DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 18.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TrM
In der Mitte und im Norden gebietsweise teils kräftige Schauer und Gewitter,
lokal Unwetter insbesondere durch Starkregen. In der Nacht zum Freitag teilweise
Übergang zu mehrstündigen und gewittrigen Stark-/Dauerregen. Am Freitag und
Samstag im Nordosten eneut kräftige Schauer und Gewitter bzw. teils
mehrstündiger Starkregen, lokal Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... grüßt täglich das Murmeltier genauso wie Bayern München jedes Jahr
mit notorischer Beständigkeit deutscher Fußballmeister wird. Bezogen auf das
Wetter dürfen wir uns heute also erneut mit Gewittern bis in den Unwetterbereich
und mit mehrstündigen, teils gewittrigen Stark- und Dauerregen beschäftigen.
Ausgangslage ist dabei ein Höhentief, dessen Zentrum derzeit über dem westlichen
Ärmelkanalausgang liegt. Es findet durch einen vom Nordostatlantik
heranrauschenden Randtrog allmählich wieder Anschluss an den ansonsten weit
nördlich liegenden troposphärischen Polarwirbel. Durch diesen Prozess wird das
Höhentief im weiteren Verlauf zu einem Randtrog umgebaut. Korrespondierend zum
Höhentief gibt es am Boden ein Tief namens NADINE, das sich aktuell kurz vor der
holländischen Küste nahe Rotterdam aufhält. Davon ausgehend erstreckt sich ein
Frontensystem quer über Deutschland, wobei es heute Morgen eine Linie einnimmt
vom Niederrhein über Franken bis nach Niederbayern. Hebung entlang der Front,
wozu auch ein kleines Höhentief über dem westlichen Bulgarien beiträgt, führt zu
skaligen Niederschlägen, die gestern Abend Anlass waren für Dauerregenwarnungen
in Teilen Nord- und Ost-Bayerns und die dort noch bis zum Mittag aktiv sind. Die
Ensembles schlagen tagsüber beim 12-stündigen Regen in einem Bereich
West-Thüringen - Südost-Niedersachsen - Emsland an, allerdings lagen die
Niederschlagsmengen in der vergangenen Nacht meist unter den Erwartungen, sodass
sich eine Erweiterung der Dauerregenwarnung zunächst nicht aufdrängt.
Stellt sich noch die Frage nach Gewittern im Bereich des im Tagesverlauf durch
die Verlagerung des Höhentiefzentrums nach Südwestengland langsam nach Nordosten
vorankommenden Frontensystems. Potenzial für Blitz und Donner ist am Nordostrand
des Niederschlagsgebietes gegeben (bei geringer Labilität und ein wenig CAPE).
Sollten jedoch Gewitter oder konvektive Verstärkungen auftreten, sind bei
PPW-Werten bis 38 mm und nur langsam ziehenden Zellen (indifferentes
Geopotenzial) schnell 15 bis 25 l/qm in einer Stunde zusammen, lokal auch über
25 l/qm. Sogar extrem heftiger Starkregen über 40 l/qm in einer Stunde ist dann
nicht völlig ausgeschlossen.
Das gilt erst recht für die dem Frontensystem etwas weiter nordöstlich
vorgelagerte Konvergenz, die sich derzeit vom Emsland über dem Harz bis nach
Sachsen schlängelt und am Abend etwa eine Linie einnimmt von der Deutschen Bucht
über das Wendland bis in den Berliner Raum. Sie ist zusätzlich durch ein
Bodenminima nahe Berlin (Tief OCTAVIA) heute Abend gekennzeichnet und bildet
sich in einer Tiefdruckrinne ab. ML-CAPE reicht bis etwa 750 J/kg, die Labilität
ist bei -0,55 bis -0,65 K/100 m nicht überbordend. Scherung ist kaum vorhanden,
sodass wohl vorrangig mit unorganisierten Multizellen entlang der Konvergenz zu
rechnen ist. Diese bieten dann vor allem Potenzial für Starkregen in ähnlicher
Dimension wie oben bereits aufgeführt. Zudem kann es zu kleinkörnigem Hagel
kommen, der Wind spielt eine nur untergeordnete Rolle, wenn auch bei stärkeren
Gewittern starke bis stürmische Böen immer mal vorkommen können.
Der Bereich vom nordöstlichen Rand des Niederschlagsgebietes bis in die
Konvergenzlinie hinein bietet das größte Unwetterpotenzial mit hoher
Wahrscheinlichkeit für lokale Unwetter und wird daher mit einer Vorabinformation
bedacht.
Noch weiter nordöstlich fehlt dagegen der dynamische Antrieb, außerdem ist dort
die Luft ein wenig trockener, sodass sich dort kaum Schauer oder Gewitter
bilden. Von Schleswig-Holstein bis nach Mecklenburg-Vorpommern bleibt es daher
häufig trocken mit zeitweiligem Sonnenschein. Ein kleines Aber gibt es aber
dennoch: Von Polen her driftet die Warmfront des Tiefs PETRA mit Schwerpunkt
über Finnland heran, die durch WLA Hebung produziert. An der Grenze zu Polen
kann es daher vor allem nachmittags ebenfalls zu Schauern und Gewittern kommen,
fehlende Sonneneinstrahlung der zuvor ankommenden starken Bewölkung hemmt die
Konvektionsprozesse allerdings voraussichtlich.
Bleibt noch der Südwesten Deutschlands. Dort schiebt sich ein Keil eines Hochs
über dem Atlantik hinein, zudem ist postfrontal eine deutliche Abtrocknung der
kühleren Luftmasse zu verzeichnen. Auf der anderen Seite kommt ganz im Südwesten
noch einmal etwas Hebung durch das Höhentief über England auf (PVA). So bleibt
es in Südwestdeutschland mehrheitlich trocken, einzelne Schauer oder Gewitter
(gelb oder markant bezüglich Starkregen) sind aber von der Eifel bis zum
Saarland sowie im Westen und Süden Baden-Württembergs zu erwarten.
Die Temperaturen bewegen sich im Dauergrau zwischen 17 und 21 Grad, im Nordosten
in der wärmsten Luft bei 20 bis 27 Grad und im Südwesten bei einfließender
kühlerer Luft zwischen 19 und 24 Grad.

In der Nacht zum Freitag bleiben die zwei Hauptniederschlagszonen entlang des
Frontensystems und entlang der Konvergenz erhalten und verschmelzen zunehmend.
Sie werden vom nach Mittelengland ziehenden Höhentief/Randtrog langsam weiter
nach Nordosten gedrückt. Freitagmorgen liegt das Frontensystem daher auf einer
Linie Deutsche Bucht - Sachsen-Anhalt - südliches Brandenburg - östliches
Sachsen. Labilität ist nur gering vorhanden, die Gefahr für Starkregen aber
durch fortwährende Hebung auf der Trogvorderseite weiter gegeben. So werden
12-stündig hohe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 l/qm angezeigt, selbst für
mehr als 40 l/qm oder sogar für mehr als 70 l/qm gibt es gute bzw. noch schwache
Signale.
Nordöstlich des Frontensystems kommt es noch zu einzelnen Schauern oder
Gewittern, die von Tief PETRA noch einmal etwas Support erhalten. Die
Niederschlagsmengen dürften sich mit 15 bis 25 l/qm in einer Stunde lokal meist
im markanten Bereich bewegen, Unwetter sind eher nicht zu erwarten.
Südwestlich des Frontensystems ist es im Bereich des Bodenkeils überwiegend
trocken bei einigen Auflockerungen. Örtlich bildet sich Nebel, vornehmlich dort,
wo es bis in den Abend oder in die Nacht hinein geregnet hat.
Vom südlichen Baden-Württemberg bis ins südliche Bayern wird allerdings eine
Staukomponente wirksam, sodass dort zeitweilige Regenfälle auftreten, die
anfangs auch noch gewittrig sind. Potenzial für Starkregen ist gegeben, örtlich
heftiger Starkregen mit mehr als 25 l/qm in einer Stunde ist nicht
ausgeschlossen. Vor allem im Allgäu gibt es Signale für mehrstündigen Stark-
oder Dauerregen (mehr als 25 l/qm in 12 Stunden, lokal mehr als 40 l/qm).
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 16 und 11 Grad im Nordosten und zwischen
13 und 7 Grad sonst.

Freitag... kommt die Achse des neuen Randtrogs westlich von uns etwas nach
Nordosten voran und liegt abends auf einer Linie Nordostatlantik - England -
Südwest-Deutschland - Ober-Italien. Das Frontensystem bewegt sich deshalb weiter
in den Nordosten, wobei es weitere trogvorderseitige Unterstützung erhält.
Der Niederschlagsschwerpunkt verschiebt sich folglich in den Nordosten in einem
Bereich Schleswig-Holstein - Mecklenburg-Vorpommern - nördliches Sachsen-Anhalt
- Brandenburg. Am Nordostrand des Niederschlagsgebietes bleibt die Labilität
noch leicht erhöht, sodass sich dort tagesgangbedingt wieder Gewitter bilden
können. Diese haben bei ähnlich hohen PPW-Werten erneut Starkregenpotenzial bis
in den Unwetterbereich. Entlang des Frontensystems ist neuerlich mehrstündiger
Stark- oder Dauerregen möglich. Von den Ensembles werden vom südlichen
Schleswig-Holstein über die Altmark bis in den Berliner Raum 25 l/qm in 12
Stunden angeboten, lokal auch mehr als 40 l/qm.
Südwestlich des Frontensystems vermag der Bodenkeil nur bedingt einen heiteren
Tag hervorzurufen. Vielmehr ist trogvorderseitig die lokale Auslösung von
Schauern oder Gewittern wahrscheinlich, die sich aber meist im gelben oder
markanten Bereich bewegen sollten. Am ehesten sorgt Starkregen für markante
Entwicklungen.
An den Alpen hält der Stau ebenfalls noch ein wenig an, dort sind ebenso
Gewitter mit von der Partie. Die Signale für mehrstündigen Regen als Stark- oder
Dauerregen lassen jedoch nach (Trogrückseite).
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 18 und 23 Grad.

In der Nacht zum Samstag bildet sich im über uns liegenden Randtrog ein kleines
Höhentief mit eigenem Drehzentrum, das morgens über dem Nordwesten Deutschlands
zu finden ist. Mit dem nur langsamen Vorankommen dieses Randtrogs/Höhentief
verschiebt sich das Frontensystem nur etwas weiter in den Nordosten von
Deutschland. Regen fällt hauptsächlich von Schleswig-Holstein bis ins nördliche
Brandenburg sowie nordöstlich davon. Am Nordostrand des Niederschlagsgebietes
sind vor allem anfangs noch Gewitter mit Starkregenpotenzial unterwegs.
Mehrstündiger Stark- oder Dauerregen kommt auch wieder in Frage. Die Ensembles
bieten hohe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25 l/qm in 12 Stunden von
Schleswig-Holstein über Mecklenburg bis in den Nordwesten Brandenburgs an.
An den Küsten sind durch Gradientverschärfung einzelne starke Böen Bft 7 oder
lokal auch stürmische Böen Bft 8 denkbar.
Südwestlich dieses Geschehens lassen Schauer und Gewitter meist nach und auch
der Stau an den Alpen bringt nur noch letzte Tropfen. Örtlich kann sich erneut
Nebel bilden.
Die Temperaturen gehen auf 16 bis 11 Grad im Nordosten und auf 13 bis 7 Grad
sonst zurück.

Samstag... löst sich der Randtrog über uns allmählich auf, über bleibt das
kleine Höhentief, das über Mittel-Deutschland seine Kreise zieht. Im Nordosten
bringt das Frontensystem immer noch zeitweiligen Regen, vereinzelte Gewitter
insbesondere an der Ostsee inklusive. Das Stark- bzw. Dauerregenpotenzial nimmt
etwas ab, zumal nun kaum noch Unterstützung von der oberen Atmosphäre kommt.
Geringe Wahrscheinlichkeiten sind dann vor allem noch für Schleswig-Holstein,
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auszumachen. Im Südwesten ist immer noch
der Bodenhochkeil wirksam, der aber vom Höhentief überlaufen wird. Es generiert
im Süden bzw. Südosten (Baden-Württemberg, Bayern) ein wenig Hebung durch PVA
und sorgt daher für einige Schauer und Gewitter. Bei ML-CAPE-Werten bis 750 J/kg
und PPW's bis 26 mm sind zumeist markante Gewitter zu erwarten, örtliche
Unwetter jedoch nicht ganz auszuschließen.
An den Küsten sind bei weiter vorhandenem Gradienten noch einzelne starke Böen
Bft 7 und lokal stürmische Böen Bft 8 möglich.
Ansonsten sorgt der Bodenhochkeil für zeitweiligen Sonnenschein, wobei es häufig
trocken bleibt.
Die Temperaturen steigen auf 18 bis 23 Grad.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Höhentief unter Auflösungserscheinungen nach
Süddeutschland und sorgt noch für letzte Schauer oder anfangs Gewitter mit
Starkregenpotenzial ganz im Süden.
Das Frontensystem im Nordosten schwächt sich ebenfalls ab, bringt aber noch
etwas Regen.
Beide Gebiete werden noch mit schwachen Wahrscheinlichkeiten für mehr als 25
l/qm in 12 Stunden belegt.
In den anderen Gebieten bleibt es größtenteils trocken mit einigen
Auflockerungen, aber auch der erneuten Gefahr für lokalen Nebel.
Die Temperaturen sinken auf 15 Grad im Nordosten bis 6 Grad in der Eifel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Wetterlage sehr ähnlich und zeigen auch bei der
großräumlichen sowie quantitativen Exposition eine zufriedenstellende
Übereinstimmung. Lokale Expositionen werden allerdings - wie bei konvektivem
Geschehen nicht anders zu erwarten - nicht sonderlich kongruent gebracht, sodass
das Gros der Warnungen wieder einmal im Nowcast erarbeitet werden muss.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler