DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-06-2020 17:30
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 17.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis Freitag von Südwest nach Nordost vorankommende Tiefdruckrinne mit Starkregen
und Gewittern, dabei Unwetter durch Starkregen. Am Samstag arrivederci Rinne,
hast uns mächtig Arbeit gemacht.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland im Dunstfeld eines Höhentiefs über dem Westteil
des Ärmelkanals. Davon ausgehend erstreckt sich ein Randtrog bis zur Schweiz,
der in der Nacht nicht weiter nach Norden vorankommt und sich stattdessen noch
etwas nach Osten ausweitet. Auf der Trogvorderseite hat sich in Verbindung mit
einer Tiefdruckrinne (schöner Windsprung von Ost auf West) ein konvektives
Regengebiet gebildet, an dessen Vorderrand sich bereits am Nachmittag nahezu
linienhaft (allerdings durchbrochen) organisierte Gewitter entwickelt haben.
Angetrieben durch eine rückseitige Druckanstiegswelle verlagert sich die Rinne
mit den Gewittern und dem Regen bis in die Mitte bzw. den Südosten Bayerns, wo
die ganze Schose stationär wird (der Trog rückt ja nicht nach) und mit den am
Nachmittag abgesetzt von der Linie gebildeten Gewittern zusammenläuft. Am Ende
bleibt in der Nacht ein von Südostbayern über Franken und die Mitte bis nach
Westdeutschland reichender Streifen übrig, in dem es zu weiteren Gewittern (mit
langsam abnehmender Tendenz) und (Stark)Regenfällen kommt. Als antreibende
Mechanismen fungieren weiterhin die konfluente Windstruktur sowie eine sich auf
der "kalten" Seite der Rinne einstellen Gegenstromlage mit Westwind unten und
Ostwind oben.
Warntechnisch steht bei den Gewittern nach wie vor Starkregen bis hin zu
Unwettern ganz oben auf der Liste begleitender Parameter, während Wind/Sturm und
Hagel - ohnehin bei dieser Lage nicht überbordend ausgeprägt - an Bedeutung
verlieren. Recht schwierig zu handeln ist das Thema "nicht-gewittriger Regen",
der z.T. das Dauer- (12 h), z.T. das Starkregenkriterium (1-6 h) bedient. Auch
diesbezüglich sind örtliche Unwetter möglich.
Rückseitig des Regengebietes strömt in den Südwesten ein Schwall deutlich
abgetrockneter Atlantikluft, die im Bereich eine flachen Bodenhochkeils zur Ruhe
kommt. Trotz Abtrocknung ist die Grundschicht durch den vorangegangenen Regen
feucht genug, um bei längeren Wolkenauflockerungen Nebel zuzulassen.
Ach ja, dann gibt es ja auch noch einen Norden und Osten im Lande, der von dem
ganzen o.e. Schmodder nichts mitbekommt. Dort bestimmt nach wie vor relativ
trockene Warmluft das Geschehen, was eine gering bewölkte bis klare Nacht zur
Folge hat. Allerdings, ein bisschen sollte man schon das Geschehen in Polen im
Blick behalten, wo sich aktuell eine Gewitterlinie auf Westkurs befindet. Nicht
ausgeschlossen, dass morgen früh Reste davon die Oder und Neiße passieren.

Donnerstag ... bleibt die Wetterlage durchaus brisant und arbeitsintensiv,
allerdings verlagern sich die Schwerpunkte ganz allmählich in den Norden und
später sogar in den Nordosten des Landes. Dabei verändert das Höhentief seine
Lage kaum, es bleibt dem westlichen Ärmelkanal treu mit einem sehr
weitreichenden, zonal exponierten Trog, der bis in die Schwarzmeerregion reicht.
Auf seiner Vorderseite bleibt uns die relativ schwache Südöstliche Höhenströmung
erhalten. Die darunterliegende Tiefdruckrinne verschiebt sich mit infinitesimal
anmutenden Schritten nach Norden bzw. Nordosten, am Abend reicht ihre Achse
(markiert durch eine Konvergenzlinie) von der Deutschen Bucht bis etwas
Frankfurt/Oder. Knapp südwestlich der Konvergenz folgt noch eine Kaltfront nach,
die die durch den Regen zusätzlich abgekühlte, unter dem Strich aber mäßig warme
Atlantikluft (T850 8/9°C) im Süden und Westen von der trockenen Warmluft (T850
um 13°C) im Nordosten trennt.
Wettertechnisch läuft der Donnerstag nach einem altbekannten Muster ab. Der
rückseitig der Rinne bis etwa zur Kaltfront verlaufende Regenstreifen (skalig
motiviert mit konvektiven Verstärkungen), der am Morgen von Ostbayern bis zu den
Niederlanden reicht, arbeitet sich peu a peu nordostwärts voran. Gebietsweise
muss dabei in der Mitte mit mehrstündigem Starkregen gerechnet werden.
Vorderseitig des Regengebietes im Übergangsbereich zur trockeneren Warmluft ist
die Luftmasse ausreichend feucht und labil genug, um CAPE von gebietsweise 500
bis 750 J/kg zu generieren - Energie, die etwa ab den Mittagsstunden, vielleicht
auch schon am späten Vormittag (Orografie) abgerufen und in Schauer und Gewitter
umgewandelt wird. Dabei sprechen die Rahmenbedingungen einmal mehr für
Starkregen als den Parameter, den es am meisten zu beachten gilt: da wäre eine
leichte Zunahme des PPWs (bis zu 40 mm) und der spez. Feuchte (bis zu 13 g/kg),
da wäre die nach wie vor vertikal mächtige Koaleszenzschicht ("warme" Wolke über
-10°C mit viel Flüssigwasser und kaum Eiskeimen), da wäre die limitierte
Verlagerungsgeschwindigkeit der Zellen und zu guter Letzt auch noch die
frontparallele Ausrichtung der Höhenwinde, die es ermöglicht, dass mehrere
Zellen über einen Ort ziehen und ordentlich abladen. Alles Punkte, die erneute
Unwetter durch Starkregen (>25 l/qm innert kurzer Zeit) wahrscheinlich und
extreme Unwetter (> 40 l/qm innert kurzer Zeit) möglich machen. Legt man das
neueste COSMO-D2-EPS von 15 UTC zugrunde, liegt der Schwerpunkt des Starkregens
am Nachmittag in einem schmalen Streifen von der Leipziger Tieflandsbucht über
die Altmark bis ins östliche Niedersachsen. Aber was sagt das schon...
Im äußersten Norden und Nordosten scheint in der trockenen Warmluft wieder die
Sonne bei Temperaturmaxima abseits der Küste bis zu 28°C. Ab dem Nachmittag
allerdings nimmt die Gewitterneigung im Nordosten mit Annäherung eines flachen
Tiefs über Polen zu und auch am Vormittag sind Restschauer oder sogar einzelne
Gewitter (siehe oben) nicht ausgeschlossen.
In der rückseitig der Kaltfront einfließenden leicht labil geschichteten, aber
abgetrockneten Atlantikluft lockert die Wolkendecke hin und wieder auf und die
Temperatur steigt auf bis zu 24°C (im Südwesten; auf bayerischer Seite kühler).
Nur hier und da entwickelt sich ein (gewittriger?) Schauer, vornehmlich über dem
Bergland.

In der Nacht zum Freitag erreicht das flache Tief den Nordwesten Polens, was die
bei uns liegende Tiefdruckrinne verschärft und noch etwas weiter in den
Nordosten vorankommen lässt. Es kommt zu weiteren Gewittern und Starkregenfällen
(teils gewittrig, aber auch nicht-gewittrig) bis in den Unwetterbereich, was
modellübergreifend simuliert wird. Einzig die Schwerpunkte sowie die finalen
Mengen sind noch nicht ganz austariert. Favorisiert für Unwetter ist ein von
Sachsen und dem südlichen BB diagonal bis nach Ostfriesland verlaufender
Streifen, aber auch weiter nordöstlich sind lokale Unwetter denkbar.
Weiter südlich bleibt es bei unterschiedlichen Bewölkungsverhältnissen
überwiegend trocken, örtlich bildet sich Nebel. Einzig aus den Alpen heraus
setzt vorderseitig eines kleinen Sekundärtroges Regen ein, der sich bis ins
südliche Vorland vorarbeitet.

Freitag ... füllt sich das Höhentief auf, es bleibt aber ein schier unendlicher,
vom nahen Ostatlantik bis nach Anatolien reichender Potenzialtrog übrig, dessen
Längsachse gaaanz langsam nach Norden vorankommt. Deutschland gelangt mittemang
hinein in den Trogbereich, wo die Potenzialgegensätze extrem gering sind. Oder
mit anderen Worten, synoptisch skalige Antriebe aus der Höhe sind bei einer
solchen Konstellation nicht zu erwarten.
Dass das Wetter trotzdem alles andere als langweilig wird, verdanken wir anderen
Faktoren. Da wäre zum einen die immer och präsente Rinne, die unser Land
offensichtlich nur ungern verlässt. Heute im Südwesten angefangen, ist am
Freitag der äußerste Norden und Nordosten dran, bevor dann zum Wochenende der
endgültige Abschied droht. Bis es soweit ist, wird auch dieses Mal wieder auf
altbewährte Mechanismen zurückgegriffen: auf der Südwestflanke der Rinne ein
skalig getriggertes Regenband mit konvektiven Einlagerungen (=> gebietsweise
Starkregengefahr, evtl. auch 12h-Dauerregen), davor Labilität, Feuchte (PPW
teils über 35 mm) und CAPE (lokal um 1000 J/kg), was zu kräftigen Gewittern mit
Schwerpunkt Starkregen führt. Durch die eher pomadige
Verlagerungsgeschwindigkeit oder Mehrfachtreffer besteht - natürlich möchte man
hinzufügen - auch wieder Unwettergefahr.
Erlauben wir uns noch einen Blick in den Süden und Westen sowie die mittleren
Landesteile, in die mit westlicher Strömung weiterhin mäßig warme Atlantikluft
gelangt. Diese wird im Vergleich zum Vortrag wieder etwas labiler, wenn auch
nicht übermäßig feucht. Unter dem Strich kommt eine Luftmasse heraus, in der mit
zeitweiliger Einstrahlung einige hundert Joule pro Kilogramm ML-CAPE generiert
werden, aus der sich - vornehmlich, aber nicht ausschließlich - einige Schauer
und Gewitter basteln lassen. Diese haben freilich nicht die Wucht der Kaliber im
Nordosten, gleichwohl könnte es für das eine oder andere Exemplar im unteren
Ockerbereich (um 15 l/qm binnen kurzer Zeit, kleiner Hagel, Böen 7-8 Bft)
reichen.
Die Temperatur erreicht landesweit Spitzen zwischen 19 und 24°C, bei längerem
Regen darunter. Dazu muckt der West-Nordwestwind im Oberharz (eigentlich nur auf
dem Brocken) sowie in exponierten Kamm- und Kuppenlagen der ostdeutschen
Mittelgebirge etwas auf mit Spitzenböen der Stärke 8 Bft.

In der Nacht zum Samstag beruhigt sich das Wetter im Norden und Nordosten
zunächst nur zögernd, was der Undynamik der Wetterlage geschuldet ist. In der
zweiten Nachthälfte allerdings ist dann doch ein Abschwächen zumindest der
Gewitter sowie ein zögerndes Abdriften des Regens in Richtung Nord- und Ostsee
bzw. Dänemark erkennbar.
Im großen Rest des Landes steigt der Luftdruck zwar etwas an, was sich einem von
Frankreich bis nach Süddeutschland vorstoßenden Hochkeil widerspiegelt. Da
dieser aber vom o.e. Trog überlagert wird, sollte man sich über vereinzelt,
teils gewittrige Schauer insbesondere in der Südhälfte nicht wundern.

Samstag ... wölbt sich der Bodenhochkeil nach Norden aus, während sich knapp
westlich von uns ein flacher Rücken aufwölbt. Bis der so richtig greift (so er
das überhaupt irgendwann tut), gilt es aber noch den o.e. Trog "abzuarbeiten".
Bei wechselnder Bewölkung entwickeln sich Schauer und einzelne Gewitter, die
aber maximal im markanten Bereich liegen. Im äußersten Norden und Nordosten
regnet es noch zeitweise im Schlepptau der abziehenden Rinne. Temperaturmäßig
pendelt sich das Geschehen zwischen 18 und 24°C ein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Einmal mehr gilt: Die Basisfelder passen, beim Niederschlag ist viel Nowcast
gefragt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann