, vereinzelt 9 Bft (Brocken) äußert. An der Nordsee dürfte
sich die Böigkeit weitgehend im "Sechserbereich" abspielen.

Sonntag ... schwenkt der weiterhin negativ geneigte, in 300 hPa ziemlich scharf,
in 500 hPa etwas rundlicher ausgeprägte Höhentrog nordostwärts über den
Vorhersageraum hinweg. Dabei "schiebt" er die o.e. teilokkludierte Kaltfront,
deren Baroklinität übrigens nur schwach ausgeprägt ist, vor sich her, die im
Norden relativ zügig nach Osten durchgewunken wird, während sie nach Süden
aufgrund ihrer zunehmend strömungsparallelen Exposition (man bedenke die
trogrückseitige Zonalisierung der Höhenströmung) ins Schleifen kommt. Der
Vollständigkeit halber, das steuernde Tief CHRISTIANE wird südlich von Island
gar etwas rückläufig, während sich westlich Südnorwegens an der Okklusion ein
kleines Teiltief bildet.
Wettertechnisch zieht der präfrontale Regen am Vormittag rasch über die
östlichen Landesteile hinweg - so rasch, dass man sich auf deutscher Seite mit
Ausnahme des Südens wohl keine ernsthaften Gedanken über konvektive Prozesse vor
der Front machen muss. Stattdessen sollte man sich auf den unmittelbaren
Trogbereich (unter der Achse sowie knapp vorderseitig) konzentrieren. Zwar liegt
das Feuchtemaximum (PPW über 35 mm, spez. Feuchte um 11 g/kg) etwas weiter
ost-nordöstlich, der Wasserdampfgehalt in der frisch einfließenden subpolaren
Meeresluft (Rückgang T850 auf 10 bis 7°C) ist aber noch ausreichend, um mit der
trogbedingten Labilisierung ein für Rückseiten beachtliches Quantum an ML-CAPE
von gebietsweise 500 bis 800, lokal bis 1000 J/kg zu generieren. Ähnliche Werte
werden vor der Front etwa südlich der Donau erreicht.
Kurzum, postfrontal aber auch im Südosten des Landes kommt es unmittelbar nach
Abzug des Regens zu einer sehr regen konvektiven Aktivität, die durch
kurzzeitige Auflockerungen und dem damit verbundenen Strahlungsinput sowie
allgemein durch den Tagesgang noch befeuert wird. Scherung (LLS bis 10 m/s, DLS
gebietsweise 15-20 m/s) in Verbindung mit dem scharfen Trog sorgen für
organisierte, teils rotierende Zellen, die (trotz Zug) mit Starkregen, Hagel und
Sturmböen einhergehen können, lokale Unwetter nicht ausgeschlossen.
Je länger die Zufuhr der subpolaren Luftmasse andauert, desto mehr trocknet sie
ab. So nehmen PPW und spezifische Feuchte zunächst im Westen, später auch in der
Mitte signifikant ab (PPW auf rund 20 mm oder darunter, s.F. auf 8-7 g/kg), was
auch an den Taupunkten (teils unter 10°C) gut zu erkennen ist. Damit lässt von
Westen her auch die Schauer- und Gewitteraktivität mehr und mehr nach und die
Wolkendecke lockert zeitweise auf.
Neben dem konvektiven Geschehen gilt es den Wind zu erwähnen, der im Süden sowie
postfrontal auflebt und auf westliche Richtungen dreht. Mit Hilfe der
konvektiven Komponente, teils aber auch nur aus dem Gradienten heraus reicht es
für einige steife Böen 7 Bft, in exponierten Hochlagen 8-9 Bft. Die Temperatur
erreicht Höchstwerte von 20 bis 26°C. Im Südwesten, wo der Luftmassenaustausch
zumindest auf thermischer Ebene nur bedingt funktioniert, dafür aber die
Abtrocknung, könnte es bei zunehmenden Auflockerungen sogar bis zu 28°C
hochgehen.

In der Nacht zum Montag setzt sich die Zonalisierung der Höhenströmung fort,
wobei sie sogar einen leicht antizyklonalen Touch bekommt. Der Luftdruck steigt
merklich an, was den Azorenhochkeil kräftigt und Gradienten auffächern lässt.
Wind und Wetter beruhigen sich, wobei es aber im Osten etwas dauern kann, bis
die letzten Gäste (also Schauer oder Gewitter) gegangen sind. An den Küsten
bleibt bis zum Morgen eine latente Schauerneigung bestehen.
Ansonsten lockern die Wolken vielerorts auf, stellenweise bildet sich Nebel.


Montag ... verbleiben wir unter einer relativ glatten, leicht diffluent
konfigurierten westlichen Höhenströmung, die keine nennenswerten Beiträge zum
Wochenanfangswetter beizusteuern hat. Okay, ein wenig WLA ist am Start, aber auf
dem Sektor differentieller zyklonaler Vorticityadvektion ist trotz der leichten
Diffluenz nichts los. Im Bodendruckfeld wölbt sich der über den Alpen mit etwas
über 1020 hPa bestückte Ableger des Azorenhochs noch etwas auf, kann dabei aber
nicht verhindern, dass vor allem der Westen und Norden sowie Teile der Mitte von
durchziehenden, mal mehr, mal weniger dichten Wolkenfeldern (je weiter im
Nordwesten, desto dichter) heimgesucht werden. Dabei kann es gebietsweise auch
mal etwas regnen. Vor allem im Süden, aber auch in den östlichen Landesteilen
scheint häufig die Sonne bei einer nur geringen Schauer- bzw. Gewitterneigung
über dem Bergland.
Bemerkenswert ist die Zunahme des Temperaturkontrastes zwischen Nord und Süd. So
liegt die 850-hPa-Temperatur am Abend zwischen 8°C an der Grenze zu Dänemark und
bis zu 20°C im Bodenseeraum. Projiziert auf 2 m Höhe führt das zu
Tageshöchsttemperaturen von 19/20°C rund um die Nordsee und bis zu 31°C im
südlichen Oberrheingraben sowie am Hochrhein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den verschiedenen Modellen weitgehend kongruent
gerechnet. Niederschlag und Konvektion offenbaren freilich Unschärfen. Der
Ablauf am Sonntag fußt u.a. auf konzeptionellen Modellvorstellungen und dürfte
wettertechnisch sehr interessant werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann