DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-06-2020 07:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 10.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEz
"Sumpflage" mit Schauern, einzelnen Gewittern (Starkregenpotenzial bis hin zu
Unwetter), kommende Nacht im Süden Starkregen. Zunächst nur mäßig warm, am
Freitag deutlich wärmer und - außer im Nordosten - auch sonniger.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... befindet sich Deutschland im Einflussbereich bzw. an der
Ostnordostflanke eines umfangreichen Höhentrogkomplexes, der sich vom Seegebiet
südlich Islands südwärts bis nach Großbritannien erstreckt und von dort aus nach
Südosten, über Frankreich ins westliche Mittelmeer reicht. Dabei sind zwei
Drehzentren, respektive Höhentiefs auszumachen: Eines verlagert sich von Norden
her bis zum Abend nach Irland, ein weiteres kommt vom Golf von Genua nur wenig
nordostwärts voran. Flankiert wird der Trogkomplex von Höhenrücken über dem
mittleren Nordatlantik und über Osteuropa, von dem ausgehend ein Höhenkeil über
Skandinavien nordwestwärts erstreckt. Dieser weitet sich noch etwas nach
Nordosten aus, woraus sich eine breite und stabile Potenzialbrücke über dem
Nordmeer erstreckt.
Über dem Vorhersagegebiet resultiert daraus eine recht schwache, vor allem über
der Mitte und dem Norden leicht antizyklonal gekrümmte südöstliche Höhenströmung
ergibt.
Noch gradientschwächer gestaltet sich hingegen das Bodendruckfeld, zumindest
über dem Vorhersagegebiet. Von einem sich verstärkenden Hochdruckgebiet über dem
Nordmeer ausgehend reicht ein Keil bis zur Nordsee und nach Südskandinavien,
während sich eine flache Tiefdruckrinne von Osteuropa über den Süden des
Vorhersagegebietes bis zum Süden der Britischen Inseln erstreckt. Daraus ergibt
sich eine schwache ostnordöstliche Bodenströmung (abends 1016 hPa über der
Deutschen Bucht und 1011 hPa über Süddeutschland), mit der weiterhin mäßig warme
Luftmassen ins Vorhersagegebiet gelangen (T850 hPa abends 6 bis 8 Grad). WLA
sorgt vielerorts für mehr oder weniger dichte Wolkenfelder, vor allem aber in
einem Streifen von Tschechien über Sachsen, Thüringen und Ost- bzw. Südbayern
bis in den zentralen Mittelgebirgsraum, wo es auch immer wieder regnet. Dabei
fallen um 5, gebietsweise auch um oder knapp über 10 mm in 12 Stunden.
Weiter im Westen und Südwesten fällt die WLA schwächer aus, der lockern die
Wolken im Tagesverlauf auch zeitweise stärker auf, wodurch die Luftmasse
allerdings etwas labilisiert und sich rasch Quellwolken bilden. Einzelne Schauer
und auch kurze Gewitter können am Nachmittag und Abend die Folge sein (Labilität
reicht bis etwa 550 hPa, dazu werden etwa 100 bis 200 J/kg ML-Cape simuliert);
bei PPW-Werten um 25 mm und nur langsamer Verlagerungsgeschwindigkeit kann
kleinräumig (teils auch ungewittriger) Starkregen auftreten, der - wenns ganz
blöd läuft - stellenweise auch die sehr niedrig angesetzte Unwetter-Warnschwelle
(25 mm in einer Stunde) reißen kann. Sollten die Wolken am Alpenrand auflockern,
können auch dort Gewitter mit ähnlichen Begleiterscheinungen auftreten.
In den Nordosten des Landes gelangt hingegen von Osten her trockene
Festlandsluft, so dass sich dort die Sonne noch am häufigsten zeigen dürfte
(wenngleich sich auch dort die WLA in Form lockerer Wolkenfelder bemerkbar
macht). Der Sonnenscheinverteilung entsprechend gestaltet sich auch das
Temperaturniveau: Im Vogtland werden im Regen kaum 15 Grad erreicht, während es
in Brandenburg bei etwas Sonnenschein mit 22, vielleicht 23 Grad angenehm warm
wird. In den anderen Regionen liegen die Höchstwerte irgendwo dazwischen.

In der Nacht zum Donnerstag füllt sich das Höhentief über Norditalien zwar
allmählich auf, kommt aber auch Richtung Tirol voran, wodurch die Höhenströmung
über Süddeutschland eine zyklonale Krümmung annimmt und aufgrund von PVA
verstärkt dynamische Hebung in Gang gesetzt wird, die durch eine orographische
Komponente noch unterstützt bzw. verstärkt wird. Da die Luftmasse bis in die
mittlere Troposphäre zudem feuchtgesättigt ist, setzen etwa südlich der Donau
schauerartige Regenfälle ein. Dabei können gebietsweise mehr als 30 mm in
wenigen Stunden fallen, wobei die Schwerpunktsregionen aufgrund der noch mit
Unsicherheiten behafteten Höhentiefentwicklung noch nicht im Detail abschätzbar
sind. C-D2-EPS, der C-D2 Hauptlauf und auch GFS simulieren die höchsten Mengen
etwa im Alpenvorland westsüdwestlich von München bis zum Bodensee bzw. Ins
Allgäu, EURO4 etwas weiter östlich, eher am ostbayerischen Alpenrand. Lokal eng
begrenzt können auch unwetterartige Mengen nicht ausgeschlossen werden,
allerdings tauchen in der Probabilistik nur sehr geringe Wahrscheinlichkeiten
dafür auf. Dennoch: Bei PPW-Werten um 25 mm und eventuellen konvektiven
Einlagerungen sollte man die Entwicklung diesbezüglich im Auge behalten.
Im Rest des Landes ändert sich nicht viel. Das Höhentief über Irland verlagert
sich allmählich Richtung Biskaya und die Potenzialbrücke über Skandinavien und
dem Nordmeer verstärkt sich weiter. Somit dreht die Höhenströmung über dem
Vorhersagegebiet mehr auf Ost bis Südost. Der Schwerpunkt der WLA verschiebt
sich etwas nach Norden, wodurch die Wolken auch im Nordosten dichter werden und
die (leichten) Niederschläge nach Nordwesten vorankommen. Im Westen und
Südwesten klingen eventuelle Schauer bzw. Gewitter rasch ab und die Wolken
können auch mal auflockern, wodurch sich hier und da Nebel bildet. Mit Minima um
6/7 Grad kühlt es im westlichen Bergland am stärksten ab, während es mit 13 Grad
im Nordosten und Norden recht mild bleibt.

Donnerstag... füllt sich das "östliche" Höhentief über dem zentralen Alpenraum
endgültig auf. Übrig bleibt ein vom sich verstärkenden Höhentief über der
Biskaya über den Alpenraum hinweg bis zum Balkan reichender Höhentrog. Bereits
in den Frühstunden bzw. am Vormittag lassen die Hebungsprozesse über
Süddeutschland somit deutlich nach, so dass die Regenfälle im Alpenvorland an
Intensität verlieren.
Die Potenzialbrücke über Skandinavien und dem Nordmeer verstärkt sich weiter,
wodurch im Bodenfeld eine kräftige, vom mittleren Nordatlantik bis nach
Nordskandinavien reichende Hochdruckzone gestützt wird. An deren Südflanke
herrschen über Mitteleuropa nach wie vor äußerst schwache Luftdruckgegensätze.
Bei genauerem Hinschauen ist aber eine flache, zonal ausgerichtete
Tiefdruckrinne über Süddeutschland auszumachen. Da die Strömung in der unteren
Troposphäre allmählich von Nordost eher auf östliche Richtungen dreht, gelangen
etwas wärmere Luftmassen ins Vorhersagegebiet; die Temperatur in 850 hPa steigt
bis zum Abend auf Werte zwischen 8 Grad im Westen und 11 Grad in der Osthälfte.
Dabei wird die Luftmasse vor allem im Südosten und Süden zunehmend instabil; bei
PPW-Werten zwischen 20 und 25 mm werden am Nachmittag gebietsweise mehr als 500
J/kg ML-Cape simuliert. Zwar ist kein nennenswerter dynamischer Hebungsantrieb
vorhanden, dennoch dürfte es mit orographischer Unterstützung bei nur wenig
Deckelung gebietsweise zur Auslöse reichen. Die meist vom Bergland ausgehenden
vereinzelten Gewitter werden von Starkregen und kleinkörnigem Hagel begleitet.
Während Wind (Bft 7 bis 8) wohl nur eine eher untergeordnete Rolle spielt, kann
bzgl. Starkregen aufgrund langsamer Zuggeschwindigkeit auch Unwetter nicht
ausgeschlossen werden.
Aus aktueller Modellsicht lassen sich die Gewitter nur schwer regionalisieren,
auch, wie weit die Labilität nach Norden reicht, ist aktuell noch nicht im
Detail abschätzbar. Nach Lesart des C-D2 könnte auch schon das Erzgebirge
betroffen sein, nach SuperHD dagegen hauptsächlich Bayern, vielleicht noch
Nord-BaWü und Südhessen. GFS simuliert sogar über der "breiten" Mitte
Deutschlands verbreitet Schauer und Gewitter, die aber wohl auch zum Teil dem
Feuchtebias des Modells geschuldet sind.
Wie auch immer, von einer verbreiteten Gewittertätigkeit ist wohl nicht
auszugehen, vielerorts bleibt es in Süddeutschland auch trocken.
Im Norden und Nordosten Deutschlands dominiert weiterhin WLA in Form oft recht
dichter Wolkenfelder, aus denen es hier und da etwas regnet, am ehesten wohl im
Nordseeumfeld, wobei es auch diesbezüglich noch gewisse Modelldifferenzen gibt.
Die Mengen bleiben aber gering.
Die Sonne zeigt sich am häufigsten wohl im Westen und Süden (Alpenvorland).
Insgesamt wird es bereits etwas wärmer mit Höchstwerten zwischen 17 Grad unter
den oft dichten Wolken im Norden und Nordosten und 24 Grad mit Sonne im Westen
und Süden.

In der Nacht zum Freitag ändert sich an der großräumigen Konstellation nur
wenig. Das Höhentief über der Biskaya weitet sich etwas nach Norden bzw.
Nordosten aus, so dass die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet wieder mehr
auf Südost dreht und die Zone der stärksten WLA über Norddeutschland allmählich
nach Norden abgedrängt wird. Entsprechend lassen die leichten Niederschläge dort
zwar nach, es bleibt aber meist stark bewölkt.
In der Südhälfte klingen die Schauer und Gewitter dagegen ab und die Wolken
lockern auf, teilweise klart es auf, dann kann sich stellenweise Nebel bilden.
Mit Minima zwischen 11 und 7 Grad verläuft die Nacht dort relativ frisch,
während es im Norden und in der Mitte mit 14 bis 10 Grad recht mild bleibt.

Freitag... dreht die Höhenströmung an der Nordostflanke des Höhentiefs in 500
und 300 hPa mehr auf Südsüdost, in 700 hPa auf Südost. Damit verstärkt sich auch
die WLA und mit föhniger Unterstützung steigt die 850 hPa-Temperatur deutlich
auf Werte zwischen 17 Grad im Alpenvorland und 12 Grad im Nordwesten. Durch die
föhnige Überströmung der Alpen, aber auch aufgrund der Advektion trockener
Luftmasse von Südosten her nimmt die Neigung zu Schauern und Gewittern trotz
zunehmender Labilisierung gegenüber dem Vortag eher noch etwas ab.
Die Tiefdruckrinne über Süddeutschland kommt etwas nach Norden voran und an
deren Nordflanke besteht in den mittleren Landesteilen (ob eher im Westen oder
im Osten, ist noch unklar) im Bereich eines sich eventuell etablierenden
konvergenten Windfeldes (und der sich dadurch verstärkenden
Feuchteflusskonvergenz) noch die höchste Gewitterwahrscheinlichkeit.
Vorderseitig eines sich von Tschechien allmählich nordwärts verlagernden flachen
Randtroges können eventuell auch von Polen her Gewitter zum Abend hin auf die
Osthälfte Deutschlands übergreifen. In diesen Regionen werden etwa 400 bis 800
J/kg ML-Cape simuliert bei langsam auf über 25 mm, im äußersten Osten abends auf
über 30 mm steigenden PPW-Werten. Somit stehen als Begleiterscheinungen
hauptsächlich Starkregen und kleinkörniger Hagel auf der Agenda, bzgl.
Starkregens kann es aufgrund geringer Zuggeschwindigkeit auch für Unwetter
reichen. Insgesamt ist aber - ähnlich wie am Vortag bzw. vielleicht mit noch
geringerer Wahrscheinlichkeit - nur von vereinzelten Entwicklungen auszugehen.
Während die im Norden anfangs noch dichte WLA-Bewölkung nur sehr zögernd nach
Nordosten abgedrängt wird, setzt sich sonst von Südwesten her vielerorts die
Sonne durch. Dadurch macht auch die Temperatur regelrecht einen Satz nach oben,
was in Höchstwerten zwischen 24 und 29 Grad mündet. Unter den noch längere Zeit
dichten Wolkenfeldern im Norden/Nordosten wird es mit 19 bis 24 Grad nicht ganz
so warm.

In der Nacht zum Samstag kommt das Höhentief allmählich zur Bretagne voran,
wodurch sich die südliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet noch etwas
verstärkt. Ein erster kurzwelliger Randtrog greift auf Ostfrankreich bzw.
Belgien über, auf dessen Vorderseite kommt auch über Westdeutschland aufgrund
von PVA dynamische Hebung in Gang.
Zunächst aber dürften sich eventuelle Gewitter über den mittleren Landesteilen
im Tagesgang allmählich auflösen. Die Gewitter über dem äußersten Osten des
Landes ziehen nordostwärts ab, vor allem GFS simuliert aber noch bis weit in die
zweite Nachthälfte hinein konvektive Niederschläge im Nordosten und Norden.
Ansonsten ist es teilweise gering bewölkt, vor allem im Südosten, und
gebietsweise bildet sich Nebel.
Im Westen werden die Wolken dagegen wieder dichter, gefolgt von schauerartigen,
teilweise mit Gewittern durchsetzten Regenfällen, die dem weiter oben erwähnten
Randtrog geschuldet sind. Eventuell geschieht das aber auch in Form eines MCS,
der sich von Frankreich her dorthin verlagert. Dann sind Starkregenfälle mit
Unwetterpotenzial nicht ausgeschlossen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der grobe Fahrplan steht und alle vorliegenden Modellen weichen dabei auch kaum
voneinander ab. Wie dem Text aber bereits zu entnehmen ist, bestehen im Detail
aber durchaus noch Unterschiede, in erster Linie, was die räumliche Verteilung
und Intensität der Niederschläge angeht. Aufgrund der geringen
Zuggeschwindigkeit besteht bei auftretenden Gewittern grundsätzlich ein erhöhtes
Starkregenpotenzial, auch bis in den Unwetterbereich, wenngleich die richtigen
"Wasserbomben" wohl noch nicht auf der Agenda stehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff