DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-06-2020 07:30
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen NEa und NEz (Nordost antizyklonal bzw. zyklonal)

Auch heute wieder UTZ und das "Ei", Teil 2 - weitgehend hochdruckbestimmtes
Wetter (Hoch UTZ) auf sommerlichem Temperaturniveau, vor allem zum Donnerstag
hin mit kleinen Störfeuern (das "Ei", ein kleiner Kaltlufttropfen).

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen
Höhenrückens, der sich von Marokko (und nicht wie fälschlicherweise gestern an
gleicher Stelle geschrieben "Tunesien") über Frankreich und die Nordsee bis hoch
nach Fennoskandien erstreckt. Der Rücken scheint ebenso in Stein gemeißelt wie
das korrespondierende Bodenhoch UTZ, dessen Zentrum mit etwas über 1025 hPa
heute früh über Deutschland zu finden ist. Somit sieht alles satt nach
Hochdruckeinfluss aus, wenn, ja, wenn da nicht ein kleines Höhentief wäre (das
"Ei"), das gestern über dem Skagerrak abgetropft ist und - in Ermangelung eines
zugehörigen Bodentiefs - mittlerweile den Status eines Kaltlufttropfens (KLT)
innehat. Heute früh liegt der KLT vor der polnischen Ostseeküste über See, von
wo aus der in den nächsten Stunden auf der Ostabdachung des Rückens - quasi wie
ein kleiner Ball, der den Abhang hinunterrollt, nur viel, viel langsamer - nach
Süden zieht. Dabei können, wie aktuell bereits erkennbar, immer mal ein paar
dichtere Wolkenfelder über die deutsch-polnische Grenze auf unsere Seite
rüberschwappen, allzu weit nach Westen kommen sie aber nicht voran und Regen
bringen sie auch nicht.
Dichtere Wolkenfelder aus der Nacht heraus findet man heute Morgen auch in
Sachsen und Umgebung sowie zwischen Oberfranken und Oberbayern. Diese Bewölkung
wird in den nächsten Stunden tagesgangbedingt aufgedröselt und in Quellungen
umgewandelt. Die anfänglich noch etwa zwischen 700 und 750 hPa liegende
Inversion wird bis Mittag auf 750 bis 800 hPa runtergedrückt, höher geht es
nicht für die Kumulanten. Noch dünner ist die Grenzschicht allerdings im Norden
und Westen, wo die Absinkinversion heute Mittag zwischen 900 und 850 hPa zu
finden ist. Dort wird es also nur sehr flache, aufgrund der inzwischen erfolgten
Abtrocknung der eingeflossenen Atlantikluft z.T. sogar überhaupt keine
Quellungen geben.
Apropos Luftmasse, die kann sich unter Hochdruckeinfluss und bei
Sonnenhöchststand (obwohl die Tage bereits wieder kürzer werden) erwärmen, wobei
freilich auch Absinken mithilft. Liegt die 850-hPa-Temperatur im Westen aktuell
noch zwischen 8 und 12°C, sind es heute Abend bereits 10 bis 14°C. Nach Osten
hin bleiben die Werte durch die Nähe zum KLT darunter. Das spürt man natürlich
auch bei den 2m-Temperaturen, die heute verbreitet auf 24 bis 29°C, im Norden
und Osten "nur" auf 21 bis 26°C ansteigen.

In der Nacht zum Mittwoch erreicht der KLT bis in die frühen Morgenstunden das
Dreiländereck PL-CZ-SLK. Den freiwerdenden Platz über der Ostsee nimmt der
nördliche Teile des Höhenrückens ein, der etwas im Uhrzeigersinn nach Südosten
"kippt". Derweil verlagert UTZ seinen Schwerpunkt ein wenig nach Norden gen
Südskandinavien, bleibt bei uns aber in Form eines Keils prominent präsent.
Kurzum, die Nacht wird mit Ausnahme einiger Wolkenfelder im äußersten Osten
vielfach klar bei Tiefstwerten zwischen 16 und 7°C.

Mittwoch... steuert der nicht sonderlich flott ziehende KLT das nächste
Dreiländereck an, in diesem Fall CZ-SLK-A. Dabei "bohrt" er sich langsam aber
sicher in den weiter westlich liegenden Rücken, was diesen dazu veranlasst,
irgendwann im Laufe des Tages über Südskandinavien abreißen zu lassen und dort
eine eigenständige Höhenantizyklone zu bilden. Meister UTZ scheint das nur wenig
zu jucken, er bleibt mit seinem Zentrum (weiterhin etwas über 1025 hPa)
ebenfalls über Südskandinavien, von wo aus er aufgrund seiner imposanten
Leibesfülle das Geschehen in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas im Griff hat.

Das gilt natürlich auch für den Vorhersageraum, wo verbreitet einmal mehr
kräftig die Sonne scheint. Vor allem im Westen werden Wolken ein seltenes und
extrem kostbares, weil schattenspendendes Gut, meist wird man sich künstliche
Objekte oder Innenräume (auf)suchen müssen, wenn man der direkten
Sonnenstrahlung entfliehen möchte. Fakt ist, dass die Temperatur den Rhein
entlang sowie westlich davon, lokal aber auch im westlichen Niedersachsen die
30°C-Marke erreicht respektive knapp überschritten wird. Wer es nicht so heiß
und auch wolkiger haben möchte, sollte sich - sofern länderübergreifende Reisen
nicht in Frage kommen - an den Rand des Höhentiefs begeben, sprich in die
Regionen etwa zwischen dem östlichen bzw. südlichen BB über das Zittauer Gebirge
bzw. Teile des Erzgebirges bis hinunter zum Bajuwarischen Wald. Zum Teil reicht
es dort nicht mal für einen Sommertag (also Tmax unter 25°C) und sogar ein
kurzer Schauer oder stellenweise etwas Regen sind nicht ganz ausgeschlossen. Vor
allem externe Modelle streben etwas Niederschlag an, wohingegen sich die
deutsche Modellkette zumindest tagsüber noch in vornehmer Zurückhaltung übt.
Der Wind dreht auf der Südflanke des Hochs mehr und mehr auf Nordost bis Ost und
lebt durch Sonnenböigkeit sowie Supergeostrophie mitunter etwas auf, Warnungen
werden dadurch aber nicht erforderlich sein.

In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich der KLT geringfügig nach Westen,
wobei er noch nicht genau weiß, ob er das auf tschechischer oder
österreichischer Seite tun wird. Auf alle Fälle nehmen die Wolkenanteile im
Osten und Südosten zu und zwischen Bayerischem Wald und Chiemgau bzw.
Berchtesgadener Land erhöht sich die Schauer-/Regenwahrscheinlichkeit etwas.
Interessant könnte die Entwicklung in Teilen Sachsens sowie dem südlichen
Brandenburg werden, wenn ein vornehmlich in unteren Troposphärenschichten
sichtbarer Randtrog (sehr gut in 850 hPa erkennbar) von Polen her mit einer
Portion fett feuchter (Anstieg PPW auf über 35 mm!, spezifische
Grenzschichtfeuchte bei 11 g/kg), aber nur bedingt labiler Luft übergreift. Die
Modelle quittieren die Attacke mit erhöhter Regenwahrscheinlichkeit,
gebietsweise sollen 5 bis 10 l/qm, lokal sogar um 15 l/qm (allerdings GFS)
runterkommen und laut ICON das Ganze z.T. in Form von Gewittern. Na mal sehen...
Im großen Rest des Landes verläuft die Nacht unter der Ägide von UTZ ruhig und
wolkenarm bei Tiefstwerten zwischen 18°C (in einigen westdeutschen Innenstädten
sowie unmittelbar an der Nordsee) und 9°C (in einigen Mittelgebirgssenken sowie
am Alpenrand).

Donnerstag... zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein schönes
High-over-Low-Muster mit der Höhenantizyklone im Norden und dem KLT im Süden.
Genauer, das Zentrum des Höhenhochs verlagert seinen Schwerpunkt von der
schwedischen Küste unweit Gotlands zur Rigaer Bucht, während der KLT das nächste
Dreiländereck im Visier hat: CZ-A-D. Im Bodenniveau verbleiben wir auf der
Südflanke von UTZ, der seine Fühler aber ganz allmählich nach Osten ausstreckt.
Offensichtlich behagt ihm der Druckfall über Westeuropa nicht, wo sich auf der
Vorderseite eines sich über dem nahen Ostatlantik formierenden Langwellentrogs
eine flache Tiefdruckrinne bildet, die auch für uns noch eine nicht unerhebliche
Bedeutung erlangen wird.
Bis es allerdings soweit ist, gilt es erst mal einen vergleichsweise entspannten
Donnerstag abzuarbeiten, an dem der KLT aber ein paar mehr Aktien am
Deutschlandwetter erwirbt als die Tage zuvor. Insbesondere in der Mitte kann
sich nicht nur mehr oder weniger dichte Bewölkung westwärts vorarbeiten, auch
die Schauer- und Gewitterwahrscheinlichkeit nimmt aufgrund zunehmender
Labilisierung etwas zu. So werden mit Ausnahme des Westens und Südwestens sowie
des äußersten Nordens einige hundert Joule pro Kilogramm ML-CAPE simuliert,
wobei man freilich abwarten muss, ob es praktisch tatsächlich so viel wird.
Immerhin ist doch die Wolkendecke teilweise ziemlich dicht (also jetzt nicht in
Folge exzessiven Alkoholgenusses), was den erforderlichen Energieinput durch
Einstrahlung erheblich dämpft. Trotzdem, gerade vom Alpenrand über die
ostbayerischen und fränkischen Mittelgebirge bis zur östlichen Mitte sowie
weiter bis nach BB sollte man sich über vereinzelte Gewitter nicht wundern.
Obwohl die Zellen - wenn auch nicht überbordend rasant - ziehen, steht
Starkregen weit vorn auf der Agenda der Begleiterscheinungen. Zwar ist die
Verteilung des in der Luft vorhandenen Wasserdampfes recht heterogen (PPW in
Teilen BBs über 35 mm, am Erzgebirgsrand z.T. nur 20 mm), man sollte aber - wie
eigentlich immer, wenn KLTs am Start sind - heute auch noch nicht zu
detailliert argumentieren. Kurzum, einzelne markante Gewitter mit Starkregen,
kleinerem Hagel und Böen 7 Bft sind absolut drin, lokale Unwetter durch
kräftigen Platzregen nicht gänzlich ausgeschlossen.
Im Westen und Südwesten sowie im größten Teil Norddeutschlands kann man
hinsichtlich konvektiver Aktivitäten recht beruhigt in den Tag gehen. Meist
scheint wieder Sonne, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle von Osten
her etwas wolkiger wird als an den Vortagen. Temperaturmäßig bleibt es
sommerlich mit Spitzen zwischen 25 und 31°C, einzig im Südosten wird es etwas
weniger warm bzw. heiß mit 21 bis 26°C.

In der Nacht zum Freitag macht der KLT einen kleinen Schwenk nach Norden in
Richtung Böhmisches Becken. Im Südosten bleibt es zwar wolkig, konvektive
Umlagerungen nehmen aber tagesgangbedingt ab. Von Frankreich her nähert sich
ganz langsam der östliche Rand der o.e. Tiefdruckrinne dem Südwesten an, dürfte
dort aber noch keine nennenswerte Wirkung entfachen. Aber was nicht ist, kann ja
noch werden. Mehr dazu in den Übersichten ab heute Abend.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren recht einheitlich, auch in Bezug auf den KLT, was nicht
selbstverständlich ist. Die Auswirkungen hingegen, vor allem was Niederschlag
und Gewitter angeht, werden jeweils etwas anders simuliert. So setzt z.B. ICON
den Schwerpunkt der Regenschliere mit potenziellen Gewittern in der Nacht zum
Donnerstag geringfügig weiter nördlich an (Südhälfte BBs) als die externen
Kollegen (Sachsen). Am Donnerstag fällt GFS mit seiner progressiven
Regenprognose ins Auge, nach der es sogar in Westfalen, dem Osnabrücker Land und
in Bremen nass werden soll - zweifelhaft.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann