DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-08-2016 09:00
SXEU31 DWAV 030800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.08.2016 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)

Heute weitere Regenfälle, im Westen teils warnwürdig. An der See und in
Hochlagen windig.
Ab Donnerstagabend in der Südosthälfte gebietsweise Stark-/Dauerregen, auch
einzelne kräftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verbleibt Deutschland unter der leicht mäandrierenden Frontalzone,
die vom mittleren Nordatlantik kommend bis zum nahen Osteuropa reicht, um von
dort nach Norden abzuwinkeln. Heute früh liegen wir dabei unter einem flachen
Höhenrücken, der im Tagesverlauf ostwärts abwandert. Damit gelangen wir auf die
leicht diffluente Vorderseite eines breit angelegten Troges über Irland/UK
respektive dem nahen Ostatlantik, in der die Strömung auf W-SW zurückdreht.
Auffällig dabei ist ein linienartig angeordnetes, von der Kaltfront (siehe
unten) teilweise abgesetztes Hebungsmaximum, das sich von Frankreich her über
den Westen und die Mitte bis in die Nordhälfte verlagert und offensichtlich das
Produkt der Advektion maximaler Scherungsvorticity ist.
Im Bodenniveau wird die Hauptrolle von einem Tief gespielt, das heute früh knapp
nordwestlich von Irland positioniert war und nun Kurs auf Schottland nimmt. Die
zugehörige Warmfront, die uns bereits gestern beehrt hat, hat mittlerweile den O
und NO des Landes erreicht, den es noch im Laufe des Vormittags in Richtung
Ostsee und Polen verlassen wird. Damit gelangt der größte Teil des Landes in
einen breiten Warmsektor, in dem von der Biscaya her feuchte und warme, in den
Süden sogar sehr warme Luft (T850 bis zum Abend um 15°C) advehiert wird. Die der
Warmfront nachfolgende Kaltfront erfasst in den nächsten Stunden den NW des
Vorhersageraums, von wo aus sie aber nur äußerst schleppend südostwärts
vorankommt. Aufgrund ihrer strömungsparallelen Exposition neigt sie zur
Wellenbildung, außerdem fehlt es an ausreichender Schubkomponente, so dass sich
ihr Vortrieb arg in Grenzen hält.
Wettertechnisch kommt es heute mit Ausnahme des Südens zu weiteren Regen- und
Sprühregenfällen, deren Maximum im W sowie der westlichen Mitte zu finden ist
und das mit dem o.e., von Frankreich übergreifenden Hebungsmaximum korreliert.
Je nach Modell sollen in diesen Regionen tagsüber 5 bis 10 mm, im westlichen
Mittelgebirgsraum um 15 mm, lokal sogar um 20 mm innert 12 h Regen fallen, so
dass die im Westen laufenden markanten Dauerregenwarnungen verlängert werden.
In der postfrontal einfließenden erwärmten Meeresluft subpolaren Ursprungs
entwickeln sich im äußersten N und NW später mit Unterstützung des Tagesgangs
einzelne Schauer. Ob auch ein kurzes Gewitter dabei ist, ist angesichts der
nicht übermäßig labilen Schichtung fraglich. Aufgrund der flotten südwestlichen
Grundströmung sind in Verbindung mit den Schauern (Gewittern) Böen 7, vereinzelt
sogar 8 Bft möglich. Aber auch abgesetzt von der Konvektion frischt der SW-Wind
an der Küste (Nordsee etwas stärker als Ostsee) mitunter böig auf mit einzelnen
Spitzen 7 Bft. Ansonsten beschränken sich nennenswerte Böen auf die Hochlagen
der Mittelgebirge, wobei der Brocken und der Fichtelberg die Hitliste mit
Sturmböen 8-9 Bft anführen werden.
Das dem allgemeinen Sommerempfinden am nächsten kommende Wetter gibt es heute in
Süddeutschland, vornehmlich im Donaubereich und südlich davon, wo zum Teil für
längere Zeit die Sonne scheint. Zum einen bleibt dort die Höhenströmung noch am
längsten antizyklonal konturiert, außerdem wirkt dort ein schwacher Bodenkeil
hebungsdämpfend. So verwundert es denn auch nicht, dass dort mit 25 bis 30°C die
höchsten Temperaturen des heutigen Tages gemessen werden. Ansonsten setzt
MOS-Mix die Höchstwerte mit 20 bis 25°C an, was angesichts fehlender
Einstrahlung und auftretender Regenfälle zumindest als Spanne zu hoch gegriffen
scheint. Realistischer wäre sicherlich ein Ansatz von 17 bis 23°C.

In der Nacht zum Donnerstag tut sich allzu viel an der Gesamtkonstellation. Das
Bodentief kommt langsam ostwärts voran, während sich die zugehörige Kaltfront
weiterhin schwer tut, Boden nach SO zu gewinnen. In ihrem Bereich kommt es in
einem von W nach NO verlaufenden Steifen zu weiteren Regenfällen, über deren
Intensität die vielfältige Modellwelt bisher noch keine Einigung erzielen
konnte. Größtenteils liegen die 12h-Mengen aber im einstelligen Bereich, nur
strichweise wird auch etwas mehr angeboten (z.B. ICON_Nest im NO, EURO4 in der
Mitte). Zudem muss im N mit dem einen oder anderen Schauer, vielleicht auch
einem kurzen Gewitter gerechnet werden. Dort, wo es für längere Zeit aufklart,
bildet sich stellenweise Nebel.
Nach einem vorübergehenden Minimum in der ersten Nachthälfte legt der SW-Wind an
der Nordsee später wieder zu mit Böen 7 Bft. Auch auf dem Brocken und dem
Fichtelberg bleibt es stürmisch.

Donnerstag... läuft ein kurzwelliger, markant ausgeprägter Trog in den o.e.
breiten Höhentrog, so dass sich dieser unter Verkürzung seiner Wellenlänge
zunehmend amplifiziert. Bei uns steilt die Höhenströmung dadurch auf und dreht
auf glatt Südwest zurück. Das Bodentief erreicht bis Mittag die mittlere Nordsee
und zum Tagesende das südliche Norwegen, wobei es sich von etwas unter 995 hPa
auf etwas über 1000 hPa auffüllt. Die Kaltfront kommt etwas nach SO voran,
steilt aber ebenfalls etwas auf, so dass sie um 12 UTC grob gesprochen etwa eine
Linie Saarland-Berliner Raum, vielleicht auch etwas südlicher, abdeckt.
An der Kaltfront kommt es in einem von SW nach NO verlaufenden Streifen zu
weiteren, teils schauerartigen Regenfällen mit Mengen, die meist unter 10mm/12h
liegen. Präfrontal wird mediterrane Subtropikluft in den S und SO angesaugt, die
zunehmend potenziell instabil geschichtet ist. Die nachmittäglichen
ML-CAPE-Werte halten sich mit bis zu 500 J/kg (nur lokal etwas darüber) trotz
Einstrahlung - die meiste davon gibt es sehr wahrscheinlich in Bayern - in
Grenzen, zudem ist die Luftmasse überwiegend gedeckelt (CIN lokal etwas über 100
J/kg), was u.a. Überströmungseffekten von den Alpen her geschuldet ist. So
bleibt die Gewitterneigung am Nachmittag und Abend vergleichsweise gering, was
aber einzelne Überentwicklungen über den Bergen (vor allem Alpen) nicht gänzlich
ausschließt. Sollte es irgendwo hochschießen, sind Starkregen (PPW um 30 mm),
Hagel und auch (schwere) Sturmböen (Stichwort inverted V => Downbursts) möglich.

Vereinzelte Gewitter sind auch am warmen Rand des kaltfrontbedingten
Regenstreifens nicht ausgeschlossen, vor allem über den Mittelgebirgen.
In weiten Teilen N- und NW-Deutschlands stellt sich in der einfließenden
erwärmten Meereskaltluft (die Luftmasse kommt eigentlich direkt aus polaren
Breiten, muss dann aber einen Bogen um das o.e. Tief über UK/Irland schlagen,
wobei sie sich erwärmen kann) leicht wechselhaftes Wetter ein mit einzelnen
Schauern, vielleicht auch mal einem kurzen Gewitter im äußersten NW ein (dort
etwas ML-CAPE bis zu 200 J/kg). Mit Annäherung eines Bodentroges von der Nordsee
her sind eben dort - nicht nur in Verbindung mit konvektiven Umlagerungen - Böen
7, exponiert 8 Bft um SW möglich. Die Tageshöchstwerte liegen bei rund 20°C an
Nordseeküstenabschnitten mit auflandigem Wind und bis zu 31°C im SO. Nach wie
vor gilt, dass die Temperatur in dem von SW nach NO verlaufenden Streifen mit
Regen und kompakter Bewölkung mit 24 bis 27°C zu hoch angesetzt sind.

Am Abend und in der Nacht zum Freitag rückt der Höhentrog dicht an den
Vorhersageraum heran; seine Achse (500 hPa, ICON) verläuft um 06 UTC etwa vom
Schweizer Jura via Luxemburg bis hinauf zur niederländisch-deutschen Grenze.
Vorderseitig kommt es zu einer hebungsgünstigen Interaktion mit der Kaltfront,
die im Laufe der Nacht allmählich ost-südostwärts gedrückt wird. Präfrontales
Auspumpen sorgt mit Unterstützung der Orografie für Druckfall und die Bildung
eine kleinen Tiefs über SO-Bayern, das bis zum frühen Morgen gen Tschechien
zieht. Die nachfolgende Druckwelle lässt nicht nur den Wind im Süden
vorübergehend auffrischen (7-8 Bft), sondern diesen in der unteren Troposphäre
auch auf nordwestliche Richtungen drehen. Da darüber S- bis SW-Wind weht,
stellen sich recht gute Aufgleitbedingungen ein, auch wenn sich keine klassische
und vor allem über einen längeren Zeitraum andauernde Gegenstromlage aufbaut.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass es beginnend im SW (BW) zu einer
Intensivierung des Regens kommt, die sich via Bayern (ausgenommen die östlichen
und südöstlichen Landesteile) bis nach Thüringen und Sachsen sowie zur
Niederlausitz hin fortsetzt. 12-stündige werden von der Numerik vielerorts 10
bis 20 mm, lokal um 25 mm angesetzt. Am meisten soll am westlichen Alpenrand
bzw. im Bereich Hochrhein/Bodensee fallen mit bis zu 40 mm, lokal auch noch
etwas mehr. Allerdings gibt es aktuell noch Diskrepanzen hinsichtlich genauer
räumlicher Verteilung und Intensität der Niederschläge, so dass auch noch nicht
abschließend bewertet werden kann, wo welche Stark-/Dauerregenwarnung
herausgegeben werden muss.
Fraglich ist auch, inwieweit sich präfrontale Gewitter im SO Bayerns entwickeln
und welchen Status diese bekommen. Denkbar sind aber einzelne Zellen bis in den
Unwetterbereich, auch wenn sich die Numerik insgesamt doch sehr zurückhält.


Freitag... erreicht der Höhentrog Deutschland, wodurch die vorgeschaltete
Kaltfront ostwärts abgedrängt wird. Damit verlagert sich auch das Regengebiet
mehr und mehr in den O und SO respektive später aus dem Vorhersageraum heraus.
Am meisten Regen dürfte nach jetzigem Stand am östlichen Alpenrand nebst Vorland
sowie im Bereich der Oder fallen. Wie viel es tatsächlich sein wird, ist
allerdings noch offen, wodurch die oben gemachte Aussage hinsichtlich des noch
offenen Warnmanagements "Stark-/Dauerregen" seine Gültigkeit behält.
Ansonsten gelangt rückseitig der abziehenden Front ein Schwall subpolarer
Meeresluft in den Vorhersageraum, in der die 850-hPa-Temperatur auf Werte
zwischen 10 und 5°C zurückgeht. KLA-bedingter Druckanstieg sorgt für den Aufbau
eines Bodenkeils, der sich als "verlängerter Arm" des Azorenhochs bis nach
Süddeutschland vorschiebt. Dabei kommt es teilweise zu einer Stabilisierung der
atmosphärischen Schichtung, insbesondere in einem Streifen, der von
SW-Deutschland bis in den NO (BB, MV) reicht. Dort bleibt es tagsüber im Großen
und Ganzen trocken. Weiter nordwestlich hingegen machen sich der Höhentrog und
etwas Höhenkaltluft (T500 bis knapp -20°C) bemerkbar. Dort entwickeln sich mit
Unterstützung des Tagesgangs Schauer und vereinzelte kurze Gewitter, teils mit
Starkregen um 15 mm/h, Böen 7-8 Bft und/oder kleinkörnigem Hagel.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 19 bis 24°C, am Oberrhein örtlich um
25°C, am östlichen Alpenrand bei länger andauerndem Regen nur 15 bis 18°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Wie so oft an dieser Stelle gilt auch heute die Aussage, dass die großräumige
Entwicklung von den Modellen sehr ähnlich simuliert wird, im Detail aber
Unterschiede erkennbar sind. Im aktuellen Fall betrifft das insbesondere die
Niederschlagsentwicklung, vor allem ab der Nacht zum Freitag, was im Text auch
angesprochen wird. Es bleibt zu hoffen, dass aus den heutigen Allgemeinplätzen
zu dieser Thematik am morgigen Donnerstag konkrete (Warn)Fakten werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann