DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-07-2020 07:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 18.07.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
BM

Heute weitgehend ruhiges Wetter. Am Sonntag im Osten einzelne kräftige Gewitter,
Unwetterpotential durch Starkregen. Am Montag gebietsweise Gewitter möglich, im
Norden rückseitig einer Kaltfront zurückgehende Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Samstag... ist sehr verbreitet Hochdruckeinfluss wetterbestimmend. Grund dafür
ist eine Hochdruckbrücke, die vom Atlantik bis nach Nordosteuropa reicht. Zwar
wird diese im Tagesverlauf über Mitteleuropa etwas aufgeweicht, sie ändert ihre
Lage sowohl heute als auch in der Nacht zum Sonntag aber kaum. In der Höhe
begleitet die Hochdruckbrücke ein Rücken in 500 hPa, der von der Iberischen
Halbinsel nach Nordosten orientiert ist und dabei bis nach Finnland und
Nordwestrussland ausgreift. Der Rücken wird, ebenso wie das Bodenhoch, über
Deutschland allmählich angeknabbert, so dass er in der kommenden Nacht in zwei
Teile aufgespalten wird. Dies liegt einerseits an einem Langwellentrog, der sich
vom Nordatlantik in südöstlicher Richtung verlagert und in der Nacht auf den
Nordwesten unseres Landes übergreift. Ihn begleitet eine Kaltfront, deren
Zugrichtung ebenfalls eine südöstliche ist. Diese ist aufgrund der fehlenden
Schubkomponente aber eine langsame Vertreterin ihrer Art, und in der Nacht
bildet sich laut ICON über der Nordsee an ihr zu allem Überfluss auch noch ein
Wellentief, so dass selbst die Deutsche Bucht bis zum Morgen von ihr verschont
bleibt. Der zweite Gegner des Rückens ist ein Kaltlufttropfen. Dieser schwächt
sich aber insgesamt ab und zieht von Kroatien, wo er aktuell lokalisiert wird,
bis zum Sonntagmorgen in den Westen Serbiens.

Die Wetterwirksamkeit von Trog und Kaltlufttropfen ist insgesamt beschränkt.
Vorlaufend zur Kaltfront liegt, von der Deutschen Bucht und Dänemark bis nach
Zentralfrankreich reichend, eine Zone feuchterer und etwas labilerer Luft.
Darauf reagieren die Modelle mit der Simulation von homöopathischen Dosen an
CAPE, nach ICON-EU sollen es bis zu 50 J/kg werden. Da sich die Schichtung in
diesem Bereich auch noch recht stabil präsentiert, ist bezüglich kräftigen
Regenfällen oder gar Gewittern nichts zu erwarten. Dadurch bringen es EZMW und
das mit einem Feuchtebias behaftete GFS dort immerhin auf etwas Regen, ICON und
auch das tendenziell eher gewitteraffine COSMO-D2 bleiben in diesem Bereich
dagegen trocken. Insgesamt wird sich die Feuchte wohl eher durch flache
Kumulusfelder bemerkbar machen, und dass die deutschen Modelle so beharrlich
jedweder Niederschläge negieren liegt auch an einer von ihnen vorhergesagten
kräftigen Inversion in 750 hPa (die GFS oder EZMW hingegen nicht so deutlich
zeigen). Ähnlich (mit CAPE-Werten um 50 J/kg und insgesamt doch recht stabiler
Schichtung) präsentiert sich der äußerste Südosten Bayerns. Dort liegt die
Inversion mit 550 bis 600 hPa etwas höher, was aber auch nicht unter die
-10-Grad-Marke reicht und somit nicht auf ein für Gewitter notwendiges Auftreten
der Eisphase hindeutet. Letztendlich sollten damit auch dort nur schauerartig
verstärkte, aber ungewittrige Regenfälle zu beobachten sein. Dort wie im
Nordwesten sind die Wolken auch mal dichter, ansonsten ist es vom Nordosten bis
in den Südwesten sehr sonnig. Bei 850er Temperaturen um 10 Grad liegen die
erwarteten Maxima meist zwischen 25 und 28 Grad. An den Küsten, in höheren
Mittelgebirgslagen sowie von der Alb bis nach Ostbayern sind es nur um 23 Grad,
im Südosten Bayerns teils nur um 20 Grad.

In der Nacht zu Sonntag kann es im äußersten Südosten Bayerns noch etwas regnen,
sonst ist es trocken. Lokal kann sich Nebel bilden. Die Tiefstwerte liegen meist
zwischen 15 und 9 Grad.

Sonntag... bleibt es für die meisten von uns bei sonnigem, trockenem und zumeist
freundlichem Wetter. Dies liegt an weiterhin vorhandenem hohem Luftdruck, und
das südwestliche Residuum des Höhenrückens sorgt vor allem in weiten Teilen des
Südwestens für kräftiges Absinken und Wolkenauflösung. Im Nordwesten bleibt die
Front weiterhin jedwede dynamische Verlagerung schuldig, selbst bis zum Abend
schafft sie es nicht an die Küste, erst in der Nacht zum Montag greift sie dann
endlich aufs Festland über. Dort bleibt aber auch die feuchte Schliere des
Vortages erhalten. Da sich der Trog etwas nähert und damit die Labilität
zunimmt, wird von Schleswig-Holstein bis zur Eifel jetzt auch mehr CAPE
simuliert. Meist sind es nach ICON-EU 200 bis 400 J/kg, lokal werden aber auch
Werte über 500 J/kg erreicht. Dennoch zeigen ICON oder auch EZMW kaum
Niederschlagssignale, da die Luftmasse insgesamt sehr trocken ist. Lediglich
mitteltroposphärisch in etwa 600 hPa sowie niedertroposphärisch in 850 bis 900
hPa (der Grund für die hohen CAPE-Werte) zeigt sich die Atmosphäre zumindest
weitgehend gesättigt. Immerhin: Neben dem vom Feuchtebias geplagten GFS deutet
auch EURO4 zumindest auf lokale Gewitter hin. Diese werden sich aber, so sie
denn auftreten, mit der Höhenströmung verlagern und somit kaum die
Unwetterschwelle erreichen.

Dies sieht von Vorpommern bis nach Sachsen, aber auch im östlichsten Bayern,
schon etwas anders aus. Denn dort kann, zwischen der Südflanke des nordöstlichen
Residuums der Hochdruckbrücke und dem sich nunmehr wieder zögerlich nach Norden
verlagernden Kaltlufttropfen, zunehmend feuchtere Luft einsickern. Dabei steigen
die PPW-Werte auf Spitzen um 35 mm, die spezifische feuchte erreicht Werte um 13
g/kg. Labilisiert wird das Ganze durch trogvorderseitig sinkendes Geopotential
und einen kurzwelligen Troganteil, der im Tagesverlauf auf der Vorderseite des
Langwellentroges abläuft. Laut ICON soll sich sogar über der Lausitz ein
kleinräumiges Tief bilden - eine Lösung, die beispielsweise EZMW aber nicht
mitgeht. Trotzdem: Die potentielle Energie der Atmosphäre ist in einem Streifen
entlang der deutsch-polnischen Grenze sehr hoch, was auch an den nach ICON-EU in
der Spitze bis auf über 1200 J/kg ansteigenden CAPE-Werten abzulesen ist (das
alles in Ostbayern auf etwas moderaterem Niveau). In einem scherungsarmen Umfeld
bilden sich in der Folge Gewitter mit hohem Starkregenpotential, wobei die
Unwetterschwelle von 25 l/qm in einer Stunde sicherlich zumindest lokal, wenn
nicht sogar gebietsweise, überschritten wird. Kleiner Hagel wie auch Sturmböen
sind dabei nicht ausgeschlossen; letztere allerdings aus den Gewittern heraus
und nicht durch ein heruntermischen der Höhenwinde. Diese präsentieren sich
nämlich, wie auch die am Boden, in der Grundkonfiguration als schwach.

Die 850er Temperaturen liegen meist um 10, im Südwesten sogar bei bis zu 14
Grad. Dort können die Höchstwerte in der Folge auf mehr als 30 Grad steigen.
Meist sind es aber 26 bis 29 Grad, im äußersten Nordwesten und Südosten sogar
nur um 24 Grad.

In der Nacht zum Montag greift die Trogachse auch den Nordwesten Deutschlands
über, und auch die Front kann dann endlich den schönen Norden und Nordwesten
Deutschlands besuchen. Bis zum Montagmorgen schafft sie es u.a. bis nach Lübeck,
Hannover und Köln. Das Besuchsprogramm läuft recht zügig ab, da der postfrontal
steigende Luftdruck die frontsenkrechte Windkomponente erhöht und die Trogachse
bei ICON besonders scharf gezeichnet ist. Dadurch steigt auch die Hebungsdynamik
an der Front - zumindest nach ICON, das an der Front kräftigen Regen und
präfrontal in der etwas wärmeren Luft selbst in der Nacht Gewitter vorhersagt.
EZMW und GFS lassen zumindest etwas Regen zu, wollen aber in der Nacht von
Gewittern nix wissen. Dabei wird aber die Verlagerung der Front ähnlich
veranschlagt. Die in der Nacht im nördlichen Emsland auf bis zu 5 Grad fallenden
850er Temperaturen machen sich in den Tiefstwerten noch nicht eins zu eins
bemerkbar. Diese liegen meist zwischen 14 und 10 Grad, von der Ostsee bis nach
Sachsen sogar um 16 Grad. Lokal ist Nebel nicht ausgeschlossen.


Montag... zieht die Trogachse zügig über den Norden Deutschlands hinweg, schon
am Nachmittag greift sie auf Polen über. Auf ihrer Rückseite stellt sich eine
leicht zyklonal geprägte Westströmung ein. Mit dem Trog wird auch die Front
recht schnell über den Norden hinweg nach Osten geführt, während sie über der
Mitte wieder zu schleifen beginnt und bis zum Abend nur bis zum Main vorankommt.
Ob mit der Front nennenswerter Niederschlag oder gar Gewitter verbunden sind ist
noch nicht ausgemacht. Die ICON-Lösung mit dem scharf gezeichneten Trog deutet
auf Gewitter hin, die von West nach Ost über den Norden ziehen. Auch wenn sie
bezüglich des Tagesgangs keine optimalen Bedingungen vorfinden, so sind wegen
der zunehmenden Scherung auch etwas langlebigere und organisierte Zellen
möglich. Laut EZMW, das mit einem zahmeren Trog aufwartet, sind Gewitter im
Norden dagegen kein Thema. Auch bezüglich möglicher Gewitter an der über der
Mitte zunehmend schleifenden Front scheiden sich die Geister. Hinweise dafür
finden sich z.B. in den MOS-Gewitterwahrscheinlichkeiten, die von der Saar (10%)
bis nach Mitteldeutschland (25%) leicht ansteigen. Klar scheint, dass die
Hebungsimpulse aus der Höhe für die Auslöse nicht ausreichen, aber vielleicht
hilft ja die Orografie ein wenig nach. Was den Süden betrifft, so sind auch dort
bezüglich der Gewitter Fragezeichen zu setzen. Zwar ist die Luftmasse dort labil
geschichtet und es wird auch etwas CAPE gerechnet, aber insgesamt erscheint die
Feuchte nicht in ausreichendem Maße vorhanden zu sein und eine Inversion in 550
hPa deckelt könnte mögliche Entwicklungen schon vor der Eisphase deckeln.

Die Kaltfront selbst ist insbesondere thermisch sehr gut ausgeprägt, zum Abend
liegen im Nordwesten die 850er Temperaturen um 5 Grad, im Süden sollen sie
dagegen noch bei bis zu 17 Grad verharren. Auch im kleinräumigeren Maßstab sind
die Unterschiede groß. Während im Ruhrgebiet etwa 6 Grad erwartet werden, sind
es in Mannheim/Ludwigshafen 14 Grad. In der Folge liegen die Höchstwerte im
Norden um 20, im Süden dagegen um 29 Grad.

In der Nacht steigt der Druck etwas an, die Front verlagert sich aber kaum und
in der Folge fällt an ihr auch kein Regen. An der Küste könnte es durch
Höhenkaltluft zunehmend labilisieren, was dort den einen oder anderen Schauer im
Bereich des Möglichen erscheinen lässt. Dort frischt auch der Wind auf, ohne
dabei warnwürdig zu werden. Im Binnenland sind lokale Nebelfelder nicht
ausgeschlossen. Die Tiefstwerte liegen zwischen 16 und 9 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Bis zum Sonntag simulieren die Modelle die synoptischen Abläufe ähnlich,
wenngleich sie daraus für das Wetter unterschiedliche Schlüsse ziehen. Dies gilt
insbesondere für möglichen Regen oder eventuelle Gewitter. Bei diesen
Unterschieden ist aber immerhin klar, dass morgen in einem breiten Streifen
entlang von Oder und Neiße zumindest lokal Unwetter ins Haus stehen. Für den
Montag bleibt es bei ähnlichem synoptischen Ablauf mit unterschiedlicher
Wetterausprägung. Die Unsicherheiten nehmen dabei aber insgesamt zu.

Wesentliche Unterschiede wurden detaillierter im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas