DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-07-2020 16:01
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.07.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiter typisches, teils leicht unterkühltes mitteleuropäisches Sommerwetter mit
Potential zu Dauerregen in der Mitte.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Mitteleuropa und somit auch Deutschland im Bereich eines
ausgeprägten Langewellentroges, dessen Achse am Mittag den Westen erreicht hat
und im Verlauf bis etwa Mitternacht ostwärts über das Land hinweg steuert. Auf
der Vorderseite des Langwellentroges wird dabei mit der Höhenströmung ein
Bodentief nordostwärts in den Bereich der nördlichen Ostsee verlagert. Dessen
Kaltfront hat Deutschland weitgehend südwärts überquert und beginnt an den Alpen
zu schleifen. Durch teils verstärkende frontale Hebungsprozesse die sich mit
orographischer Hebung paaren, nahm und nimmt die Wetteraktivität der Kaltfront
vorübergehend zu, sodass die Schauer am Alpenrand regional durchaus auch mal
signifikante, von warnwürdigen Summen jedoch weit entfernte Regenmengen bringen
und brachten. Rückseitig der Kaltfront fließt mit einer westlichen bis
nordwestlichen Strömung kühle bis mäßig warme Atlantikluft ein. Die Temperatur
geht im 850 hPa Niveau mit Ausnahme des Südens, wo der Luftmassenwechsel
gemäßigt vonstattengeht, auf 6 bis 3°C zurück, während es in 500 hPa auf -20 bis
-25°C abkühlt. Geringe diabatische Hebungsprozesse sowie die dynamischen
Komponenten auf der Trogvorderseite sorgen für eine Labilisierung der
Troposphäre, sodass bis in die Nacht hinein etwa in der Nordhälfte mit Schauern
und einzelnen Gewitter gerechnet werden muss. Diese sowie kräftigere Schauer
werden bei Oberwinden (925, 850 hPa) an die 40 kt von stürmischen Böen 8 Bft,
mit geringer Wahrscheinlichkeit auch von Sturmböen 9 Bft begleitet. Starkregen
sollte aufgrund der raschen Zuggeschwindigkeit sowie des Wassergehaltes der
Luftsäule (PPW 15 bis 20 mm) weder kurzfristig noch akkumuliert ein großes Thema
werden. Unabhängig von der konvektiven Komponente wird aus dem Gradienten
zwischen tiefem Luftdruck über Skandinavien und dem Azorenhoch über dem
Ostatlantik heraus vom Norden bis in die mittleren Landesteile eine Windwarnung
vor Böen 7 Bft, vereinzelt 8 Bft nötig. Für die Küste, das küstennahe Binnenland
sowie höhere Lagen steht eine Sturmwarnung an mit Böen 8-9 Bft. Die Warnungen
sind noch bis in die Nacht hinein in Kraft.

Nach Durchzug der Trogachse gelangt West- und Mitteleuropa auf die Vorderseite
eines schwachen Rückens, der sich vom Ostatlantik zu den Britischen Inseln
erstreckt. Während in der Höhe allenfalls eine recht geradlinige nordwestliche
Grundströmung resultiert, kann sich im Bodenniveau der Ableger des Azorenhochs
nach Frankreich vorarbeiten und auch im Westen und Süden Deutschlands schon für
antizyklonale Strömungsstrukturen sorgen. Insgesamt setzt hochreichend eine
Stabilisierung der Troposphäre ein, sodass die konvektive Aktivität nachlässt
bzw. in der Nacht weitgehend abklingt. Absinkende Luftbewegungen lösen vor allem
im Süden und Westen die Wolken auf. Einhergehend mit der kühlen Luftmasse ist
abgesehen von den Küstengebieten und Ballungsräumen nahezu landesweit mit
einstelligen Tiefstwerten zu rechnen.
Dienstag ... steht vor allem der Süden und Südwesten Deutschlands auf der
Sonnenseite der Wetterküche. Der Bodenhochkeil des Azorenhochs kann weiter vom
Ostatlantik über Süddeutschland und die Alpenregion hinweg bis zum Balkan sein
Zepter schwingen und meist für ruhiges und freundliches Wetter sorgen.
Allenfalls im Bergland führt orographische Hebung für leichte Quellungen, die
jedoch bei 750 hPa gegen eine markante Absinkinversion stoßen und breitlaufen.
Entsprechend sind insgesamt allenfalls dünne Schichtwolken im Bereich der
Inversion zu erwarten. Die trockene Grundschicht sollte sonst jegliche
Ambitionen der Wolkenbildung untergraben. Anders sieht es im Norden und Osten
aus. Dort reicht der Einfluss des Höhentiefs über Südschweden zeitweise aus, um
das Wetter unbeständiger zu gestalten. In die weiter recht straffe nordwestliche
Grundströmung sind wiederholt schwache kurzwellige Anteile eingelagert, die den
Norden und Nordosten besuchen, bevor sie nach Polen weiterziehen. Auch am Boden
sind die Strukturen eines schwachen Bodentroges auszumachen, der sich von
Benelux nach Deutschland schiebt, um schließlich über Ostdeutschland abzuziehen.
Beide Konturen führen dabei nicht nur für Wolken, sondern können von den
Niederlanden bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auch mit teils
schauerartigen Niederschlägen einhergehen. Von Schleswig-Holstein bis nach
Vorpommern sind auch einzelne kurze Gewitter möglich. Aufgrund der
Verlagerungsgeschwindigkeit ist Starkregen weiter kein Thema. Dagegen steht
wieder der Wind im Fokus, steife und stürmische Böen sind Bestandteil der
Speisekarte. Auch abseits der konvektiven Ereignisse können sich aus dem
Luftdruckgradienten heraus in Nordfriesland und an der mittleren und östlichen
Ostseeküste ein paar starke bis stürmische Böen verirren.

In der Nacht zum Mittwoch nimmt die Wetteraktivität nochmals Fahrt auf. Ein in
der Höhe eher schwach amplifizierter Kurzwellentrog mauserte sich bodennah zu
einem Tief, dessen Ausläufer mit der Westströmung auf Westdeutschland zusteuern.
Zwar büßt das Tief auf seinem Weg Kraft ein und ist am Morgen nur noch mit der
Lupe zu erkennen, die Warmluftadvektion scheint dagegen weiter intensiv genug,
um Regenfälle zu produzieren. Diese sollen sich in der Nacht über die Nordhälfte
des Landes ostwärts ausbreiten. Die genaue südliche Erstreckung ist dabei noch
nicht abschließend ausdiskutiert. Die Modelle scheinen sich jedoch grob an den
Flüssen Mosel und Main zu orientieren. Der Süden bekommt davon noch wenig mit.
Dort kann weiter auch der Bodenhochkeil mitreden, sodass dort erneut nur wenige
Wolken den Nachthimmel schmücken.
Mittwoch ... bleibt die Geopotentialverteilung über Europa und dem Atlantik
weiter intakt. Ausgehend vom Nordatlantik und Skandinavien zieht sich weiter ein
Langwellentrog nach Süden, der schließlich am hohen Geopotential über Südeuropa
abprallt. Dazwischen ist weiter eine recht zonal geprägte Grundströmung aktiv,
mit der sich weiter schwach amplifizierte, kurzwellige Anteile ostwärts
verlagern. Am Boden sind die korrelierenden Strukturen etwas stärker entwickelt,
indem sich vom Seegebiet westlich von Irland bis nach Nordwestdeutschland eine
Tiefdruckzone ausbildet und in die eine Luftmassengrenze eingebettet ist. Diese
Luftmassengrenze zieht sich schließlich südostwärts über Deutschland hinweg und
dockt an das Frontensystem eines Tiefs über Finnland an. Im Norden, nördlich
dieser Grenze, wird dabei kühle Meeresluft mit 850 hPa Temperaturen um +5 Grad
gelenkt, während in den Süden eine deutlich wärmere, ganz im Süden fast schon
subtropische Luftmasse mit 850er Werten bis +15 Grad einströmt. Die
Temperaturgegensätze über Deutschland verschärfen sich somit wieder -in der
Nordhälfte Höchstwerte 15 bis 20 Grad, im Süden 19 bis 28 Grad-, sodass die
Hauptwetteraktivität im Umfeld der Luftmassengrenze zu erwarten ist. Dort kann
es länger, teils schauerartig verstärkt regnen. Ganz im Norden trocknet die in
den Norden einfließenden maritimen Polarluft (T850 am Mittag 5 bis 2°C) etwa von
Nord- und Ostsee sowie Dänemark her zunehmend ab und die Wolkendecke lockert
auf. Auch präfrontal stehen die Chancen für größere Wolkenlücken sehr gut. Vor
allem ganz im Süden, wo noch immer der Azorenhochkeil greift, scheint für
längere Zeit die Sonne.

Der Wind macht keine großen Sprünge und lebt nur an der See und im höheren
Bergland etwas auf. An den Küsten sind exponiert einzelne 7 Bft möglich, auf
exponierten Gipfeln sind Bft 8 nicht ausgeschlossen, beides sollte aber keine
Warnungen nötig machen.

In der Nacht kommt die kurze Welle samt korrelierendem Bodentief etwas weiter
ostwärts bis in die südliche Nordsee voran. Einhergehend greifen vorderseitig
WLA und PVA von Westen auf Deutschland über. Entsprechend können sich die länger
anhaltenden Niederschläge an der Luftmassengrenze weiter intensivieren. Auf
jeden Fall sind an der schleifenden Front vor allem in Staulagen der
Mittelgebirge größere Regenmengen nicht ausgeschlossen, vielleicht oberhalb der
Warnschwellen für Dauerregen, welche Staulagen das dann sind, ist aber noch
offen; aktuell böte sich das Bergische Land an. Vor allem im Weststau der
westlichen Mittelgebirge werden 20 bis 30 l/qm/24h simuliert. Aufgrund der
Unsicherheiten der genauen Lage der Luftmassengrenze quittiert die Probabilistik
das Überschreiten Dauerregenwarnschwellen bisher nur mit geringen
Wahrscheinlichkeiten bis 5%.
Donnerstag ... steht zunächst weiter im Fokus der Luftmassengrenze. Da sich
jedoch die Kräfte hochreichend über England bündeln, wo sich im Bereich eines
neuerlichen Kurzwellentroges bodennah ein definiertes Tief aufplustert, halten
über Deutschland zunehmend diffluente Strömungsverhältnisse Einzug. Somit wird
den Hebungsprozessen die Energie abgezogen, sodass sich die Niederschläge
hierzulande vorübergehend abschwächen und an räumlicher Kontur einbüßen.
Warnwürdige Wettererscheinungen sind demnach zunächst nicht mehr zu erwarten.

Ab dem Abend greift schließlich WLA und PVA auf der Vorderseite des nahenden
Tiefs auf den Westen von Deutschland über, die erneut etwa nördlich des Mains
mit kräftigen und länger anhaltenden Niederschlägen einhergehen. Die
Luftmassengrenze wird dabei wieder aktiviert und nach Nordosten geschoben.
Ausgangs der Nacht soll das Tief etwa bei Sylt liegen, sodass sich Deutschland
nach Leseart von ICON komplett im Warmsektor befinden würde. Am Morgen des
Freitags folgt von Westen schließlich die Kaltfront des Tiefs.


Modellvergleich und -einschätzung
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Zunächst zeigen die Modelle vergleichbare Geopotential- und Luftdruckstrukturen.
Erst mit dem Einnisten der Luftmassengrenze gibt es noch Unterschiede bei der
genauen räumlichen Einordnung dieser und somit der andauernden Niederschläge.
Auch die Ausprägung der Kurzwellentröge werden von Modell zu Modell und von
Modelllauf zu Modelllauf noch verschieden gezeigt, sodass neben der Lage auch
die Intensität der Niederschläge noch nicht abschließend feststeht. Ab
Donnerstag nehmen die Unterschiede weiter zu. Das Tief zum Freitag wird zwar von
nahezu allen Modellen gezeigt, in welcher Intensität es jedoch in der
Wetterküche mitmischt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel