DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

06-07-2020 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 06.07.2020 um 10.30 UTC



Durchwachsen; vor allem im Süden auch sommerlich warm (ohne Hitze), sonst meist
kühl bis mäßig warm. Am Freitag im Süden markante Gewitter, Unwetter nicht
ausgeschlossen.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 13.07.2020


Die typische sommerliche Westlage findet auch zu Beginn des
Mittelfristzeitraumes zunächst ihre Fortsetzung, ehe sie in eine antizyklonale
Nordwestlage bzw. in die GWL Hoch Britische Inseln mündet.
So befindet sich Deutschland am Donnerstag an der Südflanke eines umfangreichen
Höhentrogkomplexes über dem Nordmeer bzw. über Skandinavien unterhalb einer
westnordwestlichen Höhenströmung. Mit Annäherung eines Randtroges, der sich vom
mittleren Nordatlantik bis Freitag, 00 UTC zu den Britischen Inseln verlagert,
dreht die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet allmählich auf Westsüdwest
zurück, wobei vor allem in die Südhälfte allmählich wieder eine wärmere und zum
Freitag hin auch potenziell instabile Luftmasse aus Südwesteuropa gelangt.
Im Bodenfeld weitet sich entlang einer schleifenden Kaltfront in etwa über der
Mitte Deutschlands eine Tiefdruckrinne nach Osten aus, die die feuchtwarme
Luftmasse im Süden von erwärmter Polarluft bzw. subpolarer Meeresluft in der
Nordhälfte trennt. Dabei zieht eine frontale Welle entlang dieser
Luftmassengrenze bis Freitag, 00 UTC vom Seegebiet südwestlich Irlands zum
Ostausgang des Ärmelkanals, wodurch die wärmere Luft ein wenig weiter nach
Norden vorankommt. Entlang bzw. knapp nördlich der Luftmassengrenze fällt
verbreitet Regen, allerdings ohne warnrelevante Mengen. Im Süden wird es
sommerlich warm (T850 hPa: 11 bis 15 Grad), wobei die Instabilität der Luftmasse
wohl noch nicht für konvektive Umlagerungen reicht (außer vielleicht vereinzelt
an den Alpen bzw. in den Mittelgebirgen), in der Nordhälfte bzw. im Regengebiet
(T 850 hPa: 5 bis 10 Grad) dagegen maximal mäßig warm.
Am Freitag läuft der Randtrog von Westen her in den Höhentrogkomplex und
regeneriert diesen. Die Trogachse greift in der Nacht zum Samstag auf die
Nordsee über. Das Bodentief zieht über Norddeutschland und Nordpolen bis
Samstag, 00 UTC ins Baltikum, kann mit dem Trog interagieren (wenn auch längst
nicht so günstig wie im GFS, dazu später mehr) und vertieft sich. Die Kaltfront
kommt nach Durchschwenken des Tiefs im Tagesverlauf allmählich nach Süden voran
und erreicht in der Nacht zum Samstag die Alpen. Ihr folgt ein Schwall erwärmter
Polarluft (T 850 hPa am Samstag, 00 UTC zwischen 3 Grad im Norden und 11 Grad an
den Alpen). Präfrontal kann es am Freitag in Süddeutschland kräftige Gewitter
geben, durchaus auch mit Unwetterpotenzial, wobei noch unklar ist, wie
ausgeprägt die Instabilität der Luftmasse sein wird. Die Zutaten Hebung und
Scherung dürften aber kräftige Entwicklungen zulassen. Eventuell gibt es im
Bereich der schleifenden Kaltfront gebietsweise warnrelevante Niederschläge, am
Freitag zunächst über der "nördlichen Mitte", in der Nacht zum bzw. am Samstag
dann am Alpenrand.
Am Samstag schwenken der Höhentrog mit seiner Achse, gefolgt von einem weiteren
Randtrog, über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts, gefolgt von einem
Höhenrücken, der sich über dem nahen Ostatlantik nach Norden aufwölbt, am
Sonntag die Britischen Inseln überquert und am Montag, 00 UTC die Britischen
Inseln erreicht.
Im Bodenfeld verstärkt sich ein durch den Rücken gestütztes Hoch über den
Britischen Inseln und weitet einen Keil nach Mitteleuropa aus, so dass sich eine
zunehmend antizyklonal konturierte Nordwestlage einstellt. An den Alpen regnet
es am Samstag zunächst noch, im Norden und Osten bleibt es bewölkt mit einzelnen
Schauern. Vor allem im Westen, Südwesten und am Sonntag auch im Süden setzt sich
aber immer häufiger die Sonne durch. Während es im Norden und Nordosten recht
kühl bzw. maximal mäßig warm bleibt, werden am Sonntag im Südwesten und Süden
wieder fast schon sommerliche Höchstwerte erreicht.

Zu Beginn kommender Woche stellt sich über West- und Mitteleuropa eine leicht
mäandrierende nordwestliche Höhenströmung ein, wobei am Montag der Höhenrücken
unter Wellenlängenverlust über das Vorhersagegebiet hinweg südostwärts schwenkt,
gefolgt von einem flachen Höhentrog, der am Dienstag Norddeutschland überquert.
Insgesamt ergibt sich dadurch ein Südwest-Nordostgefälle über dem
Vorhersagegebiet, wobei es im Norden und Osten oft bewölkt und leicht
unbeständig bleibt bei einem meist etwas unterkühltem Temperaturniveau, aber
keinen nennenswerten Niederschlägen, während im Süden und Westen oft die Sonne
scheint bei angenehm sommerlichen Temperaturen ohne Hitze und relativ frischen
Nächten.

__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


In den beiden Vorläufen konnte das am Freitag über das Vorhersagegebiet
hinwegziehende Wellentief kaum mit dem folgenden Trog interagieren und wies - im
Gegensatz zum aktuellen Lauf des IFS - nur wenig Entwicklungspotenzial auf. Die
"Schleifzone" am Freitag befand sich nach Lesart der beiden Vorläufe auch weiter
südlich als im aktuellen Lauf.
Die Passage der Kaltfront in der Nacht zum Samstag wurde dagegen von allen drei
Läufen ähnlich simuliert.
Für das Wochenende sind keine prognoserelevanten Unterschiede zu den Vorläufen
auszumachen. Die Position des Hochs über den Britischen Inseln und des nach
Mitteleuropa gerichteten Keils wurde in allen Läufen ähnlich simuliert.
Zu Beginn kommender Woche werden die Diskrepanzen dann allerdings größer. Der
gestrige 12 UTC-Lauf simulierte einen markanten und beständigen Höhenrücken,
dessen Achse bis Wochenmitte allmählich ins westliche Mitteleuropa und das Hoch
zur Nordsee schwenken sollte, der gestrige 00 UTC-Lauf ließ den Rücken bis
Mittwoch, 00 UTC ins östliche Mitteleuropa schwenken, simulierte ein kräftiges
Bodenhoch über dem Baltikum mit einer auf Südost drehenden Bodenströmung.
__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die größten Modelldifferenzen ergeben sich zu Beginn des Mittelfristzeitraumes,
nämlich bereits am Donnerstag bzw. Freitag. Vor allem GFS simuliert den
Randtrog, der in der Nacht zum Freitag auf die Britischen Inseln übergreift,
gegenüber IFS und auch gegenüber ICON etwas progressiver, vor allem aber
markanter, so dass das Wellentief deutlich besser mit ihm interagieren kann,
sich kräftig entwickelt und am Freitag als Sturmtief über die mittlere Nordsee
zum Skagerrak zieht. Eine ähnlich markante und noch etwas progressivere Variante
fährt das kanadische GEM-Modell. Die deutsche Nordseeküste, insbesondere die
Nordfriesische Küste, würde am Freitagnachmittag bzw. in der Nacht zum Samstag
nach Lesart beider Modelle vorübergehend vom Sturmfeld des Tiefs erfasst werden.

ICON lässt das Tief dagegen fast gar nicht in den Einflussbereich des Randtroges
geraten und als Wellentief mit teils länger anhaltenden Regenfällen auf
ähnlicher Zugbahn (etwas weiter südlich), allerdings etwas rascher als des IFS
über den Norden bzw. die nördliche Mitte Deutschland hinweg ostwärts ziehen.
Nach Lesart des GFS bzw. GEM dürfte es somit lediglich an den Alpen - wenn
überhaupt - in der Nacht zum und am Samstag für warnrelevante Regenmengen
reichen.
Im weiteren Verlauf gleichen sich die Modelle wieder an. Die Passage der
Kaltfront, der Aufbau eines Hochs über den Britischen Inseln sowie der sich nach
Mitteleuropa ausweitende Hochkeil am Wochenende werden von allen vorliegenden
Modellen sehr ähnlich simuliert.
Erst zu Beginn der erweiterten Mittelfrist, also am Montag bzw. Dienstag, soll
der nach Lesart des IFS nach Mitteleuropa schwenkende und sich abschwächende
Höhenrücken im GFS westlich des Vorhersagegebietes (Achse etwa westliche Nordsee
bis zur Norwegischen See reichend) verbleiben, sich deutlich verstärken und sich
nach Norden aufwölben, während das kanadische GEM einen schwachen Höhentrog am
Dienstag von Nordwesten her nach Mitteleuropa schwenken lässt.

__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bzgl. der Clusterung der ENS-Member des aktuellen IFS-Laufes fällt auf, dass für
den Zeitraum T+72 bis 96 Stunden zwar 3 Cluster generiert wurden, aber keiner
der Cluster die vom GFS bzw. GEM simulierte Sturmtiefentwicklung über der
Nordsee auf der Agenda hat. In den Einzelläufen taucht diese Variante aber
durchaus auf. Cluster 3, in der sich auch der Hauptlauf befindet, hat am Freitag
den Kurzwellentrog und auch die Entwicklung des Bodentiefs noch am markantesten
auf der Agenda. Cluster 1 und 2 zeigen - ähnlich wie ICON - lediglich ein
flaches Wellentief.
Im Zeitraum t+120 bis 168 Stunden, der den Großteil des Mittelfristzeitraumes
abdeckt, verteilen sich die Einzelläufe, Haupt- und Kontrolllauf dann auf
lediglich einen Cluster. Trog- und Kaltfrontpassage sowie der Aufbau eines
Höhenrückens über Westeuropa werden von allen Läufen ähnlich simuliert. Auch die
GFS-Ensembles unterscheiden sich diesbezüglich kaum.
Erst während der erweiterten Mittelfrist (T+192 bis 240 Stunden) werden die
Unterschiede wieder größer. Die Einzelläufe verteilen sich auf vier Cluster
(jeweils 25, 13, 7 und 6 Member, Hauptlauf in Cluster 4). Dabei ähnelt Cluster 3
der GFS-Variante mit einem markanten und beständigen Höhenrücken westlich des
Vorhersagegebietes, wobei sogar eine leicht retrograde Verlagerung angedeutet
wird (und somit eine eher kühle Hochdruckrandlage). Cluster 1, 2 und 4 tendieren
Richtung zyklonal (im Süden bzw. Südwesten antizyklonal) West.

Die Rauchfahnen präsentieren sich auch relativ einheitlich. Allerdings fällt vor
allem für Gitterpunkte in den mittleren und südlichen Landesteilen auf, dass
offensichtlich wenige Einzelläufe den Trogdurchgang am Samstag nicht wirklich
auf der Agenda haben. In der Rauchfahne für den Gitterpunkt Offenbach verläuft
am Wochenende das Gros der Member bzgl. der 850 hPa-Temperatur im Bereich
zwischen 3 und 6 Grad mit wenigen Ausreißern nach oben (bei etwa 9 bis 12 Grad).

Die meisten Member haben für Donnerstag und Freitag deutliche
Niederschlagssignale auf der Agenda.

FAZIT:
Die eher "durchwachsene" Witterungsphase dauert an, einer stabiler
Witterungsabschnitt mit hochsommerlichen Temperaturen ist nicht in Sicht, am
ehesten noch auf einem etwas gedämpften, aber durchaus angenehmen
Temperaturniveau in Süddeutschland.
Unsicherheiten bestehen am ehesten noch darüber, wo es am Donnerstag bzw. vor
allem Freitag am meisten regnet (Mitte oder eher Norddeutsche Tiefebene) und wie
markant die Gewitterlage am Freitag in Süddeutschland ausfällt.

_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Ob im Bereich des schleifenden Frontensystems am Donnerstag und Freitag
Warnschwellen für Dauerregen überschritten werden, ist nach wie vor unsicher.
Die probabilistischen Verfahren zeigen allesamt nur sehr geringe
Wahrscheinlichkeiten dafür, am ehesten in den weststaulagen einiger
Mittelgebirge.
Mit dem Einschub feuchtlabiler Luftmassen nach Süddeutschland am Freitag steigt
dort das Potenzial für kräftige Gewitter. Markante Entwicklungen sind inzwischen
recht wahrscheinlich, ob es aber für unwetterartige Entwicklungen reicht, ist
aber noch unsicher. Der EFI-Parameter, die die Überlappung von Cape und Scherung
darstellt, springt jedenfalls so gut wie gar nicht an, so dass eine großräumige
Unwetterlage wohl nicht ins Haus steht. Lokal eng begrenzt sollten
unwetterartige Entwicklungen aber durchaus mit einkalkuliert werden.
Während die deterministischen Läufe des IFS und ICON für den Freitag und für die
Nacht zum Samstag aufgrund der schwachen Entwicklung der Frontalwelle keine
warnrelevanten Böen auf der Agenda haben, zeigen die probabilistischen Verfahren
(ICON-EU-EPS und ECMWF-EPS) durchaus Signale für Böen Bft 8 und entlang der
nordfriesischen Küste auch für Böen Bft 9, am ehesten noch in der Nacht zum
Samstag.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-EPS, MOSMIX
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff