DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

15-07-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 15.07.2020 um 10.30 UTC



Fortdauer des wechselhaften, klassisch mitteleuropäischen Sommers ohne
Hitzewelle und Schwergewitterlage.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 22.07.2020


Fans und Anhänger des in diesem Jahr endlich mal wieder zuschlagenden klassisch
mitteleuropäischen "Schaukelsommers" können sich freuen - Fortsetzung folgt. Nix
"brennend heißer Wüstensand" (Freddy Quinn lässt grüßen), nix Bullenhitze oder
Hitzestress, natürlich auch keine Hitzerekorde und vor allem zeitweise Regen.
Obwohl, hier muss man konstatieren, dass trotz der dauerhaft wechselhaften
Witterung auch in diesem Sommer bisher einige Regionen zu kurz gekommen sind.
Nimmt man den laufenden Juli als Beispiel, trifft das vor allem auf einen von
Rheinland-Pfalz und Nordbaden bis hinüber nach Sachsen reichenden Streifen zu,
aber auch für den Oberrheingraben sowie Teile Südbadens. Gebietsweise sind dort
bis heute früh nicht mal 10 l/qm, teils sogar unter 5 l/qm gefallen, was
eindeutig zu wenig ist. Ganz anders der äußerste Süden und Norden, wo nicht
selten 50 bis 80 l/qm und an manchen Stellen sogar um 100 l/qm oder noch mehr
gefallen sind.
Wie auch immer, mit Blick auf die Aussichten bis Ende kommender Woche scheint
sich bei aller noch gebotenen Vorsicht einmal mehr die Siebenschläferregel zu
bestätigen (zur Erinnerung, im Zeitraum Ende Juni/Anfang Juli herrschte auch
eine wechselhafte Witterung).

Zu den Fakten, die sich zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am
kommenden Samstag wie folgt darstellen: Als "Eye-Catcher" auf den Wetterkarten
fungiert ein hochreichendes Zentraltief (ZANARIN) mit Kern knapp östlich von
Island, das sich in der Folge, ohne sich nennenswert zu verlagern, auffüllt.
Trotzdem wird es für unseren Raum noch von Bedeutung sein. Zunächst aber richtet
sich der Blick zum östlichen Mitteleuropa, wo ein sich schon in der Kurzfrist in
Szene setzendes Höhentief der Marke Kaltlufttropfen so gar nicht von der Bühne
abtreten will. Es befindet sich Samstagfrüh mit seinem Drehzentrum etwa über dem
Dreiländereck A-CZ-HUN, von wo aus es im Tagesverlauf mit fast schon als lasziv
zu bezeichnender Trägheit nur wenige Meter ost-südostwärts vorankommt. Für weite
Teile Ost- und Süddeutschlands würde das einen weiteren Tag mit reichlich Gewölk
und teils kräftigen Regenfällen (am intensivsten am östlichen Alpenrand sowie
dem angrenzenden Vorland) bei alles andere als sommerlichen Temperaturen
bedeuten (T850 zwar bei 8 bis 11°C, was bei fehlender Einstrahlung und
(Dauer)Regen aber wenig nützt).
Zwischen dem Höhentief im Osten und dem Zentraltief im Nordwesten etabliert sich
ein flacher Rücken, der sich über dem Norden und Westen des Vorhersageraums die
Ehre gibt. Er stützt eine brückenartige Hochdruckzone, die sich vom etwas nach
Norden verschobenen Azorenhoch über dem Ostatlantik über Mittel- bis nach
Nordosteuropa erstreckt. Die Hochdruckzone beschert dem gesamten Norden und
Westen sowie Teilen der Mitte einen sonnenscheinreichen und warmen Samstag mit
verbreiteten Tageshöchstwerten von mehr als 25°C, aber keinen 30°C (hier
erzielen die 850-hPa-Temperaturen, die ebenfalls zwischen 8 und 11°C liegen,
ungleich größere Erfolge als im Südosten).
Am Sonntag ist der Sommerspaß zumindest im Nordwesten aber erst mal wieder
vorbei, wenn nämlich ein vom schwächelnden Zentraltief ausgehender und sich
verschärfender Höhentrog der Nordsee nähert. Vorgeschaltet ist eine Kaltfront,
die zu genau jenem Zentraltief (als der ZANARIN) gehört und die sich von der
Deutschen Bucht und den Niederlanden kommend, wenn auch nur langsam, mit dem
zugehörigen, teils schauerartigen Regen landeinwärts frisst. Wie weit Wolken und
Regen am Ende des Tages kommen werden, kann heute noch nicht belastbar
vorhergesagt werden. Auf alle Fälle wird der sich etwas aufwölbende Höhenrücken
nach Südosten durchgewunken, was zunächst mal dafür sorgt, dass das o.e.
Höhentief nun endlich einen Tritt in den H... bekommt und sich in Richtung
Rumänien verflüchtigt. Damit steigen natürlich die Chancen auf
Wolkenauflockerungen mit Sonne und steigenden Temperaturen im Osten und Süden
des Landes, auch wenn eine latente Restschauerwahrscheinlichkeit nicht
wegzudiskutieren ist.
Zu Beginn der neuen Woche nimmt der Höhentrog eine zunehmend negative
Achsstellung ein, wobei er sich noch etwas mehr auf den Vorhersageraum ausdehnt.
An seiner Südflanke laufen wiederholt kurzwellige Anteile ost-nordostwärts ab,
die das Wettergeschehen wechselhaft gestalten. Die Kaltfront kommt bis in den
Süden voran, wobei sie aber mehr und mehr an Wetterwirksamkeit verliert
(offensichtlich wird der Abstand zu den weiter nördlich ablaufenden KW-Trögen zu
groß, um fruchtbar interagieren zu können). Tatsache ist, dass sich der
Temperaturunterschiede signifikant vergrößern; so werden in 850 hPa zum
Tagesende im äußersten Norden gerade mal 2-3°C erwartet, während südlich der
Donau üppige 15 bis 17°C auf der Karte stehen.
Am Dienstag und Mittwoch kommt es zu einer Zonalisierung der Höhenströmung,
wobei sie tendenziell leicht zyklonale Konturen behält. Anders die Situation am
Boden, wo sich - wieder mal möchte man sagen - ein Keil des Azorenhochs bis nach
Mitteleuropa ausweitet. Seine Divergenzachse verläuft etwa über die Mitte
Deutschlands. Südlich davon löst sich die Kaltfront auf und die dortige Warmluft
(T850 9 bis 13°C) labilisiert zunehmend, was Schauer und einzelne Gewitter auf
den Plan ruft (vor allem in und an den Alpen sowie im südlichen Vorland, aber
auch über den südlichen Mittelgebirgen). Nördlich der Achse gelangt recht kühle
(T850 unter 5°C) und wolkenreiche Luft von der Nordsee vornehmlich nach
Norddeutschland, in der es immer mal wieder etwas regnen oder nieseln kann.

Abschließend noch ein kurzer Blick in die legitimierte Glaskugel (erweiterte
Mittelfrist bis Samstag): weiterhin wechselhaft mit einem sich wieder
zurückziehenden Azorenhochkeil. Na denn mal zu...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der heute früh veröffentlichte 00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) folgt im Wesentlichen
den Ausführungen seiner jüngsten Vorgänger. Demnach setzt sich der typisch
mitteleuropäische "Schaukelsommer" mit einem mal mehr, mal weniger auf den Plan
tretenden Azorenhochkeil und wiederholten zyklonalen Unterbrechungen fort. Dass
es bei Abläufen dieser Art zu kleineren Unschärfen von Modelllauf zu Modelllauf
kommt (z.B. hinsichtlich des Timings oder der genauen räumlichen Verteilung
sowie der Intensität von Niederschlägen), liegt in der Natur der Sache. Am
eigentlichen Prognosekonzept ändert das aber nur wenig.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die im Kapitel zuvor gemachten Aussagen lassen sich ohne Wenn und Aber auch auf
den Vergleich der an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten Globalmodelle
(namentlich ICON, GFS, GEM, UKMO) projizieren. Exemplarisch für die Unschärfen
sei hier der Regen am Samstag im Süden und Osten angeführt, der von IFS am
intensivsten simuliert wird, während sich ICON auf wenige Schauer in Ostsachsen
sowie dem südöstlichen Oberbayern konzentriert. Grundsätzlich andere Ideen oder
gar ein Umswitchen in Richtung Hitzesommer sind nicht erkennbar.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Sowohl die IFS- als auch die GFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte
zeigen bis Mitte nächster Woche einen vergleichsweise gut gebündelten
Kurvenverlauf. Etwas größer wird der Spread bei der Temperaturkurve (850 hPa) am
Montag/Dienstag, was auf ein weiter oben allgemein schon mal erwähntes
Timingproblem, in diesem Fall der Kaltfrontpassage hindeutet. Es fällt auf, dass
der Haupt- und Kontrolllauf gegenüber den meisten Ensemblemitgliedern eine sehr
flotte Sohle aufs Parkett legen, meint, die Front könnte durchaus etwas später
durchgehen. In der erweiterten Mittelfrist nimmt die Streuung allgemein zu,
wobei bei der Temperatur keine klare Richtung erkennbar ist, während es beim
Potenzial in 500 hPa tendenziell eher etwas nach unten geht.
Die zugehörige IFS-EPS-Clusterung bietet für den ersten Zeitraum T+72...96h
(Samstag auf Sonntag) zwei Lösungen an, die auf den ersten Blick identisch zu
sein scheinen. Mit der Lupe lässt sich aber erkennen, dass in CL 2 (23
Mitglieder) das östliche Höhentief sich etwas eher vom Vorhersageraum entfernt,
was im Osten und Süden weniger Regen zur Folge hätte. Am Montag (T+120...168h)
verringert sich die Zahl der Cluster auf eins. Offensichtlich wurden die o.e.
Timingunterschiede innerhalb der üblichen Toleranzschwelle gesehen, weswegen
nicht weitere Schubladen aufgemacht wurden. Ab Donnerstag (T+192...240h) erhöht
sich die Anzahl der Cluster auf drei (19 Fälle + HL/KL, 17, 15), die sich
vornehmlich in der Phase der bei uns durchschwenkenden kurzen Wellen
unterscheiden. Allen gemein ist das Klimaregime "Atlantic Ridge", einzig CL 2
zeigt im letzten Bild (Samstag) eine starke Zonalisierung (NAO positiv).

FAZIT: Sowohl deterministisch (Modellvergleich, Konsistenz) als auch
probabilistisch steht der Fahrplan. Dass manche "Züge" mal früher, mal später
eintreffen, ist im richtigen Leben auch so.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Grundsätzlich ist die numerische Datenlage im Hinblick auf signifikante
Wettererscheinungen ziemlich dünne. Eine ausgewachsene, chaserfreundliche
Schwergewitterlage ist nach wie vor nicht zu erkennen, so dass man sich mit
vermeintlichen Kleinigkeiten abgeben muss.
Los geht´s am Samstag, wo - freilich abhängig von der genauen Position und
Zugbahn des Höhentiefs respektive Kaltlufttropfens - am östlichen Alpenrand eine
(sehr) geringe Wahrscheinlichkeit für Dauerregen mit mehr als 30 l/qm innert 24
gegeben ist. Etwas größer, aber nicht wirklich signifikant groß ist die
Wahrscheinlichkeit einzelner Gewitter im Osten und Südosten, wobei für den Fall
der Fälle Starkregen den primären Begleitparameter mimt. Am Sonntag stellt sich
voraussichtlich ein "Wetterminimum" ein, bevor ab Montag ganz zaghaft die
Gewitterneigung wieder zunimmt (am Montag unmittelbar präfrontal, ab Dienstag
insbesondere in und an den Alpen, dem angrenzenden Vorland sowie über den
südlichen Mittelgebirgen).
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und IFS (det.).
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann