DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 13.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wetteränderung: Abbau des hohen Luftdrucks, von Nordwesten her Annäherung eines
Höhentrogs mit vorgeschalteter Okklusion (Kaltfrontcharakter). Dabei aufkommende
Regenfälle, vor allem am Mittwoch auch das eine oder andere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... fällt der Luftdruck zwar in ganz Deutschland, trotzdem ist alles
noch auf Hochdruckeinfluss gestellt. So wandert ein flacher Potenzialrücken in
den nächsten Stunden ganz gemütlich über Deutschland, wobei er sich im Zuge
einer Austrogung über UK/Irland bzw. der Nordsee sogar noch etwas aufwölbt. Im
Bodendruckfeld spaltet sich aus der langgestreckten, vom Azorenraum bis zum
nahen Osteuropa reichenden Hochdruckzone knapp östlich des Vorhersageraums
wahrscheinlich eine eigene Parzelle ab (YOANN), was als Weichenstellung für die
weitere Entwicklung, insbesondere am morgigen Dienstag angesehen werden kann.
Dabei spielt neben der schon erwähnten Austrogung das flache Tief YVONNE eine
Rolle, das heute Abend mit etwas unter 1010 hPa nördlich von Schottland
positioniert ist, von wo aus es mit schneckenähnlichem Tempo auf Norwegen
zusteuert. Das zugehörige Frontensystem ist weitgehend okkludiert (Okklusion mit
Kaltfrontcharakter) und liegt in einem schönen Bodentrog, der heute Nacht die
Nordsee erreicht. Vorderseitig der Front wird - quasi in der barischen
Schwachstelle zwischen der sich abspaltenden Hochparzelle und dem Azorenhoch -
ein weiterer Bodentrog generiert, der morgen früh bereits über Norddeutschland
liegt.
Mit Annäherung der Front und des Höhentrogs nimmt die Bewölkung im äußersten
Nordwesten im Laufe der Nacht allmählich zu und in den frühen Morgenstunden kann
es zwischen Nordfriesland und dem Emsland die ersten Tropfen geben. Im großen
Rest des Landes verläuft die Nacht nach Auflösung der Tagesquellungen gering
bewölkt (einige Cirren) oder klar, wobei es in einigen Mittelgebirgsmulden bzw.
-tälern sowie am Alpenrand auf bis zu 6°C abkühlt.

Dienstag ... etabliert sich zwischen den Shetlands und Svinöy (Westnorwegen) ein
Höhentief, von dem aus sich der o.e. Trog nach Süden quasi über die gesamte
Nordsee erstreckt. In die Achse des Troges laufende KLA sorgt sowohl für eine
Ausweitung seiner Amplitude als auch für Krümmungsgewinn. Allerdings geht das
auf Kosten seiner Progression, was nichts anderes bedeutet, dass seine Achse
auch am Abend noch westlich von uns liegt. Vor diesem Hintergrund verwundert es
nicht - man bedenke, dass mit dem ganzen Prozedere ein Rückdrehen der
südwestlichen Höhenströmung verbunden ist -, dass die von der Nordsee und den
Niederlanden übergreifende Okklusion ebenfalls nur wenig Boden nach Südosten hin
gutmacht. Gleiches gilt freilich für das frontale, mit konvektiven Einlagerungen
versehene und in seiner Geometrie tendenziell fraktile Regengebiet, das bis zum
Abend bei aller noch gegebenen numerischen Toleranz etwa eine Linie Lübecker
Bucht-Hunsrück erreicht. Durch die verbesserte Interaktion zwischen Front und
Trogvorderseite nimmt die Intensität der Regenfälle zu, was aufsummiert über 12
h dem Nordwesten durchaus bis zu 10 l/qm, an der Nordsee mit Hilfe
schauerartiger Verstärkungen punktuell sogar um 15 l/qm bescheren kann. Ob da
vielleicht im Tagesverlauf ein kurzes Gewitter mithilft, dieses Quantum zu
schaffen, muss eher bezweifelt werden. Zwar verleiht die Nähe zum Höhentrog der
einfließenden subpolaren Luftmasse ein gewisses Maß an Labilität, spätestens bei
600 hPa ist aber Schluss mit dem Aufstieg. Da dort die Temperatur über -10°C
liegt, dürfte es schwer werden, Blitz und Donner auf den Plan zu rufen.
Kommen wir zur präfrontalen Seite des Geschehens, wo sich durch fortlaufenden
Druckfall der Bodentrog weiter verschärft, so dass der morgige Analysator im
Laufe des Tages guter Hoffnung sein kann, eine Konvergenz in den Trog legen zu
können (Windsprung von S-SO auf W-NW). Damit nimmt die gesamte
Strömungskonfiguration zunehmend Züge einer sommerlichen (Schwer)Gewitterlage
an, einzig der Treibstoff passt überhaupt nicht. So handelt es bei der zu
hebenden Luftmasse keinesfalls um feuchte und potenziell instabile
Subtropikluft, sondern um gealterte Polarluft. Diese ist durch Transformation
mittlerweile zwar hinreichend labil geschichtet, auf der anderen Seite aber so
trocken (vor allem in der Grundschicht, aber auch zwischen 600 und 400 hPa),
dass trotz Einstrahlung kaum ML-CAPE generiert wird. Und das wenige CAPE, dass
am Nachmittag und Abend zu Verfügung steht, ist auch noch gedeckelt. Mit anderen
Worten, die Wahrscheinlichkeit, dass im Bereich des Bodentrogs respektive der
Konvergenz konvektive Umlagerungen in die Höhe schießen, ist äußerst gering, was
übrigens auch von der Numerik so gesehen wird. Auf der anderen Seite lässt sich
aber auch nicht kategorisch ausschließen, dass nicht doch irgendwo - ausgehend
am ehesten vom Bergland - mal ein oder zwei verirrte Zellen den Weg nach oben
antreten.
Fakt ist, dass dem Bodentrog noch vor der eigentlichen Front eine kleine
Druckwelle folgt, die den Aufbau eines kleinen Meso-Hockeils bewirkt.
Druckunterschied plus isallobarische Komponente sorgen kurzzeitig in einem
schmalen Streifen für ein böiges Aufflackern des ebenso kurzzeitig auf West bis
Nordwest drehenden Windes (danach erfolgt wieder ein rasches Rückdrehen auf
Südwest), wobei durchaus mal eine steife Böe 7 Bft am Start sein kann.
Warntechnisch dürfte das aufgrund der Kleinräumigkeit sowie der sehr kurzen
Andauer aber kaum abbildbar sein.
So bliebe abschließend nur noch der Blick auf die Temperatur, die im Westen und
Nordwesten nur Maxima zwischen 17 und 23°C, sonst zwischen 23 und 29°C zulässt.
Dabei scheint im Osten und Süden noch mal für längere Zeit die Sonne, bevor es
im Tagesverlauf allmählich wolkiger wird.

In der Nacht zum Mittwoch steuert das Drehzentrum des Höhentrogs die
nordöstliche Nordsee (Fisher) an, während der Trog selbst nur mit
infinitesimalen Schritten ostwärts vorankommt. Gleiches gilt für die
vorgeschaltete Okklusion, dessen Progression ins Landesinnere alles andere als
flott vonstattengeht. Immerhin lebt die Front noch, während das zugehörige Tief
(es ist immer noch YVONNE) vor der südnorwegischen Küste vorm Aussterben bedroht
ist.
Wie auch immer, Front und Trog arbeiten weiterhin fruchtbar zusammen, was das
Regengebiet nebst konvektiven Verstärkungen am Leben hält. Es kommt langsam
ost-südostwärts voran, wobei die apostrophierten Mengen zwischen 1 und 7 l/qm,
punktuell um oder etwas über 10 l/qm innert 12 h liegen. Nach Lesart der meisten
Modelle (die aktuell noch mit den handelsüblichen Unschärfen ausgestattet sind)
bleibt es von Ober- über Niederbayern bis nach Oberfranken sowie zwischen
Sachsen und Vorpommern noch ganz oder zumindest weitgehend trocken bis zum
Morgen. Zwar zieht dort der zunehmend an Kontur verlierende Bodentrog durch in
Richtung Polen, es spricht aber wenig dafür, dass dieser ausgerechnet in der
dunklen Nacht an Wetterwirksamkeit zulegt.
Offen ist weiterhin die Frage, inwieweit es irgendwo mal für Blitz und Donner
reicht. Die Prognosen bleiben diesbezüglich sehr gedämpft, wenn, dann geht am
ehesten vereinzelt was postfrontal im Bereich des Höhentroges bzw. an seiner
Achse. Insgesamt bleibt die Wahrscheinlichkeit für Gewitter aber gering.


Mittwoch ... kommen Höhentrog und Okklusion langsam ostwärts voran, das
integrierte Höhentief erreicht in den Abendstunden Schleswig-Holstein. Mit der
Front verlagert sich auch das zugehörige Regengebiet mehr und mehr in den Osten
bzw. etwas verzögert über die Mitte hinweg auch den Süden. Dabei nimmt es im
Tagesverlauf immer mehr schauerartigen Charakter an, sprich, ein wirklich
zusammenhängendes Niederschlagsgebiet ist am Nachmittag nicht mehr wirklich oder
nur noch gebietsweise (am ehesten im Osten) auszumachen. Auf alle Fälle kommt es
am Vorderrand des Regengebietes zu einer kontinuierlichen Anfeuchtung der
Luftmasse, was bei weiterhin zwar nicht übertriebener, aber doch vorhandener
Labilität den Aufbau von nicht mehr gedeckeltem CAPE fördert. Nicht viel (unter
500 J/kg), aber ausreichend, um im Osten und Süden das eine oder andere Gewitter
entstehen zu lassen. Bei leidlicher DLS von maximal 15 bis 20 m/s werden die
Gewitter zwar nicht überborden gut organisiert sein, einzelne Zellen können sich
aber dennoch Hoffnung eine etwas längere Lebenserwartung machen. Trotz einer
gewissen Mobilität der Gewitter ist bei PPWs etwa zwischen 25 und 30 mm primär
mit Starkregen (markant) zu rechnen, was kleinkörnigen Hagel und Böen 7 (8) Bft
aber nicht ausschließt.
Einzelne Gewitter können sich auch postfrontal unter dem Höhentrog entwickeln,
wo der Wasserdampfgehalt in der frisch einströmenden subpolaren Luftmasse zwar
deutlich abnimmt (PPW um, teils unter 20 mm, spez. Feuchte 6-8 g/kg), bis etwa
600 hPa aber ausreichend Labilität vorhanden ist. ML-CAPE wird ebenfalls
generiert, so dass mit Hilfe des Tagesgangs zumindest vereinzelte kurze Gewitter
der Marke "gelb" (Norden, Mitte) nicht von der Hand zu weisen sind.
Sonnentechnisch ist am Mittwoch kein großer Staat zu machen, lediglich im
äußersten Westen und Nordwesten (wo auch die Schauerneigung am geringsten ist)
lockert es im Tagesverlauf etwas auf. Außerdem geht es in der subpolaren
Luftmasse bergab mit der Temperatur (T850 am Abend 5 bis 10°C), nur noch Maxima
von 16 bis 23°C stehen auf der Karte mit den höchsten Werten im Osten und
Südosten.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht das Höhentief, dem man inzwischen ohne
schlechtes Gewissen durchaus den Status eines Kaltlufttropfens (KLT) verleihen
kann (ein korrespondierendes Bodentief sucht man vergebens, außerdem zeigen die
Diagnosekarten sehr schön vorderseitige KLA und rückseitige WLA), die östlichen
Landesteile. Die Front wird in ihrem Nordteil nach Polen rausgedrückt, wo sie im
Nordwesten des Landes noch mal einen Schub kriegt und durch kräftigen, im
Wesentlichen von Gewittern verursachten Regen auffällig wird.
Nach Süden kommt die Front ins Schleifen, was dort z.T. länger andauernden, wohl
aber nicht warnwürdigen Regen zur Folge hat. Unklar ist auch noch, ob davon
hauptsächlich die Regionen südlich der Donau (Lesart verschiedener externer
Modelle) oder auch die Gebiete zwischen Main und Donau (ICON) betroffen sind.
Die postfrontale Neigung zu konvektiven Umlagerungen in Form von Schauern oder
gar kurzen Gewittern lässt tagesgangbedingt nach. Vor allem im Osten, praktisch
unter dem KLT, wo die Luftmasse die höchste Labilität aufweist, könnte es aber
noch für einzelne Gewitter reichen.

Donnerstag ... verlagert sich der KLT langsam in Richtung Riesengebirge. ER
hinterlässt bei uns eine nordwestliche, deutlich zyklonal gekrümmte
Höhenströmung, wohingegen der Luftdruck am Boden steigt und einmal mehr ein sich
nach Osten ausweitender Keil des nach Nordwesten verschobenen Azorenhochs auf
den Plan tritt. Derweil versucht die Front, die Alpen südwärts zu überqueren,
was wohl aber nur mit erheblicher Mühe und vielen Pausen gelingt.
Wettermäßig bedeutet diese Konstellation, dass es im Süden zu weiteren
stratiformen Regenfällen kommt, deren Intensität und genaue räumliche Verteilung
aber noch Fragen offenlässt. ICON entpuppt sich als das progressivste Modell,
wonach im Allgäu evtl. sogar Dauerregenschwellen gerissen werden (> 25 L/qm in
12 h bzw. > 30 l/qm in 24 h).
Auch im Osten kommt es in der Peripherie des scheidenden KLTs noch zu
Regenfällen, die aber schauerartig durchsetzt sind und auch gewittrig sein
können.
Im großen Rest des Landes stellt sich wechselnde Bewölkung mit etwas
Sonnenschein, aber auch kurzen Schauern ein, auch wenn ICON im gesamten Westen
und Nordwesten trockene Verhältnisse simuliert. Den meisten Sonnenschein kann
man übrigens an der Nordsee erwarten, was für die derzeit dort zahlreich
präsenten Urlauber keine schlechte Nachricht ist.
Thermisch ist bei 16 bis 22°C das Ende der Fahnenstange erreicht, bei Dauerregen
im Süden eher noch etwas früher.


Modellvergleich und -einschätzung
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Potenzial-, Druck- und auch Temperaturfelder werden von den verschiedenen
Modellen sehr ähnlich gerechnet, auch wenn der Spread in Bezug auf das von
Norden hereinkommende Höhentief Richtung Donnerstag etwas größer wird. Einigkeit
herrscht auch dahingehend, dass am morgigen Dienstag konvektiv nur wenig bis gar
nichts geht, bevor sich die Lage am Mittwoch "bessert". Die größten
Unsicherheiten betreffen Intensität und räumliche Verteilung der aufkommenden
Niederschläge, wobei diese Diskrepanzen - abgesehen von potenziellen Gewittern -
wahrscheinlich keine Warnrelevanz besitzen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann