DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-06-2020 17:01
SXEU31 DWAV 241800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 24.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Antizyklonale Nordostlage mit KLT über Tschechien. Am Ende der Woche
Trogvorderseite mit schweren Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... erstreckt sich ein blockierendes Hoch von der Nordsee über
Südskandinavien und dem Baltikum. Flankiert wird der breite Höhenkeil von einem
atlantischen Langwellentrog und einem Langwellentrog über Russland, der sich in
abgeschwächter Form auch in Südosteuropa bemerkbar macht. An der Südflanke des
Hochs liegt ein gut strukturierter, stationärer Kaltlufttropfen, dessen Zentrum
sich über Südtschechien befindet. Umgeben wird dieser Kaltlufttropfen an seiner
Nordostseite von einer vertikal sehr mächtigen Feuchteschlappe, die sich über
Polen zieht und ihren Ursprung im östlichen Mittelmeerraum hat. In ihrem Bereich
steigen die PPW-Werte auf bis zu 40 mm bei Bodentaupunkten von 15 bis 20 °C. Ihr
nordwestlicher Rand wird im Satellitenbild von einem markanten Cirrusfeld
markiert. Im Feuchtefeld eingelagert sind einige schwache IPV-Maxima. Am Südrand
des Feuchtefeldes wird die Hebung des Kaltlufttropfens wirksam. Hier hat sich
schauerartiger Regen gebildet, der von Südpolen über Tschechien nach Sachsen
zieht und sich in der Nacht bis Oberfranken ausweitet. In seinem Bereich werden
bis Samstagfrüh Niederschlagsmengen von 5 bis 10 mm simuliert. Im Bereich des
Feuchtefeldes werden in der Nacht bis zu 150 J/kg MU-CAPE gerechnet. Die
CAPE-Fläche befindet sich aber im unteren Bereich der Troposphäre, sodass
Gewitter ausgeschlossen werden können und der Niederschlag allenfalls leicht
konvektiv durchsetzt wird. Weitere Schauer sind in der Nacht in Ostbayern zu
erwarten, da sich der Kaltlufttropfen bis dahin ausweitet.
Im Rest von Deutschland ist unter Hochdruckeinfluss trockene Luft wirksam,
sodass die Nacht abgesehen von ein paar Cirrusfeldern trocken verläuft.

Donnerstag ... zieht das Zentrum des Kaltlufttropfens zum Dreiländereck Bayern,
Österreich und Tschechin. Die Feuchteschleppe zieht dadurch über Norddeutschland
und dreht über dem Westen ein. In ihrem Bereich wird der Hochdruckeinfluss am
Vormittag gebietsweise durch tiefere und mittlere Bewölkung, die sich im
Tagesverlauf mehr und mehr auflöst, getrübt. SuperHD und AROME rechnen dabei
einige Schauer in der westlichen Mitte bei MU-CAPE-Werten von ~200 J/kg. Diese
erscheinen aber als eher unwahrscheinlich, da die Feuchteschleppe im Westen von
Absinken überlagert ist und sich dadurch eine Sperrschicht oberhalb von 700 -
550 hPa bildet, die jedoch nach Osten hin, je näher man an den Kaltlufttropfen
kommt, höher liegt und schwächer wird.
Im Nordosten fehlt allerdings im Bereich der Feuchteschleppe die Sperrschicht,
wodurch sich 500 - 800 J/kg CAPE aufbauen können. Die Auslösetemperatur liegt
dabei bei 28 °C. MOSMIX berechnet, dass diese Werte erreicht werden. Dies sollte
allerdings nur der Fall sein, wenn die Bewölkung nicht zu dicht bleibt. Als
Fazit lässt sich festhalten, dass doch einzelne Gewitter wahrscheinlich sind, so
wie es die Lokalmodelle simulieren. Dabei besteht Potenzial für Starkregen, das
allerdings nicht übermäßig groß ausfallen sollte, da die Gewitter doch eine
gewisse Zuggeschwindigkeit haben.
Anders verhält sich dies im Südosten, wo bei ähnlich hohen CAPE-Werten in der
Höhenkaltluft im Bereich des KLT's einige Gewitter simuliert werden. Diese
bewegen sich nur sehr langsam. Allerdings fehlt es dort etwas an Feuchtigkeit,
die dort wesentlich geringer, als in der Feuchteschleppe ist.

Im Südwesten kratzt die 850-hPa an der 15 °C-Marke, sodass wieder Höchstwerte
von knapp über 30 °C erwartet werden. Im Bereich des Kaltlufttropfen liegt die
850-hPa Temperatur mit etwa 11 °C etwas niedriger.

In der Nacht zum Freitag ändert sich an der Gesamtsituation wenig. Während die
Feuchteschleppe im Westen westwärts abzieht und durch trockene Luft ersetzt
wird, bleibt sie über dem Nordosten liegen. SuperHD lässt den Südwestrand der
Feuchteschleppe wieder unter das Hebungsfeld des KLT's gelangen, wodurch sich
einige Schauer über Sachsen und Südbrandenburg entwickeln. Andere Modelle
stützen dies allerdings nicht. Ansonsten sollten sich die restlichen Schauer
auflösen.

Freitag ... verlagert sich der Schwerpunkt des Hochs nach Osteuropa. Somit wird
der Weg frei für den atlantischen Langwellentrog, der zunehmend Richtung
Westeuropa zieht. An der Westflanke des Hochs wird der KLT nach Norden gesteuert
und zieht von Tschechien über Sachsen nach Brandenburg. Die Modellsimulationen
unterscheiden sich noch etwas bezüglich der Geschwindigkeit. Während die
ICON-Kette den KLT langsamer vorankommen lässt, ist er im GFS schneller. Doch in
allen Simulationen erreicht das Hebungsfeld des KLT's die Feuchteschleppe, die
sich nun über die gesamte Nordosthälfte erstreckt. Durch Hebung und Abkühlung in
der Höhe, labilisiert die Luft dort deutlich, sodass sich über 1000 J/kg CAPE
aufbauen können. Die Scherung ist nur sehr gering, die Zuggeschwindigkeit der
Zellen sollte allenfalls mäßig sein. Die Feuchte ist mit PPW-Werten von 35 mm
ziemlich hoch. Die Zellen sollten schnell zu Multizellen verclustern. SuperHD
rechnet sogar mit einem MCS, das sich aus den nächtlichen Schauern entwickelt,
bereits mittags über Brandenburg Nordwärts nach Mecklenburg-Vorpommern zieht.
Ihm folgen mehrere Multizellen im Bereich der höhenkältesten Luft des
KLT-Zentrums. Auch wenn es für solche Details noch zu früh ist, so besteht
dennoch ein hohes Starkregenpotenzial bis in den Unwetterbereich. Wegen der
hochreichenden Labilität sollte auch Hagel ein Thema sein.

Abseits des KLT wird trogvorderseitig warme und im Südwesten zunehmend feuchte
Subtropikluft advehiert, sodass die 850-hPa-Temperatur bis 16 °C steigt. Somit
wird hier der Höhepunkt der kurzen "Hitzewelle" erreicht. Durch
trogvorderseitige Hebung wird die Luft zunehmend labialisiert. Des Zudem setzt
Druckfall ein, sodass sich bodennah eine konvergente Strömung ausbildet. Im
Tagesverlauf baut sich auch im Süden und Südwesten CAPE von bis zu 1500 J/kg
auf. Auch dort bleibt die Scherung sehr gering. Insbesondere an den
Mittelgebirgen sollte es leicht für Auslösung reichen. Hauptaugenmerk liegt hier
ebenfalls auf Starkregen bis in den Unwetterbereich. Anfangs, wenn die
Grenzschicht noch sehr hochreichend ist (inverse V-Struktur), besteht auch
Potenzial für lokale Downbursts.

Höhepunkt der Gewitteraktivität sollte aber in der Nacht auf Freitag im
Südwesten liegen, wenn mit einer weiteren Konvergenz, die durch einen schwachen
Kurzwellentrog gestützt wird, Gewitter von Frankreich auf Südwestdeutschland
übergreifen und sich über die Südhälfte ausbreiten.
Währenddessen lässt die Gewitteraktivität in Zusammenhang mit dem KLT langsam
nach.

Samstag ... kommt der Langwellentrog weiter westwärts voran und greift auf den
Westen Deutschlands über. Der KLT wird vom Trog eingefangen und zieht als
Randtrog zum Baltikum ab. Rückseitig baut sich ein schwacher Höhenkeil über der
Mitte und den Osten Deutschlands auf. Dabei steigt unter Zufuhr subtropischer
Luft die 850-hPa-Temperatur auf Werte um 15 °C. Im Tagesverlauf bauen sich
wieder über 1000 J/kg CAPE auf. In diese Luftmasse dringt dann im Westen die
Kaltfront eines Tiefs nordwestlich von Schottland ein. Die Front wird von einem
schärferen Kurzwellentrog gestützt. An der Front und auch vorlaufend muss mit
kräftigen Gewittern bis in den Unwetterbereich gerechnet werden. Die Scherung
bleibt allerdings ziemlich schwach.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modellsimulationen sind im Wesentlichen sehr ähnlich


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold