DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

14-06-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 14.06.2020 um 10.30 UTC



Gradientschwache Sommerlage mit konvektive geprägten Niederschlägen und
Gewittern. Mäßig warm bis warm.
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Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 21.06.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Mittwoch liegt
Deutschland auf der Vorderseite eines Höhentiefs mit Drehzentrum über
Westfrankreich. Ausgehend davon erstreckt sich ein relativ breit konturierter
Trog bis hinüber zur Türkei bzw. zum Schwarzen Meer. Dem gegenüber steht ein
Höhenrücken, der vom Süden Russlands über Skandinavien bis zum Europäischen
Nordmeer reicht. Summa summarum sind die Potenzialgegensätze gering, was bei uns
eine nur schwache, zyklonal konturierte südöstliche Höhenströmung zur Folge hat,
in der nennenswerte dynamische Prozesse keinen Platz haben.
Nicht wesentlich anders sieht es im Bodendruckfeld aus, wo die Gegensätze
ebenfalls sehr überschaubar sind. Während über Nordeuropa hoher Luftdruck
überwiegt, befindet sich der Vorhersageraum innerhalb einer recht breit
angelegten Tiefdruckrinne, die von UK/Irland bis hinüber nach Südosteuropa
verläuft. Nördlich der Hauptkonvergenzachse strömt am Mittwoch noch relativ
trockene und stabile Warmluft (T850 um 11°C) aus dem Hoch in Teile Nord- und
Ostdeutschlands, während in den übrigen Landesteilen mäßig warme bis warme und
potenziell instabile Luft (T850 8 bis 11°C) wirksam ist. Angefacht durch
Tagesgang und Orografie sowie unter Mithilfe regionaler konfluenter Windzonen
oder Outflow Boundaries kommt es in dieser Luftmasse zu weitgehend konvektiv
motivierten Regenfällen und Gewittern mit Schwerpunkt Starkregen.

Im weiteren Verlauf der Woche bis Samstag verlagert sich das Höhentief
ost-südostwärts, wobei es sich aufsplittet. Samstagmittag findet man einen Kern
über Süddeutschland, den anderen im Bereich der österreichisch-slowenischen
Grenze. Derweil arbeitet sich die Hauptachse der Tiefdruckrinne peu a peu nach
Norden vor. Am Ende des Tages erstreckt sie sich von der Nordsee bis zum
Schwarzen Meer, während sich gleichzeitig ein Keil des Azorenhochs bis zu den
Alpen vorschiebt. Mit Verlagerung der Konvergenzachse verlagert sich der
Schwerpunkt der weiterhin meist konvektiv geprägten Niederschläge und Gewitter
zunehmend in den Norden und Osten des Landes, was aber nicht bedeutet, dass
nicht auch rückseitig (also in der etwas kühleren Atlantikluft mit T850 von
8/9°C) Schauer und einzelne Gewitter die Tagesabläufe prägen.
Am Sonntag schiebt sich nordeuropäische Höhenrücken etwas dichter an den
Vorhersageraum heran, was die Numerik aber nicht besonders zu beeindrucken
scheint. So werden weiterhin verbreitet Niederschläge simuliert, einzig im
Westen und Nordwesten ist eine Abtrocknung erkennbar.

Noch ein Blick auf die erweiterte Mittelfrist ab Montag: hoher Luftdruck naher
Ostatlantik, Tief Südosteuropa => nordwestliche Bodenströmung mit Zufuhr kühler
Nordseeluft (T850 am Mittwoch teils unter 5°C). Dazu von UK her ein Cut-Off-Tief
=> weiterhin unbeständig mit Regenfällen und einzelnen Gewittern, kühler - ein
Szenario, was aber noch auf den probabilistischen Prüfstand gehört.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der Basisfelder wie Geopotenzial, Luftdruck und Temperatur ist
anfangs des mittelfristigen Prognosezeitraums gut, verliert dann zum Ende aber
mehr und mehr an Qualität. Das verwundert insofern nicht, als dass wir quasi den
gesamten Zeitraum über gradientschwache Rahmenbedingungen haben, die nicht
gerade zu den Lieblingswetterlagen weder der Numerik noch der schaffenden
Vorhersagemeteorologen gehören. Casus knacksus im vorliegenden Fall ist das o.e.
Höhentief über Westeuropa, dessen Werdegang im heutigen 00-UTC-Lauf von IFS
(ECMF) auf einer südlicheren Spur abläuft als die Läufe zuvor, wo tendenziell
eher Nordseeurlaub auf der Agenda stand.
So oder so, zusammenfassend kann man sagen, dass das Geschehen weitgehend
zyklonal beeinflusst ist. Dabei kommt es in der mäßig warmen bis warmen und
potenziell instabilen Luftmasse zu meist konvektiven, vielfach durch den
Tagesgang angefachten Regenfällen und Gewittern, deren Intensität und räumliche
Verteilung nur unzureichend und wenig konsistent simuliert werden (gilt auch
schon für die Kurzfrist). Es kann aber konstatiert werden, dass der Nordosten
anfangs (Mittwoch, vielleicht auch noch Donnerstag) vom Regen verschont wird,
bevor es auch dort wieder losgeht.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Insgesamt betrachtet zeichnen die neben IFS etablierten Globalmodelle (ICON,
GFS, GEM, UKMO) ein sehr ähnliches Bild. Selbst beim Niederschlag ist die
Übereinstimmung - sofern man den Maßstab nicht zu streng anlegt, was man
mittelfristig ohnehin nicht tun sollte - gar nicht mal so schlecht. So lässt
sich die Verlagerung der Rinne respektive deren Hauptkonvergenzachse nebst
Niederschlagsmaximum in Richtung Nordosten überall wiederfinden. Auf alle Fälle
werden keine von der geschilderten Entwicklung substanziell abweichenden
Szenarien angeboten.

FAZIT: Der Generalkurs steht, die Feinheiten und Details (vor allem in Bezug auf
Niederschlag und Gewitter) sind und bleiben Tagesgeschäft.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das erste, was bei den IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte ins
Auge fällt, ist die Tatsache, dass sich der Hauptlauf am Ende der Zeitleiste aus
der Schar der Ensembles nach unten verabschiedet, Am deutlichsten wird das im
Süden und Westen (Referenz Essen, Offenbach, Ulm), wo der "Absturz" frappierend,
aber auch fast ohne Unterstützung ist. Kurzum, der deterministisch formulierte
Trend für die erweiterte Mittelfrist ist - wie weiter oben bereits angedeutet -
ein krasser Außenseiter.
Ansonsten lässt sich sagen, dass die Kurven anfänglich dicht beieinanderliegen,
bevor sie im Laufe der zweiten Wochenhälfte kontinuierlich, aber nicht
überdimensional auseinanderdriften. Oder mit anderen Worten, der Öffnungswinkel
des erzeugten Deltas hält sich in Grenzen. Während die Temperatur in 850 hPa
über einen längeren Zeitraum konservativ, d.h. weitgehend gleichbleibend
simuliert wird, geht es beim Potenzial in 500 hPa erst geringfügig nach unten,
zum Wochenende dann aber wieder nach oben. Auffallend sind die täglich
wiederkehrenden RR-Peaks, die im Norden und Osten (Hamburg, Berlin) aber erst am
Donnerstag ernsthaft erscheinen.
Die Clusterung für den Zeitraum T+72...96h (Mittwoch/Donnerstag) und T+120...168h
(Freitag bis Sonntag) zeigt jeweils nur eine einzige Lösung an, die der
deterministischen Variante ähnelt und dem Klimaregime "Blocking" zugeordnet ist.
Erst ab Montag (T+192...240h) erhöht sich die Anzahl der Cluster auf drei, ohne
dass sich das Klimaregime ändert. Alle drei Cluster tendieren in Richtung
"High-over-Low" (Hoch über Nordeuropa, Tief über dem westlichen/zentralen
Mittelmeerraum) mit unterschiedlichen Anteilen für den Vorhersageraum.
Die Rauchfahnen von GFS-EPS sind denen von IFS-EPS sehr ähnlich.

FAZIT: Die probabilistischen Vorhersagen deuten auf unbeständiges, mäßig warmes
bis warmes Tagesgangwetter mit überwiegend konvektiv geprägten Niederschlägen
hin, die im Nordosten verzögert einsetzen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Rein aus der Wetterlage heraus deuten sich mittelfristig wiederholt
schauerartige Regenfälle und Gewitter an, bei denen aufgrund der
Rahmenbedingungen (u.a. keine synoptischen Systeme, wenig Wind und wenig
Scherung, limitierte Instabilität der Luftmasse) vor allem Starkregen im
Blickpunkt des Warngeschehens stehen dürfte. Dass dabei auch lokale Unwetter am
Start sein können, steht außer Frage. Auf der anderen Seite drängen sich
überbordende und auch flächig ausgreifende Starkgewitterlagen nicht zwingend
auf. U.a. wird das - wie bereits gestern - durch fehlende Signale für Cape und
Cape-Shear im EFI dokumentiert.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann