DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-06-2020 08:30
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 25.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEz
Heute im Südosten, am Freitag im Nordosten, Süden und Südwesten Unwettergefahr
durch Gewitter mit Starkregen. Am Samstag deutschlandweit kräftige Gewitter mit
Unwettergefahr. Dabei schwül-warm bis heiß.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht ganz im Zeichen eines Kaltlufttropfens, der aktuell in den
Frühstunden des Donnerstags über Südböhmen seine Runden dreht. Am Südrand einer
blockierenden Antizyklone über Skandinavien gelegen wartet es auf einen
"trigger" um mobil zu werden, der aber erst am Freitag in Form eines
progressiven Nordatlantiktrogs naht.

Heute driftet der Kaltlufttropfen (KLT) noch peu a peu nach Westen und kommt im
Nachmittagsverlauf über der Oberpfalz und Niederbayern zum Liegen. Den Höhepunkt
hat der KLT augenscheinlich erreicht, liegt das Maximum der absoluten Vorticity
aktuell noch im Südwestquadranten und verlagert sich von dort bis in die
kommenden Nachtstunden zunehmend in den Süd- bis Südostquadranten - ein
untrügerisches Zeichen, dass sich der KLT allmählich abbaut. Dieser Prozess ist
jedoch ein sukzessiver und somit findet mit Blick auf das Geopotentialfeld heute
und in der kommenden Nacht nur ein geringfügiges Oszillieren der
Geopotentialwerte statt. Bodennah ist außer einer diffusen Konfluenz kein
Druckminimum auszumachen.

Aktuell - in den Frühstunden und frühen Vormittagsstunden - erstreckt sich ein
umfangreiches Wolkenband über den gesamten Osten Deutschlands, was neben den um
den KLT geführten Hebungsprozessen auch mit einer über Nordpolen nach
Südschweden ziehenden Kurzwelle in Verbindung gebracht werden kann. Die
bogenförmig (konvex) über Deutschland westwärts driftende IPV Schliere wird
begleitet von hohen gesamttroposphärischen Feuchtewerten (TPW), die im 00Z
Radiosondenaufstieg (Lindenberg) im Nordosten mit über 35 mm erfasst wurden und
die die sehr trockene Luftmasse im Westen (TPWs um 15 mm) sukzessive verdrängen.
Die Vermischung dieser unterschiedlichen Luftmassen sowie kräftige Subsidenz
entlang der Nord-/Nordwestflanke des KLT sollten daher diese Wolkengirlande
allmählich auf dem Weg nach Westdeutschland abschwächen bzw. auflockern lassen.
Ob das so rasch geschieht, wie die meisten numerischen Modelle andeuten, mag
etwas angezweifelt werden, sodass es nicht verwundern würde, wenn nachmittags im
Westen und Süden ein Band mit vergleichsweise dichterer konvektiver Bewölkung
(im 800-600 hPa Niveau unterhalb einer Absinkinversion) die Sonne temporär
effektiver abschirmt. Niederschläge in Form lokaler Schauer sind mittags über
der Mitte nicht ausgeschlossen, im Westen bleibt es jedoch durchweg trocken. Der
Südwesten bekommt von dieser Entwicklung kaum etwas mit, verbleibt in der
relativ trockenen Luftmasse und hier scheint die Sonne von einem überwiegend
wolkenlosen Himmel.

Interessanter wird es mit Blick auf hochreichende
Konvektionswahrscheinlichkeiten im Nordosten Deutschlands. Hier interagiert die
von Polen nach Norddeutschland geführte Feuchteschliere mit einer nach
Südschweden geführten Kurzwelle, die jedoch zu dem Zeitpunkt nicht mehr sehr
vital wirkt. Jedoch reicht die begleitende Hebung aus die lapse rates in der
mittleren Troposphäre durch hebungsbedingte Abkühlung geringfügig zu erhöhen.
Wir sind zwar bei den lapse rates im neutralen Bereich, allerdings wird die bis
dahin konvektionshemmende Absinkinversion soweit abgebaut, dass sich im späten
Mittag- und Nachmittagsverlauf Schauer und einzelne Gewitter entwickeln können.
Geschuldet ist dies vor allem den hohen Feuchtewerten (TPWs um 35 mm,
gemitteltes Mischungsverhältnis um 12 g/kg und leicht positive Werte beim EFI
Feuchtefluss). Die im CD2 analysierten Taupunkte um 16 Grad stimmen auch gut mit
den aktuellen Werten stromab über Zentralpolen überein. Die Scherung ist sehr
gering, es findet niedertroposphärisch kein effektiver Feuchtetransport statt,
sodass mit pulsierender Konvektion zu rechnen ist. Dank der Feuchtwerte ist
Starkregen das Hauptaugenmerk und mit einer strömungsparallelen Anordnung können
mehrere Zellen dieselbe Region beeinflussen. Bedeutet, dass wir zwar zumeist im
markanten Bereich verbleiben sollten, jedoch lokal das Erreichen der
Unwetterschwelle (25 l/qm/h) nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits zum Abend
nimmt die Konvektion wieder ab.

Der zweite Schwerpunkt ist im Südosten Bayerns unter dem KLT zu finden. Dabei
sorgen die aktuell westwärts ziehende Feuchteschliere wie auch evaporative
Prozesse noch für eine grenzschichtnahe Feuchteerhöhung - bei CD2 (Taupunkt)
immerhin um 2-3 Kelvin bis zum Abend. Dies kann regional auch in Südostbayern
nicht ausgeschlossen werden. Bei gleichzeitiger deutlicher Abkühlung in der Höhe
muss recht verbreitet mit 400-800 J/kg MLCAPE und im Grenzbereich zu Österreich
auch mit etwas höheren MUCAPE Werten gerechnet werden. Zeitige Auslöse zur
Mittagszeit ist daher orografiegebunden bzw. entlang mesoskaliger
Bodenkonvergenzen zu erwarten. Bei einer hochreichenden Scherung von teils
weniger als 2 m/s und TPWs von 25 bis 30 mm wird mit pulsierenden und
quasi-stationären Schauer- und Gewitterzellen gerechnet, die punktuell teils
sehr hohe Regenmengen bringen können. Ein schwacher Deckel und überschaubare
Labilitätswerte dürften zwar zumeist markante Gewitterwarnungen (vor Starkregen)
hervorrufen, allerdings sind die Unwettersignale von CD2-EPS nicht von der Hand
zu weisen und auch extremes Unwetter vor Starkregen kann man punktuell nicht
ausschließen. Die höchsten Werte im Ensemble sind dabei entlang des Bayerischen
Waldes bis nach Passau auszumachen, was mit südöstlicher Anströmung nicht
abwegig ist. Neben dem Starkregen kann bei der feuchten Troposphäre bzw. den
vergleichsweise schwachen lapse rates in der mittleren Troposphäre und einer
hohen 0 Grad Grenze der Feuchttemperatur auch eine große Menge an kleinem Hagel
bzw. einzelne abwindforcierte starke bis stürmische Böen nicht ausgeschlossen
werden.

Die Höchstwerte passen sich der Wolkenverteilung an und erreichen den Rhein
entlang mit rund 30 Grad die Spitzenwerte, während sonst im Norden um 27 Grad
und im Südosten 21 bis 24 Grad zu erwarten sind. Abseits der Konvektion spielt
der östliche Wind kaum eine Rolle.


In der Nacht zum Freitag und da besonders in der ersten Nachthälfte entwickeln
sich im Südosten noch weitere, teils kräftige Schauer und Gewitter bzw. werden
advektiv von Tschechien in die Oberpfalz und nach Oberfranken geführt - dann
allerdings in Form nur temporär besser organisierter Gewittercluster. Starkregen
und einzelne stürmische Böen prägen noch das Warnbild, doch die Unwettergefahr
sollte insgesamt zügig in die Knie gehen und die zweite Nachthälfte verläuft bei
zunehmend klaren Verhältnissen abgesehen von einzelnen Schauern meist trocken.
Ob ausgangs der Nacht bereits im Zuge einer sich nähernden bzw. strukturierenden
Bodenrinne erste Schauer und Gewitter auf das Grenzgebiet Schweiz-Süddeutschland
übergreifen ist noch unsicher, sie sollten jedoch nur lokal mit Starkregen
einhergehen. Gute Ausstrahlung, ein regional zu erwartender üppiger
Feuchteeintrag sowie schwache Windverhältnisse sind ein Garant für gebietsweise
Nebelbildung.
Im übrigen Deutschland verläuft die gesamte Nacht meist klar und trocken. Die
Tiefstwerte liegen bei rund 18 Grad im Westen und entlang der Küsten sowie bei
rund 10 Grad in Bayern.



Freitag... beginnt unser KLT den nahenden Langwellentrog über der Biskaya zu
spüren. Da sich gleichzeitig die blockierende Antizyklone über Südskandinavien
abschwächt und südostwärts nach Osteuropa verlagert wird der Weg frei für eine
beginnende Nordostverlagerung. Entgegen der normalerweise zu erwartenden
Abschwächungsphase scheint jedoch der KLT die zunehmend baroklinen Verhältnisse
entlang der nahenden Ostflanke des Troges sowie bessere höhenvergente
Verhältnisse als Anlass nehmen zu wollen, um seine Intensität entweder zu halten
oder gar leicht zu verstärken. Die in 300 hPa aktuell analysierte
Höhenkonvergenz wechselt bis zum Freitag in schwach divergente Verhältnisse.
Nach aktuellem Plan sollte sich der KLT daher im Tagesverlauf aus Südostbayern
verabschieden und in Richtung Riesengebirge ziehen. Stromab dieser Entwicklung
wird nochmals ein Schwall sehr feuchter Luft in den Nordosten Deutschland
gedrückt mit TPWs, die verbreitet um 35 mm liegen. Erneut reißt es die Feuchte
heraus, denn die lapse rates im mittleren Troposphärenniveau, wenngleich etwas
besser, sind noch immer auf der verhaltenen Seite. Dennoch reicht die Mischung
aus, dass in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die MLCAPE Werte auf 800 bis
1200 J/kg steigen. Abgesehen davon ändert sich an der scherungsarmen Umgebung
wenig, sodass der Parameter "Starkregen" erneut im Mittelpunkt steht. Ausgelöst
durch reichlich PVA, strahlungsbedingt durch Erreichen der Auslösetemperatur und
durch die Orographie zwischen Polen und Tschechien ist mit der Bildung
zahlreicher kräftiger Schauer und Gewitter zu rechnen, die unter temporärer
Verclusterung Nordostdeutschland erreichen. Dank der progressiven Natur der
Konvektion verbleibt der Starkregen meist im markanten Bereich, jedoch muss bei
interagierenden Zellen bzw. wiederholt über dieselbe Region ziehenden Zellen mit
dem Erreichen der Unwetterschwelle durch Starkregen gerechnet werden. Zwar
hängen stürmische Böen von der Entwicklung der jeweiligen cold pools ab (die bei
der feuchten Luftmasse nicht überbordend kräftig ausfallen sollten), allerdings
wird im Oderumfeld am Nachmittag mit hochreichender Scherung um 11 m/s
vorübergehend etwas bessere Scherung angedeutet, sodass auch die eine oder
andere Multizelle entsprechende Böen oder Hagel hervorrufen könnte. Bis zum
Abend klingt die Konvektion allmählich ab, dürfte jedoch bis in die erste
Nachthälfte noch überleben.

Ein zweiter Schwerpunkt bezüglich der Gewitteraktivität sollte ich im
Tagesverlauf im äußersten Westen und Südwesten etablieren. Eine dem Höhentrog
vorgelagerte niedertroposphärische Bodenrinne etabliert sich im Südwesten von
der Früh weg immer besser und ist gefüllt mit sehr feuchter Luft (gemittelte
Mischungsverhältnis steigt advektiv im Tagesverlauf von 10 auf 12 g/kg). Etwas
bessere lapse rates in der mittleren Troposphäre erlauben von der Eifel bis zum
Alpenrand MLCAPE-Werte von 500-1000 J/kg, abends im Südwesten zwischen 1000 und
1500 J/kg. Überlagert wird die Bodenrinne von einem schwachen Keil, der zudem
von einem IPV Maximum / Kurzwelle durchlaufen wird, die nachmittags und abends
über die Vogesen in Richtung Bodensee driftet.
Bereits von der Früh weg kann es mit orografischer Unterstützung einzelne
Gewitter geben, die durch Starkregen markant bis unwetterartig ausfallen (TPWs
um 35 mm). Nachmittags und abends sollten dann von Frankreich und der Schweiz
zahlreiche Gewitter nordostwärts ziehen und die Linie Eifel-Allgäu erreichen.
Zudem wird dann auch mit einer verstärkten orografischen Auslöse gerechnet
(Alb/Schwarzwald). Starkregen ist das Hauptthema, während Sturmböen an die
jeweilige cold-pool Entwicklung gebunden ist. Sollte im Zuge der Passage des
IPV-Maximum ein organisierter Cluster von den Vogesen oder aus der Schweiz
heraus nach Süddeutschland ziehen, dann kann das Stichwort "Sturmböen mit lokal
schweren Sturmböen" auch recht verbreitet ein Thema werden, wenngleich die sehr
feuchte Luftmasse bzw. die fehlende Windscherung (in der Fläche) die Bildung
kräftiger cold pools nicht fördern. Sollte die aktuelle Tendenz mit einer
nachmittäglichen Zunahme der 0-3 km Scherung auf 30 kn über dem Norden von
Baden-Württemberg stimmen, dann wäre hier ein möglicher Schwerpunkt zu sehen.

Zwischen diesen beiden Gewitterherden bleibt es zwischen der Nordsee und dem
Bayerischen Wald heiter oder sonnig und trocken. Die Höchstwerte liegen im
Westen zwischen 29 und 33 Grad und sonst zwischen 26 und 29 Grad. Abseits der
Konvektion weht der Ost- bis Nordostwind nur schwach, im Südwesten aus Südwest.



In der Nacht zum Samstag nimmt dann im Süden die Schauer- und Gewitteraktivität
allmählich ab, jedoch würde es nicht verwundern, wenn bis in die zweite
Nachthälfte hier und da noch gewarnt werden muss (kaum ein Deckel bei geringer
Hebung). Inwieweit die Annäherung des Haupttroges ausgangs der Nacht von
Frankreich her dem Westen ein erneutes Aufflammen der Schauer- und
Gewitteraktivität bringt bleibt noch abzuwarten. Auch im Nordosten halten sich
letzte Schauer und einzelne Gewitter bis weit in die erste Nachthälfte hinein.
Besonders in einem Streifen von der Nordsee bis zum Erzgebirge bleibt es klar
und trocken. Die Tiefstwerte liegen dank der üppigen Bedeckung zwischen 19 und
15 Grad, nur im Osten etwas darunter.



Samstag... schwenkt der Langwellentrog über Benelux nach Nordosten und erfasst
mit seinem Hebungsfeld weite Bereiche Deutschlands. Ein progressiver Keil
wandert derweilen zügig von Südwest nach Nordost über Deutschland hinweg und
kann nicht großartig ins Wettergeschehen eingreifen. Zudem verlässt der
ehemalige KLT als progressiver Randtrog Polen zügig nach Nordosten, sodass er
keinen Einfluss mehr auf Deutschland hat. Sprich, von der Früh weg entwickeln
sich Schauer und Gewitter, die im Tagesverlauf immer kräftiger werden und
regional mit Unwetterpotential durch Starkregen einhergehen. Meist verbleibt die
Scherung um 10 m/s und steigt erst abends von Westen etwas an, sodass erneut
kein großer Organisationsgrad der Gewitter zu erwarten ist. Die Labilität wird
durch maue lapse rates im Schach gehalten, dennoch ermöglicht die üppige Feuchte
mit niederschlagbarem Wasser um 35 mm MLCAPE Werte von 400-800 J/kg, regional
auch etwas höher. Schwerpunkte bezüglich aktuell erhöhter Unwettergefahr sind
noch keine auszumachen, sodass eine feinere Strukturierung noch nicht notwendig
erscheint bzw. möglich ist. Im Tagesverlauf verclustert die Konvektion
zunehmend, sodass auch regional mehrstündiger Starkregen nicht ausgeschlossen
werden kann. Die Höchstwerte liegen bei drückend schwülen 26 bis 31 Grad.
Abseits der Konvektion weht der Südwestwind meist mäßig bis frisch, im Nordosten
noch schwach aus Ost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Insgesamt gibt es nur geringe Modelldiskrepanzen, auch wenn die Trogpassage am
Samstag noch leicht variable gesehen wird bezüglich der Ausdehnung des
Höhentroges (ICON etwas weiter nach Süden reichend und einen Tick langsamer als
die übrigen Modelle). Einen großartigen Einfluss auf die Wetterentwicklung in
der Kurzfrist hat diese Diskrepanz jedoch nicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy