DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

17-06-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 17.06.2020 um 10.30 UTC



Am Wochenende noch unbeständig mit Gewitter-/Starkregenpotenzial, zur kommenden
Woche Wetterberuhigung, dabei oft freundlich und warm. Ab Wochenmitte Hitze
möglich.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 24.06.2020


Nach tagelangem "Rumgeiere" der über weiten Teilen des europäischen Kontinents
sehr flachen Geopotenzialverteilung deutet sich in der Mittelfrist eine
Umstellung der Großwetterlage an. Der Trend geht in Richtung einer für
Mitteleuropa etwas stabileren, im Verlauf zudem sehr warmen, eventuell sogar
heißen Wetterphase.

Die Umstellung geschieht bereits zu Beginn der Mittelfrist am Samstag. Von der
Labradorsee südostwärts gerichtete Kaltluftadvektion zieht eine kräftige
Austrogung und nachfolgende Sturmtiefentwicklung über dem Nordatlantik nach sich
(Kerndruck rund 985 hPa), wobei ein scharfer Kurzwellentrog mit
korrespondierendem okkludierten Frontensystem zu den Britischen Inseln schwenkt.
Vorderseitig kommt kräftige Warmluftadvektion in Gang, was das Geopotenzial über
weiten Teilen West- und Südwesteuropa ansteigen lässt. In der Folge kann sich
ein zunächst noch flacher Rücken von der Iberischen Halbinsel über Frankreich
Richtung Nordsee aufwölben, wo er die weiter über Mitteleuropa bis zum Nahen
Osten reichende Geopotenzialrinne durchstößt und den bereits existierenden
Azorenhochkeil verstärkt. Über mittleren und südlichen Deutschland bleibt als
Residuum ein Trog bzw. ein Höhentief erhalten, das sich durch die blockierende
Wirkung der Höhenantizyklone über dem mittleren Skandinavien zunächst kaum
verlagert. Dadurch verändert auch die vom Schwarzen Meer bis nach Jütland
reichende Tiefdruckrinne ihre Position nur unwesentlich. Entsprechend kommt es
im Norden und Nordosten in Resten der in der Rinne befindlichen feucht warmen
und instabilen Luftmasse noch zu teils gewittrigen Regenfällen mit
Starkregenpotenzial. Ansonsten ist kühlere, aber ebenfalls instabile Meeresluft
wirksam, sodass es zu Schauern und einzelnen Gewittern kommt.

Am Sonntag schwenkt der Kurzwellentrog von den Britischen Inseln zur Nordsee,
das korrespondieren okkludierte Frontensystem erreicht Westdeutschland. Der
nordatlantische Trog wird durch einen an seiner Westflanke hineinlaufenden
Randtrog derweil regeneriert. Der vorgelagerte Rücken schwenkt dadurch leicht
südostwärts, sodass seine Achse von Spanien über Deutschland verläuft. Er
beginnt, Tuchfühlung mit dem Höhenhoch über Skandinavien aufzunehmen. Somit baut
sich zwischen dem Azorenhoch und dem Hoch mit Schwerpunkt über dem
fennoskandischen Raum eine Brücke über Mitteleuropa auf, womit sich die o. e.
Rinne nach Südosteuropa zurückzieht. Über weiten Teilen Deutschlands setzt sich
demnach verstärkt Absinken durch. Die schauerartigen Regenfälle über dem
Nordosten und Osten werden schwächer, die Schauer und Gewitter über dem übrigen
Land seltener. Am ehesten treten sie noch mit Übergreifen der Okklusion im
Westen sowie im Bereich des abziehenden Höhentiefs im Südosten auf. An den Alpen
regnet es staubedingt eventuell zeitweilig.

Am Montag erreicht der Randtrog die Britischen Inseln. Im Bodenniveau forciert
er ein intensives Wellentief, auf dessen Vorderseite sich die Warmluftadvektion
wieder deutlich verstärkt. Dadurch kann sich auch der vorgelagerte Rücken
intensivieren. Es ergibt sich eine von Südwest- bis Mitteleuropa und von dort in
weitem Bogen über Skandinavien und das Nordmeer bis nach Grönland reichende
Rückenkonfigration. Während sie über Nordeuropa bis Wochenmitte recht zügig
ostwärts schwenkt, sorgt anhaltende WLA auf der Vorderseite des sich wiederholt
regenerierenden, nach Südwesten zurückhängenden nordatlantischen Trog dafür,
dass sich der Rücken über Südwest- und Mitteleuropa einnistet. Im Bereich der
Hochdruckbrücke kann sich durch anhaltendes Absinken eine eigenständige
Hochdruckzelle über Mitteleuropa ausbilden. Am Montag treten vor allem im
Bereich der Reste der okkludierten Front und an den Alpen noch gebietsweise
Schauer auf, Dienstag und Mittwoch verlaufen dann aber weitestgehend trocken und
vor allem in der Südhälfte meist sonnig. Die Luftmasse erwärmt sich deutlich
(Sonntag T850 um 8 Grad, Mittwoch 10-15 Grad, im Südwesten eventuell auch
darüber). Sommerliche Höchsttemperaturen zwischen 25 und 30 Grad, im Westen und
Südwesten teils auch knapp über 30 Grad sind dann wahrscheinlich.

In der erweiterten Mittelfrist nehmen die Prognoseunsicherheiten zu. Nach Lesart
von IFS00Z nähert sich die Trogkonfiguration ab Wochenmitte von Westen
tendenziell langsam an, sodass sich über Deutschland eine südwestliche Strömung
ergibt. Eine weitere Erwärmung wäre die Folge. Neben hochsommerlicher Hitze
würde allerdings auch das Gewitterrisiko von Westen wieder deutlich ansteigen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die jüngsten IFS-Modellläufe rechnen im Großen und Ganzen recht konsistent die
Umstellung zu einer eher antizyklonaleren Großwetterlage, wenngleich es noch
kleinere Unschärfen in Position und Intensität des sich aufbauenden Rückens
gibt. Nach einem noch unbeständigen Wochenende mit erhöhter Schauer- und
Gewittertätigkeit, ist weitestgehend trockenes und zunehmend warmes Wetter zur
kommenden Woche wahrscheinlich.
Der Übergang zu einer Südwestlage mit verschärfter Warmluftadvektion und
nachfolgender Hitze geschah - im Gegensatz zur aktuellen IFS00Z-Simulation - im
gestrigen IFS00Z-Lauf verzögert erst zum Ende der kommenden Woche. Im gestrigen
IFS12Z-Lauf blieb diese Entwicklung komplett aus. Vielmehr bildete sich in
dieser Simulation über der Nordsee eine Hochdruckzelle aus, an dessen Südflanke
aus östlicher Richtung nicht ganz so warme Luft herangeführt wurde.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bei ICON zieht sich die Stabilisierung am Wochenende und zu Beginn der kommenden
Woche etwas länger hin, da sich die Geopotenzialrinne über Deutschland
hartnäckiger zeigt bzw. der Rücken etwas verzögert von Westen hereinschwenkt.
Auch zur Wochenmitte rechnet ICON eine etwas abweichende Entwicklung. Der Rücken
weist eine zonalere Orientierung auf, wodurch zumindest der Norden in eine
westliche Strömung gelangen würde, in der Tiefausläufer in allerdings
abgeschwächter Form übergreifen. Darüber hinaus wäre dort dadurch zunächst keine
nennenswerte Erwärmung zu verzeichnen.

GEM richtet den Rücken meridional ortientiert zu den Britischen Inseln, wonach -
ähnlich wie bei ICON - die Stabilisierung über Deutschland im Umfeld tieferen
Geopotentials nur äußerst zögerlich von statten ginge.
Zur Wochenmitte bildet sich bei GEM ein blockierendes Hoch über der Nordsee bzw.
dem Nordmeer, was eine trockene, aber nur mäßig warme Nordostlage nach sich
ziehen würde.

Die Simulation von GFS ähnelt der von IFS dagegen sehr.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das IFS-EPS unterstreicht im Wesentlichen das Szenario des IFS00Z-Laufes,
zumindest bis etwa Dienstag. So laufen sowohl der deterministische Hauptlauf als
auch der Kontrolllauf nahe der Mediane der Verteilung für Geopotenzial und
850-hPa-Tenperatur. Die Rauchfahnen weisen bei T850 dabei einen sehr flachen,
recht gut gebündelten Verlauf auf mäßig hohem Niveau auf. Bei H500 zeigt sich
allerdings bereits ein langsamer Anstieg. Auffällig ist aber, dass der Spread
beim Geopotenzial vor allem am Montag recht groß ist. Bei einigen wenigen
Membern stürzt H500 vorübergehend nochmal ab.
Zur Wochenmitte befinden sich Haupt- und Kontrolllauf hinsichtlich von T850 dann
eher am oberen Ende der Verteilung, der Medien liegt rund 2-5 Grad darunter. Bei
H500 verbessert sich die Bündelung dagegen sogar wieder, der Großteil der Member
sieht einen sich beschleunigenden Geopotenzialanstieg auf ein hohes Niveau.
In der erweiterten Mittelfrist ist im Median dann wieder ein gewisser
Geopotenzialrückgang zu verzeichnen, bei allerdings dann auch wieder deutlich
zunehmendem Schwankungsbreite. Bei T850 bleiben die deterministischen Läufe auf
Höhenflug, während der Median bezüglich weiterer Erwärmung zurückhaltender
bleibt.

Im Zeitraum +72-96h (Sa-So) wird nur ein Cluster der Klasse "Blocking" gebildet.

Im Zeitraum +120-168h (Mo-Mi) erhöht sich die Anzahl auf 2, wobei beide Cluster
dem Regime "Blocking" angehören. Unterschiede ergeben sich im Hinblick auf die
Orientierung des neuen Rückens, der sich von Südwesteuropa ausgehend aufwölbt.
Bei C1 (36/51, inkl. der beiden det. Läufe) läuft der Rücken in weitem Bogen
über das nördliche Mitteleuropa nach Skandinavien, bei C2 (15/51) wölbt er sich
deutlich meridionaler Richtung Britischer Inseln auf, wobei sich zur Wochenmitte
ein umfangreicher Block mit Schwerpunkt über Nordsee und Nordmeer ergibt. An der
Südflanke setzt sich über Deutschland tieferes Geopotenzial durch.
Im Zeitraum +192-240h (Do-Sa) schrumpft das EPS wieder auf 1 Cluster (Blocking).
Es zeigt einen umfangreichen Rücken vom zentralen Mittelmeer bis nach
Nordeuropa.

FAZIT: Die Wetterberuhigung zu Beginn der kommenden Woche scheint recht
wahrscheinlich zu sein, wenngleich nicht ganz klar ist, wie schnell sich die
Stabilisierung durchsetzt. Vor allem Sonntag/Montag besteht nochmal die
Möglichkeit eines Trogvorstoßes, der mit dem im obigen Text beschriebenden
okkludierten Frontensystem korreliert.
Bis Wochenmitte sollte dann aber Hochdruckeinfluss dominieren. Wie schnell und
stark die Erwärmung ausfällt, ist allerdings unklar. Sie hängt stark von der
Positionierung des Rückens und korrespondierenden Hochs ab. Auf Basis des
IFS-EPS scheint das Szenario mit einem Hoch über Mitteleuropa mit spürbarer
Erwärmung wahrscheinlicher zu sein, als ein Hoch über der Nordsee oder dem
Nordmeer mit sehr verhaltener Erwärmung. Der Übergang zu einer Südwestlage mit
verbreiteter Hitze, wie es die deterministischen Läufe vor allem ab Wochenmitte
sehen, wird vom EPS nur bedingt getragen. Da es aber sowohl vom Haupt- und
Kontrolllauf zuletzt immer wieder berechnet wurde und auch das GFS-Ensemble
deutliche Hinweise darauf gibt, sollte man diese Entwicklung definitiv im Auge
behalten.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Für den Samstag liefert der EFI geringe Signale für ungewöhnlich hohe
Niederschlagsmengen im Nordosten und Osten. COSMO-LEPS zeigt für den Osten und
Nordosten, teils auch bis in die Mitte hinein am Samstag und in der Nacht zum
Sonntag erhöhte Wahrscheinlichkeiten für warnwürdige 12- bis 24-stündige
Regenmengen, teils bis in den Unwetterbereich! Dies unterstreicht das Potenzial
für (heftigen) Starkregen (auch mehrstündig) im Zuge der gewittrigen
Niederschläge, zeigt aber auch, dass (ungewittriger) Dauerregen durchaus nicht
ausgeschlossen ist.

Am Sonntag gibt es in COSMO-LEPS geringe Hinweise auf warnwürdige 12- bis
24-stündige Regenmengen in den Alpen und im Alpenvorland. Dies steht in
Verbindung mit den schauerartigen und gewittrigen Regenfällen, die durch eine
gewisse Staukomponente länger anhalten können.

Danach (ab Montag) gibt es weder von EFI noch von den probabilistischen Modellen
Hinweise auf warnwürdiges bzw. extreme Wetterscheinungen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det., IFS-EPS, MOS-EZ
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser