DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 20.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach Kaltfrontpassage antizyklonale Nordwestlage; bis Dienstag präfrontal im
Süden noch teils kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial, am Mittwoch und
Donnerstag dann nur noch direkt am Alpenrand bzw. im angrenzenden Vorland.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland an der Südflanke eines umfangreichen
Langwellentroges mit Drehzentrum über dem Nordmeer unterhalb einer recht
glatten, leicht zyklonal konturierten westlichen Höhenströmung. Dabei dominiert
über dem Vorhersagegebiet generell KLA, allerdings bieten in die Höhenströmung
eingebettete kurzwellige Troganteile immer mal wieder etwas Hebungsantrieb.
Im Bodenfeld hat ein von dem mit dem Trog korrespondierenden Tiefdruckkomplex
ausgehender Frontenzug als Kaltfront inzwischen die mittleren Landesteile
erreicht. Dabei nimmt er eine zunehmend zonale Ausrichtung an und kommt aufgrund
höhenströmungsparalleler Exposition mangels Schubkomponente nur noch langsam
nach Süden voran; mit Annäherung eines kurzwelligen Troganteiles von Westen her
wird die Kaltfront sogar vorübergehend eingebremst (auf etwa einer Linie
Pfalz-Ostsachsen) und durch etwas dynamischen Hebungsantrieb auch ein wenig
aktiviert.
Präfrontal befindet sich vor allem über dem Südosten noch eine potenziell
instabile Luftmasse, innerhalb derer sich im Tagesverlauf teils kräftige
Gewitter entwickelt haben, die aber inzwischen weitgehend nach Polen bzw.
Tschechien abgedrängt wurden.
Bereits aktuell, aber auch in den kommenden Stunden bis in die Nacht hinein kann
die (eventuell noch verwellende) Kaltfront mit dem oben erwähnten kurzwelligen
Troganteil bzw. dann auch mit einem weiteren, der sich im Laufe der Nacht
annähert, interagieren, so dass sich auch im Frontbereich bzw. wohl eher
präfrontal einzelne Schauer, eventuell auch Gewitter entwickeln. Als Zutaten
stehen mehrere 100 J/kg Cape und ebenfalls knapp über 25 mm PPW zur Verfügung,
garniert mit 15 bis nahe 25 m/s DLS (0 bis 6 km). Auch diese Gewitter dürften
damit markante Kriterien erreichen, mit der Scherung sind auch etwas
langlebigere Einzel- bzw. kleinere Multizellensysteme möglich, die sich im Laufe
der Nacht von der Südpfalz bzw. dem nördlichen Baden-Württemberg und Nordbayern
(eventuell reicht es auch im Erzgebirge bzw. im Zittauer Gebirge für Auslöse)
etwas nach Süden vorarbeiten. Die hochauflösenden bzw. Konvektion erlaubenden
Modelle sind sich bzgl. der Häufigkeit ihres Auftretens noch uneinig: C-D2
simuliert zunächst keine Gewitter, erst wieder im Laufe der zweiten Nachthälfte
in Nordbayern, AROME eine erhöhte Gewitteraktivität, SuperHD vereinzelte
Entwicklungen.
Postfrontal gelangt maritime Polarluft in den Norden und in die Mitte des
Landes. Somit hat sich ein scharfer Temperaturgradient aufgebaut: 2 bis 3 Grad
in 850 hPa im Nordwesten stehen etwa 17 Grad im Alpenvorland gegenüber. Die
einströmende Meeresluftmasse gerät in den Einflussbereich eines sich
verstärkenden Hochkeils, dessen Divergenzachse sich über die "nördliche Mitte"
des Landes ostwärts erstreckt. Nördlich davon ist die Luftmasse
niedertroposphärisch durch die Nordsee etwas angefeuchtet, wobei sich in etwa
650 (Nordsee) bis 750 hPa (nördliche Mittelgebirge) eine Absinkinversion
verstärkt, an der sich gebietsweise Sc-Bewölkung ausbreiten kann. Eventuell
reicht es vor allem im Nordseeumfeld für leichte Schauer bzw. etwas Regen oder
Nieselregen, ansonsten bleibt es aber trocken.
Vor allem in der nördlichen Mitte sowie präfrontal im Süden bleibt es aber teils
auch gering bewölkt.
Während es im Norden und in der Mitte im Einflussbereich der frischen Meeresluft
auf 13 bis 7 Grad, in einigen Tälern der zentralen Mittelgebirge bei klarem
Himmel bis nahe 5 Grad abkühlt, bleibt es im Süden mit 17 bis 12 Grad deutlich
milder.

Dienstag ... wird der vom Nordmeer bis nach Südskandinavien reichende Trog durch
hereinlaufende kurzwellige Anteile ins einem Südteil regeneriert. Das führt zu
einer leichten Verschärfung der weiterhin zyklonal konturierten
westnordwestlichen Höhenströmung über Norddeutschland, während sie über der
Südhälfte etwas auffächert. Dabei steigt die Labilitätsfläche über dem äußersten
Norden etwas an (vorübergehend auf etwa 600 bis 650 hPa, also auf nahe -10
Grad), was das Schauerrisiko dort etwas erhöht, kurze Gewitter nicht
ausgeschlossen, aber doch eher unwahrscheinlich. Mit Durchschwenken eines
Bodentroges von Südnorwegen zur südlichen Ostsee verschärft sich zudem der
Gradient und der Wind frischt aus West bis Nordwest auf. Vor allem entlang der
vorpommerschen Ostseeküste kann es an exponierten Abschnitten steife Böen (Bft
7) geben.
Weiter landeinwärts liegt die Absinkinversion im Einflussbereich des Hochkeils
etwas niedriger, vor allem nördlich dessen Divergenzachse, also über der
Norddeutschen Tiefebene, breiten sich vermehrt Quellwolken an der Inversion aus,
so dass es gebietsweise auch mal längere Zeit bewölkt bleibt.
In den mittleren Landesteilen und im Süden scheint dagegen häufiger die Sonne,
mit Einschränkungen allerdings im Einflussbereich der Kaltfront und präfrontal,
also in etwa entlang und südlich einer Linie Südschwarzwald - Oberpfälzer Wald.
Dort befindet sich nach wie vor die potenziell instabile Luftmasse, die noch
etwas angefeuchtet wird. Durch die Einstrahlung können 500 bis gebietsweise nahe
1000 J/kg ML-Cape generiert werden bei PPW-Werten von knapp über 30 mm. Als
Trigger für Auslöse dienen die Orographie, eventuelle Outflow Boundaries
ehemaliger Gewitter und vielleicht auch die thermisch induzierte frontale
Querzirkulation (der scharfe Gegensatz zwischen Nord und Süd - 4 Grad ganz im
Norden bzw. 15 Grad im Alpenvorland in 850 hPa - bleibt erhalten). Bei geringer
Scherung ist von sich zu kleineren Multizellenkomplexen organisierenden
Einzelzellen auszugehen, die teilweise langsam ziehen bzw. rück- und luvseitig
immer wieder neu anbauen. Summa summarum ist also erneut vor allem von einer
erhöhten Starkregengefahr auszugehen (bis hin zu Unwetter), aber auch von
größeren Hagelansammlungen, eventuell kann die Korngröße angesichts der mäßig
hohen Cape-Werte auch mal die 2 bis 3 cm knapp überschreiten. Letztendlich
können bei kleineren Bogensegmenten auch von Sturmböen auftreten.
Die Temperaturen steigen im Norden auf Werte zwischen 17 und 22 Grad, in der
Mitte auf 21 bis 26 Grad und im Süden auf 25 bis 29 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch nimmt der Trog eine zunehmend negative Achsneigung an,
wobei sich ein weiteres Drehzentrum über der mittleren Ostsee etabliert. Ein
flache Kurzwelle greift morgens auf Nordschottland über, dazwischen wölbt sich
ein flacher Höhenrücken über der westlichen Nordsee auf, der die Höhenströmung
über dem Vorhersagegebiet etwas mehr auf Nordwest drehen lässt.
Der Keil der von den Azoren zu den Britischen Inseln reichenden Hochdruckzone
bleibt weiterhin nach Mitteleuropa gerichtet und weitet sich sowohl nach Süden
als auch nach Norden etwas aus. Im äußersten Nordosten bleibt der Gradient somit
recht scharf ausgeprägt, was noch für einzelne Böen Bft 7 entlang der
ostvorpommerschen Küste reichen könnte.
Die Absinkinversion befindet sich auch im Norden meist auf etwa 700 hPa bzw.
knapp darunter, so dass die Neigung zu Schauern auch im Küstenbereich abnimmt.
Allerdings können sich an ihr SC-Felder ausbreiten, aus denen bevorzugt an der
Nordsee gebietsweise etwas Regen oder Nieselregen fällt. Vor allem über das
Weser-Ems-Gebiet südostwärts bis ins südliche Niedersachsen weitet sich die
SC-Bewölkung aus und ist gebietsweise bedeckt (der klassische "Nordseestratus"),
während es im Nordosten mit dem frischen Nordwest- bis Westwind meist
aufgelockert bewölkt bleibt.
In den mittleren Landesteilen und im Süden ist der Himmel im Einflussbereich des
Hochkeils dagegen gering bewölkt, teils auch klar. Ausnahme: Der äußerste Süden.
Dort befindet sich nach wie vor die Luftmassengrenze, die die ehemalige, sich
weitgehend aufgelöste Kaltfront markiert. Im Einflussbereich der potenziell
instabilen Luftmasse am Alpenrand und im südlichen Alpenvorland gibt es anfangs
noch teils kräftige Gewitter, die im Laufe der Nacht aber abklingen. Dann
lockern auch dort die Wolken auf und stellenweise kann sich Nebel bilden.
Während es ganz im Süden mit Tiefstwerten zwischen 16 und 12 Grad recht mild
bleibt, kühlt es sonst auf 12 bis 7 Grad ab, an den Küsten knapp darüber, in
einigen Mittelgebirgstälern auch darunter.

Mittwoch ... bleibt das Vorhersagegebiet unterhalb der nur leicht mäandrierenden
westnordwestlichen Höhenströmung. Der kurzwellige Troganteil verlagert sich von
Nordschottland über die Nordsee nach Schleswig-Holstein, wird aber von WLA
überlagert und schwächt sich ab. Vor allem der Nordhälfte beschert die WLA
einige hohe und mittelhohe Wolkenfelder, die sich abgeschwächt auch auf die
östlichen und mittleren Landesteile ausweiten.
Im Bereich des nach wie vor bis zur Nordsee und nach Mitteleuropa reichenden,
sich allerdings etwas abschwächenden Hochkeiles befindet sich weiterhin eine
Absinkinversion in etwa 700 hPa über dem äußersten Norden Deutschlands und in
800 hPa über der Mitte. An der können sich vor allem in Niedersachsen erneut
dichtere SC-Felder ausbreiten, die nur gebietsweise stärker auflockern. An der
Nordsee reichen die Quellwolken etwas höher, Schauer sollte es aber keine geben.
Ganz im Nordosten weht weiterhin lebhafter West- bis Nordwestwind, der sich nur
zögernd abschwächt, für warnrelevante Böen reicht es aber wohl nicht mehr.
In der Mitte und in weiten Teilen Süddeutschlands scheint dagegen überwiegend
die Sonne. Lediglich ganz im Süden, an den Alpen und im angrenzenden Vorland,
hält sich hartnäckig die Luftmassengrenze. Bei ähnlichen Instabilitätswerten wie
am Vortag geht dort das "Geblubbere" erneut von vorne los, beschränkt sich aber
wohl nur noch auf die Regionen vom Hochrhein über Oberschwaben, das Allgäu bis
ins Berchtesgadener Land. Erneut gibt es vor allem nachmittags und abends
einzelne kräftige Gewitter, Unwetter vor allem aufgrund von Starkregen nicht
ausgeschlossen.
An der Temperaturverteilung ändert sich gegenüber dem Vortag so gut wie gar
nichts.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht ein weiterer markanterer Kurzwellentrog von
Westen her das Seegebiet westlich von Irland, wodurch sich über der Nordsee
erneut ein Rücken aufwölben kann und die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
auf Nordwest dreht. Im Bodenfeld dauert der leichte Druckfall weiter an
allerdings kann sich aus dem nur noch flachen Hochkeil vorübergehend eine
eigenständige Hochdruckparzelle über Norddeutschland etablieren. Damit wird die
Zufuhr feuchter Nordseeluft in die Norddeutsche Tiefebene mehr und mehr gekappt
und auch dort lockern die Wolken von Westen her zeitweise stärker auf. Ein mit
dem Kurzwellentrog korrespondierendes Tiefdruckgebiet erreicht morgens als Dipol
die Hebriden bzw. den äußersten Westen Irlands. Die Warmfront des Tiefs greift
dann auf die westliche Nordsee über, erste Wolkenfelder der Front machen sich
somit in den Frühstunden auch im Bereich der Deutschen Bucht bemerkbar, es
bleibt aber noch trocken.
Ansonsten verläuft die Nacht vielerorts gering bewölkt oder wolkenlos. Lediglich
an den Alpen und im Vorland halten sich noch Wolkenfelder, anfangs kann es dort
auch kräftige Gewitter geben, die im Laufe der Nacht aber abklingen sollten.
Die Temperaturen erreichen ähnliche Tiefstwerte wie in der Vornacht.

Donnerstag ... erreicht der Kurzwellentrog unter Vergrößerung der Wellenlänge
die Irische See, der vorgelagerte Höhenrücken befindet sich nachmittags und
abends über dem Vorhersagegebiet, Dänemark und Südnorwegen.
Das Bodentief zieht Richtung Shetlands, wobei eine Rinne südwestwärts bis nach
Irland reicht.
Über dem Kontinent verstärkt sich somit der Druckfall von Westen her noch etwas,
das flache Hochdruckgebiet verlagert seinen Schwerpunkt bis zum Abend in etwa
nach Nordwestpolen. Dabei reicht am Nachmittag und Abend eine flache
Tiefdruckrinne von England bis nach Zentralfrankreich.
Über dem Vorhersagegebiet dreht die Grundströmung dadurch von Süden her
allmählich auf Südost. Die warme Luftmasse über Süddeutschland kommt somit
wieder nordwärts voran, bis zum Abend steigt die Temperatur in 850 hPa auf Werte
zwischen 6 Grad im Nordosten und etwa 17 Grad im Südwesten.
Während sich im Norden und Nordwesten die Wolkenfelder der sich allmählich
auflösenden Warmfront des Tiefs bemerkbar machen und es bevorzugt im
Nordseeumfeld sowie in Schleswig-Holstein auch etwas regnen kann, scheint in der
Mitte und im Süden, vor allem nach Südwesten zu, vielerorts die Sonne. Die
potenziell instabile Luftmasse über dem äußersten Süden kommt mit der auf Südost
drehenden Strömung wieder etwas nach Norden voran, wohl in etwa bis zur Donau.
Südlich davon kann es im Tagesverlauf erneut einzelne, durchaus kräftige
Gewitter geben, lokal eng begrenzt mit Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen
und größerem Hagel.
Die wärmere Luftmasse kommt wieder etwas nach Norden voran und somit liegen die
Höchstwerte meist zwischen 20 und 25 Grad im Norden und Osten (an den Küsten,
vor allem im Nordseeumfeld, auch etwas darunter) bzw. zwischen 25 und 30 Grad im
Südwesten und Süden.



Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine nennenswerten Unterschiede
zwischen den vorliegenden Globalmodellen ableiten. Im Detail gibt es natürlich
Differenzen, in erster Linie die konvektive Aktivität in der kommenden Nacht
betreffend. Diese wurden im Text erörtert.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff