DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 16.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrW
Im gesamten Kurzfristzeitraum gebietsweise Gewitter mit Unwetterpotential
aufgrund von Starkregen. Am Mittwochnachmittag bis in die Nacht auf Donnerstag
im Südwesten Potential für MCS mit (schweren) Sturmböen) - recht unsicher.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... lässt sich eine komplexe Potentialverteilung in der Höhe (500/300
hPa) mit mehreren Höhentiefzentren über Europa erkennen. Nach Süd- und
Westeuropa findet sich eher niedriges Geopotential, während von Osteuropa bis
nach Südskandinavien eher hohes Geopotential anzutreffen ist. Die eigentliche
Frontalzone ist sehr weit nach Norden verschoben (Nordskandinavien). Das hohe
Geopotential ist allerdings auch nicht lupenrein, so findet sich ein recht
kräftiges, aber kleinräumiges Höhentief über der nördlichen Ostsee, mit einer
leichten Nordwärtsverlagerung.

Deutschland liegt mehr oder weniger im geopotentiellen Niemandsland zwischen den
verschiedenen Aktionszentren. Dementsprechend fehlt es an Dynamik und Antrieb
aus der Höhe. Stattdessen bestimmen kleinräumige Prozesse das heutige Wetter-
und Warngeschehen.

Am besten gelingt der Einstieg mit Blick auf die aktuellen Beobachtungs- und
Fernerkundungsdaten. So liegt ein hochreichendes Feuchte- und Wolkenband quer
über Deutschland, ausgehend von den Alpen über die breite Mitte bis nach
BeNeLux. Darin eingelagert ist ein skaliges Regengebiet, dass sich im
Tagesverlauf nur wenig verlagern soll. Die stündlichen Niederschlagssummen sind
allgemein eher gering und überschreiten nur selten die 2 mm Menge. Auch bodennah
zeigt sich der hohe Feuchtegehalt der Luftmasse mit Taupunkten um 15 Grad. Den
Prognosen folgend soll sich im Tagesverlauf keine größere Änderung.

Gleichzeitig liegen im Nordosten und Osten (östlich der Elbe) deutlich
trockenere Luftmassen mit einem Taupunkt der nur zwischen 10 und 12 Grad liegt.
Die Prognose der Feuchtetendenz zeigt, dass die bodennahen Feuchtwerten durch
Entmischung weiter zurückgehen sollen, was sich auch jetzt schon zeigt. Zudem
zeigen die Morgenaufstiege und das WV6.2 µm Bild, dass auch in mittleren und
oberen Niveaus (ab 700 hPa aufwärts) trockene Luftmassen präsent sind (besonders
gut ist das im Bergenaufstieg 00 UTC zu erkennen). Nicht überraschend wird in
diesen Regionen heute reichlich Sonnenschein vorhergesagt.

Genau im Grenzbereich zwischen der trockeneren Luftmasse im Nordosten/Osten und
dem skaligen Regengebiet (man kann das gut und gerne auch als Dryline
bezeichnen), kann durch Einstrahlung im Tagesverlauf Labilität generiert werden.
Der Aufstieg 00 UTC von Meiningen, zeigt in mittleren Niveaus zwischen 1.5 und 3
km recht gute Lapse Rates. Darüber ist die Temperaturabnahme hingegen eher
gering. Nach Überwindung der nächtlichen Inversion dürfte in einem schmalen
Streifen des angesprochenen Grenzbereichs etwas CAPE generiert werden, das aber
auf das untere und mittlere Troposphärenniveau beschränkt bleibt. Mit der
Obergrenze liegt man dabei nur wenig unter -10 Grad, was zum einen dafür
spricht, dass es wohl bei nur wenigen Gewitter bleibt, aber gleichzeitig ein
Großteil der niederschlagsbildenden Prozesse im warmen Wolkenbereich
stattfindet. Der angesprochene Bereich für Schauer und einzelne Gewitter wird
auch durch ein Maximum im Feuchtflusskonvergenzfeld gekennzeichnet. Dies ist
auch der Bereich wo heute ab den Mittagsstunden besondere Vorsicht geboten ist.
Er reicht vom östlichen Bayern, über Thüringen und Teile der jeweils östlich und
westlich angrenzenden Bundesländer bis ins südliche Niedersachsen.

Aufgrund der zuvor beschriebenen Prozesse steht ganz klar der Starkregen im
Fokus. So liegen auch die ppw-Werte im Bereich oberhalb von 25 mm. Beim Blick
auf die Verlagerungsvektoren nach Bunkers ist zu erwarten, dass die Konvektion
nahezu ortsfest verbleibt und etwaige Verlagerungen durch konvektionsinterne
Prozesse (z.B. Outflow Boundaries) gesteuert werden. Daher ist zu erwarten, dass
lokal die Unwetterwarnschwelle überschritten wird. Andere Begleiterscheinungen
stehen eher nicht im Fokus. Kleinkörniger Hagel ist sicher nicht auszuschließen,
aber sollte aufgrund der geringen Obergrenze eher die Ausnahme bilden.

Bleibt noch der äußerste Südwesten des Landes zu erwähnen. Der Aufstieg von
Idar-Oberstein zeigt ebenfalls im unteren Troposphärenbereich eine steile
Temperaturabnahme (1 bis 3 km) und darüber eher stabile Verhältnisse.
Voraussetzung für etwas CAPE ist ebenfalls Einstrahlung im Bereich südwestlich
des skaligen Regengebietes. Die bodennahe absolute Feuchte reduziert sich, je
weiter man nach Südwesten kommt (Richtung Frankreich). Folglich sind die
Bedingungen nicht ideal. Getriggert durch das Bergland (Schwarzwald, Hunsrück,
Eifel) ist aber durchaus Konvektion und das ein oder andere kurze Gewitter
möglich. Die Zuggeschwindigkeit ist zwar ebenfalls gering, aber im Vergleich zur
Mitte vorhanden. Die Gewitter sollen langsam nord-nordostwärts ziehen. Erneut
steht Starkregen im Fokus. Mit der im Aufstieg angedeuteten trockeneren
Grundschicht können vielleicht auch mal stürmische Böen auftreten.

Zu guter Letzt noch ein Kommentar zum COSMO-D2 EPS 00 UTC. Die dort zu findenden
Prognosen erscheinen äußerst unrealistisch. Dort werden Wahrscheinlichkeiten bis
in den Unwetterbereich (RR6h) genau im Bereich des skaligen Regengebietes bis 12
UTC prognostiziert. Am Nachmittag nimmt dies sogar noch zu. Andere
hochauflösende Modelle zeigen das nicht und es macht auch eigentlich wenig Sinn.
Besser und realistischer erscheint der Streifen über der Mitte. Die
Konzentration sollte also auf dieses Gebiet und das südwestdeutsche Bergland
vornehmlich beschränkt sein.

In der Nacht auf Mittwoch sollte die Konvektion rasch nachlassen, wenn auch
nicht komplett zum Erliegen kommen. Gewitter sind dann aber nur noch wenig
wahrscheinlich und auch das Starkregenpotential nimmt deutlich ab. Stattdessen
kann sich in der feuchten Luftmasse abgesehen von den Gebieten nordöstlich der
Elbe häufig Nebel bilden.


Mittwoch... rückt das westeuropäische Höhentief allmählich etwas näher. Auf
seiner Vorderseite kann sich eine Achse besser ausbilden, die im Tagesverlauf
allmählich nach Norden schwenkt. Die am Boden liegende Tiefdruckrinne mit
eingelagerter Windkonvergenz kann sich damit etwas besser ausbilden und wird mit
der Höhentiefachse langsam nordwärts verschoben.

Die Wetter- und Warnentwicklung ist insgesamt recht komplex und von
Unsicherheiten geprägt. Am einfachsten lässt sich noch herausarbeiten, dass im
Tagesverlauf im Osten und Nordosten eine erneute Abtrocknung der Luftmasse
stattfindet. Das lässt sich zum einen an den Werten der spezifischen Feuchte
erkennen und zum anderen an der Tendenz eben jener im Tagesverlauf. Entsprechend
bleibt es im Osten und Nordosten vielfach sonnig und trocken bei
hochsommerlichen Werten bis 29 Grad.

Südwestlich anschließend nimmt die Feuchtigkeit im Vergleich zum Vortag noch
weiter zu und auch im Tageverlauf kann von einer Feuchteanreicherung durch
lokale Windkonvergenzen in der schwachgradientigen Bodenströmung ausgegangen
werden. Mit dem höheren Feuchtegehalt kann sich bei moderaten Lapse Rates
(wieder besonders zwischen 1 und 3 km) etwas mehr CAPE bilden. Die
prognostizierten Werten reichen bis nahe 1000 J/kg, wobei der Großteil des CAPEs
wieder auf die untere und mittlere Troposphäre beschränkt bleibt. Trotz einer
größeren Streubreite bzgl. der Verbreitung der Schauer und Gewitter ist wiederum
ab den Mittagsstunden mit deren Entstehung vor allem über der Mitte im
Grenzbereich zur trockenen Luft auszugehen. Aufgrund sonst fehlender Antriebe
kommt als Auslöser vor allem wieder das Bergland in Frage. Ein Großteil der
Konvektion sollte sich entsprechend darauf konzentrieren.

Die ppw-Werte erreichen die 30 mm Marke. Immerhin nimmt mit der sich nähernden
Höhentiefachse die Höhenströmung etwas zu. Die Verlagerung wird demnach mit 10
kn in Richtung Westen mit leicht nordwestlichen Touch prognostiziert. Beides
zusammengenommen, sowie die Betonung auf den warmen Wolkenbereich sprechen
dennoch wieder für erhöhtes Starkregenpotential bis in den Unwetterbereich.

Ein weiteres Augenmerk sollte auf den Südwesten des Landes ab den
Nachmittagsstunden gerichtet sein. Mit der heranschwenkenden Höhentiefachse wird
Hebung induziert. Die Modelle zeigen einheitlich ein konvektiv durchsetztes
Regengebiet, dass im Laufe des Nachmittages auf den Südwesten übergreift und
sich dann im Laufe der Nacht langsam bis zur Mitte ausbreitet. Am Vorderrand
dieses Gebietes können sich auch Gewitter ausbilden. Einige Modelle
prognostizieren auch die Entwicklung eines MCS, dass von Ostfrankreich und der
Schweiz auf Deutschland übergreift. In der Lesart des COSMO-D2 03 UTC soll sich
dieses von Baden-Württemberg bis nach Hessen und Rheinland-Pfalz verlagern,
entsprechend der auf Süd bis Südwest drehenden Vektoren der Höhenwinde. Im
weiteren Verlauf der Nacht schwächt sich das Gebiet dann deutlich ab. Konvektiv
durchsetzte Niederschläge können aber abgesehen vom Norden und Osten überall
auftreten.

Mit dem MCS besteht Unwettergefahr durch Starkregen. Bei einer besseren
Ausprägung des MCS, wie von COSMO-D2 angedeutet kann auch der Wind bis in den
(schweren) Sturmbereich eine Rolle spielen, zumal auch die hochreichende
Scherung Werte Werte um 15 m/s erreicht (bessere Organisation).

Donnerstag... wandert das Höhentief Richtung Ärmelkanal und Deutschland befindet
sich weiterhin auf seiner Vorderseite. Das skalige und schauerartig durchsetzte
Regengebiet liegt quer über Deutschland von Ostbayern bis zum Emsland. Dieses
ist eingelagert in die Bodentiefdruckrinne und Windkonvergenz.

Ganz im Nordosten/Osten liegen weiterhin trockene Luftmassen. Bei viel Sonne
wird es dort auch am wärmsten mit Höchstwerten im Bereich bis 27 Grad.

Im Grenzbereich zwischen den Regengebiet und der trockenen Luft (Dryline) bilden
sich im Tagesverlauf abermals Gewitter. Dabei besteht weiterhin akutes
Starkregenpotential. Die Verlagerungsvektoren zeigen kaum Zuggeschwindigkeit und
wenn dann vornehmlich parallel zum Bereich der Rinne und damit Organisation der
Konvektion. Entsprechend muss durch stehende Zellen bzw. durch wiederholte
Gewitter über der gleichen Region lokal eng begrenzt mit Unwettern gerechnet
werden.

Im Südwesten Deutschlands, rückseitig des Regenbandes kommen trockenere
Luftmassen nach Deutschland voran. Dementsprechend kann im Tagesverlauf wieder
häufiger die Sonne scheinen. Einzelne Schauer (durch die Nähe des Höhentiefs)
bleiben auf das Bergland beschränkt und fallen zumeist nicht sonderlich kräftig
aus.

In der Nacht auf Freitag verlagern sich die Tiefdruckrinne, das skalige
Regenband und der vorgelagerte konvektiv geprägte Streifen nordostwärts.
Insgesamt nimmt tagesgangbedingt das Gewitterpotential ab, lokaler (markanter)
Starkregen ist aber durchaus noch möglich.

Südwestlich der Tiefdruckrinne bleibt es vielfach trocken, teils lockert die
Wolkendecke stärker auf. An den Alpen macht sich hingegen ein vorstoßender
Bodenhochkeil dahingehend bemerkbar, dass sich in Kombination mit der
Höhenströmung eine gewisse Gegenstromlage einstellt. Die Folge sind skalige
Niederschläge etwa ausgreifend bis in den Münchner Raum. Größere Regenmengen
sind aber nicht zu erwarten.

Im Bereich des Bayerischen Waldes kann es in exponierten Lagen durch den sich
verstärkenden Gradienten einzelne stürmische Böen geben.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung im Kurzfristbereich wird recht konsistent von den
verschiedenen Modellen prognostiziert. Allerdings bestehen noch gewisse
Unsicherheiten bezüglich der Verteilung und Ausprägung. Dennoch lassen sich den
Grundzutaten folgend gut Bereiche ausarbeiten, wo ein erhöhtes Potential
besteht.

COSMO-D2 EPS 00 UTC erscheint für den heutigen Tag sehr sonderbar in der
Verteilung der hohen Wahrscheinlichkeiten für Starkregen im markante, aber auch
Unwetterbereich und sollte daher mit gewisser Vorsicht genossen werden.

Unsicher ist zudem die Entwicklung des morgigen von Frankreich und der Schweiz
übergreifenden linear orientierten MCS. Die Entwicklung erscheint aber
angesichts der Grundzutaten durchaus plausibel.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer