DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-07-2020 17:01
SXEU31 DWAV 111800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nach Abzug des Troges überwiegend Hochdruckeinfluss, erst am Dienstag wieder
zyklonaler, vor allem im Nordwesten.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland noch unter einem schön ausmodellierten
Höhentrog, dem es bei uns aber nicht mehr so richtig gefällt und der
entsprechend den Nachtzug in Richtung Polen und Tschechien nimmt. Damit verliert
auch die über den Alpen schleifende Kaltfront (sie gehört übrigens zu dem aus
einem ehemaligen Tropensturm hervorgegangenen Tief Ex-EDOUARD, das inzwischen
über Karelien liegt und von dort das Weiße Meer ansteuert) ihren
Hauptimpulsgeber, sprich, die für die bis ins Alpenvorland ausgreifenden
Regenfälle verantwortliche Gegenstromlage geht kaputt. Entsprechend lassen die
Niederschläge mehr und mehr nach bzw. hören ganz auf.
Gleiches trifft auf die Schauer im Norden zu, die nicht nur der trogrückseitigen
Stabilisierung der maritim-polaren Luftmasse, sondern auch dem Tagesgang zum
Opfer fallen. Unmittelbar über der See könnte es aber noch für ein paar wenige
diabatisch getriggerte konvektive Umlagerungen reichen.
Ansonsten setzt sich der Druckanstieg fort, was dem Keil des inzwischen mit
Zentrum über der Irischen See liegenden Hoch YOANN sichtlich guttut. So wird er
nicht nur immer breiter, er betreibt zudem Muskelaufbau, was ihm beim
morgendlichen Gang auf die "Baro-Waage" im größten Teil des Landes knapp über
1025 hPa einbringt. Da die Wolkendecke vielerorts auflockert und der Wind quasi
einschläft, wird die Nacht in der frisch eingeflossenen Polarluft alles andere
als lau. Nicht selten kühlt es unter 10°C, in der Eifel sowie im zentralen
Mittelgebirgsraum lokal sogar auf etwas unter 5°C ab, was dort in Bodennähe
einen kurzen Peak in Gefrierpunktnähe zur Folge haben kann. Nach Westen und
Nordwesten zu können sich in der durch die heutigen Schauer etwas angefeuchteten
Grundschicht ein paar flache Nebelfelder bilden.

Sonntag ... zeigt sich über Westeuropa ein flacher Rücken, während der Trog über
dem östlichen Mitteleuropa nur wenig Progression an den Tag legt. Die Folge für
uns ist eine glatt bis leicht antizyklonal konturierte nordwestliche
Höhenströmung, aus der keine nennenswerten dynamischen Impulse herauszuholen
sind. Entsprechend verläuft das morgige Sonntagswetter in ruhigen Bahnen, die im
Wesentlichen von dem sich vom Azorenraum bis nach Mitteleuropa erstreckenden
Hoch YOANN bestimmt werden. Bei rund 700 hPa (im Osten etwas höher, im Südwesten
etwas niedriger) etabliert sich eine Absinkinversion, unter der sich eine labil
geschichtete, inzwischen aber stark abgetrocknete Grundschicht befindet. Das
genügt zwar, um mit Hilfe des Tagesgangs in weiten Teilen des Landes mehr oder
weniger dichte Quellungen zu generieren (im Norden und Nordosten gebietsweise Sc
cugen, meint Stratocumulus cumulogenitus), die Schauerwahrscheinlichkeit nimmt
gegenüber heute aber deutlich ab. Am ehesten reicht es noch Richtung Osten, wo
die Inversion am höchsten liegt, für ein paar schwache Schauer. Dafür zeigt sich
im Südwesten, wo die Luftmasse am trockensten ist (spez. Feuchte um 4 g/kg, PPW
unter 15 mm), z.T. überhaupt kein Wölkchen am Himmel.
Die eingeflossene Meereskaltluft kann sich unter dem Hochdruckeinfluss erholen
(T850 am Abend zwischen 4/5°C im Norden und bis zu 12°C am Dreiländereck
D-CH-F), so dass am Ende des Tages Höchstwerte von immer noch leicht
unterkühlten 17 bis 20°C im äußersten Norden (teils der fehlenden Einstrahlung,
teils dem auflandigen Wind geschuldet) bis zu 26/27°C im Oberrheingraben sowie
den Seitentälern registriert werden.

In der Nacht zum Montag greift besagter Rücken auf den Vorhersageraum über, was
den Hochdruckeinfluss konserviert. Dabei klart es verbreitet auf, und wenn es in
der Fläche vielleicht auch nicht mehr ganz so frisch wird wie die Nacht zuvor,
sind vornehmlich im westlichen und zentralen Mittelgebirgsraum bis hinüber zum
Erzgebirge stellenweise wieder 5°C oder sogar etwas weniger möglich.

Montag ... wandert der Rücken langsam über Deutschland gen Osten hinweg. Er ist
im Norden stärker ausgeprägt als im Süden, wo er mehr und mehr in einen Trog
südlich der Alpen übergeht. Bei insgesamt geringen Potenzialgegensätzen sind
auch zu Wochenbeginn keine nennenswerten Impulse aus der Höhe zu erkennen, im
Gegenteil, leichtes Absinken drückt die Inversion auf 750 bis 800 hPa.
Im Bodendruckfeld kristallisiert sich knapp nord-nordöstlich der Azoren ein
neuer Hochschwerpunkt mit etwas über 1030 hPa heraus, von dem aus weiterhin ein
Keil via Mitteleuropa bis zum nahen Osteuropa gerichtet ist. Dieser sorgt für
sonnenscheinreiches, wenn auch nicht ganz wolkenfreies, meist aber trockenes
Wetter. Von etwas größerem Interesse sind eigentlich nur die äußeren Ränder. So
gelangt in den nördlich der Divergenzachse des Keils liegenden Norden etwas
feuchtere Luft von der Nordsee, in der sich etwas mehr Bewölkung als weiter
südlich in Szene setzen kann. IFS und GFS lassen daraus sogar etwas Regen oder
Nieselregen fallen, der aber erst mal unten ankommen muss.
Ganz im Süden beginnt die alternde Luftmasse allmählich zu labilisieren, am
stärksten allerdings inneralpin. Dort kommt es im Bereich einer flachen Rinne im
Tagesverlauf zu Schauern und einzelnen Gewittern, die sich am ehesten zwischen
Allgäu und Werdenfelder Land auch auf deutsches Hoheitsgebiet übergreifen
könnten - wohlbemerkt könnten.
Die Erwärmung der Luftmasse macht weitere Fortschritte: Im Norden geht´s hoch
auf 19 bis 25°C, sonst auf 24 bis 29°C.

In der Nacht zum Dienstag wird der Rücken rasch nach Osten durchgewunken, was
uns auf die Vorderseite eines bis zur Nordsee respektive Benelux vorstoßenden
KW-Trog bringt. Ihm vorgeschaltet ist ein okkludierendes Frontensystem, das zu
einem Tief zwischen Schottland und Island (00 UTC) gehört. Es bringt dem
Nordwesten zunehmend mehrschichtige Bewölkung und am frühen Morgen zwischen
Emsland und Nordfriesland bzw. dem nördlichen SH erste Tropfen.
Im Süden und Osten fällt der Luftdruck zwar langsam, trotzdem bleibt die Nacht
gering bewölkt oder klar. Dabei wird es aber nicht mehr so frisch wie die Nächte
zuvor.

Dienstag ... schwenkt der Höhentrog zu uns rein, wobei er aber zunehmend
abflacht. Derweil läuft in seine Rückseite eine sekundäre Welle, die den trog
regeneriert und scheinbar retrograd werden lässt. Somit liegt seine Hauptachse
an nahezu gleicher Stelle wie am Morgen ((nämlich ganz knapp westlich von uns).
Durch die Regenerierung des Troges kommt das mittlerweile fast vollständig
okkludierte Frontensystem nur sehr schleppend nach Osten bzw. Südosten voran.
Entsprechend hält sich auch die Verlagerungstendenz des frontalen, teils
konvektiv verstärkten Regens in Grenzen. Pech für die zahlreichen
Nordseeurlauber, die einen Großteil des Tages wohl eher mit
"Mensch-ärgere-dich-nicht" (also dem Spiel) oder einem guten Buch in ihrer
Ferienwohnung verbringen dürften. Dabei sollten sie sich nicht wundern, wenn es
im Tagesverlauf auch mal blitzt und donnert, wird doch um die Deutsche Bucht
herum etwas CAPE generiert, das durch die Front bzw. den Sekundärtrog in
eingebettete frontale Gewitter umgesetzt werden kann.
Interessanter könnte aber die präfrontale Entwicklung werden, wo sich durch den
fortlaufenden Druckfall ein flacher Bodentrog mit eingelagerter Konvergenz
ausbildet. Im Osten kommt die subtropische und potenziell instabile Luftmasse
aus dem Süden relativ weit nach Norden voran (T850 am Nachmittag 10 bis 13°C, im
Süden bis zu 15°C). Auffallend ist auf der anderen Seite aber auch, dass die
Warmluft ziemlich trocken ist (nur allmählicher Anstieg des PPWs auf etwa 20
mm), was in großen Teilen die von der Numerik nur äußerst sparsam simulierten
ML-CAPE-Werte von etwas über 100 J/kg (ICON) sowie das hohe HKN erklären. Von
daher steht aus heutiger Sicht keine ganz große Gewitterentwicklung im Süden und
Osten an, zumal wohl auch noch eine Sperrschicht bei etwa 650/600 hPa überwunden
werden muss. Für einzelne Überentwicklungen - insbesondere aus dem Bergland
heraus - dürfte es, nachdem zuvor längere Zeit die Sonne geschienen hat, aber
wohl reichen.
Noch ein Wort zur Temperatur, die im Norden und Nordwesten Maxima von 18 bis
24°C ansteuert, während sonst 24 bis 29°C auf der Karte stehen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der Begriff "Konsens" wird großgeschrieben innerhalb des Modellpools. Die
Basisfelder sind weitgehend kongruent, die Unschärfen der Niederschlagsprognosen
nicht warnrelevant.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann