DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-07-2020 08:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 19.07.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: BM (Brücke Mitteleuropa), kurzzeitig mal durch NWa (Nordwest antizyklonal)
unterbrochen

Heute im Osten und Südosten einige "Knaller" mit Unwettergefahr durch
Starkregen. Morgen nochmals im Osten (lokal WU durch Starkregen), teils aber
auch in der Mitte Gewitter. Am Dienstag dann ganz im Süden das eine oder andere
kräftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland zwischen dem hochreichenden und weiterhin
nur wenig mobilen Zentraltief ZANARIN östlich Islands und dem mittlerweile etwas
abgehalfterten, der interessierten Leserschaft bekannten Kaltlufttropfen, der
mittlerweile die wilden Schluchten des Balkans erreicht hat. Während der
"Tropfen" unsere Region nicht mehr traktieren wird, zeigt sich der vom
Zentraltief ausgehende, bis UK/Irland erstreckende Höhentrog durchaus
interessiert, einen Fuß in die in die kontinentaleuropäische Tür zu bekommen.
Mit anderen Worten, dieser Trog schwenkt unter Verkürzung seiner Wellenlänge und
damit einhergehender (Zuspitzung" (gemeint ist eine schärfere Kontur mit
stärkerer Krümmung) ganz gemütlich ostwärts, so dass er erst in der kommenden
Nacht die Nordsee erreicht. Vorderseitig lösen sich aber bereits tagsüber
kurzwellige Sekundäranteile, die nordostwärts in Richtung Skandinavien
schwenken, wobei sie den Norden und Nordwesten des Vorhersageraums lediglich
streifen. Immerhin reicht das aber aus, die schon seit Tagen zwischen den
Höhentiefs befindliche und auch immer noch nachweisbare Potenzialbrücke peu a
peu zu schwächen, wenn auch nicht gänzlich abzubauen. Ihre heute früh diagonal
von Südwest nach Nordost verlaufende Achse (500 hPa) schwenkt im Tagesverlauf
langsam südostwärts. Dabei stützt sie - trotz landesweitem Druckfall - noch
immer eine langgestreckte, brückenartige Bodenhochdruckzone, die das
umfangreiche Hoch ALBRECHT über dem Ostatlantik (im Grunde handelt es sich um
das etwas nach Norden verschobene und im klimatologischen Mittel gar nicht mal
so falsch liegende Azorenhoch) mit hohem Luftdruck über dem Baltikum bzw.
Nordwestrussland verbindet.
Bedingt durch den angesprochenen, im Wesentlichen trogvorderseitig induzierten
Druckfall hat sich über der Nordsee ein vergleichsweise flacher Bodentrog
gebildet, der inzwischen Nordwestdeutschland erreicht hat (um 06 UTC gut
ausgeprägte Konvergenz im Windfeld mit SO vs. W/NW). Dieser Trog schwenkt in den
nächsten Stunden über Norddeutschland ostwärts, wodurch die Hochdruckbrücke
zunehmend "angeknabbert" wird. Schlussendlich formiert sich der Trog zu einer
meridional exponierten Rinne, die die Hochdruckzone in zwei Teile teilt. Erst
dahinter folgt die Kaltfront des Tiefs ZANARIN, die heute Morgen über der
Nordsee analysiert wurde, wo sie in ihrer Progression durch eine flache Welle
aufgehalten wird. Entsprechend wird sie erst in der kommenden Nacht von der
Deutschen Bucht her auf das nordwestdeutsche Binnenland übergreifen.
Wie auch immer, Fakt ist, dass die inzwischen gealterte und deutlich erwärmte
subpolare Meeresluft, die vor einigen Tagen eingeflossen ist, zunehmend
labilisiert wird. Auf der anderen Seite ist die Luftmasse zumindest in einigen
Regionen deutlich abgetrocknet, so vor allem im Südwesten und in der Mitte, wo
heute früh nicht selten einstellige Taupunkte gemessen wurden. Dagegen zeichnet
sich im Osten und Südosten von Polen und Tschechien her eine weitere Anfeuchtung
der ohnehin schon feuchteren Luft ab, so dass mit Hilfe von Einstrahlung ein
gewisses Quantum an ML-CAPE generiert werden kann. Insbesondere zwischen
Erzgebirge und Vorpommern, etwas abgeschwächt aber auch im Osten und Südosten
Bayerns (dort fehlt teilweise die Einstrahlung) werden von ICON vielerorts über
500, lokal nahe 1000 J/kg CAPE angeboten, die trotz fehlender synoptischer
Antriebe in konvektive Umlagerungen umgewandelt werden können. Dabei genügen das
Erreichen der Auslösetemperatur (um 27°C) sowie lokale Konvergenzen, aber auch
die Orografie - bei potenzieller Gewitterbildung dein treuer Freund und Helfer
-, um den den entscheidenden Kick für die eine oder andere Zelle zu geben.
Angesichts fehlender Höhenwinde sowie nur geringer Scherung (am ehesten
Richtungsscherung im unteren Troposphärenbereich) dürfte es sich meist um wenig
bewegliche, teils stehende Einzelzellen handeln, die zu kleineren
Multizellenclustern zusammenwachsen können. Angesichts PPWs von rund 35 mm steht
das Thema Starkregen ganz oben auf der Agenda, wobei Mengen von über 25 l/qm
innert kurzer Zeit (also per definitionem Unwetter) alles andere als eine
Überraschung wären. Allerdings können auch etwas größerer Hagel (vielleicht 1-2
cm) sowie Böen bis 9 Bft (man beachte die trockene Grundschicht => Downburst)
nicht ausgeschlossen werden.
Eine zweite, gemessen am Osten aber nur subskalige konvektive Baustelle tut sich
im Tagesverlauf auch weiter westlich, etwa vom westlichen Mittelgebirgsraum
ausgehend bis hoch nach Niedersachsen und SH. Dort baut sich präfrontal ein
Korridor mit etwas CAPE auf, das zum Teil aber gedeckelt ist. Außerdem ist der
Wasserdampfgehalt geringer als im Osten und erschwerend für nennenswerte
Konvektion kommt auch noch eine heute Morgen etwa bei 700 hPa verortete Barriere
in Form einer kleinen Inversion (Aufstiege von Essen und Bergen), die zwar etwas
ansteigen soll auf maximal 600 hPa, die es aber auch erst mal zu überwinden
gilt. Kurzum, für den einen oder anderen Schauer dürfte das Ganze reichen.
Einzelne Gewitter sind nicht überbordend wahrscheinlich, aber eben auch nicht
gänzlich ausgeschlossen (gelb bis ocker wegen Starkregen).
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, das in einem breiten, zwischen dem
wolkigen bis stark bewölkten Nordwesten und Südosten liegenden Streifen häufig
die Sonne scheint, am meisten im Südwesten. Dabei steigt die Temperatur auf
sommerliche 25 bis 31°C, lediglich Richtung Nordsee und ganz im Südosten Bayerns
wird es nicht ganz so warm.

In der Nacht zum Montag erreicht der Trog wie bereits erwähnt die Nordsee, wobei
die Hauptachse in der Früh bereits die Grenze zu NL und B erfasst. Dadurch
drückt er die Kaltfront nicht nur ein Stück landeinwärts, mit seiner gut
ausgeprägten diffluenten Vorderseite sorgt er zudem für reichlich PVA und somit
- trotz dämpfender KLA - für einen dynamischen Hebungsimpuls. Gemeinsam mit der
Front wird ein schauerartiges Regenband generiert, das große Teile Nord- und
Nordwestdeutschlands traktiert. Mit der verbesserten Dynamik sind gegen den
Tagesgang sowohl im Regenband als auch präfrontal im vorlaufenden Bodentrog bzw.
der Rinne (Nordosten) einzelne Gewitter nicht unwahrscheinlich, lokalen
Starkregen gratis dazu.
Postfrontal gelangt ein frischer Schwall maritimer Polarluft in den Nordwesten,
in der T850 auf bis zu 4°C an der Nordsee zurückgeht. Damit beträgt der
Unterschied zum präfrontalen Süden rund 10 Grad (T850 bei 14°C). Bedingt durch
die KLA steigt der Luftdruck im Norden, wobei sich ein Keil des Atlantikhochs
ausbildet. Der Wind frischt mit Drehung auf Nordwest bis Nord insbesondere an
und auf der Nordsee mitunter mal etwas spürbarer auf, Warnerregung dürfte
deswegen aber nicht aufkommen.
Blieb noch zu erwähnen, dass sich die Konvektion im Osten und Südosten
zurückzieht respektive zum Erliegen kommt. Mit Auflockern der Bewölkung kann
sich in der durch Schauer und Gewitter angefeuchteten Grundschicht Nebel bilden.


Montag... schwenkt der Höhentrog relativ zügig nach Osten durch. Dahinter stellt
sich eine leicht zyklonal konturierte westliche Höhenströmung ein. Diese sorgt
dafür, dass die Kaltfront in der Mitte des Landes einmal mehr Schwierigkeiten
bekommt, ihren Weg nach Süden fortzusetzen. Mit anderen Worten, sie kommt ins
Schleifen, verliert dabei aber zunächst an Wetterwirksamkeit, da sie nicht mehr
so fruchtbar mit dem abziehenden Trog interagieren kann. Derweil verschärfen
sich die Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd noch weiter, was
insbesondere der niedertroposphärischen Erwärmung im Süden geschuldet ist. Dort
werden in 850 hPa am Nachmittag bis zu 17°C registriert, während es zwischen
Holstein Kiel und Dagebül nur 4°C sind.
Auf alle Fälle werden im Osten und in der Mitte sowie im Südosten, also wenn man
so will präfrontal, mehrere hundert Joule pro Kilogramm ML-CAPE generiert, die
mit Hilfe von Tagesgang und Orografie, aber auch mit Hilfe thermisch direkter
Querzirkulation an der Front in teils kräftige Überentwicklungen umgesetzt
werden. Dabei sind Häufigkeit und Frequentierung von Gewittern im Osten höher
als nach Westen hin, weil dort nicht nur die Luftmasse immer noch feuchter ist,
sondern auch der Trog mit vorderseitiger PVA mithelfen kann. Genau aus diesem
Grunde ist im Osten auch schon von einer recht frühen Auslöse erster Zellen
auszugehen (schon am Vormittag). Zwar sind die Scherungsbedingungen günstiger
als heute, linienhafte Strukturen zeichnen sich aber nicht ab. Stattdessen muss
mit dem einen oder anderen Multizellencluster gerechnet werden, bei dem
Starkregen wieder mal den Parameter darstellt, der letztlich zum Zücken einiger
"roter Karten" Anlass geben könnte.
Während sich das Wetter im Norden in der postfrontal einfließenden maritimen
Polarluft und unter der Ägide des sich kräftigenden Hochkeils mehr oder weniger
wolkig, aber häufig trocken präsentiert (einige schwache Schauer unterhalb der
bei 700 bis 750 liegenden Inversion sind freilich möglich), scheint im Süden
verbreitet die Sonne. Zwar ist dort die Luftmasse labil geschichtet, auf der
anderen Seite mit Ausnahme Südostbayerns aber auch ziemlich trocken. Will sagen,
ein paar Quellungen werden sich insbesondere über dem Bergland schon bilden,
Schauer und Gewitter bleiben aber die Ausnahme. Wenn, dann dürfte am ehesten was
im Südostenbayerns aus dem Bergland heraus geben.
Das Intervall der Tageshöchsttemperatur ist groß, 18 bis 23°C im Norden stehen
25 bis 31°C im Süden sowie Teilen der Mitte gegenüber.

In der Nacht zum Dienstag tut sich die Kaltfront aufgrund ihrer weitgehend
strömungsparallelen Exposition weiterhin schwer, Boden nach Süden hin
gutzumachen. Von Norden her greift Druckanstieg auf die Mitte über, was der
Front ebenfalls alles andere als behagt. Zwar löst sie sich nicht auf - der
thermische Unterschied zwischen Nord und Süd ist weiterhin mehr als beachtlich
(T850 im Norden bei 4°C, im Süden bis zu 17°C) -, sie büßt aber an
Wetterwirksamkeit ein. Sämtliche Niederschlags- oder Konvektionsprozesse
schwächen sich ab bzw. kommen ganz zum Erliegen, so dass am Ende nur noch mehr
oder weniger dichte Wolken übrigbleiben. Nächtliche Schauer entwickeln sich
allerdings an und über der Deutschen Bucht, was der Annäherung eines kleinen
Sekundärtroges geschuldet ist.

Dienstag... quält sich die Kaltfront unter der weiterhin westlichen
Höhenströmung mehr schlecht als recht von der Mitte in den Süden. So richtig
wird die Luftmasse dort aber nicht ausgetauscht, was gut an den
850-hPa-Temperaturen erkennbar ist. Sie liegen am Nachmittag südlich der Donau
immer noch zwischen 13 und 17°C, was ein eindeutiges Indiz für Warmluft ist.
Ausreichend labil geschichtet ist die Luftmasse und feuchter wird sie auch, so
dass mit Einstrahlung vom Hochrhein und dem Südschwarzwald bis hinüber zum
Bayerischen und Oberpfälzer Wald sowie südlich davon ML-CAPE von gebietsweise
über 500 J/kg, stellenweise bis zu 1000 J/kg erzeugt wird. Damit sind die
Voraussetzungen nicht schlecht, ein paar Überentwicklungen in den Himmel zu
jagen, auch wenn synoptisch-skalige Antriebe fehlen. Süddeutschland hat Berge
und die sind verlässlich, wenn es darum geht, in der Atmosphäre vorhandene
potenzielle Energie in aktive Zellen umzuwandeln. Kurzum, ausgehend von den
Mittelgebirgen und den Alpen entwickeln sich im Tagesverlauf einzelne Gewitter,
die in der Basis markant ausfallen, in Einzelfällen aber das Unwetterkriterium
für Starkregen reißen können.
Nördlich Süddeutschland breitet sich der relativ breite Keil des atlantischen
Hochs noch etwas nach Osten aus. Im Norden breitet sich Quellbewölkung an der
bei 700 hPa, maximal 650 hPa positionierten Inversion aus, was die
Sonnenscheindauer reduziert. Hier und dort bilden sich schwache Schauer, wenn´s
stratiform wird, nieselt es vielleicht auch mal ein bisschen. Derweil scheint im
Süden und in der Mitte häufig die Sonne (abzüglich der späteren Quellungen),
weil sich die frontale Bewölkung zusehend auflöst.
Abschließend noch ein zwei Sätze zum Wind und zur Temperatur. Bedingt durch
einen von Südnorwegen via Skagerrak und Kattegat in Richtung südwestliche Ostsee
schwenkenden Bodentrog nimmt der Gradient im Nordosten etwas zu. Vornehmlich an
der Ostsee sowie dem unmittelbar angrenzenden Binnenland frischt der
West-Nordwestwind mitunter stark böig auf, nach Warnungen sieht es Stand heute
aber nicht aus. Bemerkenswert bleibt das Süd-Nord-Gefälle der Temperatur. Sind
es an der schönen Nordsee z.T. nur sehr sparsame 17°C, reicht es im Süden
punktuell bis zu 29°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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An den Basisfeldern gibt es wie so oft nicht viel auszusetzen, sie sehen
modellübergreifend sehr ähnlich aus. Niederschlag und Konvektion sind die
Punkte, die sich leicht unterscheiden. Bewertung und daraus resultierender
Handlungsstrang (=> Warnungen) müssen im Nowcasting vorgenommen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann