DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-06-2020 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Heute im Nordosten sowie von Südwesten her schwere Gewitter; Unwetter vor allem
durch heftigen Starkregen, vereinzelt auch Hagel, extreme Niederschlagssummen
nicht ausgeschlossen. In der Nacht zum Samstag nur zögerndes Nachlassen der
Gewittertätigkeit.
Am Samstag von Südwesten und Westen bis etwa zur Elbe und später auch vom Ems
bis nach Schleswig-Holstein ausgreifende Gewitter. Erneut Unwetter durch
heftigen Starkregen, im Nordwesten und ganz im Norden auch durch schwere
Sturmböen und Hagel. In der Nacht zum Sonntag alsbald abklingende
Gewittertätigkeit.
Am Sonntag im Osten und Südosten noch einmal auflebende Gewitter, vermehrt
Unwettergefahr durch schwere Sturmböen, auch Hagel nicht auszuschließen. Am
Abend und in der Nacht zum Montag im Bayerischen Wald und an den Alpen über
mehrere Stunden Starkregen bis in den Unwetterbereich hinein.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland zwischen einem blockierenden Hoch mit Schwerpunkt
über Weißrussland und einem Langwellentrog über der Biskaya. Dieses Höhenhoch
wurde von einem Kaltlufttropfen faktisch unterwandert, der sich von Tschechien
hinweg nach Südwestpolen (Riesengebirge) verlagert. An dessen Nordflanke wurde
feuchtlabile Subtropikluft in den Nordosten Deutschlands gesteuert. Hebung an
der Nordflanke dieses Kaltlufttropfens hat zur Auslösung zahlreicher Gewitter
geführt, die teils extremen Unwettercharakter (vor allem durch heftigen
Starkregen) aufwiesen und sich nordwestwärts verlagerten. Vereinzelt trat auch
größerer Hagel auf. Dabei erwies sich die Situation als dynamischer als anhand
der synoptischen Voraussetzungen zu erwarten gewesen wäre. CAPE erreicht mehr
als 1500 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser ca. 35 mm sind hinreichend
für derartige Entwicklungen. Aufgrund der faktisch nicht vorhandenen Scherung
wiesen diese Gewitter keine lange Lebensdauer auf; vielmehr erfolgte ein
vorderseitiger und rückseitiger Anbau an bereits entwickelte Konvektionszellen.
Mit der Annäherung des Troges von der Biskaya her (aus welchem wie üblich
kurzwellige Anteile herauslaufen) gelangt mit einer süd-südwestlichen und sich
ein wenig verstärkenden Strömung eine Luftmasse ähnlichen Kalibers, vielleicht
noch mit einem etwas höheren CAPE, in den Südwesten und Westen Deutschlands.
Demzufolge greifen auch auf den Südwesten Gewitter über, die teils mit
unwetterartigem Starkregen einhergehen. Bis zum Abend arbeitet sich diese
Luftmasse bis zu einer Linie Eifel-Passau vor.
Zwischen den beiden beschriebenen Strukturen hält sich ein schwacher Keil, der
zunächst die Gewittertätigkeit noch unterdrückt. Allerdings wird dieser Keil von
schwachen Kurzwellentrögen überlaufen; zudem entfernt sich der Kaltlufttropfen
über Polen zusehends, so dass die Gewittertätigkeit sich in der Nacht zum
Samstag zwar tagesgangsbedingt abschwächt, aber nicht so recht zur Ruhe kommt
und bis auf die mittleren Gebiete, etwa bis zu einer Linie südliches Emsland -
Vogtland, ausweitet. Im Nordosten sollte spätestens in der zweiten Nachthälfte
Ruhe einziehen.
Dort, wo es zuvor viel geregnet hat, kann sich dichter Nebel bilden.

Samstag ... wird der o.g. Kaltlufttropfen weiter nach Nordosten geführt und
verliert für uns an Bedeutung. Dafür greift der vor Westeuropa liegende Trog
verstärkt ins Wettergeschehen ein, indem aus diesem Trog ein markanter
Kurzwellentrog herausläuft. Dieser schwenkt, den Nordwesten Deutschlands
streifend, in die Nordsee. Hierdurch kommt mehr Dynamik in Form von Hebung,
resultierend aus positiver Vorticityadvektion, ins Spiel. Somit dürfte es sich
bei den Gewittern, die sich im Westen und Nordwesten entwickeln und später auf
den Norden bis nach Schleswig-Holstein ausgreifen, um organisiertere Strukturen,
die auch eine längere Lebensdauer aufweisen können als heute, handeln. Zudem
nimmt auch die Scherung, sowohl niedertroposphärisch als auch hochreichend, in
diesen Gebieten zu. Der Oberwind erreicht im 700 hPa-Niveau in diesen Gebieten
40 bis 45 kt, so dass in Verbindung mit diesen Gewittern Sturmböen vorstellbar
sind, auch schwere Sturmböen sind nicht auszuschließen. Starkregen sollte nicht
mehr so die große Rolle spielen; unwetterartige Summen sind noch vorstellbar (25
mm innerhalb einer Stunde sind schnell erreicht), aber extreme
Niederschlagssummen sollten nicht mehr auftreten. Die kräftigste Scherung (die
dann möglicherweise sogar Indiz für rotierende Strukturen hoch reichender
Konvektion wäre) ist aber erst später und weiter westlich zu finden und an eine
Luftmasse gekoppelt, die bereits merklich stabiler und trockener ist.
In den anderen Gebieten, d.h. südwestlich einer Linie Ostholstein - Lausitzer
Bergland, kommt, gestützt durch den Tagesgang und kurzwellige Tröge, die aus dem
Haupttrog hinauslaufen, die Gewittertätigkeit wieder in Gang. Unwetterartige
Entwicklungen sind erneut zu erwarten, wobei Unwettergefahr erneut durch
heftigen Starkregen besteht, auch Sturmböen können nicht ausgeschlossen werden.
Für größeren Hagel ist die hochreichende Scherung noch zu gering. Gegenüber
heute kann es sich durchaus um eher langlebige Strukturen handeln.
Weiter nach Nordosten hin sollte ein schwacher Keil (oder was davon übrig ist)
die Konvektion weitgehend unterbinden. In diesen Gebieten sowie im Süden sind
auch längere sonnige Abschnitte am wahrscheinlichsten, so dass die
Tageshöchsttemperaturen 28 bis 32 Grad erreichen. Ansonsten sind 23 bis 28, an
der See und im höheren Bergland 19 bis 23 Grad zu erwarten.
In der Nacht zum Sonntag schwenkt der o.g. Sekundärtrog nach Südnorwegen.
Gleichzeitig rückt der Haupttrog nach Westeuropa vor. Dies lässt die
südwestliche Strömung etwas an Stärke zunehmen und ein wenig aufsteilen. Mit
dieser Strömung dürfte sich stabilere und etwas trockenere Luft im Nordwesten,
Westen und in großen Teilen Mitteldeutschlands durchsetzen. Die Kaltfront, die
auch in Bodennähe eine andere Luftmasse heranführt, erreicht ausgangs der Nacht
gerade erst Nordfriesland und das Emsland, wird aber von Kaltluftadvektion
überlaufen, was die Stabilisierung bis in die Mitte Deutschlands hinein erklärt.
Demzufolge sollte die Gewittertätigkeit spätestens in der zweiten Nachthälfte
zum Erliegen kommen.

Sonntag ... greift der Haupttrog, der von einem über Schottland liegenden
Zentraltief ausgeht, auf Frankreich über. Die Kaltfront dieses Tiefs arbeitet
sich schleifend vom äußersten Nordwesten bis zum Abend bis zu einer Linie Warnow
- obere Saale - Nordschwarzwald vor und führt zu einem Luftmassenwechsel.
Südöstlich dieser Linie entwickeln sich erneut teils heftige Gewitter. Da sich
die Parameter der oben beschriebenen Luftmasse bis dahin nicht wesentlich
geändert haben, besteht erneut die Gefahr unwetterartiger Gewitter, wobei neben
dem heftigen Starkregen (um 30 mm/Stunde) auch größerer Hagel (aufgrund der
zunehmenden hochreichenden Scherung) und Sturmböen mit zu berücksichtigen Sind.
Sollten sich organisiertere Strukturen bilden, sind auch schwere Sturmböen
vorstellbar. Zuvor sind noch größere Auflockerungen möglich, so dass die
Temperatur auf 25 bis 30 Grad steigt.
In der rückseitig einfließenden kühleren Luft sollte die Labilität für Gewitter
nicht mehr hinreichend sein. Zwar greift gegen Abend ein Kurzwellentrog, der aus
dem Haupttrog herausläuft, auf die nordseenahen Gebiete über. Aber allenfalls an
der Küste sind dort kurze Kaltluftgewitter vorstellbar. In dieser Luftmasse
bewegen sich die Temperaturen zwischen 19 und 25 Grad.
In der Nacht zum Montag schwenkt der Kurzwellentrog nach Südnorwegen, wogegen
der Haupttrog noch über Frankreich verbleibt. Das in diesem Trog eingelagerte
Zentraltief ändert seine Lage nur wenig. Somit ergibt sich weiterhin eine
südwestliche Strömung. Allerdings nimmt mit dem Herausschwenken des
Sekundärtroges die frontsenkrechte Windkomponente zu, so dass die Kaltfront des
bei Schottland liegenden Zentraltiefs rasch ostwärts gedrückt wird und in der
ersten Nachthälfte bereits die Oder-Neiße-Linie überquert und bis Montagfrüh
auch den Alpenhauptkamm erreicht hat. Hierdurch wird die feuchtlabile Luftmasse
an die Alpen gedrückt, so dass dort wie auch über dem Bayerischen Wald zumindest
in der ersten Nachthälfte noch Gewitter mit teils unwetterartigem Starkregen zu
erwarten sind. Mit Starkregen bis in den Unwetterbereich hinein ist an den Alpen
bis in die Frühstunden des Montags zu rechnen. Hoch auflösende Modelle wie auch
die Probabilistik (COSMO-LEPS) liefern hierfür Signale. Dabei sollte das 6-std.
Kriterium zum Tragen kommen.
Ansonsten dürfte eine Wetterberuhigung einsetzen. Nebel kann sich im Süden und
in Teilen der Mitte bilden, nach Norden hin ist hierzu der Gradient zu kräftig.
Ausgangs der Nacht frischt an der Nordsee der Wind auf und dürfte warnrelevant
werden.

Montag ... verlagert sich der Haupttrog nach Deutschland, ohne dass sich das
Zentraltief, von welchem dieser Trog ausgeht, wesentlich von der Stelle (etwa
östlich von Schottland) bewegt. Dieser Trog ist von Kaltluftadvektion
überlaufen, so dass sich dessen Wetterwirksamkeit auf einige Schauer im
Nordwesten und Norden und vermehrt Schauer in Nordseenähe beschränkt. Ansonsten
stellt sich in der einfließenden subpolaren Luftmasse leicht windiges und
weitgehend trockenes Rückseitenwetter ein. Im Nordwesten, Westen und in Teilen
der Mitte können durchaus Windböen bis Bft 7 auftreten, an der Nordsee (vor
allem an der Nordfriesischen Küste) sowie auf exponierten Gipfeln der nördlichen
und westlichen Mittelgebirge sind stürmische Böen zu erwarten. Ansonsten frischt
der Wind zwar aus West bis Südwest auf, aber wird wahrscheinlich noch nicht
warnrelevant. Aufgrund guter Durchmischung sind auch größere Auflockerungen
vorstellbar.
Im Südosten und ganz im Osten hält sich noch stärkere Bewölkung, wobei die
Niederschläge selbst am östlichen Alpenrand im Tagesverlauf nachlassen sollten.

Mit Tageshöchsttemperaturen zwischen 18 und 24 Grad wird es bei weitem nicht
mehr so warm wie bisher.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle folgen durchweg der oben beschriebenen Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann