DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 23.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute ganz im Süden einzelne Gewitter, Unwetter nur wenig wahrscheinlich. Am
Freitag Gewitter auch auf den Bayerischen Wald übergreifend, Unwetter etwas
wahrscheinlicher als heute. Am Samstag Wetterberuhigung, am Sonntag im Osten,
Süden und in Teilen der Mitte wiederholt kurze Gewitter, meist in Niederschlag
eingelagert, dabei stürmische Böen nicht auszuschließen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einer leicht mäandrierenden westlichen
Strömung. Die Frontalzone verläuft vom mittleren Nordatlantik über die
Britischen Inseln und Polen hinweg zur unteren Wolga, d.h. der Norden
Deutschlands gelangt zumindest zeitweise in deren Bereich, wogegen der Süden die
meiste Zeit an deren warmer Seite verbleibt. Dementsprechend gestaltet sich auch
die Luftmassenverteilung. Während der Norden von Frontensystemen zumindest
gestreift wird, hält sich in weiten Teilen Deutschlands eine sich abschwächende
Hochbrücke. Absinken in deren Bereich lässt keine nennenswerte Wolkenbildung zu.
Ganz im Süden entwickeln sich in einer feuchtlabilen Luftmasse Gewitter. Dort
liegt der Gehalt an niederschlagbarem Wasser bei knapp 30 mm, CAPE erreicht ca.
1000 J/kg und ist nur leicht gedeckelt. Da reicht ein leichtes "Flattern" der
westlichen Grundströmung, das Gewitter ausgelöst werden können. Dabei kann
Starkregen und kleinerer Hagel auftreten. Die Wahrscheinlichkeit für
unwetterartige Entwicklungen ist nur gering. Scherung ist kaum vorhanden, so
dass der Organisationsgrad der Gewitter gering ist. Zudem verlagern sich die
Zellen zügig, was auch nicht gerade für unwetterträchtigen Starkregen spricht.
In der ersten Nachthälfte sollte die Gewittertätigkeit tagesgangsbedingt ohnehin
zur Ruhe kommen.
In der zweiten Nachthälfte greift auf Frankreich ein breiter Trog über, was die
Strömung leicht auf West-Südwest rückdrehen lässt. Vorderseitig kommt etwas
Hebung in Gang, so dass ein erneutes Aufleben der Gewittertätigkeit nicht
ausgeschlossen werden kann. An der Luftmasse ändert sich ja bis dahin nicht
allzu viel. Im Norden macht sich ein okkludierendes Frontensystem bemerkbar, das
sich von der Nordsee her annähert. Hierdurch kommen in Nordseenähe Niederschläge
auf, vielleicht reicht es auch für ein paar Windböen in Nordfriesland. Ansonsten
hält sich bei geringen Luftdruckgegensätzen schwacher Hochdruckeinfluss. Dort,
wo es zuvor viel geregnet hat (das dürfte allenfalls örtlich im Süden der Fall
sein) können sich flache Nebelfelder bilden.

Freitag ... wird der Nordteil des Troges von Frankreich kommend rasch über den
Norden Deutschlands hinweg nach Westpolen gesteuert, wogegen dessen Südteil in
höheren Troposphärenschichten über dem Südwesten Deutschlands "zurückhängt". In
diesem Bereich weist dieser Trog eine negative Achsenneigung auf. Das stärkere
Rückdrehen der Strömung an der Vorderseite des Troges auf Südwest dürfte Folgen
für die Luftmassenverteilung haben. Feuchtlabile Luft, die zuvor südlich der
Donau zu finden war, arbeitet sich im Osten wieder mehr nach Norden vor und
erfasst (bei unveränderten Parametern) dann auch den Bayerischen Wald, wogegen
der untere Hochrhein aus diesem Bereich heraus ist. In dieser feuchtlabilen Luft
können sich im Tagesverlauf erneut Gewitter entwickeln, wobei die
Wahrscheinlichkeit für Unwetter gegenüber heute nur geringfügig erhöht ist.
Dabei dürfte es sich erneut um Gewitter mit Starkregen oder kleinerem Hagel
handeln. Die Luftmasse ändert sich bis dahin kaum; auch nennenswerte Scherung
bleibt aus.
Im Norden und Nordwesten sind mit Passage des Troges ein paar leichte Schauer zu
erwarten, die ein paar Millimeter Niederschlag bringen können. An der Küste
können zudem Windböen bis Bft 7 auftreten. Im weitaus größten Teil Deutschlands
bleibt es trocken, wenngleich mit der Passage des Troges mehrschichtige
Bewölkung durchzieht. Längere sonnige Abschnitte ergeben sich am ehesten
zwischen Erzgebirge und unterer Oder. In diesen Gebieten wird es auch mit
Höchsttemperaturen bis 29 Grad am wärmsten. Ansonsten sind 22 bis 27 Grad zu
erwarten. Im Küstenbereich und im höheren Bergland bewegen sich die Temperaturen
um 20 Grad.
In der Nacht zum Samstag schwenkt dann auch der Südteil des Troges zur Adria, so
dass sich eine westliche, vorübergehend antizyklonale Strömung ergibt. Die
Gewittertätigkeit in Südosten sollte daher alsbald zum Erliegen kommen. Von
Westen her schiebt sich der Keil des Azorenhochs in den Süden Deutschlands,
wodurch eine Wetterberuhigung erfolgt.

Samstag ... greift ein kräftigerer, aber relativ breiter Trog auf die Britischen
Inseln über. Hierdurch dreht die Strömung erneut auf Südwest zurück. Im weitaus
größten Teil Deutschlands ist die Schichtung stabil. Absinken im Bereich des
sich abschwächenden Hochkeils sollte Konvektion soweit unterbinden, so dass es,
abgesehen vom äußersten Nordwesten, weitgehend niederschlagsfrei bleibt.
Im Süden und Südosten ist die Schichtung zwar noch leicht labil; etwas CAPE
(wenige hundert J/kg) wird generiert, aber die Luftmasse ist bereits relativ
trocken, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser erreicht kaum 25 mm. Zudem ist
die Strömung antizyklonal geprägt, Absinken sollte daher auch in diesen Gebieten
hochreichende Konvektion wirkungsvoll unterbinden. Im Osten, Süden und in Teilen
der Mitte kommen auch längere sonnige Abschnitte zustande, wogegen im Nordwesten
und Westen aufgrund der Nähe zur Frontalzone mehrschichtige Bewölkung dominiert.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 25 bis 29, im Norden, Nordwesten und im
höheren Bergland 19 bis 24 Grad.
In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Trog von den Britischen Inseln kommend zu
den Benelux-Staaten. Hierdurch legt die südwestliche Strömung zu und steilt noch
etwas auf. Das korrespondierende Bodentief gelangt in die nördliche Nordsee.
Dessen okkludierendes Frontensystem greift mit kräftigen Niederschlägen auf den
Nordwesten Deutschlands über. Im Emsland und ggf. auch an der unteren Weser sind
nach ICON-EU und sogar nach EZMW schwache Signale für Starkregen zu finden.
Kräftige trogvorderseitige Hebung, die aus positiver Vorticityadvektion
resultiert, schafft in Verbindung mit einem Einschub feuchter Luft mit einem
Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis 35 mm günstige Voraussetzungen für
derartige Niederschläge. Zudem legt der Gradient zu, im Nordwesten frischt der
Wind auf, aber nur an einigen exponierten Abschnitten der Nordseeküste sind
Windböen bis Bft 7 möglich. Der Osten und Süden wird von diesen Niederschlägen
noch nicht erfasst, aber auch dort zieht, bedingt durch die Annäherung des
Troges, mehrschichtige Bewölkung auf.

Sonntag ... schwenkt der wetterbestimmende Trog nach Dänemark, so dass die
südwestliche, stark zyklonale Strömung bestehen bleibt und Deutschland an der
Vorderseite dieses Troges verbleibt. Das mittlerweile okkludierte Frontensystem
des sich nunmehr in die Norwegische See verlagernden korrespondierenden Tiefs
greift schleifend bis auf die mittleren Teile Deutschlands über. Mit
Frontpassage sind in der Westhälfte und in Teilen der Mitte verbreitet Windböen
bis Bft 7 zu erwarten; auf höheren Berggipfeln können stürmische Böen nicht
ausgeschlossen werden. Ganz im Norden ist zumindest in der ersten Tageshälfte
noch einmal Starkregen möglich. Bis zum Abend werden von diesen Niederschlägen
auch die östlichen Landesteile erfasst. Die Schichtung ist hinreichend labil;
CAPE erreicht ca. 500 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser liegt um 35
mm. Zudem ist Scherung vorhanden (sowohl niedertroposphärisch als auch
hochreichend), daher sind diese Niederschläge konvektiv durchsetzt, d.h.
wiederholt können eingelagerte Gewitter auftreten. In Verbindung mit diesen
Gewittern können stürmische Böen nicht ganz ausgeschlossen werden. Zudem liegt
das Kondensationsniveau unterhalb von 1000 m und Deutschland gelangt an den
linken Ausgang des Jets. Betrachtet man die synoptischen Voraussetzungen, wären
die Bedingungen für heftigere und organisiertere, möglicherweise sogar
rotierende konvektive Strukturen durchaus gegeben. Was für dieses Szenario
fehlt, ist präfrontale Einstrahlung, so dass für die Auslösung nur die Dynamik
in Frage kommt. Daher ist es wahrscheinlicher, dass es sich um Gewitter handelt,
die in ausgedehntere Niederschlagsgebiete eingelagert sind.
Aufgrund dieser Bewölkung sind auch die von MOS angebotenen Temperaturen etwas
zu hoch angesetzt. Vielmehr dürften sich Temperaturen in einem mäßig warmen
Bereich, d.h. zwischen 17 und 23 Grad, einstellen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann