DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

03-06-2020 10:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.06.2020 um 10.30 UTC



Troglage; unbeständig mit meist konvektiven, im Süden und Osten vorübergehend
auch skaligen Niederschlägen und mäßig warm. Im Laufe der kommenden Woche
allmählich wärmer und eventuell auch Stabilisierung.
__________________________________________________________

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 10.06.2020


Eine stark mäandrierende Frontalzone mit zeitweise quasistationären bzw. sich im
Einzelfall sogar leicht retrograd verlagernden Rossby-Wellen und die daraus
resultierende Neigung zu Blockademustern bestimmen die Wetterentwicklung im
Vorhersagegebiet bis in die erweiterte Mittelfrist.
Zu Beginn des Mittelfristzeitraumes erstreckt sich ein markanter blockierender
Höhenrücken über dem mittleren Nordatlantik nordwärts bis in den
isländisch-grönländischen Raum. Diesem steht ein aus einem ehemaligen
Langwellentrog über Nordwest-/Nordeuropa ausgetropftes und mit mehreren
Drehzentren ausgestattetes Höhentief über den Britischen Inseln und der Nordsee
gegenüber. Bis Sonntag, 00 UTC weitet es sich Richtung Südskandinavien aus und
nimmt eine mehr und mehr elliptische Form an mit Drehzentren vor der
Nordseeküste Englands und über Südnorwegen.
An der Südflanke dieses Systems gelegen, gelangt von Westen her maritime
Polarluft ins Vorhersagegebiet (T850 hPa zwischen 1 Grad im Nordwesten und
anfangs noch 8 Grad an den Alpen), die vor allem in der Nordhälfte hochreichend
labil geschichtet ist (T500 hPa -24 bis -28 Grad). Dort entwickeln sich recht
verbreitet Schauer und auch kurze Gewitter (inklusive Böen Bft 7 bis 8 und
Graupel). Süddeutschland befindet sich indes im Einflussbereich der am Nordrand
der Alpen schleifenden Kaltfront des mit dem Höhentief korrespondierenden
Bodentiefkomplexes. Dort fällt verbreitet Regen, wobei aber - wenn überhaupt -
nur kleinräumig Warnschwellen für Dauer- bzw. Starkregen erreicht werden.
Am Sonntag verlagert sich das westliche Drehzentrum des Dipol-Höhentiefs
allmählich Richtung Nordwestfrankreich, während sich das Drehzentrum über
Südnorwegen nach Norden ausweitet. Somit wird das Höhentief mehr und mehr in die
Länge gezogen und wandelt sich in einen Höhentrog um, der sich Montag, 00 UTC
von Nordskandinavien bis nach Zentralfrankreich erstreckt. Somit steilt die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet mehr und mehr auf. Die als
Luftmassengrenze fungierende verwellende Kaltfront über dem Alpenraum kommt vor
allem nach Osten zu wieder nordwärts voran, so dass die Regenfälle in
Süddeutschland weiter anhalten und sich nordostwärts über Ostbayern und
eventuell noch über die Lausitz ausbreiten. Vor allem vom
Hochrhein/Bodensee/Allgäu bis nach Mittelfranken können die Warnschwellen für
Dauerregen erreicht werden.
Im Rest des Landes steht eine gewisse Wetterberuhigung ins Haus, da sich der
Höhentiefdipol westlich des Vorhersagegebietes und mit ihm die Höhenkaltluft
allmählich südsüdwestwärts verlagern. Einzelne Schauer oder kurze Gewitter sind
vor allem im Nordwesten dennoch nicht ausgeschlossen und während es in der Höhe
zwar etwas wärmer wird, ändert sich niedertroposphärisch nicht viel (T850 hPa
zwischen 2 Grad im Nordwesten und 9 Grad im Südosten am Montag, 00 UTC).
Am Montag tropft der Höhentrog über Nordwestfrankreich erneut aus, gestützt
durch WLA wölbt sich an dessen Nordostflanke ein Höhenkeil von Osteuropa
Richtung Südskandinavien aus.
Im Bodenfeld intensiviert sich mit der südlichen Überströmung der Alpen über dem
Nordosten Österreichs ein Lee-Tief und verlagert sich bis Dienstag, 00 UTC
nordnordwestwärts nach Brandenburg. Kräftige WLA und Aufgleiten führen an dessen
West- und Nordflanke zu teils länger anhaltenden Regenfällen, die sich vom
Südosten Deutschlands zunächst auf die Ost- und von dort aus später westwärts
auf die Nordhälfte ausweiten. Der Südwesten des Landes befindet sich dagegen
zunehmend in der Peripherie des abtropfenden Höhentiefs, dort entwickeln sich
einzelne Schauer und auch kurze Gewitter. Vor allem in den Nordosten gelangen an
der Nordflanke des Tiefs niedertroposphärisch wärmere Luftmassen (über 10 Grad
in 850 hPa), im Südwesten bleibt es mit Werten um 3 Grad kühler.
Am Dienstag ändert sich an der großräumigen Konstellation nur wenig, das
Höhentief über Nordwestfrankreich bleibt fast quasistationär und kommt später
etwas nach Norden voran. An dessen Nordflanke verstärkt sich ein von Osteuropa
über Südskandinavien ins Nordmeer gerichteter Höhenrücken. Dieser stützt eine
sich von der Grönlandsee bis nach Lappland erstreckende Hochdruckzone.
Das Bodentief verlagert sich über Norddeutschland hinweg zur Nordsee. Somit gibt
es zunächst vor allem in der Nordhälfte weitere Regenfälle, die sich später nach
Norden zurückziehen. Mit einzelnen Schauern und kurzen Gewittern muss auch im
Westen und Südwesten nahe des Höhentiefs gerechnet werden, ansonsten setzt eine
gewisse Wetterberuhigung ein.
Am Mittwoch wird das Höhentief durch einen südlich von Island nach Süden
austropfenden Trog regeneriert und verlagert somit sein Drehzentrum nach Westen.
Der sich über Skandinavien ins Nordmeer erstreckende Höhenrücken verstärkt sich
weiter, ebenso die durch ihn gestützte Hochdruckzone, die ihren Schwerpunkt ins
Nordmeer verlagert und Verbindung zum kräftigen Hoch über dem mittleren
Nordatlantik aufnimmt.
Das Vorhersagegebiet bleibt im Einflussbereich einer flachen Tiefdruckzone, die
sich von den Britischen Inseln über Mittel- bis weit nach Osteuropa erstreckt.
Bei schwachen Luftdruckgegensätzen bleibt mäßig warme, nach Osten zu auch warme
Luft (T850 hPa zwischen 4 Grad am Niederrhein und 10 Grad in der Lausitz)
wetterbestimmend, wobei die Luftmasse im Tagesgang zunehmend labilisiert und
sich einzelne Schauer und Gewitter (nach Osten zu auch kräftiger) entwickeln. Im
Westen und Süden bleibt das Temperaturniveau eher gedämpft, während in der
Osthälfte fast schon wieder sommerliche Werte möglich sind.
In der erweiterten Mittelfrist zieht sich nach Lesart des aktuellen IFS-Laufes
das Höhentief nach Südwesteuropa zurück und der kräftige Höhenrücken über
Skandinavien weitet sich allmählich Richtung Mitteleuropa aus. An der Südflanke
der sich nach Süden ausweitenden Hochdruckzone über Nordeuropa gelangt von Osten
her nach und nach trockene und warme bis sehr warme Festlandsluft zunächst in
den Norden und Osten Deutschlands, während im Süden und Westen anfangs noch zwar
zunehmend warme, aber etwas feuchtere Luftmassen wetterbestimmend bleiben,
innerhalb derer sich einzelne Gewitter entwickeln können.
__________________________________________________________

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der gestrige 12 UTC-Lauf unterscheidet sich vom aktuellen Lauf bis in die
erweiterte Mittelfrist erstaunlicherweise selbst im Detail kaum. Die Umwandlung
vom Höhentief zum Trog und der erneute Abtropfprozess werden nahezu identisch
simuliert und auch die Zugbahnen der aus dieser Entwicklung hervorgehenden
Bodentiefs ähneln sich sehr.
Der gestrige 00 UTC-Lauf hat dagegen den vorübergehenden Umwandlungsprozess
nicht so auf der Agenda. Das Höhentief wird bis Dienstag nahezu quasistationär
über der Nordsee simuliert, so dass auch die Lee-Tiefentwicklung und somit die
Niederschläge im Osten und Norden Deutschlands wegfallen. Erst zum Mittwoch hin
- nach Regenerierung durch einen von Island nach Süden austropfenden Trog -
kommt etwas Bewegung in die Großwetterlage: Das Höhentief nimmt Dipol-Struktur
an, wobei sich das südliche Drehzentrum Richtung Biskaya ausweitet und das
nördliche sich von der Nordsee ins Nordmeer verlagert. Damit stellt sich über
dem Vorhersagegebiet eine südwestliche Höhenströmung ein.

__________________________________________________________

Vergleich mit anderen globalen Modellen


Das Höhentief, die Umwandlung in einen Höhentrog bzw. in ein Dipol-Höhentief
sowie den erneuten Abtropfprozess haben alle vorliegenden Globalmodelle auf der
Agenda. Von entscheidendem Belang sind aber die noch leicht unterschiedlich
simulierten Positionen der Drehzentren, vor allem der des südwestlichen Dipols.
Bereits am Sonntag, 12 UTC simuliert es GFS weiter östlich als die anderen
Modelle, nämlich über der Deutschen Bucht. Im Zuge des bis Dienstag, 00 UTC
abgeschlossenen Abtropfprozesses ändert es seine Position kaum (Dienstag, 12 UTC
über Dänemark), während sowohl ICON als auch IFS es weiter westlich auf der
Agenda haben. Die am Montag einsetzende Leetief-Entwicklung und die damit
zusammenhängenden anhaltenden Regenfälle im Osten und Norden Deutschlands hat
das GFS somit nicht auf der Agenda, ähnlich auch das GEM. Stattdessen bleiben
aufgrund der östlicheren Position des Höhentiefs der Norden und Westen
Deutschlands im Einflussbereich der Höhenkaltluft, was dort zu konvektiven
Niederschlägen führt.
ICON simuliert die Tiefdruckentwicklung weiter östlich als IFS und lässt die
Regenfälle entsprechend nicht so weit nach Westen vorankommen.
__________________________________________________________

Bewertung der Ensemblevorhersagen


Im Zeitraum T+72 bis 96 Stunden verteilen sich die 49 Ensembleläufe, Haupt- und
Kontrolllauf auf 6 Cluster, die sich bzgl. der Wetterentwicklung über
Mitteleuropa allerdings kaum unterscheiden.
Im nächstfolgenden Zeitraum (T+120 bis 168 Stunden) werden nur zwei Cluster
gebildet (jeweils 29 und 22 Member). Ähnlich wie vom Hauptlauf apostrophiert,
welcher sich, ebenso wie der Kontrolllauf, auch im selbigen befindet, lässt
Cluster 1 den Trog recht weit westlich, etwa über Nordwestfrankreich bzw.
Südwestdeutschland austropfen, allerdings nicht ganz so weit westlich wie im
Hauptlauf. Entsprechend wird auch das Bodentief - ähnlich wie im ICON -
gegenüber dem Hauptlauf etwas nach Osten versetzt gezeigt. Das entspricht in
etwa dem Großwetterlagentyp "Trog Westeuropa".
Cluster 2 ähnelt dagegen dem vom GFS propagierten Szenario mit dem Drehzentrum
des Höhentiefs am Dienstag über der Deutschen Bucht und den fehlenden
Dauerregenfällen im Osten und Norden Deutschlands, dafür aber mit mehr
konvektiver Aktivität (Großwetterlage "Trog" oder gar "Tief Mitteleuropa").
Auch in der erweiterten Mittelfrist (4 Cluster, jeweils 21, 11, 10, 9 Member,
Kontroll- und Hauptlauf in Cluster 1) bleibt das Blockademuster in allen
Clustern erhalten. Nach Lesart von Cluster 1 und 4 verlagert das Höhentief sein
Drehzentrum nach Südwesteuropa, woraus sich eine schwachgradientige High over
Low-Konstellation ergibt, mit der von Osten her warme und zunehmend trockene
Festlandsluft nach Mitteleuropa gelangt. Cluster 2 und vor allem 3 belassen es
zwischen den beiden blockierenden Keilen über dem mittleren Nordatlantik und
über Osteuropa bzw. dem Ural immer wieder bei leichtem Trogeinfluss über
Mitteleuropa in Form nach Südwest- bzw. Südeuropa (Cluster 3) bzw. nach
Mitteleuropa (Cluster 2) austropfender Höhentiefs. Auch GFS tendiert zu dieser
Variante, die dem Vorhersagegebiet im Laufe der zweiten Wochenhälfte eher
unbeständiges Wetter bescheren würde.

Die Rauchfahnen für verschiedene Orte zeigen bzgl. der Kurvenschar der 850
hPa-Temperaturen grob nach dem Minimum am Samstag über den gesamten
Mittelfristzeitraum hinweg einen leichten, aber beständigen Aufwärtstrend
innerhalb eines vor allem am Montag/Dienstag vorübergehend breiter werdenden
Spreads. Dieser größere Spread ist der unterschiedlich simulierten
Leetief-Entwicklung geschuldet, die - ähnlich wie innerhalb der globalen
Modellwelt - bei einigen Einzelläufen weiter östlich, bei anderen gar nicht auf
der Agenda steht. Haupt- und Kontrolllauf zeigen dabei die westlichste
Entwicklung und ordnen sich innerhalb der Rauchfahnen der 850 hPa-Temperaturen
der östlichen Gitterpunkte entsprechend im obersten Bereich ein.
Die Streuung innerhalb der Niederschlagssignale ist an diesen beiden tagen noch
am Größten. Davor und danach sind die Niederschläge insgesamt wohl eher spärlich
gesät.

FAZIT:
Die Wetterentwicklung im Detail hängt eng mit einer eventuellen
Leetief-Entwicklung zu Beginn kommender Woche zusammen. Die vom IFS-Hauptlauf
gezeigte Variante mit flächendeckenden Regenfällen im Süden, Osten und später
auch im Norden Deutschlands scheint zum Leidwesen vieler Landwirte dabei eher
eine Außenseitervariante zu sein.
Komplett trocken bleibt es aber wohl nicht; in der Peripherie der Höhentiefs
kann es immer wieder konvektive Niederschläge geben, das Ganze bei mäßig warmen,
tendenziell aber leicht steigenden Temperaturen. Ob es in der erweiterten
Mittelfrist dann ähnlich weitergeht oder ob eine warme bis sehr warme und
trockene Witterungsperiode ins Haus steht, muss noch abgewartet werden.

_________________________________________________________

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI zeigt keine signifikanten Signale für außergewöhnliche Wetterereignisse.
Vor allem am Samstag gibt es bevorzugt im Norden und in der Mitte vielerorts
Schauer und auch kurze Gewitter, die von stürmischen Böen und auch Graupel
begleitet werden können. Auf exponierten Gipfeln muss mit Sturmböen gerechnet
werden.
Am Sonntag nimmt die Neigung zu Schauern tendenziell ab bzw. zieht sich Richtung
Nordwesten zurück.
Mit der schleifenden Kaltfront regnet es im Süden und Südosten teils länger
anhaltend. 24- bis 36-stündig (Zeitraum So, 12 bis Di, 00 UTC) simuliert der
IFS-Hauptlauf für Teile Süddeutschlands (am ehesten Allgäu) warnrelevante Mengen
(über 30 mm in 24 bzw. über 40 mm in 36 Stunden). Die anderen Globalmodelle
haben nicht ganz so hohe Mengen auf der Agenda und auch die Probabilistik
(IFS-EPS) zeigt nur geringe Wahrscheinlichkeiten dafür.
Mit der Leetief-Entwicklung am Montag werden vom IFS-Hauptlauf in der Osthälfte
(etwa entlang der Elbe in Sachsen-Anhalt) kleinräumig markante Mengen simuliert.
Auch da ziehen die Globalmodelle nicht mit und auch die Probabilistik springt
nicht wirklich darauf an.
________________________________________________________

Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, ECMWF-EPS
________________________________________________________


VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff