DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 060800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 06.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: schwierig, heute ein wenig Wz (West zyklonal), ab morgen dann vorübergehend
TrW (Trog Westeuropa)

Doppeltief sorgt für unbeständiges Wochenende mit stratiformen und skaligen
Regenfällen, einzelnen Gewittern und zeitweilig auffrischendem Wind.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... steht eindeutig im Zeichen des "Doppelten Lottchens", die im
richtigen Leben JULIANE und LINDA heißen. Häää? Nun, gemeint ist ein sogenanntes
Doppeltief oder auch zyklonaler Dipol über der Nordsee respektive
Südskandinavien. Es besteht zum einen aus einem hochreichenden Tief über der
westlichen Nordsee (JULIANE), das sich bis Sonntagfrüh ganz allmählich vor die
deutsche Nordseeküste vorrobbt. Den zweiten Part übernimmt LINDA, die den
Samstagmorgen über dem Kattegat bzw. Südschweden verbringt und mit einem
Randtrog ihrer kongenialen Partnerin JULIANE korreliert. Dieser tropft in den
nächsten Stunden ab und zieht zusammen mit "Boden-LINDA" allmählich
nord-nordwestwärts. Mit anderen Worten, das gesamte System dreht sich gegen den
Uhrzeigersinn, so dass die gesamte Trogkonfiguration (eine solche bilden die
beiden Höhentiefs nämlich ab) von einer zonalen in eine mehr meridionale
Exposition wechselt. Das wiederum hat zur Folge, dass die südwestliche
Höhenströmung bis morgen früh kontinuierlich aufsteilt auf Süd-Südwest.
Warum ist das wichtig? Es bewirkt, dass die derzeit über der südlichen Mitte
befindliche und zur Wellenbildung neigende Luftmassengrenze nur extrem
schleppend nach Südosten vorankommt, weil es schlichtweg an Vortrieb sprich
frontsenkrechter Strömungskomponente fehlt. Die Luftmassengrenze trennt mäßig
warme und auch nur mäßig labile Subtropikluft im äußersten Süden und Südosten
des Landes von erwärmter maritimer Polarluft sonst. Vor allem in Oberbayern
reicht es in 850 hPa heute noch mal für untere zweistellige Temperaturwerte,
während im Nordwesten gerade mal 1°C auf der virtuellen Anzeige erscheinen.
Wettertechnisch verspricht diese Konstellation bezogen auf das ganze Land einen
regelrechten Gemischtwarenladen, dessen Ingredienzien es im Folgenden
aufzudröseln gilt. Fangen wir mit der postfrontalen Nordwesthälfte an, zu der
wir noch Teile der Mitte hinzunehmen. Hier sorgen der Tagesgang in Verbindung
mit kurzen Wellen (die sich sowohl als KW-Tröge in der Höhe als auch in Form
eines Bodentrogs widerspiegeln) nach einem nicht selten sonnigen Start für
klassisch wechselhaften Wettercharakter mit unterschiedlicher Bewölkung,
garniert mit von Westen einsetzenden Schauern und kurzen (Graupel)Gewittern. Die
Ergiebigkeit der Konvektion in Bezug auf Niederschlag sollte sich angesichts der
vergleichsweise trockenen Luftmasse (PPWs gerade mal um 15 mm, teils auch
darunter) sowie der Mobilität der Zellen in Grenzen halten, sprich, Starkregen
ist eher unwahrscheinlich. Da sollte man eher auf den Wind achten, der allein
schon aus dem durchaus vorhandenen Gradienten die eine oder Böe der Stärke 6-7
Bft, an der Küste sogar 8 Bft aus Südwesten mit sich bringt. In Schauern und
Gewittern, wo die Durchmischung am besten gewährleistet ist, ist bei Oberwinden
bis 35 Kt in 850 hPa vermehrt mit Böen 7-8 Bft zu rechnen, weswegen bis weit ins
nord- und westdeutsche Binnenland rein eine Windwarnung ratsam erscheint. Bei
etwas kräftigeren Entwicklungen (die Scherungsbedingungen für organisierte
Konvektion sind gar nicht mal so schleicht) ist aus eine glatte "Neun" nicht
auszuschließen (Sturmböe 9 Bft), die zudem auch an der See sowie in exponierten
Hochlagen des Berglands möglich ist. Im Hochschwarzwald, vor allem auf dem
Feldberg, reicht es anfangs gar für schwere Sturmböen 10 Bft.
Zurück noch mal zur Konvektion, die bereits am Nachmittag mit Abzug der Wellen
und einsetzender Stabilisierung von Westen her nachlässt, was auch für den Wind
gilt.
Kommen wir zur Luftmassengrenze respektive Front, die Anacharakter aufweist,
weshalb der frontale Regen weitgehend auf der kalten Seite fällt. Es handelt
sich um schauerartig verstärkten Dauerregen, der sich von den mittleren
Landesteilen nur sehr zögerlich nach Süden vorarbeitet. Insgesamt hält sich die
Intensität der Regenfälle in Grenzen, mehr als 5 mm innert 12 h werden lediglich
in einigen Staulagen erreicht, insbesondere im Nordschwarzwald, wo ja eine
Dauerregenwarnung läuft. Da die Front etwas nördlicher ansetzt als gestern noch
angenommen, könnte es für den Südschwarzwald hingegen schwer werden, die
abgewarnten Mengen zu erreichen. Der südwestliche Wind frischt im Südwesten,
teils auch im Alpenvorland vorübergehend auf mit Spitzen bis 7 Bft in den
Niederungen, in den Hochlagen entsprechend darüber (siehe oben).
Bleibe am Ende noch der präfrontale Süden bzw. Südosten, in dem bei einer
derartigen Konstellation an "guten Tage" durchaus was gehen könnte - konvektiv
betrachtet. Ob das heute auch so sein wird, ist allerdings mehr als fraglich.
Ein jetzt schon weitgehend bedeckter Himmel (mit Aussicht, dass das auch so
bleibt) dürfte die Rolle des Spielverderbers spielen, indem der zur
Labilisierung und ML-CAPE-Bildung erforderliche Energieinput ausbleibt bzw. nur
arg limitiert abläuft. Kurzum, die Gewitterwahrscheinlichkeit hält sich in
Grenzen, am ehesten könnten sich einzelne Überentwicklungen am Alpenrand bilden,
was von einigen hochaufgelösten Modellen auch gezeigt. Denkbar wäre auch ein
Überschwappen alpiner Konvektion von unseren österreichischen Nachbarn, wo die
Rahmenbedingungen für die Entstehung von Gewittern etwas besser sind als auf
deutscher Seite. Auf alle Fälle ist die gestern noch ins Spiel gebrachte
Unwettergefahr zurückgegangen, der Rest ist ohnehin Nowcast.
Temperaturmäßig wird am heutigen 30. Spieltag der Fußball-Geisterliga mit
Fünferabwehrkette agiert, sprich, die 20°C-Marke wird allenfalls in Oberbayern
geknackt. Sonst stehen lediglich 13 bis 18°C auf der Karte.

Am Abend und in der Nacht zum Sonntag beruhigt sich die Lage vielerorts, was
sowohl die Konvektion als auch den Wind betrifft. Im Süden und Südosten regnet
es frontal gemütlich weiter, wobei das Regenband aus den weiter oben genannten
Gründen etwas aufsteilt. Der Hauptanteil fällt vom Hochrhein und dem Bodensee
über das Allgäu und Oberschwaben bis nach Franken, vielleicht auch noch bis nach
Südthüringen und zum Erzgebirge. Im Süden sind dabei Mengen um 10 mm/12 h
möglich. Ob der Regen bis in den Südosten Oberbayerns vorankommt, ist angesichts
des weiterhin stark schleifenden Charakters der Front fraglich.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Bewölkung zum Teil auflockert,
insbesondere in der Mitte sowie im Osten und Nordosten. Nach Nordwesten hin
macht sich hingegen die Annäherung von JULIANE - wir erinnern uns, der westliche
Part des doppelten Lottchens -, die laut deutscher Modellkette in den
Frühstunden vor den Ostfriesischen Inseln auftaucht. Neben Bewölkung bringt
JULIANE auch ein paar Schauer über und an der Nordsee zustande (immerhin -24°C
in 500 hPa über +2°C in 850 hPa), wenn´s dumm läuft vielleicht sogar ein kurzes
Gewitter. Darüber hinaus frischt der vorübergehend auf Süd rückdrehende Wind
über der Deutschen Bucht sowie im Nordseeumfeld (ob in diesem Fall auch das
Emsland dazugehört, ist noch nicht sicher) auf mit Böen 7-8 Bft.

Sonntag... verlagert sich das Höhentief von der Nordsee über Jütland hinweg in
Richtung Südschweden, was unter allmählichem Auffüllen auch für das
korrespondierende Bodentief gilt. Der nach Südwesten bis zur Biscaya
zurückhängende Höhentrog verbleibt westlich von uns, so dass auch die
süd-südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersageraum konserviert wird. Sie
weist einen stark konfluenten Charakter auf und fächert im Tagesverlauf mehr und
mehr auf, was summa summarum auf wenig dynamische Unterstützung hindeutet.
Dass wir trotzdem auch am Sonntag "Wetter" haben werden, verdanken wir zum einen
der weiterhin über Süddeutschland schleifenden Front sowie einer sich
aufbauenden Gegenstromlage "light version". Leichter Druckanstieg lässt
postfrontal einen kleinen, bis in die Südhälfte reichenden Hochkeil entstehen,
aus dem im Südosten ein bis etwa 750/700 hPa reichender Nordwestwind resultiert,
während darüber Süd- oder Südwestwind am Start ist. Diese Konstellation reicht
aus, um vom Hochrhein und dem Bodensee sowie dem Alpenrand bis hoch nach
Oberfranken sowie dem Erzgebirge (eher Südrand) einen gemütlichen Landregen zu
induzieren, der im Tagesverlauf lediglich in den westlichen Teilen allmählich
nachlässt bzw. ganz aufgibt. Für das Allgäu sowie das Werdenfelser Land liegen
schwache Signale vor, dass die Schwelle von 25 mm innert 12 h knapp
überschritten, trotzdem drängt sich eine Dauerregenwarnung aus jetziger Sicht
nicht unbedingt auf. Mal sehen, was die Folgeläufe noch so anzubieten haben. Der
äußerste SO Oberbayerns sowie der äußerste O Niederbayerns bleiben zunächst noch
im präfrontalen Bereich, in dem sich einzelne Schauer, mit ganz geringer
Wahrscheinlichkeit sogar ein Gewitter entwickeln können.
Wetterzone numero zwo befindet sich im Norden und Nordwesten in der Peripherie
des Bodentiefs bzw. unter dem positiv geneigten Höhentrog, der mit moderater
Höhenkaltluft gefüllt ist (T500 um -25°C, T850 um +3°C). Die Labilität reicht
aus, um mit diabatischer Hilfe (Energieinput durch den Tagesgang) Schauer und
kurze (Graupel)Gewitter zu generieren, die ähnlich wie heute mit Böen 7-8 Bft
einhergehen. Darüber hinaus frischt der von Süd auf westliche Richtungen
drehende Wind insbesondere an der Küste sowie vom westlichen Niedersachsen bis
nach Mecklenburg auch ohne Konvektion vorübergehend soweit auf, dass die eine
oder andere Böe der Stärke 7-8 Bft ins Kalkül zu ziehen ist.
Fehlt schlussendlich noch ein breiter, von Südwesten bis in den Nordosten
reichender Streifen zwischen den beiden "Wettergebieten", in dem das
berühmt-berüchtigte kompensatorische Absinken greift. Unterhalb der mit 600 bis
650 hPa ziemlich hoch liegenden Inversion werden sich zwar mehr oder weniger
dichte Wolken bilden (die meiste Sonne steht dem Nordosten ins Haus), für
Schauer reicht es in der abgetrockneten maritimen Luftmasse aber kaum. Apropos
Nordosten, dort wird es mit knapp über 20°C am wärmsten (BB, Vorpommern),
während es im süddeutschen Dauerregen z.T. nur für maue 12/13°C reicht.

In der Nacht zum Montag schwenkt der nördliche Teil des Höhentrogs
ost-nordostwärts durch, während der südliche Part knapp westlich des
Vorhersageraums verbleibt. Am Boden setzt sich der leichte Druckanstieg fort,
was zu einer Ausdehnung des Hochkeils nach Norden führt. Im Süden und Osten
Bayerns kommt es zunächst noch zu weiteren stratiformen Regenfällen, die sich
nur langsam südostwärts verlagern. Gebietsweise kommen noch mal um 5 mm
zusammen. Ansonsten besteht nur im äußersten Westen und Nordwesten eine geringe
Schauerneigung. Im größten Teil des Landes bleibt es trocken, nicht selten
gering bewölkt bis klar, wobei sich das eine oder andere Nebelfeld bildet.


Montag... kommt der Trog mit infinitesimalen Schritten und unter Verkürzung
seiner Wellenlänge immer dichter an Deutschland heran, wobei sich über
Frankreich eine Abtropfung abzeichnet. In der Höhe resultiert daraus eine
schwache südliche Strömung, wohingegen am Boden bei sehr gradientschwachen,
leicht antizyklonal anmutenden Bedingungen das Festlegen von Windvektoren eher
schwierig ist. Grundsätzlich zeichnet sich aber eine nördliche bis östliche
Strömung ab.
Unter dem Strich ergeben sich einmal mehr drei Wetterzonen: im Südosten Bayerns
bis in die Lausitz starke bis geschlossene Bewölkung und zeitweise Regen bei 13
bis 18°C. Von BW, dem Saarland und RP bis nach BB und MV weitgehend trockene
Verhältnisse mit unterschiedlich langen sonnigen Abschnitten bei rund 20°C oder
etwas mehr. Und schließlich der Nordwesten mit wechselnder Bewölkung und
einzelnen Schauern (T500 um -22°C, T850 um +4°C) bei 15 bis 20°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden von den verschiedenen Modellen sehr ähnlich
gerechnet. Die Konvektionsneigung im Süden wurde allgemein zurückgenommen. Vor
allem am östlichen Alpenrand heißt es aber trotzdem "Spitz-pass-auf".

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann