DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-06-2020 18:01
SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 18.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nordosthälfte Gewitter und Starkregen mit Unwettergefahr. Von Südwesten
her in etwas kühlerer Luft nur noch einzelne Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... erstreckt sich ausgehend von einem Trog über dem nahen Atlantik eine
Zone tiefen Geopotentials über den Süden Großbritanniens (wo sich ein Höhentief
befindet) hinweg über den Süden Mitteleuropas und Südosteuropa bis zum Schwarzen
Meer. Dagegen erstreckt sich hohes Potential von Russland her bis in die
nördliche Nordsee. Deutschland liegt auf der Vorderseite des Britischen
Höhentiefs im Bereich einer südlichen bis südöstlichen Höhenströmung. Im Bereich
des Troges hat sich eine etwas kühlere atlantische Luftmasse über dem Süden
Deutschlands breitgemacht, wohingegen über dem Nordosten eine deutlich wärmere
und teilweise sehr feuchte Luftmasse lagert. Diese wird vor allem in Odernähe
mit östlicher Windkomponente von Polen her mit sehr viel Feuchte angereichert,
wobei die ppw's über 35 l/qm ansteigen. Auch hat sich im Bereich einer
Konvergenz, die in etwa entlang der Elbe, Havel und Spree verläuft, sehr viel
Feuchte mit ähnlich hohen Werten angesammelt. Nordöstlich dieser weht der meist
schwache Wind aus Nord bis Ost, ansonsten aus westlichen Richtungen. Etwas
südwestlich davon verläuft die eigentliche Luftmassengrenze. An dieser hat sich
ein relativ stratiformes (mit nur leichten schauerartigen Verstärkungen)
Regengebiet gebildet, das seine Existenz wohl vor allem der frontalen
Querzirkulation aufgrund der deutlichen Temperaturgegensätze verdankt (in den
letzten Stunden allerdings abnehmend), wobei auch aus der Dynamik heraus eine
Gegenstromsituation besteht. Die Hauptgewitteraktivität findet aber im Bereich
der Konvergenz statt. Dort sorgt in erster Linie die sehr hohe Feuchte für
mäßiges CAPE (bis etwa 500 J/kg), während die Labilität weniger stark ausgeprägt
ist. Auch die Scherung ist nicht sehr stark ausgeprägt. Somit fallen die durch
die Konvergenz ausgelösten Gewitter vor allem wegen des Starkregens teils
unwetterartig aus, zumal die Zuggeschwindigkeiten äußerst gering sind und
durchaus auch mal mehrere Zellen über den gleichen Ort ziehen können. Ähnlich
ausgeprägte Gewitter kann es auch noch in Odernähe geben, wo - wie oben
beschrieben - von Osten her die Feuchte herüberschwappt. Gewitter deutlich
schwächerer Ausprägung gibt es in der Südwesthälfte. Auch dort besteht aber
aufgrund langsam ziehender Zellen ein gewisses Starkregenrisiko.

In den Nachtstunden kommt zum Einen die eigentliche Front noch etwas nach
Nordosten voran, während zum Anderen die Konvergenz ihre Lage kaum ändert, so
dass sich die frontalen Niederschlagsgebiete mit den konvektiven Ereignissen
zunehmend vereinigen und eine Zone mit teils länger anhaltenden schauerartigen
Regenfällen, die teils auch noch mit Gewittern durchsetzt sind, bilden. Diese
Regenfälle dürften vor allem ein einem Bereich von der Wesermündung bis zur
Magdeburger Börde auftreten, eventuell auch noch etwas nach Südosten verlängert.
Dort bietet sich auf jeden Fall eine ockerfarbene Starkregenwarnung über mehrere
Stunden in einen etwas ausgedehnteren Bereich an, sobald die Gewitterzellen
ausreichend verclustert sind. Eventuell muss kleinräumig auch auf Unwetter
hochgezogen werden. Zudem muss nordöstlich davon weiter mit Gewittern gerechnet
werden. Zwar sollte die Aktivität dort in der Nacht etwas nachlassen, aber bei
den langsamen Zuggeschwindigkeiten sind Entwicklungen mit Starkregen bis in den
Unwetterbereich immer möglich. In der Südwesthälfte lassen die Gewitter
allgemein nach, außer ganz im Süden. Am Rande des Höhentiefs, das in der Nacht
über Wales hinweg nordwärts zieht, schwenkt nämlich ein Randtrog über
Zentralfrankreich hinweg Richtung Alpen, wobei sich über Ostfrankreich ein
abgeschlossenes kleines Höhentief bilden kann. Dieses zeigt sich vor allem in
300 hPa und produziert vor allem in höheren Schichten starke Hebung, was in der
Nacht aus der Schweiz heraus über das Bodenseegebiet hinweg und dann das
südliche Alpenvorland entlang ostwärts für schauerartige und gewittrige
Regenfälle sorgt. Auch hier gibt es eindeutige Starkregenhinweise, so dass eine
Ocker-Warnung erfolgen kann, wenngleich auch hier gilt, dass es kleinräumig
durchaus auch unwetterartige Regenmengen geben kann. In den übrigen Regionen
Deutschlands fällt die Nacht zum Freitag etwas ruhiger aus und die Wolken
lockern auch mal auf. Da es gebietsweise sehr feucht ist und - wie ja schon
mehrfach erwähnt - auch recht windschwach können sich hier und da Nebelfelder
bilden.

Freitag ... kommt der oben erwähnte Randtrog kaum noch voran und sorgt vor allem
südlich der Alpen noch für Hebung. Das Höhentief in 300 hPa verlagert sich
westlich des Rheins etwas nordwärts Richtung Eifel und nimmt zunehmend den
Charakter eines Kaltlufttropfens an. Insgesamt ändert sich das Geopotentialfeld
nur wenig. Bodennah verlagert sich die Konvergenz im Tagesverlauf nordostwärts
und verlässt unser Land ab dem Mittag. Die eigentliche Kaltfront folgt der
Konvergenz in kurzer Entfernung nach. Im Bereich der Kaltfront kommt es nach wie
vor zur Auslösung von Regenfällen durch die Querzirkulation bzw. die
Gegenstromsituation, da sich nach wie vor die kalte Luft von Südwesten unter die
etwas wärmere Luft schiebt, in der der Wind eine östliche Komponente hat (z.B.
in 850 hPa). Sehr viel Labilität ist nicht im Spiel, es dürfte sich also in dem
Bereich nordöstlich der Elbe hauptsächlich im schauerartige Regenfälle handeln,
die allenfalls mal kurz gewittrig ausfallen sollen. Vorstellbar ist eine
Starkregenwarnung im Bereich Mecklenburg und Ostholstein, allerdings gibt es
noch Modellunterschiede sowohl bezüglich der Stärke als auch beim zeitlichen
Ablauf. Die Region lässt sich aber schon recht gut eingrenzen. Vielleicht reicht
es ganz im Nordosten, also in etwa im Bereich Ostvorpommern, noch einmal für
stärkere Gewitter, falls dort noch etwas Restlabilität zur Verfügung steht oder
die Sonne noch einmal ein Weilchen scheint. Der Starkregenkomplex am Alpenrand
schwächt sich am Vormittag ab, weil ihm nach Osten zu der Antrieb ausgeht. Große
Teile Deutschlands liegen im Zustrom der etwas kühleren atlantischen Luftmasse,
die auch recht feucht ist, so dass bei etwas Sonneneinstrahlung auch etwas CAPE
generiert wird und wieder Schauer und einzelne Gewitter entstehen können. Dazu
trägt durch den Kaltlufttropfen im Südwesten auch eine leichte Labilisierung der
mittleren Troposphäre bei. Bei den Gewittern kann es natürlich wieder zu
örtlichem Starkregen kommen, da die Zuggeschwindigkeit weiterhin gering ist.
Dass Unwettermengen erreicht werden, ist eher unwahrscheinlich, wenngleich nicht
ganz ausgeschlossen. Da die Scherung schwach ist, kommt es nicht zu stärkeren
Gewitterentwicklungen. Die Temperatur erreicht meist Höchstwerte in den unteren
20ern, bei länger anhaltendem Regen im Nordosten sowie im Alpenvorland kann es
auch etwas kühler bleiben.

In der Nacht zum Samstag tut sich weiterhin nicht sehr viel. Das Zentrum des
Kaltlufttropfens verlagert sich jetzt Richtung Süddeutschland. Mit weiterhin
schwachem westlichem Wind strömt die mäßig warme Atlantikluft (6 bis 8 Grad in
850 hPa) ins ganze Land. Im Bereich der westlichen Ostsee ist eine
vorübergehende Gradientzunahme vorstellbar (und von ICON simuliert), so dass es
dort steife Böen aus West geben kann. Auf der kalten Seite der Kaltfront, die
knapp nördlich (bzw. nordöstlich unseres Landes liegt) kommt es nach wie vor zu
teils kräftigen Regenfällen, deren Schwerpunkt sich in der Nacht westwärts ins
nördliche Schleswig-Holstein verlagern soll. Dort ist dann eine Warnung vor
Starkregen vorstellbar. In der Mitte und im Süden nehmen die Schauer und
Gewitter in der Nacht etwas ab, auch wenn sie sich vereinzelt bis zum Morgen
halten können. Dazwischen lockern die Wolken auf, so dass es vor allem im
Südwesten, wo der Wind am schwächsten ist, wieder zu Nebelfeldern kommen kann.

Samstag ... nähert sich vom Atlantik her ein umfangreiches und hochreichendes
Tiefdrucksystem den Britischen Inseln an. Auf seiner Vorderseite sorgt
Warmluftadvektion für Anstieg des Geopotentials über dem Westen Europas. Dadurch
wird der bei uns liegende Kaltlufttropfen von dem ursprünglich vorhandenen Trog
abgetrennt. Er weist in 300 hPa seinen Schwerpunkt weiter über Süddeutschland
auf. In 500 hPa verlagert sich das Potenzialminimum Richtung Südosteuropa.
Bodennah kann sich durch leichtes Absinken ein schwaches Hoch von Westen her
nach Süddeutschland ausdehnen, während die Tiefdruckrinne knapp nördlich unseres
Landes verbleibt. Somit herrschen weiterhin westliche Winde vor, die in der
Nordosthälfte hin auch mal mäßig bis frisch wehen können und an der Ostsee
weiterhin mit steifen Böen, wobei der Wind Tagesverlauf Abschwächungstendenzen
zeigt. Ob es im äußersten Norden und Nordosten noch zu Niederschlägen kommt, ist
noch etwas unsicher. Recht sicher ist dagegen, dass die Luftmasse im Süden und
bis zur Mitte hin leicht labil geschichtet ist, da weiterhin die Höhenkaltluft
vorhanden ist und auch tagsüber wieder etwas Sonneneinstrahlung zu erwarten ist.
Dies lässt in der feuchten Luftmasse Quellwolken und einzelne Schauer und
Gewitter entstehen. Erneut ist bei schwachen Winden im Süden und kaum Scherung
der Starkregen die hauptsächliche Gefahr. Das Temperaturniveau steigt im
Vergleich zum Vortag wieder leicht an, außer ganz im Nordosten und Norden, wo
bei viel Bewölkung die 20-Grad-Marke teils nicht erreicht wird.

In der Nacht zum Sonntag sorgt weiterhin leichter Geopotentialanstieg für eine
Ausweitung des Hochs bei uns, wobei sich über der Mitte des Landes ein Hochkeil
nordwärts wölbt und auch im Norden für Windabnahme sorgt. Die Gewittertätigkeit
lässt in der Nacht deutlich nach, nicht nur aufgrund des Tagesgangs, sondern
auch wegen des Absinkens. Vielfach lockern die Wolken auf, allerdings ist vor
allem unter dem Hochkeil bei fast einschlafenden Winden die Nebelgefahr wieder
etwas erhöht.

Sonntag ... wölbt sich von Südwesten her über Mitteleuropa ein veritabler
Höhenkeil auf. Dem Kaltlufttropfen wird dabei der Garaus gemacht. Auch bodennah
liegt Deutschland weiterhin unter dem Hochkeil. Von Westen gelangt wieder etwas
wärmere Luft ins Land. Während die dichten Wolken auch aus dem Nordosten im
Tagesverlauf abziehen, sorgt von Westen her WLA auf der Vorderseite des
Tiefkomplexes für erneut aufziehende Schichtbewölkung. Zum Abend soll dann an
der Kaltfront des Tiefs (das selbst weit draußen auf dem Atlantik verbleibt)
schauerartiger Regen übergreifen. Die Schichtung wird dort recht stabil
simuliert, so dass es wohl kaum zu Gewittern kommt. Am instabilsten ist die
Luftmasse noch über dem Südosten Deutschlands, aber auch dort sollte die
Auslösung von Gewittern aufgrund des leichten Absinkens weitgehend unterdrückt
werden. Mehr Sonne (trotz wieder aufziehender Schichtbewölkung) und eine etwas
wärmere Luftmasse sorgen wieder für sommerliche Höchstwerte zwischen 22 und 27
Grad. Der Wind weht der Zirkulation um den Hochdruckkeil entsprechend im Westen
mäßig aus Südwest, im Osten mäßig aus Nordwest, im Süden schwach.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die synoptischen Basisfelder werden recht übereinstimmend simuliert. Dass die
Niederschlagssummen, die ja die hauptsächliche Warntätigkeit erfordern, etwas
unterschiedlich und Raum, Zeit und Stärke simuliert werden, liegt in der Natur
der Sache konvektiv verstärkter Regenfälle. Immerhin lässt sich das
Starkregengebiet heute Nacht im Süden schon recht gut eingrenzen und auch im
Norden lassen sich die Niederschlagsschwerpunkte schon grob eingrenzen,
wenngleich eine weitgehende Übereinstimmung der Modelle noch nicht heißen muss,
dass es dann auch so kommt. Insofern ist in den kommenden Tagen weiterhin viel
Nowcasting nötig.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann