DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

27-05-2020 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 27.05.2020 um 10.30 UTC



Meist ruhiges und nur im Osten und Südosten zeitweise unbeständiges Wetter,
mäßig warm bis warm. Zum Ende der Woche zunehmende Gewitterneigung.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 03.06.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Samstag liegt Deutschland
in der Höhe noch im Einflussbereich eines ausgeprägten, großräumigen
Höhentiefkomplexes mit Drehzentren über der Slowakei und der Ukraine. Auf der
Westflanke des Höhentiefkomplexes zieht sich ein schmaler Rücken von der
Iberischen Halbinsel über die Britischen Inseln hinweg bis nach Skandinavien.
Korrelierend zu diesem konnte sich am Boden ein Hoch über Skandinavien
ausbilden, dessen Einfluss bis zu den Alpen reicht und somit die bodennahe
Strömung über Deutschland antizyklonal prägt. Vor allem in dem Randbereich des
Bodenhochs, von Sachsen bis zu den Alpen, können die von der Höhe durch
kurzwellige Anteile generierten und teils von orographisch erzwungener Hebung
unterstützten Hebungsprozesse örtlich ausreichen, um etwas Niederschlag zu
produzieren. Im Norden, Westen und Südwesten dominiert absinkende trockener Luft
aus der Höhe mit einer Absinkinversion bei etwa 700 hPa sowie aufgrund des
Bodenhochs auch ein trockener Fuß, sodass in der Troposphäre kaum Spielraum zur
Wolkenbildung gibt.

Am Sonntag und Montag bleiben die großskaligen Strukturen des Geopotential- und
Luftdruckfeldes nach Leseart des deterministischen IFS grundsätzlich bestehen.
Durch den Abkopplungsprozess eines Kurzwellentroges über dem Ostatlantik, der
schließlich in einem eigenständigen Höhentief westlich der Iberischen Halbinsel
mündet, wird vorübergehend der Rücken über Skandinavien weiter gestärkt, sodass
sich das Höhenhoch bis nach Deutschland ausweiten kann. Da sich der
Höhentiefkomplex über Osteuropa weiter südöstlich verlagert und somit an
Einfluss auf das Wetter in Deutschland verliert, liegt das Land in einer
zunehmend antizyklonal geprägten nordöstlichen Höhenströmung. Am Boden wird das
zum Höhenhoch gehörende Bodenhoch am Sonntag im Südosten und Südwesten jedoch in
die Zange genommen. Auf der Südwestseite können die zyklonalen Strukturen des
zum Höhentief vor der Iberischen Halbinsel korrelierenden Bodentief über Spanien
bis nach Deutschland reichen. Allerdings reicht dieser Hebungsinput bei
vorhandener Luftmasse und den Höhenverhältnissen nicht für dichtere Wolken oder
Niederschläge aus. Auf der Südostseite mischt am Sonntag noch das Bodentief über
der Slowakei etwas mit und sorgt gepaart mit kurzwelligen Unterstützung aus der
Höhe für Hebung und schließlich von Sachsen bis zu den Alpen regional weiter
auch für etwas Niederschlag. Erst am Montag sollte der Einfluss so gering
werden, dass es auch im Südosten zunehmend trocken bleibt.

Der Dienstag steht voll im Focus des Rückens, der jedoch an Kraft einbüßt und
dessen Achse sich von Westen allmählich nach Deutschland hineinschiebt. Der
Grund für die Abschwächung, Verkürzung der Wellenlänge und ostwärtige
Verlagerung des Schwerpunktes liegt zum einen in einem Kurzwellentrog begründet,
der sich ausgehend vom Nordostatlantik über die Britischen bis nach
Nordfrankreich erstreckt und ostwärts gegen den Rücken arbeitet. Zum anderen
zeigt sich der Langwellentrog über Ost- und Südosteuropa gleichzeitig resistent
gegen alle Angriffe und erstreckt sich nahezu ortsfest weiter Nordwestrussland
bis in den östlichen Mittelmeerraum. Getriggert durch die Entwicklungen in der
Höhe verlagert sich auch der Schwerpunkt des Bodenhochs unter deutlicher
Abschwächung ins östlich Mitteleuropa bzw. den zentralen Mittelmeerraum. Dadurch
verschiebt sich eine schwach ausgeprägte Tiefdruckrinne bis in die Nordsee und
Westen Deutschlands. Frontale Prozesse sind allerdings noch weit westlich im
Bereich der Britischen Inseln und Westfrankreichs zu verzeichnen.
Nichtsdestotrotz könnte die im Tagesverlauf generierte Hebung im Westen und
Nordwesten zumindest für die Bildung von Quellwolken ausreichen.

Am Mittwoch gelangt Deutschland schließlich landesweit auf die Rückseite der
Rückenachse, die sich dann von Finnland über Westpolen bis zu den Alpen
erstreckt. Einhergehend übernimmt der Kurzwellentrog auch die Regie über das
Wetter im Land. Die auf der Trogvorderseite im Bodenniveau bestehende, sich
zunehmend verstärkende Tiefdruckzone legt sich allmählich über das gesamte
Bundesgebiet sowie die Beneluxstaaten. Zudem nähert sich das Frontensystem von
Westen an und greift schließlich ab dem Nachmittag von Nordwesten auf
Deutschland über. Entsprechend muss zunächst vor allem in der Westhälfte bis
Donnerstagmorgen auch im Osten und Südosten mit schauerartigen Niederschlägen
gerechnet werden.

Am Donnerstag wird der Kurzwellentrog mit der Höhenströmung über das Land hinweg
nordostwärts verlagert. Gleichzeitig zieht auch das Frontensystem im
Tagesverlauf nach Polen ab. Allerdings ist das kompensierende Absinken nur
schwach ausgeprägt. Stattdessen verschiebt sich ein mächtiges hochreichendes
Tief nach Irland, dessen Trog südwärts bis nach Marokko reicht. Somit bleibt
Deutschland bis in die erweiterte Mittelfrist hinein auf der Trogvorderseite in
einer zyklonalen, in der Höhe diffluenten Strömung, die am Boden über West und
Mitteleuropa weiter tiefen Luftdruck stützt. Zudem ist in die Bodentiefdruckzone
ein weiterer Frontenzug eingelagert, der das Land am Freitag von Westen
erreicht. Eine zunehmende diabatische Komponente durch den Zufluss feuchtwarmer
Subtropikluft (850 hPa am Freitag zwischen 7 und 17 Grad) gepaart mit
dynamischer Hebung durch die Höhe getriggert sowie mithilfe frontaler Prozesse
treiben wohl die Konvektion ordentlich an.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die großskaligen Strukturen werden vom aktuellen 00-UTC-Lauf im Vergleich zu den
gestrigen deterministischen Läufen des IFS konsistent simuliert. Im Detail zeigt
der heutige 00-UTC-Lauf des IFS den Abkopplungsprozess über dem Ostatlantik
rascher und zunächst auch etwas weiter nach Westen verschoben. Gleichzeitig wird
auch der Höhentiefkomplex über Ost- bzw. Südosteuropa weiter südlich gezeigt,
sodass Deutschland schneller und stärker in den Entsprechend der neusten det.
Berechnungen des IFS wären über das Pfingstwochenende allenfalls im Südosten
Bayerns sowie Teilen Sachsens Niederschläge zu erwarten. In der kommenden Woche
zeigen die Läufe konsistent das Durchschwenken eines markanten Kurzwellentroges,
der im Vergleich zum gestrigen 00-UTC-Lauf allerdings schon weniger intensiv als
Artefakt eines kräftigen und nun weiter südlich gerechneten Höhentiefs simuliert
wird.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Sonntag zeigen die betrachteten Globalmodelle (IFS, ICON,
GFS, UKMO, GEM) vergleichbare Strukturen des Geopotential- und Luftdruckfeldes.


Bis Mittwoch bleiben IFS und UKMO sowie größtenteils auch GFS und GEM auf
ähnlichen Spuren. Allenfalls ICON verabschiedet sich deutlicher von den
Entwicklungen der anderen Globalmodelle. Im Detail zeigen GFS, IFS, GEM und UKMO
über Mittel- und Osteuropa nahezu identische Entwicklungen. Unterschiede gibt es
nur über dem Atlantik. Während UKMO und IFS auch dort weiter als Tandem
unterwegs sind, zeigen GFS und GEM nach dem Abtropfprozess am Wochenende zum
Wochenstart einen weiteren Abkopplungsprozess eines Kurzwellentroges. Das
ICON-Modell zeigt über dem Ostatlantik und Westeuropa durchaus zum IFS und UKMO
vergleichbare Strukturen. Allerdings wird der Kurzwellentrog weiter westlich
über Irland hinweg (UKMO, IFS über England und der Nordsee) und mit einer
geringeren Wellenlänge simuliert. Gleichzeitig ist der Trog über Osteuropa vor
allem im nördlichen Teil etwas nach Osten verschoben, sodass sich zwischen
beiden Geopotentialminima ein kräftigeres Höhenhoch mit Schwerpunkt über der
südlichen Ostsee ausbilden kann. IFS, GFS und weiter Modelle zeigen durch den
stärkeren nach Osten vorankommenden Trog eine signifikante Verkürzung der
Wellenlänge des Rückens.

Ab Mittwoch gibt es bei ICON zunächst kaum Veränderungen im Geopotential- und
Luftdruckfeld über Mittel- und Westeuropa. Das ausgeprägte Höhenhoch blockt das
tiefe Geopotential weiter ab, sodass die Höhentiefs über die Britischen Inseln
und dem Ostatlantik südwärts wandern. Korrelierend kommt auch bodennah der tiefe
Luftdruck nicht so weit ostwärts voran und bleibt vor den Toren Deutschlands
hängen. Allerdings will auch das GFS die kräftige Trogentwicklung des IFS nicht
stützen und präsentiert stattdessen bei schwachen Geopotentialgegensätzen
zonalere Strömungsverhältnisse über Nord- und Teilen Mitteleuropas. Zwar kann
auch bei GFS, ausgehend von dem Höhentiefwirbel vor der Iberischen Halbinsel,
der bodennahe tiefe Luftdruck bis nach Deutschland vorstoßen, signifikante
Niederschlagssignale gibt es aber nicht. Das GEM zeigt vergleichbare
Entwicklungen zum IFS, wobei die Trog-Rücken-Trog-Struktur sowie auch die
korrelierenden Bodenverteilungen etwas nach Westen verschoben sind. Analog zum
GFS sind demnach auch beim GEM nur geringe Niederschlagshinweise zu verzeichnen.


Ab Freitag gibt es selbst bei den großskaligen Strukturen zwischen den
Globalmodellen erhebliche Unterschiede.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Bis einschließlich Sonntag zeigen die Rauchfahnen verschiedener Städte in
Deutschland bei einem recht geringen Spread bei der Temperatur auf 850 hPa und
dem 500 hPa Geopotential eine hohe Vorhersagegüte. Auch im weiteren Verlauf bis
einschließlich Mittwoch ballt sich ein Großteil der Ensembleläufe auf engerem
Raum. Allenfalls im Norden und Osten ist allmählich eine Spreizung des ENS zu
beobachten. Insgesamt kann aber auch dort bis Mittwoch noch von einer recht
hohen Prognosegüte ausgegangen werden. Auffällig ist aber, dass der
deterministische als auch der Kontrolllauf meist im oberen Bereich des ENS hin
zu höheren Temperaturen und höherem Geopotential liegen. Ab Donnerstag spannen
die Ensemblemitglieder den ENS-Raum signifikant auf. Vor allem hin zu tieferem
Geopotential und kälteren Verhältnissen gibt es einige Abweichler. Die Mehrzahl
der Member sieht analog zum deterministischen und Kontrolllauf jedoch keine
Abkühlung und auch keine größeren Geopotentialschwankungen. Nichtsdestotrotz
drückt sich auch im ENHS die Trogvorderseite des det. Laufs durch, indem das
Potential für Schauer und Gewitter mittels größerer Niederschlagsmengen
abgebildet wird. Die Meteorogramme stützen die Rauchfahnen mit einer
signifikanten Spreizung der Box-Plots ab Freitag.

Bei der Clusternalayse werden sowohl im Zeitraum von +72 bis +96h als auch im
Zeitraum von 120 bis 168h vier Cluster benötigt, um die Unterschiede im
Geopotential- und Luftdruckfeld ausreichend zu beschreiben. Dabei können alle
Cluster über alle Zeitschritte dem Schema Blocking zugeordnet werden.

Gerade im ersten Zeitraum zeigen die Cluster über Mitteleuropa mit dem
blockierenden Rücken und über Osteuropa mit dem Höhentiefkomplex kaum
nennenswerte Abweichungen. Unterschiede gibt es allenfalls bei der
Interpretation des Kurzwellentroges sowie dem potentiellen Abtropfprozess. Der
Haupt- und der Kontrolllauf sind in Cluster 1 einsortiert. Auch das GFS würde am
besten zu den Clustern 1 und 4 passen. Das ICON-Modell zeigt vergleichbare
Strukturen wie Cluster 3.

Im zweiten beschriebenen Zeitraum bleiben die Grundstrukturen zwar erhalten, im
Detail werden die Unterschiede jedoch größer. Sowohl Haupt- als auch
Kontrolllauf sind weiter dem ersten Cluster mit insgesamt 18 Mitgliedern
zugeordnet. Die Variante des GFS lässt sich am besten im Cluster 4 wiederfinden.
Die Lösung des ICON lässt sich in kein Cluster sinnvoll eingliedern. Unter den
vier Clusters zeigen besonders Cluster 1 und Cluster 3 überwiegend vergleichbare
Strukturen mit Unterschieden in der Intensität der Geopotentialgebilde. Zusammen
würde diese großskalige Lösung dann 31 Member stützen.

In der erweiterten Mittelfrist im Zeitraum von +192 bis +240 werden schon 5
Cluster benötigt, die Unterschiede der Geopotential- und Luftdruckfelder zu
beschreiben. Dabei sind die Cluster nicht mehr konsistent einem Schema
zuzuordnen. Insgesamt zeigt das ENS eine große Spannweite an möglichen
Entwicklungen, wobei Cluster 1 und 2 noch recht dicht beisammen liegen und somit
von einer großen Mehrheit an Mitgliedern gestützt werden. Der Kontrolllauf liegt
dabei in Cluster 1 und der Hauptlauf in Cluster 2. Diese Erkenntnisse decken
sich mit den Rauchfahnen, die wie beschrieben ebenfalls eine Mehrzahl an Member
auf engerem Raum zeigen und gleichzeitig von einzelnen signifikant abweichenden
Lösungen aufgespannt werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI zeigt bis Mittwoch bezüglich des Modellklimas keine signifikanten
Wettererscheinungen.

Von der Prbabilistik (C-Leps,ICON-EPS) gibt es am Samstag und Sonntag allenfalls
an der östlichen Ostseeküste bei auflandigem Wind geringe Hinweise bis 20% für
markante Windspitzen. Zum Ende der kommenden Woche steigt zudem das
Gewitterpotential an. Als Begleiterscheinungen sind dann durchaus starkregen und
stürmische Böen oder Sturmböen in den Focus zu nehmen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, det. EZ, TT auch MosMix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel