DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-05-2020 08:30
SXEU31 DWAV 210800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.05.2020 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: indifferent, am ehesten vielleicht SWa (Südwest antizyklonal)

Heute noch Hochdruckeinfluss, ab Freitag zyklonaler mit Regenfällen und
einzelnen Gewittern, zum Samstag hin deutlich kühler.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... Christi Himmelfahrt steht voll im Zeichen von keinem Geringeren
als ROLF. So heißt die umfangreiche Hochdruckzone, die sich von Mitteleuropa via
Skandinavien bis hoch zum Nordpolarmeer erstreckt und sich nur mit infinitesimal
anmutender Geschwindigkeit nach Osten verlagert. Gleiches gilt für den nicht
minder umfangreichen, als Stütze agierenden Höhenrücken, der gegenüber seinem
Pendant am Boden etwas nach Westen rückversetzt ist, so dass wir hier in
Deutschland noch längere Zeit auf der absinkfreudigen Vorderseite verbringen
dürfen. Derweil bringt sich über dem nahen Ostatlantik ein breit angelegter Trog
in Stellung, der nicht nur über ein eigenständiges Drehzentrum verfügt, sondern
auch mit einem knackigen Sturmtief namens GUDRUN korreliert. Besagte Lady
schlägt heute Mittag über dem Seegebiet westlich Irlands mit einem BMI von unter
975 hPa auf, Tendenz noch etwas fallend - nicht schlecht für die dritte
Maidekade. Flankiert wird GUDRUN im Norden von einem zweiten Tief namens FIONA,
dessen Ausläufer in Form einer Kaltfront heute früh UK langsam ostwärts
überquert. Diese Kaltfront wird wohl so gerade noch die Nordsee bzw. die
westlichen Teile des Kontinents erreichen, bevor sie dann aber mehr und mehr an
"Blocking ROLF" verzweifelt und schlussendlich aufgibt.
Vor diesem Hintergrund steht der heutige Feiertag unter frühsommerlichen und
weitgehend störungsfreien Vorzeichen. Dabei steigt die Temperatur teils
absinkbedingt, teils aber auch advektiv - schließlich kommen wir ja zunehmend
auf die warme Seite des Hochs - noch etwas an, was aber nichts an der
"ungerechten" Verteilung ändert. Bis heute Abend geht es in 850 hPa hoch auf 3
bis 4°C an Oder und Neiße und bis zu 13°C im Südwesten. Bezogen auf irdisches
Niveau bedeutet das Tageshöchstwerte, die in der Osthälfte zwischen 18 und 24°C
(an Küstenabschnitten mit auflandigem Wind um Ost etwas darunter), sonst
zwischen 23 und 29°C liegen, wobei die Spitzen in den Flussniederungen
Südwestdeutschlands auftreten. Dazu scheint häufig die Sonne, auch wenn es ein
paar Schönheitsfehler zu akzeptieren gilt. So hat sich z.B. im Südosten Bayerns
in der Nacht ein größeres Feld mit geschlossener Bewölkung niedergelassen, das
mittlerweile aber schon ordentlich an- respektive aufgeknabbert wurde. Auch im
Norden und Nordosten ziehen mit der nördlichen Höhenströmung zeitweise dichtere
Wolkenfelder durch, während im Rest des Landes meist nur flache Cumuli oder
einige transparente Cirren den Himmel cirren, nee Quatsch, zieren.
Zwar nehmen Labilität und Fechte in der in den Westen und Südwesten
einsickernden Warmluft allmählich zu, was dort auch zum Aufbau von etwas ML-CAPE
führt. Gleichwohl ist die Auslöse konvektiver Umlagerungen aufgrund des
gesamttroposphärisch weiterhin ziemlich niedrigen Wasserdampfgehalts eher
unwahrscheinlich. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ein aus dem
Haupttrog herauslaufender Sekundärtrog (erkennbar in 300 hPa) von der Nordsee
und Benelux her in die Rückseite des am Abend weiterhin nur langsam ostwärts
wandernden Höhenrückens hineinläuft.

In der Nacht zum Freitag verebbt der o.e. Sekundärtrog in den Weiten hohen
Geopotenzials. Von Westen her erfolgt sogar ein neuerlicher, vor allem durch WLA
induzierter Potenzialanstieg, der den Rücken regeneriert und scheinbar retrograd
erscheinen lässt. Entsprechend dürftig gestaltet sich auch der Druckfall
rückseitig der langsam weiter gen Osten wandernden Hochdruckzone, erst in der
zweiten Nachthälfte fällt der Luftdruck im Nordwesten etwas nachhaltiger. Unter
dem Strich verläuft die Nacht ruhig und meist trocken (IFS simuliert etwas Regen
im Norden SHs, der wohl aus der o.e. vergammelten Kaltfront resultiert). Von
Westen her ziehen der WLA folgend allerdings vermehrt hohe und mittelhohe Wolken
auf, die der Westhälfte vielerorts zweistellige Tiefsttemperaturen garantieren.
Dagegen sollte man sich in der Lausitz nicht wundern, wenn sich die
Spreewaldgurke ausgangs der Nacht mit Bodentemperaturen um den Gefrierpunkt
herumschlagen muss.

Freitag... bleibt die Progression des großräumigen Strömungsmusters erheblich
gedämpft oder mit anderen Worten, der etwas nach Südwesten zurückhängende Rücken
hält sich noch recht lange über dem Vorhersageraum. Allerdings gelangen der
Westen und Nordwesten mehr und mehr auf seine Rückseite, und außerdem wird er
von WLA überlaufen. Kurzum, zyklonale Aspekte rücken zunehmend in den Fokus des
Geschehens, wozu auch GUDRUN ihren nicht zu vernachlässigenden, ja wenn nicht
sogar entscheidenden Beitrag leistet. Das Tief zieht mit quasisenkrechter Achse
(Höhepunkt überschritten), aber immer noch einem Kerndruck von unter 975 hPa
nördlich an Irland vorbei in Richtung Hebriden. Die zugehörige Warmfront greift
bereits im Lauf des Vormittags von der Nordsee her auf Norddeutschland über.
Dabei setzt von der Deutschen Bucht und den Niederlanden her Regen ein, der sich
im Laufe des Nachmittags nicht nur gen Osten, sondern auch bis in den zentralen
Mittelgebirgsraum ausbreitet.
Die große Frage, die sich dabei auftut und von den Modellen unterschiedlich
beantwortet wird, lautet: Sind die Regenfälle konvektiv durchsetzt und wenn ja,
treten sogar Gewitter auf? Nun, konvektive Verstärkungen sind durchaus zu
erwarten. Das ergibt sich allein schon aus dem heterogenen Bild der diversen
RR-Prognosen, in denen häufig lokale, auf konvektive Verstärkungen deutende
Spitzen auftreten. Bei den Gewittern wird es schon schwieriger mit der Antwort.
Dafür sprächen eine deutlich zunehmende Anfeuchtung der Luftmasse (PPW über 30
mm, spez. Feuchte um 10 g/kg) sowie mögliche Hebungsantriebe durch einen im
Warmsektor auftretenden markanten Bodentrog (der Windsprung von SO auf W
rechtfertigt sogar das Spendieren einer Konvergenz, was in der Vorhersagekarte
bisher noch nicht umgesetzt wurde) plus einem kleinen, dem Rücken überlaufenden
KW-Trog. Dagegen sprechen die vertikal limitierte Labilität (man erkennt
zwischen 850/800 und 600, max. 550 hPa eine abgehobene labile Schicht, in der
aufsteigende Teilchen immerhin auf rund -10°C (Blitz) abkühlen können) sowie die
immer noch vorhandene Präsenz des Rückens, dessen deckelnde Wirkung (man beachte
auch die WLA oberhalb der labilen Schicht) nicht unterschätzt werden sollte.
Kurzum, eine abschließende Antwort lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht
tätigen, es ist aber durchaus denkbar, dass einzelne Gewitter im Westen und
Nordwesten mit Übergreifen der Kaltfront (bzw. im unmittelbaren Vorfeld) im
Laufe des Nachmittags auftreten. Laut SuperHD wäre sogar eine Linie möglich.
Aufgrund der gegebenen Zuggeschwindigkeit würden Gewitter am ehesten mit Böen
7-8 Bft einhergehen, allerdings wäre auch Starkregen nicht gänzlich
ausgeschlossen.
Im Osten scheint noch längere Zeit die Sonne, bevor die frontale Bewölkung
eintrifft. Wie weit der Warmfrontregen bis zum Abend nach Osten vorankommt, ist
noch nicht sicher. ICON lässt es zwischen Erz-/Zittauer Gebirge und Vorpommern
trocken, externe Modelle sind etwas offensiver. Sonnenschein gibt es auch im
Süden trotz hoher und mittelhoher Wolkenfelder. Dort, genauer gesagt im
Südwesten oder noch genauer im Oberrheingraben reicht es punktuell für 30°C oder
etwas mehr, d.h. wir dürfen den ersten heißen Tag des Jahres 2020 begrüßen (wenn
nicht heute schon wider Erwarten an irgendeiner Station 30°C erreicht werden).
Ansonsten stehen im Süden und Südwesten 25 bis 30°C, in den übrigen Gebieten 20
bis 25°C auf der Karte (MOS-Werte insbesondere in den Gebieten mit viel
Bewölkung und Regen teilweise zu hoch). Der Wind frischt vor allem mit
Durchschwenken des Bodentrogs und einhergehendem Windsprung kurzzeitig mal auf,
für Warnungen außerhalb potenzieller Konvektion dürfte das aber kaum reichen.

In der Nacht zum Samstag verabschiedet sich der Höhenrücken nun doch endgültig
und wandert ins östliche Mitteleuropa. Rückseitig stellt sich eine diffluente
südwestliche Höhenströmung ein, die im Süden noch leicht antizyklonal, nach
Nordwesten hin zyklonal konturiert ist. GUDRUN macht nur noch wenig Boden nach
Nordosten hin gut, füllt sich dafür aber zusehends auf. Wichtiger für uns ist
aber die Tatsache, dass die Warmfront mit schauerartig verstärkten und teils
gewittrigen (??) Regenfällen die östlichen Landesteile überquert, wobei -
hoffentlich! - gebietsweise 10 bis 15 l/qm runterkommen.
Die nachfolgende Kaltfront überquert rasch den Norden und Westen des Landes,
kommt dann aber irgendwo über der Mitte mehr und mehr ins Schleifen. Dabei kann
es im Frontbereich über mehrere Stunden hinweg regnen, allerdings ist sowohl in
Bezug auf die genaue räumliche Verteilung als auch auf die Intensität der
Niederschläge noch nicht das letzte Wort gesprochen. Während es in der
postfrontal einfließenden subpolaren Meeresluft T850 unter 5°C) im Nordwesten
rasch abtrocknet, sind präfrontale im Süden durchaus erste Schauer denkbar.
Zwischen dem Tief und einem hinter der Front ostwärts vorstoßenden Hochkeil
nehmen Gradient und Südwestwind im Norden und Nordwesten zu, für Warnungen
reicht es aber noch nicht.

Samstag... schafft es die gute GUDRUN so gerade noch, im Tagesverlauf die
Färöers und Shetlands zu überqueren. Dabei legt sie weiter an Gewicht zu, zum
Datumswechsel sind es schon fast 995 hPa. Die zugehörige Kaltfront schleift zwar
weiter über Süddeutschland, wird aber dennoch am Nachmittag, spätestens am Abend
die Alpen erreichen. Damit wird das gesamte Land mit subpolarer Meeresluft
geflutet, in der 850-hPa-Temperatur auf Werte zwischen 4°C (Süden) und 1°C
(Norden) zurückgeht. An bzw. rückseitig der zunehmend Anacharakter annehmenden
Front fällt im Süden länger andauernder und - u.a. durch eine kurze Welle
konvektiv - verstärkter Regen, bei dem südlich der Donau sowie in einigen
Mittelgebirgen (Schwarzwald, Bayerischer Wald) durchaus 10 bis 20 l/qm innert 12
h zusammenkommen können. Für das Allgäu liegen ein paar schwache Hinweise auf
6-stündigen Starkregen vor, der aber auch ein (Mit)Resultat präfrontaler
Konvektion in Form einzelner Gewitter sein kann. Fakt ist, dass rückseitiger
Druckanstieg den Aufbau bzw. die Ausdehnung des o.e. Hocheils forciert, was den
Regen in der Nacht zum Sonntag rasch in die Alpen abdrängt.
Die Mitte, vor allem aber der Norden gelangen zunehmend unter den von Westen
vorstoßenden flachen Höhentrog, der sich immer weiter vom hochreichenden
Zentraltief GUDRUN entfernt. Dabei wird ab Mittag eine Portion mäßig höhenkalter
Luft eingespült (T500 um -27°C), die bei wechselnder Bewölkung ausreichend
Labilität und auch Feuchtigkeit für Schauer respektive kurze Gewitter bietet.
Dabei sollte etwas Graupel ebenso wenig überraschen wie stürmische Böen 8 Bft.
Aber auch abseits der konvektiven Umlagerungen frischt der westliche Wind im
Norden und Westen mitunter auf, wobei es gebietsweise für ein paar steife Böen 7
Bft reicht. Im Süden macht sich der Wind vornehmlich in höheren Lagen sowie im
Alpenvorland bei KF-Passage bemerkbar.
Noch ein Satz zur Temperatur, die gleich mal zwei Sätze gegenüber dem Vortag
nach unten macht. So wird es in weiten Teilen des Landes nicht wärmer als 14 bis
19°C. Lediglich im äußersten Süden kann sich die Luft vor Eintreffen der Front
bzw. des Regens noch mal auf über 20°C erwärmen, bevor es spätestens am
Nachmittag ordentlich eins auf die Glocke gibt (Temperatursturz).



Modellvergleich und -einschätzung
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Zwar ist man sich grundlegend darüber einig, dass wir vor der Passage eines
Frontensystems mit nachfolgender (deutlicher) Abkühlung stehen. Über das Wie
herrscht allerdings noch Uneinigkeit, vor allem im Hinblick auf Niederschlag und
Gewitter. Insbesondere die für morgen von den hochaufgelösten Modellen
prognostizierte Gewitteraktivität (COSMO-D2 ganz weit vorne) ist nur teilweise
nachzuvollziehen. Man darf gespannt sein, wie die nächsten Modellläufe
diesbezüglich ausfallen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann