DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-06-2020 08:30
SXEU31 DWAV 260800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TB
Heute im Südwesten und Nordosten Gewitterneigung mit Starkregengefahr, am
Samstag dann weiter verbreitet und vor allem Richtung Nordwesten schwere
Gewitter möglich. Anfangs noch schwülwarm bis heiß, am Sonntag Abkühlung.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, der
sich allmählich den Britischen Inseln nähert. Dieser hat den bisher über dem
Südosten Deutschlands herumgeisternden Kaltlufttropfen eingefangen, so dass
letzterer heute im Tagesverlauf nordwärts gesteuert wird. Ein Höhenrücken
erstreckt sich von Osteuropa nach Skandinavien. Dieser stützt eine
Hochdruckzone, die vom Schwarzen Meer bis zur Ostgrönlandsee reicht. Dagegen
liegt südwestlich von Irland das Zentrum eines Tiefkomplexes, das allerdings
noch recht flach ist, so dass die Druckgegensätze auch über unserem Land recht
schwach ausfallen. Zu beachten ist noch eine Konvergenz, die aktuell über
Frankreich ist, im Laufe des Tages aber Deutschland erreichen soll und am Abend
eine Linie Niederrhein-Niederbayern einnehmen sollte. Östlich dieser Konvergenz
wehen die Winde um Ost, südwestlich davon aus Südwest. Die Musik macht heute
aber die Luftmasse, die über Deutschland sehr unterschiedliche Feuchte aufweist.
In etwa nordöstlich der Elbe ist an der Nordflanke des Kaltlufttropfens sehr
feuchte Luft von Osten her eingesteuert worden, was heute früh (diese Passage
wurde um 06:40 Uhr MESZ geschrieben, also noch vor der Verdunstung des Taus)
schon für 2m-Taupunkte von 16 bis 18 Grad reicht. Eine ähnliche Luftmasse liegt
auch über Frankreich und wird sich mit Übergreifen der Konvergenz (also nach der
Winddrehung) im Südwesten Deutschlands durchsetzen. Dagegen ist die Luft in dem
Streifen dazwischen deutlich trockener mit Frühtaupunkten zwischen 9 und 13
Grad. Über das Wetter in dieser Region müssen daher auch nicht viele Worte
verloren werden. Die Sonne scheint heute von einem vielfach wolkenlosen (vor
allem in Nordwesten) bzw. gering bewölkten (im Südosten) Himmel. In 850 hPa
liegt die Temperatur um 14 Grad, was in tiefer gelegenen Regionen für einen
heißen Tag (an einigen Orten der erste in diesem Jahr) reicht. Ansonsten
rangieren die Höchstwerte etwas unter der 30-Grad-Marke. Im Osten und Nordosten
ziehen dagegen von Tschechien her, später auch von Polen her dichte Quellwolken
auf. Die Luftmasse erreicht im Tagesverlauf ppw's um 35 l/qm und es werden
CAPE-Werte von teils über 1000 J/kg aufgebaut. Somit können sich Gewitter
bilden, bei denen aufgrund nur geringer Zuggeschwindigkeiten eine hohe
Starkregengefahr besteht. Cosmo-D2-EPS simuliert insbesondere in Brandenburg, in
der Oberlausitz und in Südvorpommern hohe Wahrscheinlichkeiten für Starkregen.
Dies kann lokal auch schnell zu unwetterartigen Mengen führen und auch extreme
Unwettermengen müssen ins Kalkül gezogen werden. Aufgrund fehlender Scherung
können sich die Gewitter kaum organisieren. Somit sollten allzu starke Böen kein
Thema sein, der Hagel kann aufgrund der Labilitätsenergie vielleicht mal um 2 cm
Korngröße erreichen, auch Hagelansammlungen sind vorstellbar. Nicht viel anders
sieht es im Südwesten aus. Ähnliche Werte von niederschlagbarem Wasser und CAPE
bei nur geringfügig höheren Zuggeschwindigkeiten haben eine etwas verminderte
Starkregengefahr (im Vergleich zum Nordosten) zur Folge, was uns zumindest
extreme Unwetterwarnungen ersparen sollte. Betroffen davon sind bis zum Abend
die Gebiete westlich des Rheins sowie der südwestliche Teil Baden-Württembergs.
Auch im Alpenbereich können sich einzelne Starkregengewitter bilden. Externe
Modelle schätzen die Lage und Stärke der Gewitter ähnlich ein, wobei AROME im
Nordosten erstaunlich zurückhaltend ist.
In der Nacht zum Samstag erreicht unser Kaltlufttropfen das zentrale Polen und
der Langwellentrog im Westen Zentralfrankreich. Die bodennahe Konvergenz wird
etwas diffuser, sollte aber eine Linie von Ostfriesland bis zum Erzgebirge
erreichen. Bis zu dieser Linie können sich die Gewitter im Laufe der Nacht noch
ausweiten, wenngleich aufgrund des Tagesgangs unter Abschwächung und teilweise
Verclusterung. Auch die Starkregenwahrscheinlichkeiten von Cosmo-D2 bestätigen
diese Linie. Im Alpenvorland könnte am Abend und in der Nacht ein
Multizellencluster ostwärts ziehen und für Starkregen sorgen. Auch im Norden
weitet sich die feuchte Luft noch etwas nach Westen aus, dort sollten die
Gewitter aber schneller nachlassen. Mit Annäherung des Troges nimmt die Scherung
geringfügig zu, ist aber immer noch verhalten. Im Bereich der Höhenströmung
liegen wir sogar unter einem schwachen Keil zwischen dem Trog und dem
Kaltlufttropfen. Am ruhigsten, also gewitterfrei und oft noch wolkenlos bleibt
es in Teilen Niedersachsens und südostwärts bis nach Sachsen. Auch in den
anderen Regionen ist es zwischen den Gewittertürmen durchaus mal gering bewölkt.
Wo es feucht ist, kann sich auch wieder gebietsweise Nebel bilden.

Samstag... verabschiedet sich der Kaltlufttropfen endgültig nach Nordosten. Die
Spitze des Langwellentroges schwenkt über Frankreich, Benelux und später
Nordwestdeutschland nordostwärts. In dieser Region ist mit einer deutlichen
Zunahme der Scherung zu rechnen, aber durch PVA auch mit Hebung. Am Nachmittag
erreicht zudem die Kaltfront des Tiefs, dessen Zentrum sich nach Schottland
verlagert, den Nordwesten Deutschlands. Die feuchtwarme Luftmasse weitet sich im
Tagesverlauf in etwa bis zur Elbe aus, während es im Nordosten etwas trockener
wird. Auch von Südwesten her wird, nach Abzug der Gewitter, schon wieder eine
etwas trockenere Luftmasse eingesteuert. Was hat das für die Gewitterei zu
bedeuten? Die stärkste Aktivität verlagert sich hinter der Konvergenz in der
feuchtesten Luftmasse langsam weiter nordostwärts. Dort werden auch die höchsten
CAPE-Werte erwartet. Vor allem im Nordwesten wird auch sehr viel Feuchte
simuliert und es kommt neben synoptischer Hebung auch am ehesten zu einem
Überlappen von mäßiger Scherung und starker Labilität, so dass sich dort
stärkere und gut organisierte Multizellenkomplexe bilden können. Starkregen bis
in den extremen Unwetterbereich ist sowieso wieder vorstellbar, auch wenn die
Zellen etwas schneller ziehen dürften. Je nachdem wie viel Sonneneinstrahlung
noch zur Verfügung steht, sind auch größerer Hagel und vielleicht sogar schwere
Sturmböen vorstellbar. Auch rückseitig der Hauptgewitteraktivität kann es noch
einzelne Gewitter geben, dann aber wieder etwas schwächerer Natur. Einzelne
Entwicklungen bis in den Unwetterbereich durch Starkregen sind aber weiter
möglich. Lediglich nordöstlich der Elbe dürfte es bis zum Abend recht verbreitet
trocken bleiben. Dort ist auch am meisten Sonne zu erwarten und dort werden auch
Höchstwerte über 30 Grad erreicht, während in den übrigen Regionen die
Temperatur knapp darunter verbleibt.

In der Nacht zum Sonntag kann die Kaltfront den Norden überqueren, kommt aber
nur wenig nach Südosten voran, da der Haupttrog westlich unseres Landes
verbleibt. Stattdessen legt sie sich weitgehend strömungsparallel zur
südwestlichen Höhenströmung über Deutschland. Die meiste Gewitteraktivität
dürfte es in ihrem Vorfeld über dem Norden und Nordosten geben, allerdings nach
Osten hin mit abschwächender Tendenz, zum einen wegen der fortgeschrittenen
Nachtzeit, zum anderen wegen nach Osten abnehmender Scherung. In den übrigen
Regionen dürften die Gewitter im Verlauf der Nacht zusammenfallen und es kann
gebietsweise Auflockerungen geben. Natürlich kann sich in etwas feuchteren
Regionen wieder Nebel bilden.

Sonntag... weitet sich der Langwellentrog noch etwas in Richtung Deutschland
aus, wobei vor allem im Nordwesten das Geopotential und die Temperatur in der
mittleren Troposphäre zurückgehen. Die Achse dieses Troges verbleibt aber noch
über Frankreich. Im Bereich dieses Troges findet sich auch das mittlerweile
kräftige Bodentief mit Zentrum weiterhin bei Schottland. Hoher Luftdruck weitet
sich dagegen im Bereich eines vom Azorenhoch ausgehenden Keils Richtung Alpen
aus, das vorher wetterbestimmende Bodenhoch hat sich dagegen weit ins Nordmeer
zurückgezogen. Für Deutschland hat das meist mäßigen Südwestwind zur Folge, der
insbesondere Richtung Nordwesten auch frisch sein kann, so dass dort steife Böen
nicht ganz ausgeschlossen sind. Die Kaltfront kommt kaum nach Südosten voran und
liegt weiter quer über Deutschland, in etwa von Vorpommern bis Baden. Ganz im
Südosten verbleibt Deutschland noch in einer sehr warmen Luftmasse mit über 16
Grad in 850 hPa, im Nordwesten werden am Abend nur noch mäßig warme 6 bis 7 Grad
erreicht. Vom Nordwesten bis zur Kaltfront muss bei wechselnder bis starker
Bewölkung mit Schauern und Gewittern (gegen Abend recht viel Labilität im
Nordwesten) und leichten Regenfällen gerechnet werden. Südöstlich davon ist die
Luftmasse weiterhin sehr feucht und labil geschichtet. Somit kann es dort bei
schwülheißem Wetter im Tagesverlauf wieder starke Gewitter geben, wobei die
Starkregengefahr wohl im Fokus steht. Je nachdem wie in Richtung der Kaltfront
erhöhte Scherungswerte noch mit Labilität überlappen und je nach konkreter
Einstrahlung sind aber auch besser organisierte und starke Gewitter vorstellbar,
so dass es auch schwere Sturmböen und größeren Hagel geben könnte. Für Details
ist es aber noch viel zu früh. Während ganz im Nordwesten nur noch 20 bis 22
Grad erreicht werden, sind es an der Saalach bis 31 Grad.
In der Nacht zum Montag weitet sich der Langwellentrog weiter nach Osten aus,
seine Achse kommt in etwa bis Ostfrankreich voran. Das durchaus kräftige
Bodentief befindet sich weiterhin nahe Schottland über der Nordsee. Die
Kaltfront soll wieder deutlich flotter nach Südosten vorankommen als bisher,
möglicherweise produzieren die Gewitter einen größeren Cold Pool, der die
Ausweitung der Kaltluft und den Druckanstieg unterstützt. Die Modelle deuten auf
jeden Fall vom Südosten Württembergs bis zum Bayerischen Wald auch mal größere
Niederschlagsmengen an, so dass Starkregenwarnungen ein Thema werden. Auch die
Ensembles (Cosmo-LEPS und ICON-EU-EPS) zeigen darauf Hinweise. Möglicherweise
tritt aber der Hauptniederschlag auch schon im Zusammenhang mit Gewittern auf.
Einzelne Schauer und vielleicht auch mal ein kurzes Gewitter (vor allem im
Norden) gibt es auch im übrigen Land. Der Bereich der kältesten Luft in der
mittleren Troposphäre touchiert aber nur den Nordwesten und schwenkt dann noch
Norden. Was vielleicht in den Ausführungen bisher untergegangen ist: Die bis
aktuell andauernde Blocking-Lage geht im Bereich der Kurzfrist zu Ende und es
stellt sich eine Westwetterlage ein.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Felder werden von den vorliegenden Modellen sehr ähnlich
simuliert. Insbesondere die genaue Verteilung der Gewittermaxima ist aber noch
etwas uneinheitlich. Für den heutigen Tag ergeben die Vorstellungen, die sich
aus Anwendung der Zutatenmethode (ICON-EU) ergeben und das Cosmo-D2 ein sehr
stimmiges Bild, so dass man diese Linie fahren kann. Es bleibt die Hoffnung,
dass sich die Schwerpunkte der Gewitterlage morgen (im Nordwesten) ähnlich gut
herauskristallisieren. Da es sich dann um eine ansatzweise dynamische
Gewitterlage handelt, ist auch eine Vorabinformation angedacht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann