DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Geruhsamer Wochenstart dank Azorenhoch und Ableger YOANN. Ab Dienstag etwas mehr
Dampf auf dem Kessel, aber sehr wahrscheinlich keine großen konvektiven Nummern.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Rückseite eines Höhentroges über
dem östlichen Mitteleuropa, der uns am gestrigen Samstag noch mit einigen
konvektiven Umlagerungen teilbeschäftigt hat. Inzwischen ist das Fahrwasser
deutlich ruhiger geworden. Die eingeflossene, mittlerweile in den
Alterungsprozess eingetretene maritime Polarluft hat sich nicht nur
stabilisiert, sie ist auch weiter abgetrocknet. Nun kommt in der Nacht auch noch
ein flacher Höhenrücken dazu, der von der Nordsee weite Teile des
Vorhersageraums ost-südostwärts durchwandert. Dabei wird die zonale, vom
Azorenraum bis fast zum Schwarzen Meer reichende Hochdruckzone YOANN weiter
gestützt, so dass die Gute-Nacht-Geschichte rasch erzählt ist.
Die Quellungen vom Tage lösen sich alsbald auf und auch die anfangs noch im
Nordosten auftretende starke bis geschlossene Bewölkung wird in den nächsten
Stunden mehr und mehr unsere polnischen Nachbarn beehren. So steht eine gering
bewölkte (einige hohe Wolken) oder klare Nacht in Haus, einzig ganz oben im
Norden, vornehmlich in Teilen SHs, können später ein paar dichtere Wolken
auftauchen. Ansonsten bilden sich nur hier und da ein paar flache Nebelfelder.
In der trockenen Luft kühlt es vielerorts noch mal in den einstelligen Bereich
ab, in einigen Mittelgebirgsmulden oder -tälern gar auf unter 5°C.

Montag ... dreht die Höhenströmung bei uns im Zuge einer Austrogung über
UK/Irland bzw. dem nördlich davon liegenden Seegebiet etwas zurück. Sie bleibt
leicht antizyklonal konturiert und auch am Boden setzt sich der
Hochdruckeinfluss fort. Dabei verstärkt sich der westliche Teil des Hochs knapp
nördlich der Azoren auf über 1030 hPa, während uns der mit etwas über 1020 hPa
taxierte Ableger YOANN die Treue hält. Zwischen dem Azorenhoch und dem Ableger
zeigt sich - korrespondierend zur Austrogung - zwischen Island und UK eine
Schwachstelle, die von dem flachen Tief YVONNE (um 12 UTC mit etwas unter 1010
hPa zwischen Island und Schottland positioniert) und einem dazugehörigen
okkludierenden Frontensystem ausgenutzt wird. Die Okklusion liegt zur
Mittagszeit bereits über der Nordsee in Lauerstellung, tut sich aufgrund der
fortschreitenden Austrogung aber schwer, nach Osten respektive Südosten
voranzukommen.
Entsprechend gestaltet sich der Wochenbeginn deutschlandweit sonnenscheinreich
und warm, da sich die alternde maritime Polarluft weiter erwärmen kann. Liegt
die 850-hPa-Temperatur am frühen Morgen noch zwischen 4°C im Großraum Berlin und
10°C an der Grenze zur Schweiz, sind es am Abend 5 bis 12°C - zugegeben, kein
Quantensprung, aber ausreichend, um die 2m-Temperatur auf Maxima von 20 bis 25°C
im Norden (an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind etwas darunter) und 22 bis
28°C sonst hochzuprügeln. Mit Verlaub, es gibt unangenehmere Temperaturen im
Sommer.
Unterhalb der sich zwischen 750 und 850 hPa etablierenden Absinkinversion bilden
sich zwar einige Quellungen, wirklich stören tun diese aber nicht. Einzig ganz
im Norden könnten sie auch mal etwas dichter auftreten, was dort das Attribut
"zeitweise wolkig" rechtfertigt. Ob es dabei letztendlich sogar für einen
schlappen Schauer reicht, wie von IFS und GFS für SH angeboten, muss abgewartet
werden.
Ach ja, auch den Alpenraum sollte man nicht ganz außer Acht lassen, kommt es
doch vornehmlich inneralpin zu einer deutlichen Labilisierung der Luftmasse.
Über dem Hauptkamm bzw. südlich davon dürften sich einige Überentwicklungen
bilden. Dass davon auch der deutsche Alpenrand was abbekommt, der ja doch etwas
ab vom Schuss ist, kann als wenig wahrscheinlich angesehen werden.

In der Nacht zum Dienstag nähern sich Höhentrog und okkludierendes Frontensystem
dem Nordwesten des Landes an. Folgerichtig nimmt dort die mehrschichtige
Bewölkung zu und am frühen Morgen beginnt es zwischen Nordfriesland und dem
Emsland, vielleicht auch noch am Niederrhein leicht zu regnen.
Im Rest des Landes bleibt die Nacht unter allerdings schwächelnden
Hochdruckeinfluss gering bewölkt oder klar, wobei es nicht mehr ganz so frisch
wird wie die Nächte zuvor. Gleichwohl kann es im Südosten in kaltluftaffinen
Gelände noch mal für Minima von 6 oder 7°C reichen.

Dienstag ... löst sich ein kurzwelliger Anteil aus dem über der Nordsee
positionierten Haupttrog, der tagsüber über Norddeutschland hinweg nach Osten
zieht. Derweil läuft in die Rückseite des Haupttroges ein weiterer Sekundärtrog,
der diesen regeneriert. So kommt es, dass der Trog zum Datumswechsel an nahezu
derselben Stelle liegt wie am Morgen, mit anderen Worten, er hat sich kaum
verlagert.
Nicht viel besser ergeht es der Okklusion, deren Aktionsradius bedingt durch
ihre weitgehend höhenströmungsparallele Exposition ebenso limitiert ist wie die
sportliche Substanz des Hamburger Sportvereins. Kurzum, das flache Tief YVONNE
steht mit Erreichen des norwegischen Festlands kurz vor der Auflösung, die
zugehörige Okklusion erreicht mit Mühe und nur unter Aufwendung autonomer
Kraftreserven den Rand des nordwestdeutschen Binnenlands. Immerhin reicht das,
um das frontale, aber keinesfalls zusammenhängende, sondern eher
fraktil-konvektiv auftretende Regenband noch etwas landeinwärts vorankommen zu
lassen, bis zum Abend etwa auf eine Linie Wismarer Bucht-Hunsrück - wenn´s gut
läuft. Aufsummiert über 12 h können dabei bis zu saftige 5 l/qm zusammenkommen,
bei günstigem Verlauf gebietsweise auch ein paar Liter mehr.
Postfrontal gelangt mehr schlecht als recht - die Advektionsterme sind aufgrund
der weiterhin überschaubaren Strömungsverhältnisse gering - ein Schwall
subpolarer Meeresluft in den Nordwesten, die nicht gerade durch üppige Labilität
auffällt. Lediglich Richtung Nordsee, also in der Nähe zum quasistationären
Trog, lässt sich mit etwas guten Willen ein gewisses Maß an Indifferenz bzw.
leidlicher, bis etwa 500 hPa reichender Labilität konstatieren, die für einzelne
Schauer und - je nach genauer Lage des Troges - vielleicht sogar ein kurzes
Gewitter hinreichend sind.
Apropos Gewitter, Hochsommer, Annäherung eines Höhentroges mit vorgelagerter
Front, dazu Druckfall und Ausbildung eines präfrontalen Bodentrogs mit
eingelagerter Konvergenz - Herz, wat willste mehr, alles da, das riecht doch
förmlich nach einer (Schwer)Gewitterlage. Wenn, ja wenn bei dem Ganzen die
Luftmasse mitspielen würde. Diese ist nämlich mitnichten subtropischen
Ursprungs, sondern eine in die Tage gekommene polare Meeresluft. Zwar ist diese
inzwischen etwas labiler geworden, doch es hapert eindeutig am
Wasserdampfgehalt, an der Feuchte. So korrespondiert das Maximum der Labilität
in den Lapse Rates mit einem Minimum an Feuchte (spez. Feuchte bei 5 g/kg, PPW
unter 20 mm => hohes HKN von z.T. 2500 bis 3000 m), was die geringen CAPE-Werte
erklärt. Hinzu kommt eine immer noch vorhandene Inversion zwischen 750 und 650
hPa, die es erstmal zu überwinden gilt. Kurzum, präfrontal könnte es im Osten
und Süden mit Hilfe der Orografie mal für einzelne Überentwicklungen reichen,
die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber gering, und nach einer Schwergewitterlage
sieht das Ganze schon mal gar nicht aus, zumal es zusätzlich auch noch an
ausreichend Scherung mangelt.
Stattdessen scheint von den Alpen über Franken bis nach Sachsen sowie zur
Lausitz noch mal für längere Zeit die Sonne. Mit Ausnahme des kühleren
Nordwestens - dort Tageshöchstwerte von 17 bis 23°C - steigt die Temperatur auf
Maxima zwischen 23 und 28°C. Der Wind frischt am hinteren Rand des Bodentroges
mit einer kleinen Druckanstiegswelle und Drehung von südlichen Richtungen auf
West bis Nordwest zwar etwas auf, nach einer Warnlage sieht es aber Stand jetzt
bei weitem nicht aus.

In der Nacht zum Mittwoch entscheidet sich der Haupttrog zum Angriff und greift
auf die Westhälfte des Vorhersageraums über. Dabei kommt es zu einer besseren
Interaktion mit der etwas nach Osten vorankommenden Front, was eine
Intensivierung der frontalen Niederschläge bewirkt. Im gesamten Westen und
Norden sowie in Teilen der Mitte kommt es zu schauerartig verstärktem Regen, der
im Nordwesten gebietsweise rund 20 l/qm innert 12 h bringen soll. Es sei
allerdings darauf hingewiesen, dass die Numerik derzeit noch
Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich Intensität und genauer räumlicher
Verteilung der Niederschläge aufweist. Die Gewitterwahrscheinlichkeit bleibt
aufgrund der limitierten Labilität (wenig Kaltluft im Höhentrog, T500 > -20°C)
vergleichsweise gering.

Mittwoch ... entschließt sich der Höhentrog, den gesamten Vorhersageraum zu
okkupieren, wobei sich die Okklusion mit Kaltfrontcharakter tapfer nach Südosten
vorarbeitet. Beide, Trog und Front, sorgen deutschlandweit für einen lausigen
und wenig sommerlichen Mittwoch. Wobei das mit der Lausigkeit so eine Sache ist.
Okay, wenn man ´ne Runde Tennis spielen oder auf der Terrasse den "Weber" zünden
will, dann trifft die Bezeichnung vielleicht zu, aber wenn man Landwirt oder
Hobbygärtner ist, könnte sich am Mittwoch durchaus ein Lächeln auf die Lippen
genau jener Spezies zaubern lassen.
Fakt ist, dass sich die schauerartig verstärkten Regenfälle aus dem Norden und
Westen immer weiter in den Osten und Südosten ausbreiten. Präfrontal wie später
auch im Nordwesten unter der höhenkältesten Luft (T500 um -20°C) könnte es für
einzelne Gewitter reichen, allerdings wird auch dieser Mittwoch nicht als DER
Gewittertag in die Geschichtsbücher eingehen. Wie letztlich das Timing abläuft
und wo der meiste Regen fällt, steht heute noch nicht abschließend fest. Alle
Globalmodelle sind aber sehr niederschlagsaffin und mit 16 bis 23°C wird es
zudem landesweit kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Es ist alles gesagt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann