DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 12.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HF z

Heute einzelne starke Gewitter. Am Samstag Unwetterlage, gebietsweise schwere
Gewitter mit extremem Starkregen, Hagel und Sturmböen. Zum Sonntag übergehend in
teils heftigen Stark- und Dauerregen mit noch einzelnen Gewittern. Auch ganz im
Süden teils heftiger Starkregen, auch nicht-gewittrig nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... reicht eine hochreichende, blockierende Antizyklone vom Seegebiet
zwischen Island und Schottland über Skandinavien bis nach Osteuropa. Im Süden
schließen sich daran Höhentiefs über der Biskaya und dem östlichen Balkan an.
Zwischen diesen beiden Höhentiefs steigt das Geopotenzial über dem östlichen
Mitteleuropa etwas an, sodass sich ausgehend vom zentralen Mittelmeer eine
weitere Potenzialbrücke Richtung Polen ausbilden kann. Die Strömung über
Deutschland dreht somit in der Höhe auf Süd.
Zwischen Tief NADINE unter dem Biskaya-Höhentief und dem mit dem Balkan-Cut-Off
korrespondierenden Tief OCTAVIA verläuft eine Tiefdruckrinne über
Süddeutschland, min deren Bereich bei uns östliche Winde vorherrschen.

Durch starke niedertroposphärische Erwärmung (T850 12-15 Grad, an den Alpen
durch Föhn bis 18 Grad) wird die Luftmasse über Mitteleuropa labilisiert. Zudem
wird von Osten zusehends feuchtere Luft herangeführt.
Allerdings trocknet die Luft durch das Überströmen der Alpen auch ab, was
zunächst mal hochreichende Konvektion hemmt. Das gilt allerdings nicht für den
Nordosten Deutschlands, wo die Bedingungen für hochreichende Konvektion
günstiger werden. Hohe Grundschichtfeuchte (11-14 g/kg spez. Feuchte!) und
Lapse-Rates von 0.6-0,65 K/100m ergeben punktuell bis 1000 J/kg MLCAPE. Dort
können sich nachmittags und abends einzelne, teils kräftige Gewitter bilden. Bei
PPW's bis 40 mm ist Starkregen zu erwarten, der lokal das Unwetterkriterium
reißen kann.
Auch Sturmböen und kleinerer Hagel kann nicht ausgeschlossen werden. Eine
überregionale Unwetterlage gibt es aber nicht. Ansonsten hält sich die
konvektive Aktivität sehr in Grenzen, wenngleich auch ganz im Westen und
Südwesten, wo Frankreich und Benelux nahe sind, einzelne Gewitter ebenfalls
nicht ausgeschlossen sind.
Alles in allem steht aber ein meist wolkenarmer Strahlungstag an, einzig im
Norden halten sich teils dichte Wolken. Die
Temperaturen steigen deutlich an auf verbreitet 25 bis 30 Grad. Kühler bleibt es
mit 20 bis 24 Grad ganz im Norden.
Abseits der Konvektion ist der Wind nur schwach, lediglich an der Ostsee frischt
er mal kräftiger auf aus östlichen Richtungen, ohne warnrelevant zu werden.

In der Nacht zum Samstag ziehen einzelne Gewitter über dem Nordosten Richtung
Ostsee ab, eventuell folgen von Polen her Gewitter nach. Weiter besteht damit
die Möglichkeit von kräftigen Entwicklungen mit Starkregen und Sturmböen.
Auch an der Ostflanke des Höhentiefs über der Biskaya entwickeln sich schon am
Tage über Nordostfrankreich Gewitter, die aufgrund guter Überlappung von Energie
und Dynamik gut organisiert ausfallen (Squall-Lines, eventuell eingebettete
Superzellen). Diese Gewitter könnten den äußersten Südwesten und Westen im Laufe
der Nacht streifen. Da sie aber aus dem Trog und der Dynamik herauslaufen,
schwächen sie sich ab. Markante Begleiterscheinungen sind aber in jedem Fall
noch möglich, WU nicht ausgeschlossen.
Ansonsten verläuft die Nacht ruhig und vor allem in einem Streifen vom Südosten
des Landes bis in die "nördliche Mitte" teils gering bewölkt, wobei sich dann
wieder gebietsweise dichter Nebel bilden kann.


Samstag... verbindet sich die Höhenantizyklone über Nordeuropa mit dem vom
Mittelmeer ausgehenden Rücken, während die Verbindung nach Osten abreißt. Das
korrespondierte Bodenhoch THOMAS liegt mit seinem Schwerpunkt über der mittleren
Ostsee. Das Höhentief zieht mit seinem Drehzentrum von der Biskaya zum
Westausgang des Ärmelkanal. Ein Randtrog zieht ins westliche Mittelmeer, worin
sich schließlich ein Tief abzeichnet nahe dem Golf von Genua. Die Höhenströmung
über Deutschland dreht damit wieder auf Südost zurück.
Zwischen dem sich langsam auffüllenden Tief NADINE nahe Cornwall und dem
osteuropäischen Tiefdruckkomplex OCTAVIA wird die Tiefdruckrinne über
Deutschland etwas nach Norden gedrückt.
Während der Wind im Südwesten und äußersten Westen dabei auf West dreht und eine
etwas stabilere Luftmasse einsickert, ist sonst im Vergleich zum Vortag eine
weitere Labilisierung zu verzeichnen, was vor allem der weiteren Feuchtezunahme
geschuldet ist. In der labilsten Luft über dem Nordosten steigt ML Cape auf 2500
J/kg, während im Südwesten nur wenige hundert J/kg zu finden sind.

Nachdem noch aus der Nacht heraus im Norden einzelne Zellen unterwegs sein
können, bilden sich nach dem vormittäglichen Minimum über dem Norden und der
Mitte rasch wieder neue Gewitter, die bei geringer Scherung rasch verclustern
können und teilweise heftigen Starkregen und größere Hagelansammlungen bringen
können.

Im Westen und Südwesten sind zunächst nur einzelne, vor allem orografisch
getriggerte Gewitter zu erwarten, die aber wahrscheinlich nicht so stark
ausfallen wie im übrigen Land. Zum Abend könnten aus der Schweiz durch PVA auf
der Vorderseite eines über die Alpen schwenkenden Kurzwellentroges allerdings
gewittrige Starkregenfälle (mit Unwetterpotenzial) auf den Südwesten und Süden
übergreifen.

Im unmittelbaren Küstenumfeld bleibt es wahrscheinlich trocken, hier
stabilisiert es durch auflandigen Wind mit einzelnen steifen Böen Bft 7. Bei
Einstrahlung werden nochmal 25 bis 30 Grad erreicht, an der Küste und dort, wo
sich die Sonne kaum durchsetzen kann, bleibt es kühler. Durch die teilweise
hohen Taupunkte ist recht verbreitet mit erhöhter Wärmebelastung zu rechnen.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das Cut-Off-Tief südlich der Alpen zur
Adria, das Höhentief am Westausgang des Ärmelkanals ist fast stationär. Da diese
Tiefs aber in relativer Entfernung zu uns bleiben, wird die Höhenströmung über
Deutschland etwas antizyklonaler. Im Bodenfeld weitet sich das Hochdruckgebiet
THOMAS über dem fennoskandischen Raum etwas nach Osten und Süden aus, während
sich von Frankreich her ein flacher Bodenhochkeil nach Südwestdeutschland
erstreckt. Zwischen beiden Systemen bleibt die quer über Deutschland von
Nordwest nach Südost reichende Tiefdruckrinne quasistationär.
Dort dauert die Gewittertätigkeit auch die Nacht über an und schwächt sich nur
allmählich ab. Weiterhin besteht vor allem aufgrund von Starkregen
Unwetterpotenzial. Im Süden stellt sich an der Nordflanke des Cut-Offs über der
Adria eine Gegenstromlage mit gewisser Staukomponente an den Alpen ein, sodass
das Potenzial für teils gewittrige Starkregenfälle steigt. Im Nordosten kann die
Gewittertätigkeit im Laufe der Nacht abklingen.


Sonntag... ändert sich am Geopotenzialgefüge wenig. Das Höhenhoch liegt über
Südschweden, die beiden Höhentiefs über Irland und der Adria. Der vom Höhenhoch
südwärts gerichtete Keil verstärkt sich noch etwas und schwenkt mit seiner Achse
nach Deutschland. Das Hoch THOMAS verlagert seinen Schwerpunkt nach
Nordwestrussland. Von Tief NADINE über Irland und dem südosteuropäischen
Tiefdruckkomplex bleibt die Tiefdruckrinne über Deutschland erhalten und ändert
ihre Lage wahrscheinlich kaum.
In der Rinne bleibt die extrem feuchte Luftmasse erhalten, allerdings nimmt die
Labilität durch die anhaltende Konvektion ab und kann mangels längerer
Einstrahlung auch nur bedingt wieder regeneriert werden.
Dennoch sollten die schauerartigen Regenfälle im Tagesverlauf wieder gewittrig
werden, sodass Starkregen (bis in den Unwetterbereich) sowohl ein-, als auch
mehrstündig wieder ins Kalkül gezogen werden muss. Da die starken
Einzelentwicklungen wohl eher nicht mehr auftreten, treten auch größerer Hagel
und Sturmböen als Begleiterscheinungen wieder mehr in den Hintergrund.

Ganz im Süden, insbesondere an den Alpen, hält die Gegenstrom- bzw. Staulage an,
sodass es weiterhin anhaltend mit schauerartigen Verstärkungen regnet. Es gibt
aber noch größere Modellunterschiede und Inkonsistenzen. Im Grenzbereich zur
Schweiz und im Allgäu sind bis Sonntagabend laut ICON 50 mm/24h möglich, GFS und
IFS haben teilweise mehr im Programm. Die Probabilistik hat ebenfalls Signale
für große Regenmengen im Programm, Cosmo LEPS bis Unwetter.

Südwestlich der Rinne im Westen und Südwesten bleibt es wolkig, aber
gebietsweise auch trocken und auch ganz im Nordosten und Osten sickert trocknere
Luft ein, sodass dort keine Gewitter mehr auftreten und sich die Sonne zeitweise
durchsetzen kann.
Dort wird es dann auch am wärmsten mit Höchsttemperaturen zwischen 27 und 30
Grad (von der Küste abgesehen), ansonsten ist es schwül warm bei 21 bis 26, im
Dauerregen werden kaum 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag regnet es im Bereich der Tiefdruckrinne vom Südosten bis
in den Nordwesten verbreitet schauerartig und teilweise begleitet von Gewittern.
Weiter besteht die Gefahr von Starkregen bis in den Unwetterbereich. Südwesten
davon ist es zwar bewölkt, es regnet aber nur gelegentlich leicht, im Nordosten
bleibt es trocken.

Modellvergleich und -einschätzung
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Synoptisch-skalig sind die Modellunterschiede gering. Im Detail verbleiben
größere Unsicherheiten, heute betrifft dies beispielweise die Frage nach
eventuellen Gewittern ganz im Westen, ob Streifschuss von Frankreich her oder
nicht. Falls welche dabei sind besteht dort, ebenso wie im Nordosten schon mal
vereinzelt Unwettergefahr. Für den Samstag zeichnet sich eine
Gewitter-Unwetterlage ab. Darin besteht kein Zweifel, die räumliche Ausdehnung
ist dann schon eher unsicher, die Intensität der Begleiterscheinungen sind
Nowcastingsache und auch wenn der Focus auf heftigem Starkregen liegen dürfte,
fallen Sturmböen und Hagel nicht unter den Tisch. Auch am Sonntag geht die
Unwetterlage weiter, dann aber eher mit Stark- und Dauerregen und weniger durch
heftige Gewitter.
Für den Samstag und Sonntag bieten sich Vorabinformationen an. Darüber wird in
der Spätkonferenz am Abend entschieden, die Ausgabe sollte dann zeitnah im
Anschluss erfolgen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner