DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

12-07-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.07.2020 um 10.30 UTC



Zunächst unbeständig mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit für gebietsweise
Starkregen. Zum Wochenende weitgehende Wetterberuhigung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 19.07.2020


Am Mittwoch, zu Beginn des Mittelfristigen Prognosezeitraumes, befindet sich
Deutschland nach Lesart des neueste deterministischen IFS-Laufes unmittelbar auf
der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen Achse sich von Südnorwegen über
Benelux und Frankreich bis zur Iberischen Halbinsel erstreckt. Diese nähert sich
im Tagesverlauf von Westen her, wobei sich bis zum Mittagstermin eine
abgeschlossene Isohypse mit Drehzentrum (unter 560 gpdam) westlich Jütlands
bilden soll. Auf der Trogvorderseite wird eine zunehmend Kaltfrontcharakter
annehmende Okklusion eines Tiefs über Trøndelag allmählich über Deutschland
südostwärts geführt. Im Umfeld der Front regnet es, zunächst meist nur mit
Mengen zwischen 1 und 5 mm in sechs Stunden. Präfrontal lagert vor allem im
Südosten anfangs noch eine subtropische Luftmasse (CAPE-Werte bis knapp 400
J/kg, T850 etwas über 10 °C), ob diese aber bei der rasch zunehmenden Bewölkung
noch zur Auslöse kommt, darf angezweifelt, jedoch nicht völlig ausgeschlossen
werden. Im Tagesverlauf übernimmt dann auch immer mehr der bereits zum Abtropfen
neigende Trog die Wetterregie. Im Nordwesten gibt es dann Schauer, sonst
verstärken sich vor allem in der Mitte und im Süden die Niederschläge
schauerartig. Die Deterministik bietet dabei Regenmengen von 18 mm/6 h an,
mehrstündige Starkregenereignisse müssten, wenn diese Lösung denn wirklich so
kommt, ins Kalkül gezogen werden. Ebenso können einzelne Gewitter auftreten. In
der Nacht zum Donnerstag hat die Front Deutschland weitgehend verlassen, nur an
den Alpen hängt sie noch zurück (T850 zwischen knapp 5 °C im Nordwesten und
knapp 10 °C an den Alpen). Der Trog ist mittlerweile abgetropft und macht sich
über Schleswig-Holstein auf den Weg in den Nordosten Deutschlands. Vor allem an
der Südflanke des mit Kaltluft (T500 bis -22 °C) angefüllten Höhentiefs regnet
es schauerartig verstärkt, vereinzelt auch begleitet von Blitz und Donner (18-06
UTC bis 24 mm/6 h, 00-06 UTC bis 39 mm/6 h), sodass erneut mehrstündige
Starkregenereignisse auf dem Programm stünden (letzteres wäre sogar per
definitionem Unwetter). Korrespondieren zum Höhentief bildet sich in der zweiten
Nachthälfte über Niederschlesien und Großpolen ein Tief (Kerndruck unter 1010
hPa). Über dem Süden hängen, wie bereits erwähnt, die Reste der Front, die
zunehmend Tuchfühlung zum nächsten Frontensystem eines Tiefs bei Island
aufnehmen, sodass es von Rheinland-Pfalz über Baden-Württemberg bis nach
Südbayern leicht bis mäßig regnet.

Am Donnerstag zieht das Drehzentrum des Höhentiefs ebenfalls nach
Niederschlesien, wodurch die vertikale Achse zwischen Boden- und Höhentief
zunehmend senkrecht wird. Bis dieser Konstellation aber die Puste ausgeht,
dauert es noch ein wenig. Unmittelbar östlich von Oder und Neiße sollen zwischen
06 und 12 UTC bis zu 53 mm binnen sechs Stunden fallen, auf deutscher Seite sind
es von Vorpommern bis zum Zittauer Gebirge überwiegend 2 bis 5, direkt an der
Grenze bis knapp 10 mm. Später schwenkt mit weiterer Ostverlagerung des
Höhentiefs und der sich damit einstellenden nordöstlichen Höhenströmung die
Okklusion, die Deutschland ja bereits verlassen hatte, noch einmal von Nordosten
herein und beschert Teilen Vorpommerns und Brandenburg, in der Nacht zum Freitag
auch Sachsen, zeitweise noch einmal kräftige Niederschläge, die örtlich von
elektrischen Entladungen begleitet sein können. Ansonsten regnet es tagsüber im
Süden und Südwesten im Umfeld der Front. Von der östlichen Mitte bis in den
Nordwesten gibt es Schauer, die in der Fläche aber keine nennenswerten Mengen
bringen und zumindest im Nordwesten mit Heranrücken eines Höhenrückens weniger
werden. Dazwischen - sprich vom Niederrhein bis nach Niederbayern - könnte
kompensatorisches Absinken für ein Minimum der Niederschlagsaktivität sorgen,
sodass es dort nur sehr vereinzelt Schauer gibt. Dabei gibt es über Deutschland
ziemlich ausgeglichene Temperaturverhältnisse im 850 hPa-Niveau: Sie liegen
zwischen 5 und 8 °C, nur im Nordosten ist es im Bereich der Okklusion
geringfügig wärmer.

Am Freitag amplifiziert sich nordwestlich unseres Raumes ein Höhenrücken, der
vom Seegebiet westlich der Biskaya über die Britischen Insel und die Nordsee bis
nach Nordskandinavien reicht. Dabei überwiegend hierzulande aber noch eine
zyklonale Höhenströmung und auch die Reste der Okklusion "lungern" weiterhin bei
uns herum, sodass es zumindest zeit- und gebietsweise etwas Nass von oben geben
kann. Insgesamt beruhigt sich das Wetter aber doch zunehmend, denn der Rücken
stützt eine umfangreiche Hochdruckzone, die sich vom fernen Nordatlantik bis
nach Skandinavien erstreckt. Ein Schwerpunkt dieser Hochdruckzone (mittags knapp
über 1025 hPa) lässt sich über der südlichen Nordsee ausmachen.
Niedertroposphärisch setzt eine Erwärmung ein, wodurch abends schon wieder
verbreitet T850-Werte zwischen 7 und gut 10 °C erreicht werden.

Am Samstag befindet wir uns zwar nominell unter Hochdruckeinfluss, wobei sich
ein Schwerpunkt über der Deutschen Bucht befindet. Nichtsdestotrotz "schleppt"
sich die Achse des Höhenrückens über die Nordsee und erreicht mittags gerade
einmal Vendsyssel. In der Folge können die immer noch über Deutschland
vorhandenen Okklusionsreste mit Unterstützung der leicht flatternden
Höhenströmung zeit- und gebietsweise meist schwache Niederschläge induzieren.
Einzig ganz im Osten gibt es bei leidlicher Labilität die Chance auf einzelne
Gewitter. Das 850 hPa-Temperaturniveau liegt dabei zwischen 8 und 13 °C.

Zum Sonntag verkürzt der Höhenrücken seine Amplitude, wobei seine Achse nun aber
den Nordwesten erreicht. Das Höhentief (ja, wir haben es nicht ganz vergessen)
zieht nach Ungarn bzw. zur Vojvodina, wodurch sich die Höhenströmung in Teilen
des Ostens und Südostens Deutschlands wieder etwas zyklonaler gestaltet.
Überwiegend schwache Schauer sind dort die Folge, während es im großen Rest des
Landes bei weitgehend sommerlichen Temperaturen (T850 zwischen 8 und 14 °C)
trocken bleibt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Gegenüber dem gestrigen 00-UTC-Lauf bieten die beiden neueste Läufe wieder eine
deutlich zyklonalere Lage mit markanteren Trögen und auch stärkerem
Tiefdruckeinfluss am Boden an. Diese Variante stand schon im vorgestrigen
00-UTC-Lauf auf dem Programm. Schon am Mittwoch, also zu Beginn der Mittelfrist
ist das Setup zwischen gestern 12-/heute 00- und gestern 00-UTC-Lauf ein ganz
anderes. Inwieweit diese Lösung tatsächlich eintreffen wird, bleibt abzuwarten.
Die Lösung des deterministischen Laufes stellte sich vorgestern auch eher als
Außenseiter bei den Ensembles dar.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON und GFS zeigen insgesamt gesehen recht ähnliche Lösungen, wobei das
Höhentief aber zunächst etwas weiter nordöstlich ziehen soll, wodurch dessen
Einfluss nicht so stark wäre. Zum Freitag wird das Höhentief beim GFS von einem
Trog aufgenommen, der dann meridional orientiert über Osteuropa liegt. Westlich
davon liegt ein Rücken, der aber wesentlich flacher ist und auf dem kurzwellige
Troganteile ablaufen, die auch das Wetter hierzulande beeinflussen. ICON zeigt
das Höhentief zu diesem Zeitpunkt weiter westlich über Polen, wodurch durchaus
auch wieder etwas kräftigere Niederschläge zu uns "rüberschwappen" könnten.
Ansonsten sehen ICON und IFS den Aufbau des Rückens und des Hochdruckgebietes am
Boden zunächst ähnlich. Zum Samstag und Sonntag unterscheiden sie sich jedoch
zunehmend: Beim ICON verjüngt sich der Rücken sehr stark und es wird ein
eigenständiges Hoch über Fennoskandien aufgebaut. Bei GFS hingegen liegt die
Achse des Rückens schon über dem Baltikum, wodurch wir wieder in zyklonales
Regime mit neuerlichen Frontensystemen kommen würden.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigen bei der
Temperatur im 850 hPa-Niveau bei vor allem ab Donnerstag stark zunehmender
Streuung einen allmählichen Anstieg. Die Lösungen des Haupt- und Kontrolllaufs
liegen dabei zumeist am oberen Rand der wahrscheinlichen Lösung. Eine gar nicht
so geringe Anzahl an Membern favorisiert also eine kühlere Lösung. Beim 500
hPa-Geopotenzial ist die Streuung bereits am Mittwoch recht groß, wobei Haupt-
und Kontrolllauf vor allem bei den nördlichen Städten am unteren Ende der
Kurvenschar liegen. Das spricht dafür, dass die deterministische
Trog-/Höhentief-Lösung noch nicht in Sack und Tüten ist. Im Laufe des restlichen
mittelfristigen Prognosezeitraumes steigt das Geopotenzial bei ungefähr
gleichbleibender Streuung wieder an. Dabei bewegen sich Haupt- und Kontrolllauf
zunächst ungefähr mittig in der Kurvenschar, gegen Wochenende jedoch zunehmend
im unteren Drittel, was bedeutetet, dass ein stärkerer Hochdruckeinfluss
durchaus möglich ist. Für München ist die Kurvenschar für das Geopotenzial über
den gesamten Prognosezeitraum stärker aufgefächert, was evtl. der etwas unklaren
Lage des Höhentiefs (wir erinnern uns an die ICON-Lösung) geschuldet ist.
Niederschlagssignale gibt es vor allem von Mittwoch bis Freitag von einer
Vielzahl von Membern. Betrachtet man sich aber zum Beispiel das
Niederschlagsensemble für Leipzig, so fällt auf, dass der deterministische
Vergleich mit seinem "Fast-Starkregen-Event" so ziemlich den Vogel abschießt und
nur noch von einem einzigen Member übertroffen wird. Der Kontrolllauf und die
restlichen Ensemblemitglieder bewegen sich auf deutlich niedrigerem Niveau. Zum
Wochenende werden die Niederschlagssignale deutlich rarer, was die "These" eines
zunehmenden Hochdruckeinflusses stützt.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Mittwoch bis Donnerstag
(T+72...96h) fünf Cluster, wovon die ersten drei mit 14, 13 und nochmals 13
Membern in etwa gleich stark besetzt sind. Im vierten Cluster sind sechs, im
fünften fünf Member heimisch. Haupt- und Kontrolllauf korrespondieren mit dem
ersten Cluster. Grundsätzlich zeigen alle Cluster ein Übergreifen des Troges und
seine Ostverlagerung am Donnerstag. Sie unterscheiden sich jedoch zum einen in
der Ausprägung (abgeschlossene Isohypse oder nicht, Amplitude und Wellenlänge)
sowie in der Zugrichtung. Beispielsweise würde bei Cluster IV ein
abgeschlossenes Höhentief sehr weit westlich ziehen. Auch das Bodendruckniveau
wird mitunter recht unterschiedlich simuliert.

Für den Zeitraum von Freitag bis Sonntag (T+120...168h) gibt es sogar gleich
sechs Cluster, wobei der Kontrolllauf mit dem ersten, der deterministische Lauf
jedoch mit dem sechsten Cluster korrespondiert. Die Cluster sind mit 14, neun,
zweimal acht, sieben und sechs Membern besetzt - sieht man vom ersten Cluster
ab, also eine ziemlich homogene Verteilung, woraus man schon schlussfolgern
kann, dass irgendwie nichts richtig sicher ist. Sie unterscheiden sich mitunter
sehr deutlich in Ausprägung und Positionierung der Höhentiefs und -rücken, aber
auch des Hochdruckgebietes am Boden. Cluster III und IV zeigen beispielsweise
das Fennoskandienhoch (ICON-Lösung), Cluster V eher eine Lösung, die dem GFS
nahe kommt. Während sich am Boden Cluster I und VI (also quasi Kontroll- und
deterministischer Lauf) gar nicht mal so stark unterscheiden, zeigt Cluster VI
aber einen viel stärkeren Höhenrücken. Kurzum: Es bleibt abzuwarten, wie sich
kommende Läufe präsentieren werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Von Mittwoch bis in die Nacht zum Freitag kann zunächst in der östlichen Mitte,
später im Osten, gebietsweise mehrstündiger Starkregen nicht ausgeschlossen
werden. Die Probabilistik zeigt dafür nur sehr geringe Hinweise, das
90%-Perzentil bleibt ebenfalls unter den Warnschwellen (mehr als 20 mm/6 h).
Von Mittwoch bis Freitag auftretende einzelne Gewitter gehen wahrscheinlich
nicht mit stürmischen Böen einher - die Labilität und Oberwinde geben dies nicht
her.

Darüber hinaus ist im mittelfristigen Prognosezeitraum voraussichtlich nicht mit
markanten Wettererscheinungen zu rechnen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS zusammen mit IFS-EPS und ICON-EPS, MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach