DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-06-2020 08:01
SXEU31 DWAV 030800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 03.06.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
TM
Heute gebietsweise markante Gewitter, lokal Unwetter bezüglich Starkregen. Am
Donnerstag weitere teils markante Gewitter mit Sturmböen, örtlich Unwetter durch
Starkregen oder Hagel. Am Freitag windiges Schauerwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... bilden zwei Potenzialminima in der Höhe die Flankengeber zu einem
sich abflachenden Rücken, der sich vom westlichen Mittelmeer bis nach
Deutschland erstreckt. Seine Achse ragt von Südwestfrankreich bis zur westlichen
Ostsee empor. Der westliche Flankengeber ist dabei, ein abtropfendes Höhentief
auf den Flügel gen Biskaya zu schicken, während die Bewegung des östlichen
Flankengebers in Form eines Höhentiefs über der Ukraine eher einem Tanz auf dem
Bierdeckel gleicht und er dabei fast quasistationär nur um sich selbst dreht.
Das trägt dazu bei, dass der westliche Flankengeber auf den Flügel ausweichen
muss und nicht "in die Mitte ziehen" (sprich nach Deutschland) kann.
Dennoch sorgen die "Angriffe" der beiden Flankengeber für einen Rückzug des
Rückens nach Süden in die eigenen Abwehrreihen. Infolgedessen wird der Hochdruck
am Boden immer weiter abgebaut. Mit dem Druckfall hat sich bereits das kleine
Bodentief "Juliane" über Nordwestdeutschland entwickelt, das zusammen mit einem
weiteren Tief über Frankreich eine Tiefdruckrinne formiert. Diese zeigt im
Tagesverlauf nur geringe Mobilität, steuert aber zunehmend feuchte und warme
Luft mit T850 hPa von 10 bis 14 Grad nach Deutschland. Weil auch noch dynamische
Hebungsimpulse aus der diffluenten Vorderseite des Höhentiefs westlich von uns
rühren (vornehmlich aus PVA), kommt mit dem Tagesgang Konvektion in Gang, die
sich über viele Teile des Landes legt. Es ist zu bemerken, dass Cosmo D2 heute
Morgen mit der Konvektion wesentlich übertreibt, wozu auch GFS aufgrund seines
bekannt übertriebenen Konvektionsschemas neigt. Von daher ist den anderen
Modelle heute vermutlich mehr zu trauen. Am Nachmittag könnte aber wieder eine
Angleichung stattfinden, weil die Modelle dann einheitlicher vorgehen.
Jedenfalls sind sich die anderen Modelle einig über die
Niederschlagsschwerpunkte, die sich im Vormittagsverlauf von der Deutschen Bucht
bis in den Südosten Niedersachsen und nach Nordhessen sowie über das westliche
Bergland (vor allem von der Eifel bis zum Sauerland und von der Rhön bis zum
Schwarzwald) ausbilden. Am Nachmittag verlagern sich diese Gebiete marginal nach
Nordosten, sodass die Hauptaktivität in einem Bereich von der Deutschen Bucht
etwa bis zum Erzgebirge sowie über den westlichen, südwestlichen und zentralen
Mittelgebirgen zu finden ist. Weiter südöstlich sind nur einzelne Schauer und
Gewitter zu erwarten, während im Westen (südliches Emsland bis Rheinland)
bereits stabilere Luft einsickert, was die Konvektion schon wieder hemmt.
Trocken bleibt es wahrscheinlich auch im Nordosten (Vorpommern bis Lausitz).
Stellt sich die Frage nach der Stärke der Gewitter. ML-CAPE summiert sich auf
bis zu 1000 J/kg, die Lapse Rates liegen bei -0,7 bis -0,75 K/100 m. Die PPW's
betragen 20 bis 25 mm, Scherung und SRH hingegen gibt es so gut wie keine. Mit
organisierten Gewittern ist aus diesem Aspekt eher nicht zu rechnen, dennoch
könnte eine sich bereits jetzt abzeichnende Konvergenz für linienhafte
Strukturen sorgen. Bei nicht allzu schneller Zuggeschwindigkeit der Zellen ist
vornehmlich Starkregen im markanten Bereich (15 bis 25 l/qm in kurzer Zeit) ein
Thema, lokal dürfte auch mal die Unwetterschwelle (über 25 l/qm in kurzer Zeit)
gerissen werden. Hagel ist eher nur kleinkörnig dabei, stärkere Böen treten
aufgrund des fehlenden Oberwindes nur bedingt auf. Allerdings treffen die
Gewitter bei Ankunft auf eine trockene Grundschicht (inverses V in der unteren
Troposphäre), sodass dann doch Sturmböen Bft 8 möglich sind.
Die hohen T850 hPa lassen in 2 m Temperaturen von 22 bis 28 Grad zu, die 30
Grad-Schwelle scheint bei mehr Bewölkung im Vergleich zum Vortag meist nicht
mehr überschritten zu werden.

In der Nacht zum Donnerstag wird das Höhentief über der Biskaya durch weitere
nach Süden austropfende Troganteile des Residuums wieder eingefangen, sodass
sich ein lang gestreckter Randtrog, der bis in den Norden der Iberischen
Halbinsel reicht, bildet. Stromaufwärts wölbt sich der Rücken wieder ein wenig
nach Norden auf, wobei eine leichte östliche Bewegung zu verzeichnen ist. Die
Achse liegt Donnerstagmorgen auf einer Linie Italien und Österreich bis in den
Nordosten Deutschlands. Bodennah zeigt die Tiefdruckrinne mit dem Tief "Juliane"
durch diese Vorgänge weiterhin wenig Impuls, nach Osten voranzukommen. Folglich
schwächen sich Schauer und Gewitter in der Osthälfte, auch durch fehlenden
Tagesgang, vorübergehend meist ab. Aber auch nach Westen hin werden die Signale
zunächst schwächer. Durch die Randtrogentwicklung westlich von uns gibt es in
der zweiten Nachthälfte jedoch neuen Input in Form von Hebung, die erneut auf
PVA beruht. Diese wird vor allem durch eine sich öffnende Trogvorderseite
gewonnen, sodass die Diffluenz sich erneut verstärkt. Damit werden im Westen und
Südwesten schauerartige Niederschläge generiert, die örtlich mit Blitz und
Donner einhergehen (MU-CAPE 100 bis 300 J/kg). Signale für Starkregen (ein- oder
mehrstündig) sind bei noch zunehmender Feuchtigkeit (PPW's bis 30 mm) vorhanden,
diese sollten sich meist im markanten Bereich abspielen.
Die Temperaturen sinken auf 16 bis 8 Grad.

Donnerstag... zeigt der Randtrog eine leichte Ostverlagerung bis in die
westliche Nordsee und bis in die Mitte Frankreichs. Die vorderseitige
Tiefdruckrinne verlagert sich infolgedessen ebenfalls ein wenig nach Osten,
wobei Tief "Juliane" abends mit Zentrum etwa im Raum Hamburg zu erwarten ist.
Die schauerartigen Niederschläge aus dem Westen und Südwesten breiten sich im
Tagesverlauf auf weite Teile des Landes aus. Etwas ausgenommen ist noch der
Nordosten (Vorpommern und Uckermark) sowie Südostbayern. Aber auch im Nordwesten
(Emsland, NRW) sickert hinter der nun zu analysierenden Kaltfront von Tief
"Juliane" nachmittags unterstützt von KLA etwas trockenere und daher stabilere
Luft ein, was die Konvektion hemmt.
Die schauerartigen Niederschläge dagegen bekommen mit dem Tagesgang vermehrt
Konvektion zu spüren, was sich in verstärkter Gewitteraktivität äußert. Hohe
PPW's (25 bis 32 mm) und ML-CAPE bis 1000 J/kg bei geringer Zuggeschwindigkeit
lassen erneut Starkregen in den Fokus rücken (lokal Unwetter), aber auch kleiner
Hagel und stürmische Böen sind erneut mit von der Partie. Insbesondere im
Nordosten ergeben sich zudem leichte Scherungssignale (sowohl zwischen 0 und 1
als auch zwischen 0 und 6 km, außerdem erhöhte SRH-Werte, rechter Ausgang des
Jets), sodass organisierte Gewitter (und vereinzelte Tornados?), vielleicht
unterstützt durch eine vorgelagerte Konvergenz, möglich sind. Dabei können dann
Unwetterschwellen überschritten werden (meist bezüglich Starkregen und größerem
Hagel). Beim Wind sind Sturmböen denkbar. Eine recht gute Überlappung der
Scherung mit erhöhten CAPE-Werten ist auch im nördlichen Baden-Württemberg und
im nördlichen Bayern festzustellen, dort fehlen aber SRH und rechter Ausgang des
Jets.
Abseits der Gewitter kann ein- oder mehrstündiger Starkregen vor allem im Norden
in der Nähe zum Tiefkern auch abseits von Gewittern auftreten
(Anafrontcharakter), die Modelle arbeiten ungewittrige Schwerpunkte über
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein heraus.
Die Temperaturen liegen vor den Niederschlägen im Osten und Südosten noch einmal
bei 20 bis 26 Grad, sonst durch die einfließende Kaltluft nur noch bei 14 bis 21
Grad.

In der Nacht zum Freitag erreicht der Randtrog, der nun mit einem Höhentiefkern
über der Nordsee ausgestattet ist, Benelux und den Westen Deutschlands.
Bodentief "Juliane" zieht dadurch in nordwestliche Richtung in die Nordsee und
bildet einen Ableger über Südwestpolen. Die Fronten greifen somit auf den Osten
und Südosten Deutschlands über. Während die Gewitteraktivität tagesgangbedingt
wieder nachlässt, gibt es weiterhin schauerartigen Regen. Dieser kann bei noch
hohen PPW's bis über 30 mm erneut ein- oder mehrstündigen Starkregen bringen.
Weiter nach Westen hin sorgt KLA für weitere Stabilisierung, sodass die
Niederschlagsignale zunächst abnehmen. Zum Morgen hin tauchen aber von der
Nordsee bis ins Emsland mit Herannahen des Höhentroges neue Schauer auf,
Gewitter werden nur sehr vereinzelt simuliert.
Mit dem in die Nordsee ziehenden Tief verstärkt sich der Gradient im Nordwesten,
an der Nordsee gibt es dann einzelne starke Böen Bft 7.
Die Temperaturen gehen auf 13 bis 8 Grad in der Osthälfte und auf 11 bis 4 Grad
sonst zurück.

Freitag... erfasst der Trog, der allmählich zu einem umfangreichen Höhentief
mutiert, Deutschland. Tief "Juliane" wird dann über der nordwestlichen Nordsee
zu finden sein, die Ausläufer ziehen nach Osten und Südosten ab. Im
Einflussbereich des Troges bilden sich im Westen und Südwesten schauerartige
Niederschläge, die vereinzelt gewittrig (Marke Kaltluftgewitter) sind. Im
Nordosten (Schleswig-Holstein bis Erzgebirge und die Regionen nordöstlich davon)
dagegen fehlen die Hebungsimpulse bzw. werden durch die noch vorhandene KLA
gedämpft. Dort bleibt es rückseitig des Frontengeschehens deshalb meist trocken,
gelegentlich scheint die Sonne.
Der Wind frischt durch den sich etwas straffenden Gradienten auf, vereinzelt
gibt es starke Böen Bft 7 bis ins Tiefland. Auf den Bergen kommen diese häufiger
vor, weiter oben sind vereinzelt stürmische Böen Bft 8 dabei.
Die Temperaturen steigen in der aus Nordwesten einfließenden Meereskaltluft
polaren Ursprungs nur noch auf 10 bis 16 Grad.

In der Nacht zum Samstag bleiben wir im Einflussbereich des Troges bzw.
Höhentiefs über der Nordsee. In der Höhe treibt nochmals kältere Luft (T500 hPa
unter -25 Grad) die Konvektion weiter an, um das Höhentief herumlaufende
Randtröge sorgen für dynamische Impulse (hauptsächlich PVA). In der
feucht-kalten Meeresluft gibt es daher gebietsweise weitere schauerartige
Niederschläge, Gewitter sind aber weiterhin selten.
Der Gradient bleibt erhalten, sodass es auf den Bergen weiterhin starke bis
stürmische Böen Bft 7 bis 8 bzw. exponiert Sturmböen Bft 9 gibt. Im Tiefland
treten bei fehlendem Tagesgang nur vereinzelt starke Böen Bft 7 auf.
Die Temperaturen sinken auf 11 bis 3 Grad, im höheren Bergland bis nahe 0 Grad.
Da wird bestimmt auch den Schafen und den Flankengebern kalt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Lage zwar ähnlich, zeigen aber im Detail Unterschiede
in den Niederschlagsexpositionen. Auffällig ist die schwache Performance von
Cosmo D2 mit deutlich überbordenden Niederschlagssignalen in den heutigen
Frühstunden, was ein guter Fall für die Modellevaluierung ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler