DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEz (Nordost zyklonal)

Gradientschwache Dödellage mit teils stratiformen, teils konvektiven
Niederschlägen, aber auch sonnigen und trockenen Arealen. Dabei nicht gerade
sommerlich warm, z.T. sogar recht kühl.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Montag... findet sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen
Höhentrogs wieder, der sich mit leicht positiv geneigter Achse vom Nordpolarmeer
und Skandinavien bis hinunter nach Südwesteuropa respektive Marokko erstreckt.
Eingemauert ist der Trog von einem Höhenrücken über dem nahen Ostatlantik und
einem weiteren über Osteuropa - eine Zwickmühle, dessen blockierende Wirkung den
Handlungsspielraum des Troges arg einengt. Statt sich seinen Weg nach Osten zu
bahnen, wie sonst üblich, verkürzt er seine Wellenlänge, um am Ende des Tages
über Südfrankreich schlussendlich abzutropfen. Der Vorhersageraum verbleibt also
auf der Vorderseite unter einer nicht allzu dynamischen süd-südwestlichen
Höhenströmung, die in den nächsten Stunden noch etwas aufsteilt.
Während also in der mittleren und oberen Troposphäre eine südliche
Windkomponente vorherrscht, sie die Sache im unteren Troposphärenniveau ganz
anders aus. Dort ist eine ordentliche Portion "Weichspüler" zum Einsatz
gekommen, sprich der Druckgradient wurde derart aufgeweicht, dass der Wind
zumindest in Bodennähe fast zur Bedeutungslosigkeit degradiert wurde. Ein
bisschen Wind ist aber doch da, vor allem wenn man vom 10m-Niveau nach oben bis
etwa 700 hPa schaut. Während im Süden auf der Nordseite eines flachen Tiefs über
Italien und Umgebung (MELINA) eine östliche Strömung generiert wird, überwiegt
im Norden die nordwestliche bis nördliche Komponente. Letztere ist das Resultat
eines Hochkeils, der ausgehend von einem Monunmentalhoch über dem mittleren
Nordatlantik (THOMAS) bis zum Europäischen Nordmeer reicht und aus dem
vergleichsweise kühle Meeresluft polaren Ursprungs ausfließt (T850 3 bis 6°C am
Nachmittag). Überhaupt muss man konstatieren, dass der Start der neuen Woche
alles andere als warm erfolgt, angesichts verbreitet auftretender
Frühtemperaturen im einstelligen Bereich kann man im wahrsten Sinne des Wortes
von einem Kaltstart sprechen.
Doch zurück noch mal zu den Strömungsbedingungen, die im Süden zum Aufbau einer
Gegenstromlage mit einsetzender WLA führen. Bereits jetzt lässt sich ein
Überangebot an stratiformer Bewölkung detektieren und von Österreich her greifen
erste Regenfälle auf den Süden Bayerns über, die sich bis zum Abend noch etwas
nach Nord-Nordost vorarbeiten. Die 12-stündige Ausbeute dürfte meist unter 5
l/qm liegen, wobei Unterfranken sowie Teile Oberfrankens und Oberschwabens
weitgehend ausgespart bleiben.
Vom Süden in die westlichen Landesteile, wo man der Trogachse am nächsten und
entsprechend etwas Höhenkaltluft vorhanden ist. Okay, angesichts
500-hPa-Temperaturen knapp unter -20°C schreckt man nicht gerade von seinem
frühmorgendlich eingenommenen Schemel auf, trotzdem reicht es, um etwas
Labilität zu generieren, was auch gut an den Lapse-Rates im Konvektionsfavoriten
ablesbar ist (zwischen -0,6 und 0,65 K/100 m). Betrachtet man die
00-UTC-Aufsteige der vergangenen Nacht, so findet man in Essen und dem SC
Idar-Oberstein eine Inversion bei 700 hPa, im Norderney-Profil liegt sie sogar
bei 750 hPa - ausreichend vielleicht für ein paar schlappe Schauer, die heute
früh im Grenzbereich zu den Niederlanden auch tatsächlich schon am Start sind,
aber sonst? Bedingt durch zwar schwache, aber existente trogvorderseitige Hebung
wird die Inversion im Tagesverlauf kontinuierlich angehoben auf 650 bis 600 hPa,
z.T. wird sie sogar vollständig eliminiert (zumindest will das die Numerik so).
Kurzum, es werden sich vermehrt Schauer und vielleicht sogar kurze Gewitter
entwickeln, auch wenn aufgrund reduzierter Einstrahlung nicht allzu viel ML-CAPE
generiert wird. Sollte es doch mal rumsen, dürfte es sich um "gelbe" Gewitter
handeln, lediglich im worst case könnte es bei PPWs zwischen 15 und 20 mm und
pomadiger Zellbewegung für Starkregen um 15 l/qm innert kurzer Zeit reichen.
Bliebe zum Schluss noch ein Streifen zu würdigen, der zwischen der Schauerzone
im W/NW und dem stratiformen Gedöns im Süden liegt. Dieser reicht vom Südwesten
bis in den Nordosten und ist geprägt durch kompensatorisches Absinken. Im
Klartext bedeutet das unterschiedliche Bewölkung bei nur geringer bis gar nicht
vorhandener Schauerneigung und vor allem im Osten und Nordosten incl. SH längere
sonnige Abschnitte. In dem Streifen wird es mit 18 bis 22°C auch am wärmsten,
während sonst meist 16 bis 19°C, im südostbayerischen Regen z.T. keine 15°C auf
der Karte stehen.

In der Nacht zum Dienstag forciert besagter Abtropfprozess über Frankreich die
Hebungsprozesse im Süden des Landes. Folglich verstärken sich die Regenfälle
etwas, vor allem aber breiten sie sich nach Westen bis in Teile BWs aus, während
ihrer Dilatation nach Norden Grenzen gesetzt sind. Zwar divergieren die Modelle
nach wie vor, es dürfte aber schwer werden, die Mainlinie zu erreichen.
Im Westen und Nordwesten lässt der Tagesgang die Konvektion erlahmen, es bleiben
aber noch einige Restwolken übrig. Dort, wo es mal für längere Zeit aufklart,
können sich ein paar Nebelfelder bilden, was auch für die Mitte gilt, für den
"Nebel des Grauens" wird´s aber kaum reichen.

Dienstag... steuert das Cut-Off-Tief mit Zone-30-Tempo den
französisch-italienischen Grenzbereich bzw. das Ligurische Meer an. Derweil
verkümmert das nördliche Trogresiduum über der Nordsee mehr oder weniger und von
Osten her sorgt ein sich nach Westen vorschiebender Keil für Potenzialanstieg.
Die Achse des Keils verläuft zonal exponiert genau über die Mitte des
Vorhersageraums. Im Bodendruckfeld tut sich herzlich wenig bis nix, zwischen
hohem Luftdruck west- bzw. nordwestlich und tiefem Druck süd-südöstlich von uns
stellt sich eine schwache Nord- bis Nordostströmung ein, die den Wind in sehr
ruhigem Fahrwasser hält.
Dagegen gestaltet sich das Wetter durchaus interessant. Südlich der Keilachse
sorgen Gegenstrom und WLA weiterhin für stratiformen Regen, der schwerpunktmäßig
die beiden südlichen Bundesländer traktiert, an seinem Nordrand aber auch bis in
die südliche Mitte ausgreifen kann (mit Nadelstichen, nicht dauerhaft). In
Bayern und BW fallen gebietsweise 5-10 l/qm/12 h, hier und da vielleicht auch
bis zu 15 l/qm. Nördlich des Regengebiets schließt sich - fast fließend kann man
sagen - ein Korridor an, der von der westlichen Mitte bis nach Norddeutschland
reicht und in dem die Luftmasse bis etwa 600 hPa noch indifferent bis leicht
labil geschichtet ist. Allerdings nehmen die Lapse-Rates gegenüber heute ab (nur
noch -5,5 bis 6,0 K/100 m), so dass bei geringem CAPE zwar Schauer auftreten,
während es für Gewitter nicht mehr reichen sollte. Im äußersten Osten und
Nordosten (Oberlausitz bis Vorpommern) sowie im Nordwesten (FC-Kölner Bucht bis
Nordsee) bleibt es im Großen und Ganzen trocken, was vor allem den stabileren
Schichtungsverhältnissen, im Falle Nordwestdeutschlands aber auch der Advektion
trockenerer Luftmassen geschuldet ist. Den meisten Sonnenschein dürfte es morgen
in Vorpommern zu erhaschen geben, aber auch zwischen Niederlausitz und
Mecklenburg bzw. schleswig-holsteinischer Ostseeküste sowie rund um die Deutsche
Bucht sieht es diesbezüglich gar nicht mal so schlecht aus. Temperaturmäßig
bleibt die Verteilung ungerecht: im Osten mit Sonne bis zu 23°C, im Süden bei
andauerndem Landregen z.T. keine 15°C.

In der Nacht zum Mittwoch passiert im Druck- und Potenzialfeld herzlich wenig.
Die stratiformen Regenfälle aus dem Süden verlagern sich über die Mitte hinweg
etwas nach Norden, wobei die Modelle bereits in diesem frühen Stadium (in der
Mittelfrist wird es noch schlimmer) an ihre Grenzen stoßen was die genaue
räumliche Ausdehnung, aber auch die Intensität der Niederschläge angeht. ICON
z.B. agiert sehr progressiv, indem es den regen bis in die südlichen Teile der
Norddeutschen Tiefebene vorankommen lässt. Unterstützung gibt es von EURO4,
während IFS und GFS zurückhaltender sind. Auch die Schwerpunkte werden jeweils
anders gesetzt, eine Dauerregenwarnung (evtl. auch über 24 oder mehr Stunden)
drängt sich derzeit aber nicht auf.

Mittwoch... betritt, als würde eins nicht schon reichen, ein weiteres Höhentief
die europäische Bühne. Man findet es bereits heute mit korrespondierendem
Bodentief über der Irminger See, von wo aus es mit Zwischenlandung in Reykjavik
UK/Irland ansteuert. Uns verschont das Tief aber (noch?), die von ihm
ausgehenden Hebungsprozesse verbleiben weiter westlich. Während im Westen also
"frisches Blut" für neue Impulse sorgt, kommt unser bereits bekanntes Höhenei
südlich der Alpen etwas in die "Jahre". Mit anderen Worten, das Tief füllt sich
etwas auf und zieht dabei vom Ligurischen Meer via Italien gen nördliche Adria.
Auf seiner Nordostflanke wird zunehmend eine südöstliche Höhenströmung
initiiert, die den o.e. Höhenkeil nach Norden rausdrückt.
Im Bodendruckfeld tut sich weiterhin wenig. Zwischen einem Keil über der Nordsee
(um 1015 hPa) - es handelt sich um den Ausläufer eines mittlerweile östlich von
Island auf den Plan getretenen eigenständigen Hochdruckgebiets - und relativ
(die Unterschiede sind gering) tiefem Luftdruck ost- und südlich von uns (um
1010 hPa) weht ein schwacher Wind um Nord respektive Nordost. Weit interessanter
gestaltet sich das Wetter, das für Süddeutschland, nun aber auch für große Teile
der Mitte ein Überangebot an Bewölkung parat hält, aus der es schauerartig,
gebietsweise aber auch für längere Zeit regnet. Darüber hinaus verdichten sich
die Anzeichen gleich bei mehreren Modellen, dass auch der Nordwesten des
Vorhersageraums immer anfälliger für zumindest leichte Regenfälle wird. Wo es
schlussendlich am meisten regnet, ist Stand heute schwer zu beantworten. Wie so
häufig bei gradientschwachen Bedingungen ohne klare Strukturen bereitet es der
Numerik großes Kopfzerbrechen, eine konsistente und im Modellvergleich
kongrunete Niederschlagsprognose auf´s Tableau zu bringen. Zwei Dinge zeichnen
sich aber sehr wohl ab. Zum einen bleibt es im Nordosten zumindest tagsüber
trocken mit sonnigen Abschnitten vor allem zu Ostsee hin. Zum anderen findet aus
den Alpen heraus etwas labilere Luft den Weg in den äußersten Süden, was dort
die konvektive Komponente bis hin zu Gewittern wieder mehr in den Fokus rücken
lässt. Für Details ist es aber noch zu früh.
Während im Norden und Osten Höchstwerte von 18 bis 23°C erwartet werden dürfen,
sind es im Rest des Landes nur 13 bis 19°C.

Noch ein kurzer Ausblick in die Nacht zum Donnerstag, wo ICON mit einer
interessanten Variante aufwartet. Demnach schwenkt von Tschechien und Polen her
ein besonders in unteren Troposphärenschichten (z.B. 850 und 700 hPa) gut zu
erkennender Randtrog in den Osten, der dort insbesondere in Brandenburg
kräftigeren Regen und vielleicht sogar Gewitter produziert. Immerhin findet man
dieses Szenario etwas abgeschwächt auch bei IFS. Mal sehen, was das Ganze wert
ist.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Während die Basisfelder wie Potenzial und Luftdruck, aber auch Temperatur
vergleichsweise kongruent simuliert werden, tun sich beim Niederschlag mehr oder
weniger große Diskrepanzen auf. Diese wurden im Text weitgehend angesprochen,
wenn auch nicht - was wünschenswert wäre - prognoserelevant getilgt. Was die
Starkregengefahr heutiger potenzieller Gewitter angeht, zeigt COSMO-D2-EPS die
höchsten Wahrscheinlichkeiten (allerdings unter 20%) für Eifel, Westerwald und
Rothaargebirge an.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann