DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-06-2020 17:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 13.06.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts gebietsweise weitere kräftige, teils schwere Gewitter, Unwetterpotenzial
vor allem aufgrund von Starkregen (teils extrem) und größeren Hagelansammlungen.
Am Sonntag in einem breiten Streifen von Nordwest- nach Süddeutschland weiterhin
Unwettergefahr durch Starkregen, teils mit, teils ohne Gewitter. Am Montag
allmähliche Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... muss man leider konstatieren, dass manch eine Mittelfristprognose
eine höhere Trefferquote aufweist als eine noch nicht einmal detaillierte
Prognose für die kommende Nacht.
Die sich seit Anfang/Mitte März immer wieder regenerierenden Blockadelagen, die
den Synoptikern zunächst allerdings meist einfach und kurz abzuhandelnde stabile
Hochdrucklagen ohne großartige markante Wetterereignisse bescherte, münden jetzt
in einer klassischen Sumpflage, wobei zum ersten Mal in diesem Frühjahr/Sommer
großräumig potenziell instabile Luftmassen am Start sind.
Die großräumige Verteilung der Geopotenzial- bzw. Druckgebilde über dem
europäisch-nordatlantischen Raum lässt sich noch recht einfach beschreiben.
Einer umfangreichen Höhenantizyklone über Skandinavien, die ein kräftiges, von
der Norwegischen See bis nach Nordwestrussland reichendes Bodenhoch stützt, wird
flankiert von einem Höhentief mit Drehzentrum südlich von Irland und einem
weiteren Höhentief, das sich von Nordosten her allmählich Richtung Baltikum
verlagert. Dabei reicht ein vom Höhenhoch ausgehender Höhenrücken bis ins
östliche Mitteleuropa.
An der Südflanke der Hochdruckzone erstreckt sich eine flache Tiefdruckrinne -
ausgehend von einem Tiefdruckgebiet knapp nordwestlich des Schwarzen Meeres -
westnordwestwärts hinweg über Mitteleuropa und mündet in einem Tief über dem
Westausgang des Ärmelkanals. Die genaue Lage der Rinne über dem Vorhersagegebiet
lässt sich aufgrund der flachen Druckverteilung nur sehr schwer auszumachen,
vielmehr bietet das Bodenwindfeld eine Vielzahl kleiner lokaler
Bodenkonvergenzen. Tendenziell erstreckt sich die Zone tiefsten Drucks vom
ostbayerischen bzw. östlichen Mittelgebirgsraum bis ins Emsland. Dabei gelangt
von Osten her weiterhin eine sehr warme, recht feuchte und potenziell instabile
Luftmasse in weite Teile des Landes. Die PPW-Werte liegen meist über 30 mm, im
Bereich lokaler Feuchteflusskonvergenzen auch über 40 mm bei einer spezifischen
Feuchte zwischen 12 und 15 mm in der Grundschicht (0 bis 200 m) und einer
MU-Cape zwischen 500 und 1000 J/kg.
Großräumig dynamischer Hebungsantrieb ist somit kaum vorhanden, am ehesten noch
an der Nordflanke eines über Norditalien abtropfenden Randtroges. Ansonsten wird
die Konvektion getriggert durch die zahlreichen kleinräumigen Bodenkonvergenzen,
die wiederum der Orographie sowie den Outflow Boundaries älterer Gewitter
geschuldet sind.
Eine Prognose über die Verteilung der konvektiven Aktivität im Laufe der
kommenden Nacht ist somit nicht möglich und auch die Konvektion erlaubenden
Modelle springen mit ihren Prognosen hin und her. Ein Schwerpunkt liegt
sicherlich aufgrund des dort simulierten dynamischen Triggers im Süden;
zumindest gibt es dort Signale auch für mehrstündigen Starkregen, was eventuell
auf die Entwicklung eines MCS hindeutet, der sich dann langsam nordwärts
verlagern dürfte. Im Bereich der meist multizellulären Systeme bleibt wegen der
nur langsamen und teilweise auch strömungsparallelen Verlagerung die
Unwettergefahr aufgrund von Starkregen und größeren Hagelansammlungen auch die
Nacht über weiterhin hoch, auch extreme Unwetter sind weiterhin nicht
ausgeschlossen, wenngleich die Wahrscheinlichkeiten dafür insgesamt allmählich
zurückgehen. Eventuell fällt gebietsweise auch mehrstündiger "ungewittriger"
Starkregen. Sturmböen können nachts vor allem am Vorderrand eventueller
konvektiver Systeme auftreten, auch dafür nimmt die Wahrscheinlichkeit im Laufe
der Nacht etwas ab.
Am ehesten außen vor von der Gewitteraktivität sind wohl die Regionen entlang
und westlich des Rheins sowie der Nordosten, wo sich von Nordosten her
allmählich trockenere Festlandsluft aus dem Höhentief über dem Baltikum
durchsetzt.
Am Südrand des Hochs bleibt der Gradient im Bereich der Ostseeküste noch
einigermaßen scharf ausgeprägt, so dass dort anfangs noch lebhafter Ost- bis
Nordostwind mit Böen Bft 7, exponiert 8 weht. Der Wind nimmt im Laufe der Nacht
aber ab. Mit Tiefstwerten zwischen 18 und 11 Grad bleibt es verhältnismäßig
mild.

Sonntag ... kommt das Höhentief über dem Baltikum ein wenig nach Westen voran,
während das Höhentief über der Keltischen See nahezu quasistationär bleibt. Der
Höhenrücken wird dabei etwas nach Westen abgedrängt und greift mit seiner Achse
auf das Vorhersagegebiet über. Somit ist weiterhin so gut wie kein dynamischer
Hebungsantrieb vorhanden.
Im Bodenfeld bleibt die Tiefdruckrinne nahezu quasistationär. Ein nach Südwest-
und Süddeutschland gerichteter Bodenhochkeil verstärkt sich etwas und somit auch
die Staukomponente an den Alpen, während sich die trockene Luft im Nordosten mit
Annäherung des Höhentiefs geringfügig weiter westwärts durchsetzen kann. Somit
wird die Rinne etwas in die Zange genommen und erstreckt sich in etwa vom
Erzgebirge bzw. ostbayerischen Mittelgebirgsraum bis ins Weser-Ems-Gebiet.
Während im Nordosten sich dabei mehr und mehr die Sonne durchsetzt, die
Taupunkte zurückgehen und sich die Luftmasse (bei T850 hPa zwischen 8 und 11
Grad) auf angenehme 23 bis 27 Grad erwärmen kann (lediglich im Ostseeumfeld
bleibt es bei auflandigem Wind - nach wie vor mit einzelnen Böen Bft 7 -
kühler), bleibt es südwestlich der Rinne trotz des dorthin vorstoßenden Keiles
unbeständiger. Vor allem nach Süden zu fällt dort noch schauerartiger Regen,
wobei in den Staulagen des Allgäus durchaus mehr als 25 mm in 12 Stunden
zusammenkommen können. Lediglich ganz im Westen, etwa entlang und westlich des
Rheins, gibt es kaum mehr Schauer.
Im Bereich der Rinne dagegen lebt die konvektive Aktivität - so sie sich denn
überhaupt großartig abgeschwächt hat - im Tagesverlauf wieder auf. Die Cape
erreicht aufgrund der durch die konvektiven Umlagerungen "verbrauchten"
Luftmasse und bei weniger Einstrahlung mit 500 bis 1000 J/kg nicht mehr die
Werte des Vortages, PPW und spezifische Feuchte ändern sich aber kaum. Was die
Vorhersage allerdings etwas vereinfacht, ist die Tatsache, dass sich die
Gewitter weitgehend auf den recht breiten Rinnenbereich beschränken dürften.
Allerdings sind auch dort sicherlich wieder viele lokale Bodenkonvergenzen
auszumachen, an denen es "zündet". Erneut steht der Starkregen im Fokus der
Warntätigkeit, die Unwetterwarnschwellen werden wieder rasch erreicht, extreme
Mengen, größere Hagelansammlungen und Sturmböen sind ebenfalls möglich,
wenngleich wohl mit geringeren Wahrscheinlichkeiten als am Vortag. Die
Konvektion erlaubenden Modelle bieten dabei erneut ein ganzes Potpourri am
Schwerpunktsregionen der Konvektion im Bereich der Rinne an, so dass
diesbezüglich erneut detaillierte Prognosen kaum möglich sind. Zum späteren
Nachmittag und Abend hin dürften auch wieder größere Multizellensysteme
entstehen, innerhalb deren Cold Pools auch mal mehrstündiger Starkregen
auftreten kann.
Die Temperaturen gehen aufgrund der vielfach dichten Wolken und der sich
allmählich abkühlenden Luftmasse (T850 hPa auch im Rinnenbereich noch 10 bis 12
Grad, im Südwesten 7 bis 10 Grad) etwas zurück, die Höchstwerte liegen zwischen
18 und 24 Grad, an den Alpen bei Dauerregen um 15 Grad.

In der Nacht zum Montag rückt uns das Höhentief vom Baltikum zwar ganz
allmählich noch etwas näher "auf die Pelle" und die quasistationäre
Tiefdruckrinne füllt sich etwas auf, ansonsten ändert sich aber fast nichts an
der großräumigen Konstellation der Geopotenzial- und Druckgebilde.
Im Bereich der Rinne dauern die konvektiv durchsetzten Niederschläge bei
allmählich zurückgehender MU-Cape weiter an, werden aber vor allem im Nordteil
der Rinne etwas nach Westen abgedrängt, da sich die trockene Festlandsluft
allmählich weiter westwärts durchsetzen kann. Somit verlagern sich die
Regenfälle allmählich mehr auf die "kalte" Seite, also auf die Rückseite der
Rinne. Im Bereich dieser "Cold Pools" nimmt die Tendenz zu mehrstündigem
Starkregen zu, die Unwettergefahr allerdings zwar insgesamt etwas ab, dennoch
haben einige Modelle immer wieder regional sehr hohe Mengen bis in den
Unwetterbereich auf der Agenda (z.B. IFS von 00 UTC und auch der aktuelle
ICON-EU-Lauf, allerdings mit komplett unterschiedlicher regionaler Verteilung).
Schauerartiger Regen fällt auch weiterhin im Südwesten bzw. Süden des Landes,
wobei auch dort ICON-EU regional eng begrenzt warnrelevante Mengen (teilweise
Unwetter) auf der Agenda hat, die rein aus der Synoptik nicht wirklich ableitbar
sind, da sie abseits der Alpen-Staulagen simuliert werden.
Im Nordosten verläuft die Nacht dagegen teils gering bewölkt oder klar und auch
im Westen bzw. Südwesten lockern die Wolken zeitweise stärker auf. Vor allem
dort kann sich gebietsweise Nebel bilden. Die Tiefstwerte liegen im Nordosten
zwischen 11 und 7 Grad, sonst zwischen 15 und 10 Grad.

Montag ... verlagert sich das Höhentief über der Keltischen See ein wenig nach
Südosten, das über dem Baltikum erreicht die mittlere Ostsee. Der nach
Mitteleuropa gerichtete Höhenrücken wird dabei mehr in die Zange genommen und
schwächt sich etwas ab.
Die Tiefdruckrinne im Bodenfeld füllt sich noch ein wenig auf und ist nur noch
schwer auszumachen. Sie nimmt insgesamt eine etwas meridionalere Ausrichtung an
und erstreckt sich in etwa von Ostfriesland bis nach Tschechien. Die Luftmasse
im Bereich der Rinne stabilisiert zusehends, dabei werden kaum mehr als 100 bis
300 J/kg ML-Cape simuliert. Das konvergente Windfeld bleibt aber erhalten und
auch die PPW-Werte mit 25 bis 35 mm (in einem allerdings nur noch recht schmalen
Bereich) relativ hoch. Somit gibt es im Bereich der Rinne, vor allem auf deren
Rückseite, weitere, teils konvektiv durchsetzte Niederschläge. Mit dem sich über
Süddeutschland allmählich nach Osten vorarbeitenden Bodenhochkeil kann sich die
Staukomponente vor allem am ostbayerischen Alpenrand verstärken. IFS und ICON-EU
simulieren dort 25 bis 40 mm in 12 Stunden (Dauerregen). Auch sonst kann es mit
konvektiven Verstärkungen noch gebietsweise mehrstündigen Starkregen geben, am
ehesten im Stau irgendwelcher Mittelgebirge. Nach Nordwesten zu klingen die
Niederschläge im Rinnenbereich mit zunehmendem Entrainment trockener
Festlandsluft aber mehr und mehr ab.
Während im Nordosten nach wie vor die Sonne scheint, bleibt es im Südwesten, im
Bereich der recht feuchten und zumindest bis etwa 700 bis 600 hPa leicht labil
geschichteten Meeresluft leicht unbeständig mit vereinzeltem Schauern,
vielleicht auch mal einem kurzen Gewitter und nur kurzen sonnigen Abschnitten.
Bei 850 hPa-Temperaturen zwischen 7 und 11 Grad liegen die Höchstwerte meist
zwischen 18 und 24 Grad, mit mehr Sonne werden in der Lausitz bis zu 26 Grad
erreicht, während am Alpenrand grade so die 15 Grad überschritten werden.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich nur wenig an der Gesamtkonstellation. Die
Rinne füllt sich weiter auf und insgesamt stellt sich ein sehr
schwachgradientiges Druckfeld ein, wobei der Bodendruck im Nordosten mit
Annäherung des Höhentiefs etwas fällt. Selbiges macht sich im Laufe der Nacht
auch anhand lockerer hoher oder mittelhoher Wolkenfelder im Ostseeumfeld
bemerkbar.
Ausgehend vom Höhentief mit Drehzentrum über dem Westausgang des Ärmelkanals
weitet sich ein Trog über Frankreich bis zur Schweiz aus, wodurch sich der
dynamische Hebungsantrieb über dem Südwesten und Süden Deutschlands ein wenig
verstärkt. Dort, also an der Südwestflanke der ehemaligen Rinne, gibt es somit
im Laufe der Nacht wieder vermehrt Schauer, vereinzelt auch kurze Gewitter. Im
Rinnenbereich selbst bleibt zwar vielleicht noch ein leicht konvergentes
Windfeld erhalten, allerdings trocknet die Luftmasse mit der Einmischung
kontinentaler Festlandsluft weiter ab, zudem lässt natürlich mit Auffüllen der
Rinne auch der frontale Hebungsantrieb nach, so dass es dort kaum mehr für
Schauer reicht.
Im Norden und Osten verläuft die Nacht dagegen oft gering bewölkt. An den Minima
ändert sich gegenüber der Vornacht nur wenig.

Dienstag ... kommt das Höhentief über der mittleren Ostsee ein klein wenig
Richtung Schweden voran, das Höhentief südlich von England verlagert sich zur
Bretagne. Über dem Vorhersagegebiet bleibt das Druckfeld dabei nach wie vor sehr
schwachgradientig. In den Nordosten können an der Südwestflanke eines mit dem
Höhentief korrespondierenden flachen Bodentiefs über Südschweden von Nordwesten
her zeitweise lockere Wolkenfelder hereindriften, es bleibt aber trocken.
Weiter südwestlich, innerhalb der dort nach wie vor lagernden feuchteren
Luftmasse verläuft der Tag dagegen eher wolkenreich und unbeständig. An der
Ostflanke des in den westlichen Mittelmeerraum reichenden Höhentroges werden
flache kurzwellige Troganteile über Südwestdeutschland hinweg nordwestwärts
geführt und können etwas Hebung generieren. Bei mehreren 100 J/kg ML-Cape (etwas
Einstrahlung vorausgesetzt) und PPW-Werten zwischen 25 und 30 mm können sich
dort im Tagesverlauf erneut Schauer und einzelne Gewitter entwickeln, die - je
nach Modell - vielleicht auch noch auf die mittleren Landesteile übergreifen.
Allzu heftig fallen diese aber nicht aus, bei langsamer Verlagerung kann es
lokal eng begrenzt Starkregen geben, vielleicht ist stellenweise auch
kleinkörniger Hagel möglich und auch die ein oder andere Böe Bft 7 bis 8.
An der Luftmasse ändert sich nur wenig und somit auch an den Temperaturen. Je
nach Sonne bewegen sich die Höchstwerte zwischen 17 Grad bei eher bewölktem
Himmel am Alpenrand und 26 Grad mit Sonne in der Lausitz.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Konstellation der Druck- und Geopotenzialgebilde unterscheidet
sich im Kurzfristzeitraum von Modell zu Modell kaum voneinander. Ansonsten
erübrigt sich aber angesichts der im Detail sehr auseinanderlaufenden
Modellsimulationen vor allem für die kommende Nacht und für den morgigen Sonntag
ein Modellvergleich.
Die Vorabinformation wird für die kommende Nacht sogar noch etwas ausgeweitet,
da Detailprognosen, die konvektive Aktivität betreffend, aktuell für die
kommenden 24 Stunden nicht möglich sind.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff