DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-06-2020 17:30
SXEU31 DWAV 251800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 25.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im gesamten Kurzfristzeitraum gebietsweise Gewitter bis in den Unwetterbereich
durch Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich ein breiter Höhenrücken mit seiner Achse über
Osteuropa, während ein Langwellentrog knapp westlich der Britischen Inseln zu
finden ist. Gleichzeitig ist auf der Südwestflanke des Rückens ein
Kaltlufttropfen eingelagert, dessen Zentrum über Südostbayern zu finden ist.

Mit dem Kaltlufttropfen sind im Südosten ziemlich labile Luftmassen aktiv, die
mit erhöhten Feuchtwerten korrespondieren und damit auch zu etwas CAPE führen.
Die bis etwa 500 hPa hochreichende CAPE-Fläche lässt sich auch gut in den
Mittagsaufstiegen finden. Die Soundings sehen insgesamt recht hochbasig aus, mit
einer (relative gesehen) trockenen Grundschicht. Das spricht dafür, dass
durchaus auch mal die ein oder andere stürmische Böe oder Sturmböe auftreten
kann.
Die Hauptgefahr geht aber vom Starkregen aus, schließlich sind die
Windgeschwindigkeiten bis 500 hPa hinauf nur schwach und aus verschiedenen
Richtungen, wie man gut dem Aufstieg von Oberschleißheim entnehmen kann. Die
prognostizierten Verlagerungsvektoren sind wenig überraschend nur sehr gering.
Das Resultat ist gut im CD2-EPS zu sehen, mit Wahrscheinlichkeiten, die selbst
für mehr als 60 l/qm bei 30 % im Bayerischen Wald liegen.
Die aktuelle Entwicklung mit ersten Violettwarnungen bestätigt dies auch.
Im Laufe des späteren Abends sollte die Gewitteraktivität aber dem Tagesgang
folgend rasch wieder in die Knie gehen.

Ein zweiter Schwerpunkt ist in einem Streifen von Nordpolen, über MeckPomm bis
nach Schleswig-Holstein zu finden. Dort ist die Zuggeschwindigkeit mit knapp 20
kn recht zügig. Allerdings sind die Feuchtewerte deutlich höher mit ppw-Werten
über 35 mm. Auftretende Zellen ziehen zudem zum Teil über die gleichen Regionen,
weswegen auch dort Unwetterwarnungen erforderlich waren, obwohl die Prognosen
des C-D2 EPS, aber auch externer Modelle, deutlich zurückhaltender waren. Die
Gewitter werden noch etwas westwärts vorankommen, dann aber in den späteren
Abendstunden ebenfalls recht rasch zusammenfallen.

Im Anschluss dürfte die Nacht weitgehend ruhig verlaufen. Aufgrund des
weitgehend ortsfesten Kaltlufttropfens sind nach Südosten und Osten teils
dichtere Wolkenfelder unterwegs. Bei Auflockerungen kann sich gerade im Südosten
häufiger Nebel bilden. Im Rest des Landes lockert die Wolkendecke rasch auf,
vielfach ist es sternenklar. In den Ballungszentren dürften die Tiefstwerte
abgesehen vom Südosten und der Mitte oft nur wenig unter 20 Grad fallen.

Freitag ... verlagert sich der Kaltlufttropfen etwas weiter nach Norden in
Richtung Riesengebirge. Gleichzeitig kommt der Langwellentrog langsam ostwärts
voran. Damit wird der Kaltlufttropfen bis zum Abend ganz allmählich auf die
Trogvorderseite eingebunden. Damit nimmt allgemein der zyklonale Einfluss zu.

Trogvorderseitig bildet sich am Boden auf der Südflanke des Tief über den
Britischen Inseln eine meridional orientierte Tiefdruckrinne über Frankreich
aus, die im Tagesverlauf allmählich ostwärts in Richtung Deutschland vorankommt.


Schon aus der Nacht heraus kann es erste Schauer und Gewitter an der Grenze zur
Schweiz im Südwesten des Landes geben. Dabei ist durchaus auch schon Starkregen
möglich. Am Vormittag lässt die Gewittertätigkeit dann vorübergehend nochmal
nach.

Ab den Mittagsstunden dürfte die Gewitteraktivität dann deutlich aufleben. Dabei
wird es zwei Schwerpunkte geben. Zum einen ist da der Osten zu nennen, im
Bereich des Drehzentrums des Höhentiefs ist die Labilität am größten.
Gleichzeitig liegt auch die spezifische Feuchte ziemlich hoch, sodass ausgehend
von der Lausitz über Brandenburg und Teile von S-Anhalt bis nach MeckPomm
CAPE-Werte über 1000 J/kg prognostiziert. Auch die Prognosesoundings zeigen eine
hochreichende CAPE-Fläche. Gerade mit Nähe zum Drehzentrum des KLT sind die
Zuggeschwindigkeiten nur gering. Dementsprechend besteht wieder eine erhöhte
Gefahr von Starkregen wieder bis in den Unwetterbereich. Bei ppw-Werten bis 35
mm ist auch die violette Warnstufe nicht ausgeschlossen.
Aufgrund der hohen CAPE-Werte ist trotz fehlender Scherung auch Hagel bis 2cm
nicht ausgeschlossen. Wind sollte hingegen nur eine untergeordnete Rolle
spielen.

Der zweite Schwerpunkt zeigt sich im Südwesten ab den Mittagsstunden beginnend
und dann allmählich nordostwärts ausgreifend. Gekoppelt ist die Konvektion dabei
vor allem an die von Frankreich auf Deutschland übergreifende Tiefdruckrinne.
Diese lässt sich schön in einer von Südost auf Südwest drehenden
Bodenwindkomponente erkennen. Die Konvergente Strömung führt im Tagesverlauf zu
einer deutlichen Feuchteanreicherung im unteren Troposphärenniveau und auch das
ppw erreicht Werte um 35 mm (zum Abend bis nahe 40 mm). Bei gleichzeitig
zunehmenden Lapse Rates werden von ICON-EU CAPE-Werte im Bereich um 1500 J/kg
prognostiziert.
Die Prognosesoundings zeigen vor allem in Richtung Saarland und Rheinland-Pfalz
einen recht großen Spread was die relative Feuchte betrifft. Dementsprechend
besteht dort durchaus das Potential für Sturmböen. Insbesondere dann, wenn sich
die Gewitter teils linienartig organisieren können. Sonst geben die Höhenwinde
und Scherwerte aber kein größeres Sturmpotential her.
Apropos linienartig organisieren, die Vektoren der Höhenwinde zeigen durchaus
eine gewisse Parallelität zu der sich organisierenden Konvergenz, sodass eine
gewisse linienartige Organisation trotz abwesender Scherung möglich erscheint.
Die verschiedenen hochauflösenden Modelle deuten dies zum Teil an, zeigen aber
auch, dass es keine durchgehende Linie geben soll.

Hagel ist aufgrund der recht hohen CAPE-Werte lokal bis 3 cm möglich.

Bleibt noch der Starkregen, der aufgrund der hohen ppw-Werte das Potential für
Unwetter birgt. Immerhin zeigen die Verlagerungsvektoren eine moderate
Zuggeschwindigkeit nach Osten, sodass die violette Warnstufe wohl eher nicht
erreicht wird.

In den späteren Abendstunden und frühen Nachtstunden sollten die Gewitter dann
bald nachlassen. Zum einen spielt dafür der Tagesgang eine Rolle, zum anderen
läuft die Bodenkonvergenz aus dem Höhenantrieb heraus. So liegt die
Haupttrogachse noch über Westfrankreich.

Als einziges Warnkriterium steht dann noch der Nebel, der vor allem im Osten im
Bereich des Höhentiefzentrums eine Rolle spielen kann.

Samstag ... wird die ursprüngliche Haupttrogachse des Troges über Frankreich
zunehmend zu einem scharfen Kurzwellentrog, währen der Haupttrog von Westen her
regeneriert wird.

Für Deutschland liegt der Fokus eben auf den angesprochenen Kurzwellentrog.
Dieser schiebt am Boden eine Kaltfront vor sich her, die am frühen Nachmittag
den äußersten Westen bereits überquert hat und im Laufe des Abends die Mitte
erreicht hat. Auf seiner Vorderseite bilden sich in feuchtlabile Luft mit
CAPE-Werten bis 1500 J/kg einige Gewitter.

Der Auftakt für verstärkte Gewitterei dürfte in den späten Vormittags- und
Mittagstunden liegen. Die hochauflösenden Modelle zeigen dabei mit Blick auf die
Pseudoreflektivitäten ein recht unaufgeräumtes Bild. So entstehen in der labilen
Warmluft schon erste Gewitter, die sich gerade nach Norden mit besserer
Höhendynamik (Trognähe), teils auch zu kleineren Linienelementen entwickeln
dürften. Später ist dann der Fokus auf die Kaltfront gerichtet, wo die
Scherwerte deutlich zunehmend und entsprechend die Gewitter sich besser
organisieren können.

Bei ppw-Werten bis 40 mm steht zunächst klar der Starkregen im Fokus, der
durchaus auch bis in den Unwetterbereich gehen kann. Später, mit zunehmenden
Höhenwinden und Scherung nimmt dann auch das Potential größeren Hagel und
Sturmböen zu. Letzteres vor allem auch dann, wenn sich Linienelemente ausbilden
können.

Den Nordosten erreichen die Gewitter erst in den späteren Abendstunden. Im
Westen werden trogbedingt auch postfrontal noch einige Gewitter vorhergesagt.
Die Feuchte geht dann zwar zurück. Die Scherwerte steigen aber deutlich an,
sodass dann auch organsiertere Strukturen denkbar sind.
Die Unsicherheiten im postfrontalen Bereich sind aber noch unsicher. Es hängt an
der genauen Lage des KW-Troges und der damit in Verbindung stehenden Labilität.

In der Nacht auf Sonntag zieht die Hauptgewitteraktivität mit dem Kurzwellentrog
nordostwärts ab und das Wettergeschehen kann sich mit einem nachrückenden
flachen Rücken beruhigen. Es bildet sich dann gebietsweise wieder Nebel.

In der zweiten Nachthälfte wird für den Westen und Nordwesten eine
Randtiefenwicklung mit dichteren Wolkenfeldern vorhergesagt. Diese sind
gekoppelt an eine zweite Kaltfront, die aber ein konvektiv verstärktes, aber
eher skaliges Niederschlagsgebiet definiert.

Sonntag ... befindet sich Deutschland wieder auf der Vorderseite des Haupttroges
über England in einer südwestlichen Höhenströmung. Die zweite Kaltfront bewegt
sich ost- südostwärts und wird am Nachmittag mit einem nachrückenden Bodenhoch
allmählich antiyzklonal überlagert.

Dies Entwicklung nimmt der Kaltfront etwas die Luft raus. Im präfrontalen
Bereich muss aber vor allem in Süd- und Ostbayern mit unwetterartigen Gewittern
gerechnet werden. Die Luftmasse ist ähnlich wie am Vortag mit CAPE-Werten bis
1500 J/kg und ppw-Werten über 35 mm. Folglich steht auch der Starkregen wieder
einmal im Fokus. Aber auch die hochreichende Scherung nähert sich Werten bis 15
m/s, sodass auch größerer Hagel und Sturmböen plausibel erscheinen.

Die Kaltfront selbst wird wohl ungewittrig seien, eben durch die beschriebene
Entwicklung. Postfrontal kann es dann mit Annäherung des Haupttroges am Abend
weitere Schauer und auch Gewitter geben. Bei dann hohen Scherwerten, können
diese durchaus organisiert ausfallen und mit Sturmböen verbunden sein.

Auch insgesamt nimmt der Grundwind etwas zu. Gerade mit Passage der Kaltfront
und postfrontal können einzelne Windböen auftreten. In Gipfellagen der
Mittelgebirge sind auch bis hin zu Sturmböen denkbar.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung wird ziemlich einheitlich prognostiziert.
Unterschiede liegen aber im Detail. Gerade postfrontal ist noch nicht absehbar,
wie stark sich die Gewitter im Trogbereich entwickeln können.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer