DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

21-06-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 21.06.2020 um 10.30 UTC



Sehr warm bis heiß, anfangs im Osten und Südosten geringe Schauer- und
Gewitterneigung, ab dem Wochenende von Südwesten Gewitter mit Unwetterpotential.

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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 28.06.2020


Am Mittwoch liegt Deutschland zwischen einem 500-hPa-Höhenrücken, der sich von
Spanien und dem westlichen Mittelmeer über Benelux nach Südskandinavien
erstreckt, und tiefem Geopotential über Osteuropa. Der Höhenrücken wird dabei im
Tagesverlauf über Benelux eingeschnürt und soweit abgebaut, dass sich in der
Nacht ein eigenständiges Höhenhoch mit Schwerpunkt über Südschweden bildet. Die
Geopotentialgegensätze zeigen sich sowohl über West- als auch über Osteuropa
gradientschwach, vom südöstlichen Mitteleuropa erstreckt sich ein Trog zum
zentralen Mittelmeer, der im Tagesverlauf und in der Nacht allmählich nach Osten
vorankommt. In die Zone tiefen Geopotentials eingelagert liegt ein markantes
Höhentief. Es ändert seine Lage über der Slowakei im Tagesverlauf und in der
Nacht zum Donnerstag kaum. Die mit ihm verbundene Hebung sorgt von der Lausitz
bis nach Niederbayern wohl für einen wechselnd wolkigen Wettercharakter, von der
Neiße bis zum Erzgebirge sowie im Raum Passau/Bayrischer Wald kann es -
zugegebenermaßen mit geringer Wahrscheinlichkeit - auch einzelne Schauer oder
kurze Gewitter geben. Ansonsten zeigt sich der Himmel wolkenlos oder gering
bewölkt, was einer mit dem Höhenrücken korrespondierenden Hochdruckbrücke
geschuldet ist, die sich von der Iberischen Halbinsel nach Skandinavien und zur
Ostsee erstreckt. Entlang der Divergenzachse der Brücke, also vom Niederrhein
bis nach Schleswig-Holstein, sind die Chancen auf einen Tag ohne Wolken am
größten. Die Temperaturen in 850 hPa liegen im Westen und Südwesten lokal knapp
über 13 Grad, im Osten dagegen knapp unter 10 Grad, was im Südosten und an den
Küsten auf Höchstwerte um 25, entlang des Rheins auf Höchstwerte um 30 Grad
schließen lässt.

Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag kommt der Kaltlufttropfen seeeeehr
langsam nach Westen voran, er überquert dabei das
tschechisch-slowakisch-österreichische Dreiländereck und soll laut des
EZMW-Hauptlaufs ausgangs der Nacht zum Freitag über dem südlichen Böhmischen
Becken zu finden sein. Obwohl er dort ziemlich alleigelassen dasteht, eingerahmt
von einer ringförmigen Zone höheren Geopotentials mit abgeschlossenem Höhenhoch
über der zentralen Ostsee, vergrößert sich durch die räumliche Verlagerung
tendenziell sein Einfluss auf das Wetter in Deutschland. Die Bewölkung im
Südosten nimmt leicht zu, so dass es nunmehr vom östlichen Oberbayern bis in die
Lausitz wechselnd bewölkt sein sollte, wobei, wie schon am Vortag, auch Schauer
oder einzelne Gewitter mit von der Partie sein können. Da sich über dem
Ostatlantik ein Langwellentrog nähert, sinkt über der Biskaya und in den
angrenzenden Gebieten der D ruck. Dies führt zur Ausbildung eines großräumigen,
aber flachen Tiefs und somit auch zum Ableben der Hochdruckbrücke und der mit
ihr verbundenen Divergenzachse. Zwischen dem flachen Tief (Kerndruck um 1014
hPa) und hohem Druck über Skandinavien bildet sich eine schwache östliche
Strömung aus, in der sich allgemein leichte Quellbewölkung bilden kann. Die
Einstrahlung bleibt aber hoch, und da die 850er-Temperaturen im Vergleich zum
Vortag noch eine Schippe drauflegen können (meist 10 bis 16 Grad), klettern die
Höchstwerte bis in einen Bereich zwischen 25 und 32 Grad.

Am Freitag und in der Nacht zum Samstag verspielt das weiterhin
bewegungsallergisch - sprich weiterhin weitestgehend ortsfeste - Höhentief seine
letzte Chance auf eine - wie auch immer geartete - sportliche Auszeichnung.
Damit bleibt der Südosten wie gehabt in dessen Einflussbereich mit den
Wettercharakteristika "wechselnd wolkig" und "einzelne Schauer oder Gewitter".
Dazu gesellen sich an der Ostseeküste einzelne Schauer, die auf konvergente
Strömungsverhältnisse in Küstennähe zurückzuführen sind und eventuelle Schauer
und Gewitter über dem südlichen Bergland. Der ostatlantische Langwellentrog wird
zum westeuropäischen Langwellentrog, in dem sich sogar ein kleinräumiges
Höhentief ausbilden soll, das vom Westausgang des Ärmelkanals zur Bretagne
wandert. Das in den Langwellentrog eingelagerte zentrale Höhentief zieht vom
zentralen Nordatlantik in Richtung Schottland, und mit ihm korrespondiert ein
kräftiges Tief, in dessen Zirkulation auch das flache Biskayatief mehr und mehr
integriert wird. Die Hebung des Langwellentroges sorgt über Frankreich für
kräftige Schauer und Gewitter, die nach dem EZMW-Hauptlauf bis zum Morgen aber
noch nicht auf Deutschland übergreifen sollen. Im Bodendruckfeld bildet sich in
der Nacht ein Trog aus, der von England zur Eifel und weiter zum Neckar weist.
Auf seiner Südwestflanke macht sich nochmals wärmere Luft auf den Weg zu uns.
Ausgangs der Nacht liegen die 850er Temperaturen dementsprechend über dem
Südwesten schon bei bis zu 17 Grad, über dem Osten sind es um 11 Grad, und die
Temperaturen erreichen Maxima zwischen 26 und 33 Grad.

Am Samstag und Sonntag greift von Westen her der Langwellentrog auf Mitteleuropa
über. Da in seine Zirkulation auch der Kaltlufttropfen einbezogen wird, ergibt
sich im Geopotentialfeld eine doppelte Trogstruktur. Der angesprochene Bodentrog
schwenkt über Deutschland hinweg, so dass von Südwesten heiße und teils
hochgradig labile Luftmassen zu uns geführt werden. Die Folge sind schwere
Gewitter mit hohem Unwetterpotential, wobei durch die insgesamt gradientschwache
Konfiguration der Druck- und Geopotentialfelder der Fokus auf Starkregen liegt.
Kleinkörniger Hagel und Sturmböen sind aber ebenfalls nicht ausgeschlossen. Ab
Sonntag fließt dann in den Westen deutlich kühlere Luft ein.

In der erweiterten Mittelfrist am Montag und Dienstag zieht ein Langwellentrog
über Deutschland hinweg, der das Wetter wechselhaft und zumindest gebietsweise
regnerisch gestaltet.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der letzten EZMW-Läufe ist gut. Bis einschließlich Mittwoch
zeigen sich in den Geopotential- und Druckfeldern nur geringe Unterschiede
zwischen dem aktuellen Lauf und seinen Vorläufen.

Das gilt auch für den Donnerstag. Dabei zeigt sich aber, dass die
Hochdruckbrücke über Westeuropa im aktuellen Lauf zügiger abgebaut wird als in
den Vorläufen. Bezüglich des Höhentiefs ist festzustellen, dass dieses im
gestrigen 00-UTC-Lauf deutlich, im gestrigen 12-UTC-Lauf etwas weiter südlich
avisiert wurde als im jüngsten Lauf. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf
die Feuchte und in der Folge auf den Niederschlag im Einflussbereich des
Höhentiefs, der sukzessive weiter nördlich angesetzt wird.

Ab Freitag werden die Unterschiede deutlicher. Das Höhentief verharrt nach dem
aktuellen Lauf über Tschechien, laut des gestrigen 00-UTC-Laufs sollte es über
der Steiermark, laut dem gestrigen 12-UTC-Lauf über dem ungarisch-kroatischen
Grenzgebiet liegen. Noch deutlicher aber zeigen sich Unterschiede über
Westeuropa. Hatten die Vorläufe noch einen über Frankreich von Süden nach Norden
weisenden Höhenrücken simuliert, so zeigt der aktuelle Lauf über Westeuropa
einen Langwellentrog, der vom Nordatlantik bis zur Iberischen Halbinsel
ausgreift. In der Folge ergeben sich für Westeuropa und den Westen Deutschlands
Hebungsprozesse dort, wo vorher noch Absinken erwartet worden war.

So bleibt es auch am Wochenende. Zwar deuten dann auch die Vorläufe über dem
nördlichen Westeuropa Trogstrukturen an, allerdings verlaufen diese viel flacher
und gleichmäßiger gekrümmt als die Lösung des aktuellen Laufs.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis zum Mittwoch zeigen EZMW, GFS und ICON recht ähnliche Strukturen.

Am Donnerstag zeigt ICON ein recht weit südlich (österreichisch-ungarisches
Grenzgebiet) liegendes Höhentief und eine noch vergleichsweise intakte
Hochdruckbrücke über Westeuropa (jeweils im Vergleich zu EZMW). Insofern
erinnert die ICON-Lösung an die Lösungen der EZMW-Vorläufe (speziell des
gestrigen 12-UTC-Laufs). Dagegen liegt das Höhentief bei GFS sogar weiter
nördlich als bei EZMW, und die Geopotentialbrücke haben GFS und EZMW zu diesem
Zeitpunkt schon recht stark abgebaut; bei ICON präsentiert sie sich dagegen noch
weitgehend intakt. Auf das Druckfeld haben diese Unterschiede nur geringen
Einfluss, das Biskayatief haben auch ICON (wenn auch insgesamt großräumiger und
flacher) und auch GFS im Programm, wobei man bei GFS eher von einem Bretagnetief
sprechen sollte.

Am Freitag driften die Modelle noch weiter auseinander. Aber: In gewisser Weise
ähnliche Grundstrukturen haben alle aufzuweisen. So simulieren GFS und ICON, wie
auch EZMW, einen markanten Langwellentrog über Westeuropa, wenngleich bei diesen
beiden Modellen keine so scharf konturierte Achse erkennbar ist wie bei EZMW.
Dazu weise alle Modelle im Bodendruckfeld einen Bodentrog auf, der von England
nach Südosten weist. Dabei geht die Stoßrichtung bei ICON aber nach
Südfrankreich, bei EZMW nach Südwestdeutschland (s.o.) und bei GFS in Richtung
Ostbayern/Österreich/Tschechien. Da dieser Bodentrog die warme Luft auf seiner
Nordostflanke von heiß-labiler Luft auf seiner Südwestflanke trennt, bedeutet
eine andere Lage des Bodentrogen auch ein schnelleres oder langsameres
Übergreifen der labilen Luftmassen von Südwesten her. Last but not least: Der
Kaltlufttropfen ist bei allen drei Modellen noch vorhanden, allerdings bei GFS
mit Kern über Ostsachen und bei ICON mit Kern überm Dreiländereck
Slowenien/Kroatien/Ungarn.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Für den Zeitraum +72 bis +96 Stunden bieten die EZMW-Ensembles nur einen Cluster
an, der in der Wetterkategorie "Blocking" liegt.

Im Zeitraum +120 bis +168 Stunden setzt sich anfangs die Blockierungslage fort,
wobei es weiterhin nur einen Cluster gibt. Dieser wechselt zum Ende des
Zeitfensters aber in die Kategorie "Positive NAO".

Die Tatsache, dass über den gesamten Mittelfristzeitraum nur ein Cluster
angeboten wird, spricht für die Zuverlässigkeit der Prognose.

In der erweiterten Mittelfrist (+192 bis +240 Stunden) liefern die Ensembles
dann 3 Cluster, die alle in der Kategorie "Blocking" starten. Während einer der
beiden größten (19 Mitglieder) und der kleinste Cluster (13 Mitglieder) dabei
bis zum Ende in der Kategorie "Blocking" verharren, wechselt der zweite der
beiden größten Cluster in die Kategorie "Positive NAO". Dies deckt sich mit der
Struktur der Geopotentialfelder über Deutschland. Während beim zweiten Cluster
zum Ende eher tiefes Geopotential dominiert, ist es bei den anderen Clustern
eher hohes Geopotential. Der Hauptlauf gehört dabei dem Cluster 3, der
Kontrolllauf dem Cluster 2 an.


Die Rauchfahnen des EZMW zeigen für Offenbach durchweg hohes Geopotential mit
einem Maximum am Dienstag/Mittwoch kommender Woche. Danach sinkt das
Geopotential, ohne dass dabei die Streuung merklich zunehmen würde. Dies ist
erst ab Samstag der Fall, wobei die Mehrzahl der Ensemblevertreter weiter hohes
Geopotential sehen, einige aber einen deutlichen Abfall andeuten. Bezüglich der
Streuung deckt sich das Geschilderte mit den Rauchfahnen der 850er Temperatur.
Auch bei diesen nimmt die Streuung ab dem Samstag deutlich zu. Zuvor war sie
relativ gering, wobei die 850er Temperaturen unter kleineren Schwankungen einen
Anstieg zeigten.


Die GFS-Ensembles stützen insgesamt die Einschätzung der EZMW-Ensembles,
insbesondere bezüglich der Zunahme der Streuung ab dem kommenden Wochenende und
dem dann zu erwartenden Rückgang der 850er Temperatur.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


WÄRMEBELASTUNG:
Am Mittwoch im äußersten Westen und entlang des Rheins bei COSMO-LEPS
Wahrscheinlichkeiten von bis zu 30% für Temperaturmaxima über 30 Grad.

Am Donnerstag in den genannten Gebieten Wahrscheinlichkeiten zwischen 40 und 90%
für Höchstwerte über 30 Grad, dazu im Osten Deutschlands (Schwerpunkt
Brandenburg und Sachsen-Anhalt) entsprechende Wahrscheinlichkeiten von bis zu
60%.

Auch EFI zeigt am Mittwoch im Westen, dann über den Nordwesten und die gesamte
Nordwesthälfte auf ganz Deutschland ausgreifend Signale für signifikant über dem
Klimamittel liegende Höchstwerte.


GEWITTER:
Am Donnerstag im östlichen Bergland geringe (MOS-)Wahrscheinlichkeit für
markante Gewitter, auch am Freitag einzelne markante Gewitter nicht
ausgeschlossen, wobei COSMO-LEPS keine Starkregensignale (>20 l/qm in 6 Stunden)
zeigt, die die Schauer- und Gewitterneigung untermauern würden. Ab Samstag von
Südwesten zunehmende Gewitter mit Unwetterpotential.

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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Martin Jonas