DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-07-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 11.07.2020 um 10.30 UTC



Am Dienstag in der Südosthälfte, am Mittwoch im Südosten möglicherweise kräftige
Gewitter. Ansonsten ruhiges, aber nicht störungsfreies Wetter mit einigen
Unsicherheiten.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 18.07.2020


Am Dienstag, zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraumes, befindet sich
Deutschland nach Lesart des deterministischen EZMW-IFS auf der Vorderseite eines
in die Nordsee schwenkenden Troges. Dabei greift in den Morgenstunden erster
Regen auf den äußersten Nordwesten Deutschlands über. Dieser steht in
Zusammenhang mit einer Okklusion, die zu einem Tief mit Zentrum östlich der
Färöer gehört. Im Tagesverlauf bekommt die Okklusion andeutungsweise
Kaltfrontcharakter. Mit zögerlichem Vorankommen des Troges kommt auch die Front
nur langsam voran, so erreichen die Regenfälle bis zum Abend in etwa eine Linie
von Wagrien bis zum Niederrhein. Zwar reagiert der Niederschlagsoutput nicht
darauf, jedoch kann man sich vorstellen, dass sich im Tagesverlauf in der vor
der Front besonders zum Mittagstermin hübsch ausgebildeten Tiefdruckrinne
konvergente Strukturen ausbilden, an denen vor allem in der Südosthälfte
gebietsweise kräftige Schauer und Gewitter mit Starkregen, Sturmböen und Hagel
ausgelöst werden. Das Feuchtefeld deutet dies zumindest an. In der subtropischen
Luftmasse (Temperatur im 850 hPa-Niveau 9 bis knapp 15 °C) sind auch
unwetterartige Entwicklungen nicht ausgeschlossen. In der Nordwesthälfte liegen
die T850 hingegen zwischen 7 und 10 °C. Aber auch dort wird an der Front eine
gewisse Labilität gerechnet, sodass es vereinzelte eingebettete Gewitter geben
kann.
In der Nacht zum Mittwoch kommt die Front allmählich ostwärts voran. Im Norden
erfährt sie Unterstützung durch den vorstoßenden Trog, sodass sich die
Niederschläge dort geringfügig intensivieren. Für die Mitte und den Süden gibt
es noch immer keine Niederschlagssignale, doch dürfte es zumindest im Südosten
anfangs noch zu konvektiven Umlagerungen kommen.

Am Mittwoch überquert uns die Trogachse, wodurch es in der Mitte und im Süden
auch schwache Niederschlagssignale im Umfeld der Kaltfront (die Charakter ist
nun wirklich mehr Kaltfront als Okklusion) gibt. Ob es präfrontal im Südosten
noch einmal zur Auslöse konvektiver Umlagerungen kommt, bleibt abzuwarten. Durch
den dort schärfer ausgeprägten Trog regnet es im Norden etwas mehr, jedoch (im
Gegensatz zum gestrigen 00-UTC-Lauf) fernab jeglicher Warnwürdigkeit. Das hängt
damit zusammen, dass sowohl der Trog als auch das zur Okklusion gehörige Tief
nun nördlicher gerechnet werden. Während südöstlich einer Linie von der Lausitz
bis zum Schwarzwald noch einmal T850 von über 10 °C erreicht werden, sind es im
äußersten Nordwesten nur noch knapp 5 °C. In der Nacht zum Donnerstag schwenkt
die Kaltfront vollends durch (T850 zwischen gut 4 und 9 °C), lediglich an den
Alpen hängt sie zurück, sodass südlich der Donau regnet. Aber auch sonst gibt es
verursacht durch die Nähe zum über Südskandinavien liegenden Trog sowie durch
ggf. rumgeholte Okklusionsreste gebietsweise Regen oder zumindest Schauer.
Bleibt noch der Wind zu erwähnen, der vor allem im Umfeld der Front in Böen
schon mal steif auffrischen kann.

Am Donnerstag befindet sich Deutschland noch immer auf der Südwestflanke des im
Tagesverlauf abtropfenden Troges, sodass es vor allem in der ersten Tageshälfte
noch verbreitet zu Schauern kommt. Zum Abend tropft der Trog dann vollends ab
und zieht als Höhentief zum Baltikum. In der zweiten Tageshälfte läuft ein
weiterer kurzwelliger Troganteil von Nordwesten herein und sorgt gebietsweise
für weitere schwache Schauer und nachts für eine Reaktivierung der Front an den
Alpen. Abgesehen von den Alpen beruhigt sich das Wetter in der Nacht zum Freitag
mit dem Hereinschwenken eines Höhenrückens. Auch wenn dieser Höhenrücken relativ
flach ist, so sorgt er doch dafür, dass man von der Warmfront, die zu einem
Frontensystem eines Tiefs über Island gehört, im Norden aus
niederschlagstechnischer Sicht nichts merken wird. Der Rest des Landes
profitiert ohnehin von einem vorstoßenden Hochkeil.

Das ändert sich erst am Freitag, wenn die Achse des zudem immer flacher
werdenden Rückens weite Teile des Landes schon überstrichen hat. Dann gibt es im
relativ breiten Warmsektor vor allem im Norden und Osten sowie an den Alpen
zeitweise etwas Regen. Dabei steigt die Temperatur im 850 hPa-Niveau kräftig an
und erreicht fast landesweit über 10 °C, am Hochrhein sogar 15 °C.
In der Nacht zum Samstag wölbt sich über Westeuropa ein umfangreicher
Höhenrücken auf, an dessen Nordflanke aber kurzwellige Troganteile ablaufen. So
kommt es auch, dass die sich unseren Gefilden nähernde Kaltfront im Nordwesten
ein paar Tropfen bringen kann, während sonst zunehmend - auch am Boden -
Hochdruckeinfluss wirksam ist. Letzterer erstreckt sich am Boden von England bis
zum Balkan.

Am Samstag liegt die Luftmassengrenze (die Kaltfront geht in die Warmfront eines
Tiefs nordwestlich von Irland über) über der Mitte Deutschlands. Ein gewisses
Flattern in den Isohypsen des breiten Höhenrückens - sprich kurzwellige
Troganteile - interagieren mit der Front. Sie "kämpfen" gegen das etwas
altersschwache Bodenhoch mit Schwerpunkten über der Mitte Deutschlands und
erringen schließlich einen Teilsieg: Bei T850 zwischen 5 und 10 °C gibt es
zeitweilige schwache Regenfälle im Norden und Osten. Südlich der
Luftmassengrenze bleibt es hingegen bei 850 hPa-Temperaturen von 10 bis 17 °C
trocken.

In der erweiterten Mittelfrist soll sich über Westeuropa auf der Vorderseite
eines Troges eine markante Tiefdruckrinne ausbilden, die zum Wochenwechsel auf
den Westen Deutschlands übergreifen soll. Niederschlagssignale werden daran -
vermutlich mangels ausreichenden Antriebs - nicht gezeigt. Ob dies allerdings
wirklich so kommt, bleibt abzuwarten.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Das Übergreifen der Okklusion zum Dienstagmorgen wird in den drei neusten Läufen
konsistent gerechnet. Die präfrontal ausgeprägte Tiefdruckrinne mit dem
Potenzial für Konvektionsauslösung an konvergenten Strukturen ist ebenfalls bei
allen drei Läufen erkennbar. Ab der Nacht zum Mittwoch divergieren dann
allerdings schon die Läufe, einerseits hinsichtlich der Position und Amplitude
des nachrückenden Troges, vor allem aber in Hinblick auf die gestern noch
apostrophierte Zyklogenese über der Nordsee. Das Tief, das gestern noch über dem
deutsch-dänischen Grenzgebiet zu finden sein sollte, liegt im neueste Lauf über
Süd- und Südostnorwegen und auch der Trog ist hierzulande nicht mehr so markant
ausgeprägt, was nach Lesart des aktuellen Laufes auch zu einem deutlich weniger
stark ausgeprägten Niederschlagsgeschehen führt. Der gestrige 12-UTC-Lauf wollte
von einem abgeschlossenen Tief sowieso nichts wissen und zeigte stattdessen eine
langgestreckte, von Skandinavien bis zum Balkan reichende Tiefdruckrinne. Auch
in weiterer Folge unterscheiden sich die Lösungen der Läufe mehr oder weniger
stark, sodass insbesondere die Detailprognose in Hinblick auf Temperaturniveau
und Niederschlagsverteilung noch einigermaßen unsicher bleibt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Das mittelfristige Setup simulieren GFS, ICON und IFS ähnlich. Alle drei
deterministischen Modelle lassen die Front auf den Nordwesten übergreifen. Die
Tiefdruckrinne ist ebenfalls bei allen Modellen mehr oder weniger deutlich
ausgeprägt. Interessanterweise zeigt ICON im heutigen 00-UTC-Lauf ein kräftiges
Tief über dem Skagerrak sowie etwas mehr Wumms an der Front und im nachrückenden
Trog. Damit erinnert es ansatzweise an die gestrige IFS-Lösung. Zwar sieht die
Lösung von IFS und GFS in der Folge erst einmal ähnlich aus, jedoch steckt der
Teufel im Detail. Durch eine leichte Verschiebung der Aktionszentren ist die
GFS-Variante zyklonaler als IFS. Ganz anders ist da ICON: Statt eines sich am
Donnerstag über der Nordsee aufwölbenden Rückens zeigt es einen scharfen Trog,
der von Nordwesten hereinschwenkt, was für kräftigere Niederschläge in der
zweiten Tageshälfte und in der Nacht zum Freitag sorgen würde. In der Folge
bleibt ICON ziemlich zyklonal geprägt. IFS und GFS zeigen zumindest in der Höhe
ähnliche Muster, jedoch mit leichten Phasen- und Amplitudenunterschieden, sodass
das Frontensystem zu Freitag perfekt hereingesteuert wird. Es zeigt sich auch,
dass IFS die wärmste Variante hat, relativ dicht gefolgt von GFS und mit weitem
Abstand ICON. Das gilt insbesondere für den Samstag.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bis
einschließlich Dienstag einen sehr stark gebündelten Verlauf der Kurvenschar für
die Temperatur im 850 hPa-Niveau. Ab Mittwoch beginnt die Streuung zuzunehmen,
wobei aber nur einzelne Member - vor allem nach oben - "abhauen". Ab Donnerstag
divergieren die Lösungen noch etwas stärker. Haupt- und Kontrolllauf befinden
sich aber immer im Bereich der wahrscheinlichsten Lösung und nicht, wie das
gestern noch der Fall war, am unteren Ende der Kurvenschar. Gut zu erkennen ist
der Abwärtstrend der T850 bis zum Donnerstag, der von einem erneuten Anstieg
gefolgt wird, wobei gerade am Samstag die Streuung schon sehr hoch ist.
Beim 500 hPa-Geopotenzial streuen die unterschiedlichen Member schon ab Dienstag
stärker und tun dies auch in den nachfolgenden Tagen. Erwähnenswert ist noch,
dass sowohl der Haupt- als auch der Kontrolllauf eher am unteren Ende der
wahrscheinlichsten Lösung verlaufen, jedoch nicht am unteren Ende der
Kurvenschar. Allen Rauchfahnen ist gemein, dass sie am Mittwochmorgen das
niedrigste Geopotenzial (Trogdurchgang) zeigen.
Niederschlagssignale werden ab Dienstag bzw. Mittwoch (Leipzig und München) von
einer Vielzahl von Membern gebracht.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Dienstag bis Mittwoch (T+72...96h)
fünf Cluster, wobei die ersten drei mit 15, 13 und 13 Membern ungefähr gleich
stark besetzt sind. Mit dem zweiten Cluster korrespondieren auch Haupt- und
Kontrolllauf. Die übrigen zehn Member verteilen sich gleichmäßig auf Cluster IV
und V. Die Cluster unterscheiden sich vor allem in der Ausprägung des Troges,
wobei dieser bei Cluster I und II schärfer als bei Cluster III ist. Bei IV und V
tropft der Trog am Mittwoch als Höhentief über Westeuropa ab, was ein wenig an
die gestrige ICON-Lösung erinnert.
Für den Zeitraum von Donnerstag bis Samstag (T+120...168h) gibt es nur zwei
Cluster (29 bzw. 22 Member), Haupt- und Kontrolllauf fühlen sich dem zweiten
Cluster zugehörig. Cluster I zeigt ein antizyklonaler geprägtes Szenario mit
stärker ausgeprägten Rückenstrukturen und kräftigerem Hochdruckeinfluss am
Boden, was eher dem gestrigen 00-UTC-IFS-Lauf entspricht.

Kurzum: Der grobe Fahrplan für die nächste Woche steht, aber alles in allem gibt
es doch noch größere Unsicherheiten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Montag kommt man wahrscheinlich ohne signifikante Wettererscheinungen durch
den Tag.
Auch wenn die Numerik mit Niederschlagssignalen geizt, ist die Auslöse von
kräftigen Gewittern in der Südosthälfte am Dienstag durchaus möglich. Dann
stünden in der subtropischen Luftmasse Starkregen, Sturmböen und Hagel auf dem
Programm, wobei man bei den vergleichsweise niedrig gehaltenen Kriterien auch
schnell im Unwetterbereich landet. Die eventuell an der Front im Nordwesten
auftretenden einzelnen Gewitter werden wahrscheinlich nur von steifen Böen
begleitet, nichtsdestotrotz ist eine stürmische Böe nicht auszuschließen.
Am Mittwoch können sich im Südosten noch einmal kräftige Gewitter mit
Starkregen, Sturmböen und Hagel bilden.
Darüber hinaus ist bis Samstag voraussichtlich nicht mehr mit markanten
Wetterereignissen zu rechnen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, ICON-EPS, MOSMix
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VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach