DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-05-2020 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.05.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NEa (Nordost antizyklonal) mit leichter Tendenz zu HFA (Hoch Fennoskandien
antizyklonal)

Hoch STEFFEN als Großmogul mit kleinen Schwächen: heute im Südwesten Bise, im
Südosten vielleicht ein paar elektrische Entladungen. Am Pfingstwochenende
unspektakuläre Hochrandlage mit etwas Wind und nur wenig bis überhaupt keinem
Regen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... weist das großräumige Strömungsmuster einmal mehr ein stark
meridionales Muster auf. Langwelligen Trögen über dem mittleren Nordatlantik
sowie dem nahen Osteuropa steht ein veritabler Rücken über dem nahen Ostatlantik
respektive Westeuropa gegenüber, der bis zum Europäischen Nordmeer reicht. Wenn
man so will bildet diese Verteilung ein Omega, bei dem Deutschland am östlichen,
dem "kalten" Rand des Rückens platziert ist. Dieser arbeitet übrigens mit dem
umfangreichen und nahezu ortsfesten Bodenhoch STEFFEN zusammen, dessen
Schwerpunkt mit rund 1035 hPa über dem Westen Norwegens zu finden ist.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass ein in die nördliche bis
nordöstliche Höhenströmung eingelagerter Kaltlufttropfen soeben die Ostalpen
südwärts überquert hat. Dieser steuert im Tagesverlauf Mittelitalien an und wird
den Vorhersageraum nur noch peripher beeinflussen. Dahinter glättet sich die
Höhenströmung weitgehend und es ziehen nur noch extrem flache Wellen durch, die
eher im IPV-Feld und weniger - zumal mit dem altersschwachen Auge - im
Potenzialfeld zu erkennen ist. Viel Wirkung haben diese Wellen nicht, was
abgesehen von ihrer wenig hebungswirksamen Konfiguration (kaum Krümmung und
Scherung; es herrscht leichtes Absinken) vor allem an der Luftmasse liegt, die
zum Heben überhaupt in Frage käme. Dabei handelt es sich nämlich um eine
kontinental geprägte, aus dem Bodenhoch ausfließende Polarluft, die gemeinhin
als stabil und relativ trocken gilt. Einzig im äußersten Südosten, quasi im
Schlepptau des abziehenden KLTs, ist noch etwas Restlabilität vorhanden, die bis
600 hPa hochreicht. Das genügt trotz allmählicher Abtrocknung, um mit Hilfe der
Orografie zwischen dem Bayerischem Wald und dem östlichen Alpenrand ein paar
Schauer zu generieren. Einzelne elektrische Entladungen wären zwar kein
Weltwunder (die Wolkenobergrenze ist unter -10°C kalt), bieten sich auf der
anderen Seite aber auch nicht an wie Sauerbier.
Für den großen Rest des Landes ist die Tagesgeschichte rasch erzählt. Unter der
sich etwa zwischen 700 (Osten) und 800 (Westen, Nordwesten) hPa etablierenden
Absinkinversion bilden sich einige Quellung, die im Osten auch mal breitlaufen
und gebietsweise einen wolkigen Wettercharakter erzeugen können. Es gibt sogar
Modelle, die in BB und Sachsen ein paar schlappe Schauer haben wollen,
tendenziell ist die Schauerneigung aber gering. Ansonsten scheint häufig die
Sonne, ohne dass es in der von Haus aus kühlen Luftmasse mollig warm wird. Bei
850-hPa-Temperaturen, die am Mittag zwischen 2°C an der Oder und 6°C im
Südwesten liegen, stehen Maxima von 17 bis 22°C, am Rhein und seinen
Nebenflüssen bis zu 24°C auf der Karte. Etwas dürftiger fällt der thermische
Eintrag an den Alpen, in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen sowie an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind (aus nördlichen Richtungen) aus, reicht
es dort z.T. gerade mal für 15°C. Ach ja, fast vergessen, die "Bise", die sich
am Rande des Hoch im äußersten Südwesten mit Hilfe des Tagesgangs etwas in Szene
setzt. Dort muss etwa von Oberschwaben über die Bodenseeregion und den Hochrhein
bis ins Schweizer Mittelland (dort bei Wetterlagen wie dieser ja ein
regelrechter Klassiker) mit einem stark böig auffrischenden Nordostwind rechnen,
an dem die eine oder andere Böe 7 Bft, in exponierten Kammlagen des
Hochschwarzwalds sogar 8 Bft auftritt.

In der Nacht zum Samstag nur wenig an der Großwetterlage. Zwar versucht der über
dem nahen Osteuropa liegende Höhentrog seine Fühler etwas nach Westen
auszustrecken, was in Form einer etwas zyklonaleren Krümmung der Höhenströmung
auch leidlich gelingt. Der Ertrag ist aber als kümmerlich zu bezeichnen, zu mehr
als einigen hohen oder mittelhohen vornehmlich in der Osthälfte sowie einigen
(tiefen) Restwolken im Südosten reicht es nicht. Immerhin verhindern diese
Wolken in den genannten Regionen potenziell möglichen Bodenfrost. Den könnte es
bei längerem Aufklaren aber stellenweise im Norden und Westen geben, allerdings
ist der zeitliche Peak mit T < 0°C aufgrund der kurzen Nacht nicht von langer
Dauer.
Durch die Abkopplung der Grundschicht schwächt sich der Nordostwind im Südwesten
in tiefen Lagen ab, auf exponierten Schwarzwaldhöhen - heute Nacht
wahrscheinlich nicht übermäßig stark besucht - reicht es aber weiterhin für
einige stürmische Böen 8 Bft.

Samstag... dominiert weiterhin STEFFEN die europäische Wetterkarte. Als
bekennender Nordfahrer legt er sein Zentrum morgen Mittag in die Nähe der
Lofoten (etwas über 1035 hPa), von wo aus er die Geschicke in weiten Teilen
Nord-, Mittel- und Westeuropas lenkt. Unterstützung erfährt das Hoch weiterhin
vom korrespondierenden Rücken, der zum Tagesende hin über der Norwegischen See
die Abspaltung in eine eigenständige Höhenantizyklone wagt. Derweil müht sich
der osteuropäische, mit einem doppelten Drehzentrum ausgestatte Trog, dem guten
STEFFEN und seinem austrainierten Rücken, in die Suppe zu spucken. Dabei stehen
- bezogen auf den Vorhersageraum - die Chancen gar nicht mal so schlecht,
zumindest Teilerfolge zu erzielen. Konkret driftet ein kleiner Randtrog von
Polen und der Ostsee im Tagesverlauf herein, der mit einem "My" höhenkalter Luft
ausgestattet ist (T500 etwas unter -20°C), die wiederum eine leichte
Labilisierung der Luftmasse bedingt. Das amerikanische GFS ist davon so
begeistert, dass es den Norden und Osten des Landes am Nachmittag mit leichten
Schauern versorgt. Nun weiß man ja, dass GFS aufgrund eines chronisch positiven
Feuchtebias in der Grundschicht schnell bei der Hand ist mit der Simulation von
Schauern. Die limitierte Labilität (T500 bei rund -21°C, T850 um +2°C sind keine
wirkliche Empfehlung für konvektive Umlagerungen), vor allem aber die trockene
Grundschicht lassen eher Zweifel diesbezüglich aufkommen. Allerdings könnten
diese einmal mehr zwischen ostbayerischen Mittelgebirgen und (östlichen) Alpen
auftreten, wird doch die Inversion im Südosten nur wenig nach unten gedrückt.
Zurück noch mal zu den "Teilerfolgen", die sich - wenn es schon nicht für
Schauer reichen sollte - zumindest in zeitweilig stärkerer Bewölkung
widerspiegelt. Zum Abend hin setzt von Osten her schwache WLA ein, die von Polen
her neue hohe und mittelhohe Wolken garantiert. Den meisten Sonnenschein gibt es
trotz einiger Quellungen sowie mittelhoher oder hoher Wolkenfelder im Westen und
Nordwesten, wo man dem Rücken am nächsten ist. Dort reicht es punktuell für
einen Sommertag (25,x°C), vielfach aber für mehr als 20°C. Im Osten und Süden
muss man sich hingegen in Bescheidenheit üben, mehr als 16 bis 20°C, an den
Alpen sowie im Mittelgebirgsraum teils nur um 15°C, sind nicht drin. Zwar
frischt der Nordostwind in der gut durchmischten Grundschicht sowie mit Hilfe
einer leicht supergeotrophischen Komponente über Mittag und Nachmittag mitunter
böig auf, was hier und da in der Spitze eine steife Böe 7 Bft erzeugen kann.
Eine flächige Windwarnung bietet sich deswegen aus heutiger Sicht aber nicht an.


In der Nacht zum Sonntag dreht die Höhenströmung zwischen dem Hoch im Norden und
dem sich zum Balkan verlagernden westlichen Drehzentrum des Osteuropatrogs mehr
und mehr auf östliche Richtungen. Dabei greift die o.e. WLA über der Nordhälfte
mit entsprechender Bewölkung im hohen und mittelhohen Niveau weiter gen Westen
aus. Ob auch und wenn, wie viel tiefe Bewölkung am Start ist, wird von den
Modellen derzeit noch unterschiedlich behandelt. Grundsätzlich bleibt die
Grundschicht vergleichsweise trocken, auch wenn mit Winddrehung auf Nord von der
Ostsee her etwas feuchtere Luft advehiert wird.
Dort, wo es für längere Zeit aufklart, kann es vereinzelt leichten Frost in
Bodennähe geben, außerdem besteht im Süden eine zugegeben nur geringe
Nebelneigung.

Sonntag... verbleibt Deutschland zwischen der Höhenantizyklone über Nordeuropa
und dem breiten Trog über Osteuropa, der seine Tentakel in Form mehrerer
Randtröge bis zum Balkan bzw. Italien und im Westen sogar bis nach Frankreich
ausstreckt. Da sich von Norden her aber ein Keil des Höhenhochs kräftigt, nimmt
die östliche bis nordöstliche Höhenströmung bei uns eine zunehmend antizyklonale
Kontur an. Allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass insbesondere im
Südosten mitteltroposphärische WLA wirksam ist, der zufolge dort reichlich
Gewölk angespült wird. An der Grenze zu Tschechien und Oberösterreich könnte es
am Nachmittag und Abend vielleicht sogar für ein paar Tropfen Regen reichen.
Ansonsten gibt es nur wenig Neues zu berichten. Insbesondere im Norden und
Westen scheint trotz einiger Wolkenfelder häufig die Sonne, während sonst die
Wolken mal mehr, mal weniger dicht sind. Die Temperatur bleibt in der weiterhin
von Nordosten einströmenden Luftmasse trotz niedertroposphärischer Erwärmung
(T850 4 bis 9°C) auf verhaltenem Niveau mit 18 bis 22, bei längerem Sonnenschein
im Westen und Südwesten lokal vielleicht 23°C. Noch kühler geben sich die
Regionen mit mehr Bewölkung (vor allem im Südosten), wo ebenso wie an
Küstenabschnitten mit auflandigem Wind nur 14 bis 18°C auf der Karte stehen.

Bedingt durch eine vorübergehende Intensivierung eines Tiefs über der
Westukraine (die holde ISOLDE) verschärft sich der Druckgradient im Nordosten,
was dort den Nordostwind spürbar anziehen lässt. Vor allem in MV dürfte es
gebietsweise für Böen 7 Bft und eine kleine Windwarnung reichen. Ob an der See
(Vorpommern) an exponierten Stellen sogar die "8" gerissen wird, ist noch nicht
sicher.

Die Nacht zum Montag bringt wenig Änderung in der Wetterlage. Zusammengefasst
bedeutet das teils klare oder gering bewölkte, teils wolkige und vorwiegend im
Südosten auch stark bewölkte Verhältnisse. In Niederbayern sowie im östlichen
Oberbayern fällt zeitweise etwas Regen. Der Wind im Nordosten nimmt wieder ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die klassischen Basisfelder der einschlägigen Modelle sind weitgehend kongruent.
Dass die Auswirkungen trotzdem nicht immer gleich ausfallen, wurde im Text
angerissen. Eine nennenswerte Warnrelevanz erwächst daraus aber nicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann