DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-07-2020 07:30
SXEU31 DWAV 210800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.07.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa

Heute noch südlich der Donau, ab Mittwoch nur am Alpenrand teils kräftige
Gewitter, lokal mit Unwettergefahr durch Hagel und Starkregen. Schwül-warm. Über
der Mitte durchweg trocken und im Norden leicht wechselhaft und kühl. Ostsee
zeitweise böiger Westwind.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... residiert ein veritabler Langwellentrog über Skandinavien und drückt
dort das Geopotential in einen leicht negativen Bereich (bezogen auf das
langjährige Klimamittel). In seine südwestliche Flanke gelangt eine Kurzwelle
mit kaum erkennbarer Amplitude, jedoch mit beachtlichem Abdruck im IPV-Feld, die
heute tagsüber über Dänemark in Richtung südliche Ostsee zieht. Bei gleichzeitig
steigendem Geopotential über Mitteleuropa findet in der niederen und oberen
Troposphäre eine allgemeine, wenngleich nur vorübergehende, Windzunahme statt.
Weitere Tröge über Ost- und Südwesteuropa spielen die Kurzfrist über keine
Rolle.
Niedertroposphärisch wurde eine wellende Front über Zentralfrankreich,
Süddeutschland und dem Süden und Osten Polens analysiert (03Z). Gleichzeitigt
weitet sich durch Kaltluft gestützt ein umfangreiches Bodenhoch über England und
Benelux nach Deutschland aus, sodass die Front heute tagsüber tendenziell etwas
nach Süden in Richtung Alpen gedrückt wird.

Im Fokus steht heute warntechnisch der Süden Deutschlands und da besonders die
Region südlich der Donau. Die dort wellende und nur sukzessive südwärts
vorankommende Front trennt eine trockene und alternde Polarluft über der Mitte
und dem Norden von feuchter und deutlich wärmerer Subtropikluft im Süden (siehe
Oberschleißheim, 00Z). Der offene Warmsektor weist bodennah Taupunkte von 10 bis
13 Grad auf, die in der Numerik insgesamt gut erfasst werden, wenngleich z.B.
bei CD2 1 bis 2 Grad zu hoch. Dazu weist die untere und mittlere Troposphäre
ausreichend Feuchte auf mit einer spez. Feuchte um 10 g/kg und PWs um 30 mm
(gekoppelt mit geringen lapse rates ergibt das um 1000 J/kg MLCAPE). Mit Passage
der Kurzwelle und der angesprochenen Windzunahme in der Höhe nimmt auch im Süden
die hochreichende Scherung Werte von rund 15 m/s an, die für organisierte
Konvektion ausreichen. Zudem sorgen alpines Pumpen, aber auch ein schwaches
Signal für geführte Winde entlang der nördlichen Alpen für leicht erhöhte
Richtungs- und Geschwindigkeitsscherungswerte in den untersten 3 km AGL. Somit
ergeben sich recht lange und glatte Hodographen. Interessant ist, dass
tendenziell die linksausscherenden Zellen begünstigt werden könnten, allerdings
springt die Numerik aktuell mehr auf rechtsausscherende Zellen an und CD2 03Z
deutet gar eine transienten bow-Struktur mit geringen Wahrscheinlichkeiten für
Bft 9 Böen in Richtung Berchtesgadener Land an.
Summa summarum beginnt der Vormittag noch mit einzelnen, zumeist abgehobenen
Zellen entlang der Front, die besonders vom nördlichen Schwaben und der
Oberpfalz ostwärts in Richtung Tschechische Republik ziehen. Ab den
Mittagsstunden werden dann auch vermehrt im offenen Warmsektor Gewitter
erwartet, die zunächst bevorzugt entlang der Orografie (z.B. Alb und Alpen)
entstehen und dann ost-/nordostwärts ziehen. Neben Multizellen sind auch
einzelne Superzellen nicht ausgeschlossen, sodass eine latente Unwettergefahr
durch großen Hagel und Starkregen besteht. Zudem können auch Sturmböen (Bft 9),
im schlimmsten Fall einzelne schwere Sturmböen (Bft 10) nicht gänzlich
ausgeschlossen werden. Insgesamt jedoch wird die Ausgabe einer Vorabinformation
nicht forciert, da die Zutaten im Grenzbereich liegen und mit zumeist rascher
Zellinteraktion gerechnet werden muss.

Unter Hochdruckeinfluss profitiert heute hingegen eindeutig die Mitte
Deutschlands. Abseits lockerer Wolkenfelder (vormittags noch etwas dichter als
am Nachmittag) scheint häufig die Sonne, zeitweise kann der Gesamteindruck gar
als ein "sonniger" bezeichnet werden und es bleibt trocken.
Anders sieht es im Norden aus. Dort ist die Strömung in der Höhe deutlich
zyklonaler aufgestellt und von kälterer Höhenluft begleitet, sodass neben reger
Konvektion auch eine aktive Schauertätigkeit zu erwarten ist. Dabei steht
besonders die periphere Kurzwellenpassage zwischen Mittag und Abend im Fokus, wo
sich die Schauer auch teils linienhaft strukturieren können. Viel Spielraum für
hochreichende Entwicklung zeigen die Vorhersagesoundings in dieser Region nicht,
doch mit einer gut durchmischten Grenzschicht werden die kräftigeren Schauer
auch von teils starken Windböen begleitet - im ungünstigsten Fall im Bft 7/8
Grenzbereich. Auch abseits der Schauer weht der Gradientwind mäßig aus Nordwest
und frischt besonders im Umfeld der Ostsee zeitweise böig auf. Für die Ausgabe
einer Böenwarnung vor allem zwischen Darß und Rügen fehlt aber wahrscheinlich
der entsprechende Höhenwind, sodass die im EPS gezeigten Wahrscheinlichkeiten
eher auf den günstigen "fetch" zurückzuführen sind.
Die Höchstwerte liegen im Norden um 20 Grad, über der nördlichen Mitte zwischen
21 und 24 Grad und im Süden um 27 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch klingen die Schauer und Gewitter im Alpenvorland bis
Mitternacht allmählich ab (unter rascher Abnahme der Unwettergefahr), allerdings
kann es im direkten Staubereich bis weit in die Nacht noch etwas regnen oder
kurz gewittern (MUCAPE bis 500 J/kg). Über der Mitte verläuft die Nacht klar und
trocken, während den Norden weiterhin ausgedehnte Wolkenfelder mit einzelnen
Schauern überstreichen. Die Tiefstwerte liegen im Süden und im Küstenumfeld
zwischen 14 und 10 Grad, sonst zwischen 9 und 6 Grad, im Eifelumfeld auch um 4
Grad (dank der trockenen und alternden Polarluft, effektiver Ausstrahlung sowie
nur schwacher Windbewegung).


Mittwoch... schwenkt der skandinavische Langwellentrog nach Osten und
hinterlässt eine vergleichsweise glatte Westströmung, die weite Bereiche
Mitteleuropas betrifft. Dabei beeinflusst hoher Luftdruck bodennah die Mitte und
den Norden Deutschlands, wobei auch im Norden die zyklonale Höhenströmung
zunehmend glatter wird, allerdings mit vergleichsweise kalter Höhenluft. Die
wellende Front schmiegt sich an die Alpen und bleibt dort vorerst liegen. Erst
ausgangs der Nacht erfassen mehrere, in die Westströmung eingelagerte Wellen,
Irland, England und Benelux.

Von daher dauert die Dreiteilung beim Wetter weiter an mit einem sonnigen oder
locker bewölkten Himmel über der südlichen Mitte (zwischen Mai und Donau;
trocken), dichten Wolken im Norden mit geringer Schauerneigung sowie einem
schwül-warmen Süden. Letzterer weist zwischen Bodensee und Niederbayern ähnliche
thermodynamische Werte auf (800-1000 J/kg MLCAPE), wenngleich jedoch mit
schwächerer hochreichender Scherung (um 10 m/s). Ein klarer Hebungsimpuls fehlt
in der glatten Strömung, allerdings dürften schwache Kurzwellen sowie die
Einstrahlung im Nachmittags- und Abendverlauf in dem genannten Streifen erneut
einige Gewitter entstehen lassen. Zwar treten zumeist pulsierende Zellen oder
Multizellen mit Hagel, Starkregen und stürmischen Böen (markant zu bewarnen)
auf, dank der komplexen Orografie kann temporär auch der eine oder andere
rotierende Aufwind nicht ausgeschlossen werden und dies wird auch von einzelnen
höher auflösenden Modellen gestützt. Daher gilt auch am Mittwoch am direkten
Alpenrand örtlich Unwettergefahr.
Die Dreiteilung des Wetters spiegelt sich auch bei den Höchstwerten wider mit 16
bis 20 Grad im Norden, 20 bis 25 Grad über der Mitte und 25 bis 29 Grad im
Süden. Der Nord-, im Nordosten Nordwestwind weht meist schwach, im Umfeld von
Rügen zeitweise böig.

Die Nacht zum Donnerstag ist zumeist eine Kopie der vorherigen Nacht. Am
Alpenrand treten bis weit in die Nacht noch Schauer und einzelne Gewitter auf
und die Wolkendecke lockert nur zeitweise auf. Über der Mitte verläuft die Nacht
meist klar und trocken während über den Norden zeitweise dichte Wolkenfelder mit
einzelnen Schauern ziehen. Inwieweit jedoch eine vom Ärmelkanal ostwärts
ziehende Warmfront ausgangs der Nacht auf den äußersten Nordwesten übergreift
bleibt noch abzuwarten. Die Tiefstwerte liegen im Süden sowie im Küstenumfeld
zwischen 14 und 10 Grad und sonst zwischen 10 und 6 Grad.


Donnerstag... nimmt die Verwellung über West- und Mitteleuropa im Zuge der
Passage mehrerer Kurzwellen etwas zu. Die erste schwache Welle zieht im
Tagesverlauf zügig über Benelux und die Mitte in den Osten Deutschlands, wobei
die nachfolgende kräftigere Welle vorerst nur Frankreich beeinflusst. Die am
Alpenrand liegende Front weicht bezüglich der Gradienten immer mehr auf,
allerdings verbleibt dort eine Schliere feuchter und labiler Luft liegen. Diese
interagiert peripher mit den Kurzwellen, sodass am Alpenrand im Tagesverlauf bei
ähnlichen kinematischen und thermodynamischen Parametern wie am Vortag einzelne
Gewitter auftreten. Allerdings könnte beginnende Subsidenz stromab des
französischen Troges zur Nachmittags- und Abendzeit die Aktivität insgesamt
mindern. Aus heutiger Sicht werden daher nur einzelne, markante Gewitter
erwartet.
Ansonsten interagiert die Welle über der Mitte Deutschlands mit der trockenen
und gealterten Polarluft, was sich nur durch eine Zunahme mittelhoher und hoher
Bewölkung äußert. Niederschlag ist dort weiterhin ein Fremdwort. Den äußersten
Norden tangiert die Warmfront mit dichter Bewölkung und etwas Regen zwischen
Emsland und Schleswig-Holstein. Sonst bleibt es bei lockerer Bewölkung trocken.
Die Höchstwerte verbleiben zwischen Nord und Süd zwischen 17 und 29 Grad und der
im Süden aus nordwestlicher, im Norden aus südwestlicher Richtung wehende Wind
tritt meist nur schwach, im Umfeld der Deutschen Bucht auch mäßig in
Erscheinung.

In der Nacht zum Freitag wenig Änderung mit etwas Regen im Norden, einzelnen
Schauer und Gewittern im Süden und trockenen Verhältnissen über der Mitte. Dabei
sorgt eine insgesamt dichte Wolkendecke für milde Tiefstwerte zwischen 15 und 10
Grad. Der Wind weht schwach aus Südwest, auf den Nordfriesischen Inseln
zeitweise leicht böig (Bft 6-7).

Modellvergleich und -einschätzung
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Zumeist verläuft die Kurzfrist ohne gröbere Modelldiskrepanzen. Erst zum Ende
(ab Donnerstag) ergeben sich mit einer Kurzwelle über Westeuropa größere
Varianzen bezüglich der Wellenamplitude (ICON kräftiger als IFS und GFS).
Entsprechend unsicher ist noch, wie stark am Donnerstag eine mögliche
Keilaufwölbung über Deutschland ausfällt, die wiederum das Ausmaß der
Gewitteraktivität über Süddeutschland diktiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy