DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 141800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 14.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute trotz Trogvorderseite keine Gewitter. Am Mittwoch im Osten, Süden und in
Teilen der Mitte einzelne Gewitter, dabei örtlicher Starkregen nicht
auszuschließen.
Am Donnerstag an den Alpen einsetzender Dauerregen, bis in den Freitag hinein
andauernd. Außerdem am Donnerstag im Nordosten und am Freitag zusätzlich im
Südosten einzelne starke Gewitter möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter der Vorderseite eines Troges, der von der
Nordsee über die Pyrenäen bis zur Straße von Gibraltar reicht. In der
resultierenden südwestlichen zyklonalen Strömung konnte sich eine flache
Tiefdruckrinne bilden, die "diagonal" vom Südwesten Deutschlands in den
Nordosten gerichtet ist. Die resultierende bodennahe Konvergenz wäre eigentlich
eine optimale Voraussetzung für eine ausgewachsene Gewitterlage. Zudem ist die
Schichtung im Bereich dieser Rinne auch hinreichend labil. Allerdings ist die
Luftmasse für eine Trogvorderseite untypisch. Vielmehr handelt es sich dabei um
eine gealterte maritime Luft vom mittleren Nordatlantik, die nur einen Gehalt an
niederschlagbarem Wasser um 20 mm aufweist, d.h. sehr trocken ist. Das spiegelt
sich auch in einem sehr hohen Kondensationsniveau wider, das zwischen 2500 und
deutlich über 3000 m liegt. Und nicht zuletzt spielt die Dynamik nicht mit. Der
recht markant ausgeprägte Haupttrog erreicht am Abend den Nordwesten.
Vorderseitig bringt zwar positive Vorticityadvektion etwas Hebung zustande, aber
dort ist die Schichtung, resultierend aus weit nach Osten ausgreifender
schwacher Kaltluftadvektion, am stabilsten. An der Südflanke des Troges laufen
über die Westalpen hinweg kurzwellige Anteile nach Osten ab, aber das ist zu
weit südlich als dass diese über Süddeutschland Konvektion zustande bringen
dürften. Dazwischen lässt sich schwaches kompensierendes Absinken
diagnostizieren, die zwischen 700 und 600 hPa eine Sperrschicht zur Folge hat.
Somit unterblieb die Auslösung hochreichender Konvektion.
Die an der Trogvorderseite liegende Kaltfront greift schleifend mit meist
leichtem Regen stabil auf Deutschland über und arbeitet sich in der Nacht zum
Mittwoch etwa bis zu einer Linie Eifel - Rügen vor. Bedingt durch die Annäherung
des Troges, der sich mehr nach Süden ausweitet als dass er nach Osten
vorankommt, verstärkt sich zum einen das Schleifen, zum anderen wird das
frontale Wettergeschehen intensiviert, was einer Verstärkung der frontalen
Niederschläge gleichkommt. Innerhalb von 12 Stunden können einige bis etwa 10,
in Staulagen auch um 15 mm zusammenkommen.

Mittwoch ... rückt der Trog weiter nach Osten vor, tropft aber über den
dänischen Inseln aus. Von dort erstreckt sich die Trogachse ins Tyrrhenische
Meer. Somit verbleibt der Osten und Südosten noch an der Vorderseite dieses
Troges. Da nun dieser kräftiger ausgeprägt ist, dürfte die positive
Vorticityadvektion hinreichend sein, um hochreichende Konvektion auszulösen. In
der nach wie vor labil geschichteten Luftmasse steigt der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser auf 25 bis 30 mm (der Trog "holt" ja die Luftmasse
etwas weiter von Süden her), so dass auch etwas mehr CAPE (immerhin bis knapp
500 J/kg) generiert wird. Allerdings fließt bodennah von Nordwesten her
trockenere Luft ein, was der Konvektion entgegenwirken dürfte. Dennoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass im Osten und Süden Deutschlands hochreichende
Konvektion ausgelöst wird, größer als heute. Sollte es dazu kommen, kann
aufgrund der langsamen Verlagerung möglicher Konvektionszellen Starkregen nicht
ganz ausgeschlossen werden. Für Unwetter sollte es jedoch nicht reichen.
Die dem Trog vorgelagerte Kaltfront überquert Deutschland weitgehend, ohne
wesentlich an Intensität zu verlieren. Nachfolgend fließt stabil geschichtete
und merklich kühlere Luft maritimen subpolaren Ursprungs ein. Postfrontal
bestehen daher die größten Chancen auf Wolkenlücken. Anfangs sind auch ganz im
Osten und im Südosten noch Auflockerungen möglich. Die Tageshöchsttemperaturen
erreichen nur noch 17 bis 22, im Südosten und im äußersten Osten bis 24 Grad.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Cut-Off-Tief, das den Charakter
eines Kaltlufttropfens aufweist, ins Oderhaff. In dessen Bereich können sich
auch ganz im Nordosten während der Nacht einzelne Gewitter entwickeln.
Gleichzeitig setzt im Nordwesten und Westen leichte Warmluftadvektion ein, die
auf einen in der nordwestlichen Strömung eingelagerten Kurzwellentrog
zurückzuführen ist. Dies lässt auch im Westen und Südwesten Niederschläge
aufkommen. Bedingt durch die nordwestliche und zudem steiler werdende Anströmung
der Alpen beginnt sich am Alpenrand eine Stausituation mit länger andauernden
Niederschlägen herauszubilden. Aufgrund der dort anfangs noch vorhandenen Reste
labil geschichteter Luft können diese Niederschläge in der ersten Nachthälfte
von Gewittern begleitet sein. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hierfür nur
gering.

Donnerstag ... verlagert sich der nicht ganz symmetrische Kaltlufttropfen nur
wenig nach Süd-Südost und liegt auch am Abend noch über Westpolen. Hierdurch
bleibt bei nahezu unveränderter Luftmasse im Nordosten die Schichtung noch
labil, so dass sich dort, gestützt durch den Tagesgang, erneut einzelne Gewitter
entwickeln können. Dabei ist Starkregen nicht auszuschließen. Hebung an dessen
West- und Südflanke, die zum einen aus positiver Vorticityadvektion und zum
anderen aus leichter Warmluftadvektion resultiert, führt im Westen und Süden zu
gelegentlichen Niederschlägen. Meist reicht es selbst im Bergland nur für wenige
Millimeter, nur an den Alpen kommen durch eine leichte Staukomponente mehr als
10 mm innerhalb von 12 Stunden zusammen.
Auflockerungen kommen am ehesten im Norden und bedingt durch etwas Durchmischung
im Randbereich des Kaltlufttropfens auch im Nordosten zustande. In diesen
Gebieten können bis 22 Grad erreicht werden, wogegen sonst nur 16 bis 20 Grad zu
erwarten sind.
In der Nacht zum Freitag wird der Kaltlufttropfen mit der schwachen bodennahen
nördlichen Strömung nach Südwestpolen gesteuert. Ein Trog, der diesen
Kaltlufttropfen umläuft, schwenkt zu den Alpen, was die Strömung in mittleren
und höheren Troposphärenschichten auf Nord bis Nordost drehen lässt. Hierdurch
intensivieren sich im Süden und staubedingt vor allem an den Alpen die
Niederschläge, so dass die Warnschwellen für Dauerregen dann deutlich
überschritten werden. In exponierten Staulagen können dann auch unwetterartige
Niederschlagssummen nicht ganz ausgeschlossen werden.
Abgesehen davon sind im Westen noch geringe Niederschläge möglich, die aus einem
Kurzwellentrog resultieren, der den Kaltlufttropfen umläuft, aber nur in der
unteren Troposphäre ausgeprägt ist. Weitere Niederschläge kommen noch im
Nordosten durch schwache Warmluftadvektion zustande. Sowohl in den westlichen
Landesteilen, aber auch im Nordosten kommen nur wenige Millimeter Niederschlag
zustande, was die Trockenheit nur unwesentlich lindert.

Freitag ... verlagert sich der wetterbestimmende Kaltlufttropfen nur wenig nach
Süden und gelangt bis zur Böhmisch-Mährischen Schwelle. Folglich ist die Luft
dann über dem Südosten am labilsten. Da sich am Alpenrand staubedingt
mehrschichtige Bewölkung mit weiteren Niederschlägen hält (die sich zwar
abschwächen, so dass ab Mittag eine ggf. ausgegebene Warnung vor Dauerregen
aufgehoben werden kann, die aber bis zum Abend noch andauern) kommt für die
Auslösung hochreichender Konvektion hauptsächlich der östliche Mittelgebirgsraum
bis in die Lausitz hinein in Frage. Ein Gehalt an niederschlagbarem Wasser
zwischen 20 und 25 mm und ein CAPE von ein paar hundert J/kg sollten hierfür
hinreichend sein. Zudem steuert der Kaltlufttropfen etwas Hebung bei.
Aber auch im Nordosten sind, wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit,
einzelne Gewitter vorstellbar. Dort wird ein weiterer Kurzwellentrog
wetterwirksam, der den Kaltlufttropfen umläuft und der vor allem in unteren
Troposphärenschichten erkennbar ist und sich auch im Bodendruckfeld abbildet.
Dort wird zwar etwas weniger CAPE generiert, aber der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser liegt um 30 mm. Möglicherweise handelt es sich dabei um
eingelagerte Entwicklungen vom Typ Warmlufteinschubgewitter.
Im Norden und Nordwesten macht sich hingegen zusehends ein Höhenkeil bemerkbar,
der sich von der Nordsee nach Mittelskandinavien erstreckt und sich im
Tagesverlauf weiter bis nach Lappland ausweitet. Durch diesen Höhenkeil wird ein
Bodenkeil gestützt, der sich mit seiner Achse über die südliche Nordsee hinweg
bis zu den Baltischen Staaten erstreckt. Absinken in dessen Bereich lässt im
Norden und Nordwesten und teils auch über den mittleren Gebieten die Wolken
auflockern, für den Küstenbereich ergeben sich längere sonnige Abschnitte.
Insgesamt erfolgt sich ein leichter Temperaturanstieg auf 18 bis 24 Grad, wobei
es in den nördlichen Landesteilen am wärmsten wird.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen die oben beschriebene Entwicklung. Geringe
Unterschiede ergeben sich lediglich in der Nacht zum Freitag sowie am Freitag
bzgl. der Lage des Kaltlufttropfens, die aber im Bereich der Prognoseunschärfe
liegen und die keinen Einfluss auf die Finalprognose haben.
Hinsichtlich des Dauerregens kommt der meiste Niederschlag zwischen
Donnerstagmittag und Freitagmittag zusammen, so dass die Dauerregenwarnung
entsprechend zu terminieren wäre. Deutliche Signale ergeben sich für eine
Überschreitung der Schwellenwerte für eine markante Warnung. Lediglich ICON-EU
zeigt Signale für Niederschlagssummen bis in den Unwetterbereich hinein. Alle
anderen Modelle und auch probabilistische Verfahren (selbst das 90
Prozent-Quantil von COSMO-LEPS) liegen deutlich darunter. Somit drängt sich eine
Unwetterwarnung vor ergiebigem Dauerregen nach aktuellem Stand nicht auf.
Vielmehr wäre eine markante Warnung bis an die Schwelle für Unwetter heran
wahrscheinlich hinreichend.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann