DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-05-2020 17:01
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zunächst ruhiges Hochdruckwetter und tagsüber warm, im Westen sehr warm. Ab
Freitagnachmittag im Nordwesten, am Samstag dann im Südosten mit
Kaltfrontpassage einzelne Gewitter, nachfolgend deutlich kühler.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich einer umfangreichen
Hochdruckzone, die sich von Frankreich über Mitteleuropa bis nach Skandinavien
erstreckt und sich in Lage bzw. Intensität während der Nacht kaum ändert. Die
wird gestützt durch einen von Frankreich über die Nordsee bis ins Nordmeer
reichenden Höhenrücken, der im Laufe der Nacht aufgrund der Blockadewirkung
durch einen Langwellentrog über Osteuropa ebenfalls kaum nach Osten vorankommt.
Dennoch verläuft die Nacht nicht überall wolkenlos oder gering bewölkt; daran
Schuld ist eine Luftmassengrenze, die von Nordwest nach Südost quer über das
Vorhersagegebiet (etwa von der Deutschen Bucht bis zum Vogtland) hinwegreicht
und die im Laufe der Nacht bei schwachen Luftdruckgegensätzen quasistationär
bleibt. In deren Einflussbereich bleibt es auch die Nacht über meist
aufgelockert, gebietsweise auch stärker bewölkt. Sie trennt trockene, erwärmte
Polarluft kontinentalen Ursprungs im Nordosten (Taupunkte nur wenig über 0 Grad)
von etwas feuchterer und vor allem wärmerer Meeresluft in den übrigen
Landesteilen.
Vor allem nordöstlich dieser Luftmassengrenze, etwa von Vorpommern bis zur
Lausitz, bleibt es somit die Nacht über gering bewölkt. Dort kann es in
ungünstigen Lagen erneut Bodenfrost geben. Auch im Südwesten verläuft die Nacht
aufgelockert, teils gering bewölkt, aber deutlich milder mit teils zweistelligen
Tiefstwerten. Im Bereich der Luftmassengrenze lockern die Wolken zwar
gebietsweise auch mal stärker auf, dann kann sich allerdings Nebel bilden, am
ehesten im Nordwesten des Landes.
Ansonsten werden keine warnrelevanten Wetterereignisse erwartet.

Donnerstag ... kommt der an Wellenlänge verlierende Höhenrücken mit seiner Achse
bis zum Abend in etwa nach Nordwest- bzw. Westdeutschland voran. Ihm folgt ein
flacher Kurzwellentrog, der quasi in den Rücken hineinläuft und abends auf die
Nordsee bzw. auf Benelux übergreift. Dieser verliert zwar durch übergelagerte
WLA zunehmend an Kontur, lässt sich aber anhand der Advektionsfelder (gut
ausgeprägte DPVA) und eines IPV-Maximums noch gut ausmachen, so dass er über dem
Westen des Landes auch schwache Hebung auslösen kann.
Im Bodenfeld zieht sich das Hoch ins östliche Mitteleuropa bzw. zur südöstlichen
und mittleren Ostsee zurück. Von Westen her setzt Druckfall ein und eine mit dem
Trog korrespondierende schwache Kaltfront greift abends auf die mittlere und
südwestliche Nordsee über. Im Vorfeld verstärkt sich die Advektion warmer und
auch potenziell instabiler Luftmassen nach West- und Südwestdeutschland. Die
Luftmassengrenze kommt dagegen weiterhin nur sehr langsam nach Nordosten voran,
wobei sich die Wolken in ihrem Einflussbereich weiter auflösen (aber nicht
komplett). Bis zum 18 UTC-Termin steigt die 850 hPa-Temperatur im Westen auf
knapp 13 Grad, während sie an oder und Neiße grade so die 3 Grad erreicht.
Entsprechend bleibt auch das Taupunktgefälle erhalten: 0 bis 4 Grad in der
Osthälfte, um 10 Grad im Westen. Mit der Advektion labilerer Luftmassen in die
Südwesthälfte nimmt dort die Neigung zu Quellbewölkung zu, aber trotz schwachen
dynamischen Hebungsantriebs vor allem in den Abendstunden dürfte es nicht
zuletzt auch mangels Feuchte wohl kaum zur Auslöse reichen. Wenn überhaupt, dann
ist vielleicht am ehesten im Bereich der Eifel oder im Südschwarzwald ein
Schauer oder ein kurzes Gewitter denkbar, Signale dafür hat aktuell quasi nur
das die Konvektion gerne übertreibende GFS auf der Karte
Ansonsten verläuft der Feiertag wettertechnisch ruhig; vor allem im Südwesten
scheint überwiegend die Sonne, ansonsten sorgt beginnende WLA zeitweise für den
Durchzug einzelner lockerer hoher und mittelhoher Wolkenfelder, auch im Bereich
der Luftmassengrenze halten sich noch Wolken. Der Wind dreht allgenmein auf
östliche Richtungen und frischt etwas auf. Die Temperaturen steigen nordöstlich
der Elbe auf 18 bis 23 Grad, sonst auf 22 bis 28 Grad, am Rhein gebietsweise
auch darüber; ob in Lingen die 30 Grad geknackt werden, ist aber fraglich.

In der Nacht zum Freitag greift vom nahen Ostatlantik her ein markanter
Höhentrog allmählich auf die Britischen Inseln über. Der über Mitteleuropa
hinweg nach Norden reichende Höhenrücken bleibt aufgrund der Blockadewirkung
durch den Ost-/Nordosteuropatrog zunächst quasistationär bzw. wird nach Abzug
des oben erwähnten flachen Kurzwellentroges durch WLA noch einmal etwas
regeneriert. Morgens verläuft dessen Achse in etwa über die Mitte des
Vorhersagegebietes hinweg nordwärts.
Das korrespondierende Bodenhoch erstreckt sich morgens vom nördlichen Balkan
über Osteuropa und die Ostsee bis nach Nordskandinavien. Die schwache Kaltfront
über der Nordsee zieht nordwärts ab und löst sich auf, dennoch setzt sich der
leichte Druckfall vor allem im Westen des Vorhersagegebietes weiter fort. Somit
verschärft sich der Gradient etwas und in höheren Lagen frischt der Wind aus
Südost auf, für warnrelevante Böen reicht das aber nicht. Somit steht erneut
eine ruhige Nacht ins Haus. Vor allem im Westen und Norden macht sich die
zunehmende WLA anhand allmählich dichter werdender hoher und mittelhoher
Wolkenfelder bemerkbar, es sollte aber noch trocken bleiben (lediglich GFS und
IFS (von 00 UTC) simulieren im Norden Schleswig-Holsteins etwas Regen). Im
Südosten bleibt es meist gering bewölkt. Die der nach wie vor wirksamen
Luftmassengrenze geschuldete Zweiteilung der Temperatur bleibt erhalten; bei
teils klarem Himmel kühlt es in der Lausitz, im Erzgebirge und vielleicht auch
im ostbayerischen Mittelgebirgsraum auf Werte um 5 Grad ab (in den klassischen
Kältelöchern vielleicht sogar auf nahe 0 Grad), Bodenfrost nicht ausgeschlossen.
Im Norden und Westen bleibt es dagegen mit 15 bis 8 Grad deutlich milder.

Freitag ... greift der Höhentrog, dessen Drehzentrum sich bis zum Abend ins
Seegebiet südlich von Island verlagert, über die Britischen Inseln hinweg bis
auf die Nordsee aus. Der vorgelagerte Höhenrücken kommt dennoch nur langsam nach
Osten voran, was zu einer Verschärfung der trogvorderseitigen südwestlichen
Höhenströmung und einer zunehmend diffluenten Kontur selbiger führt, wobei der
Bereich stärkster PVA über der Nordsee zum Abend hin bereits von KLA überlaufen
wird.
Das mit dem Trog korrespondierende Sturmtief im Bodenfeld befindet sich im
Tagesverlauf zunehmend achsensenkrecht unterhalb des Höhentiefs und erreicht
somit den Höhepunkt seiner Entwicklung bereits in der Nacht zum Freitag
(Kerndruck unter 970 hPa westnordwestlich von Irland). Es füllt sich zunächst
aber nur langsam auf. Die Warmfront des Tiefs überquert die südliche und
mittlere Nordsee rasch ostnordostwärts und greift bereits um die Mittagszeit auf
Norddeutschland über. Die Kaltfront erreicht am späteren Abend die Deutsche
Bucht und den äußersten Westen Deutschlands. Vor allem IFS (von 00 UTC) und GFS
simulieren im Vorfeld der Warmfront Niederschläge, die sich rasch über
Norddeutschland auch auf die Osthälfte des Landes ausweiten. ICON hat diese aus
WLA resultierenden Niederschläge allerdings nicht auf der Agenda, offensichtlich
wird nach dessen Lesart die WLA durch dynamisches Absinken knapp vorderseitig
der Rückenachse, die sich am Nachmittag noch immer in etwa über der Mitte
Deutschlands befindet, so weit kompensiert, dass es nicht für Niederschläge
reicht. Wie auch immer - warntechnisch ist das Ganze nicht wirklich von
Bedeutung, prognostisch aber schon - simuliert doch ICON-EU im Bereich zwischen
Weser und Elbe Nachmittagswerte bis 27 Grad, IFS bzw. GFS dagegen nur um oder
knapp über 20 Grad.
Mit dem Warmsektor kommt die warme Luftmasse subtropischen Ursprungs allmählich
ostwärts voran, die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Abend auf Werte
zwischen 7 Grad an Oder bzw. Neiße und 15 Grad im Südwesten. Aufgrund kräftiger
mitteltroposphärischer WLA halten sich - außer im Süden bzw. Südwesten - auch im
Warmsektor recht dichte Wolkenfelder, so dass mangels Einstrahlung kaum Cape
generiert werden kann, zudem fehlt für eventuelle Konvektion zunächst auch
dynamischer Hebungsantrieb. Erst im Vorfeld der Kaltfront ist die Luftmasse
zunehmend labil geschichtet und unmittelbar präfrontal kommt auch mehr
dynamischer Hebungsantrieb ins Spiel, vor allem im Nordwesten. Dort dürften dann
am Nachmittag/Abend vermehrt schauerartige Regenfälle einsetzen, die eventuell
auch von Gewittern begleitet werden. Zunehmende Scherung bietet auch Potenzial
für (linienförmig) organisierte Konvektion, entsprechend simuliert SuperHD eine
Gewitterlinie, die am Nachmittag von den Niederlanden her auf
Nordwestdeutschland übergreift und rasch nach Osten vorankommt, am Abend dann
weitere organisierte Schauer- und Gewittertätigkeit weiter südlich. Als
Begleiterscheinung kommen am ehesten stürmische Böen in Frage; die PPW-Werte
sind aufgrund der Feuchteflusskonvergenz nahe der Kaltfront zwar hoch (über 35
mm), allerdings weisen die Schauer und Gewitter eine hohe Zuggeschwindigkeit
auf, so dass Starkregen eher selten in Frage kommt, ähnlich wie - mangels Cape -
Hagel.
Der Wind frischt einerseits im Vorfeld der Warmfront im Nordosten aus Südost
auf, andererseits aber auch abends im Westen/Nordwesten mit Kaltfrontpassage aus
Südwest bis West. Ob es außerhalb von Konvektion für warnrelevante Böen reicht,
ist aber fraglich.
Bzgl. der Temperaturprognosen sollte man Vorsicht walten lassen und sich nicht
auf die MOS-Prognosen verlassen. Für Süddeutschland (Tmax zwischen 23 Grad im
ostbayerischen Mittelgebirgsraum und bis nahe 30 Grad im südlichen
Oberrheingraben) dürften diese bei recht sonnigem bzw. locker bewölktem Wetter
noch gut passen. Weiter nördlich, also vor allem in der Mitte und im Norden,
erscheinen diese aber etwas (wie oben erwähnt, nach Osten zu auch deutlich) zu
hoch. Je nach Bewölkung sind dort noch aber wohl auch 20 bis 25 Grad drin.

In der Nacht zum Samstag wird der Höhenrücken mit Ausweitung des nun
umfangreichen Höhentroges endgültig nach Osteuropa abgedrängt und der gesamte
Vorhersagebereich gerät auf die Trogvorderseite. Ein weiterer Randtrog greift
vom nahen Ostatlantik her Samstagfrüh auf die Britischen Inseln über.
Somit kommt die Kaltfront über Norddeutschland rasch nach Osten voran, wird aber
durch ein leichtes Aufsteilen der Höhenströmung vorderseitig des Randtroges über
Nord- bzw. Zentralfrankreich zurückgehalten und erreicht morgens erst die
mittleren Landesteile. Im unmittelbar präfrontalen Bereich ist weiterhin recht
markante Hebung wirksam, so dass es mit Kaltfrontpassage recht verbreitet
schauerartige Regenfälle gibt, vereinzelt können auch noch kurze Gewitter
auftreten. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der aktuelle Lauf des ICON-EU
die Kaltfront im Vergleich zum GFS und 00 UTC-IFS, aber auch im Vergleich zum
eigenen Vorlauf vor allem in den mittleren Landesteilen wetteraktiver auf der
Agenda hat. Verbreitet werden dabei 5 bis 15 mm in 12 Stunden simuliert.
Unmittelbar postfrontal folgt ein Bodenhochkeil, der im Nordwesten für rasche
Wetterberuhigung sorgt. Etwa südlich der Donau bleibt es präfrontal noch
weitgehend trocken.
Mit Annäherung des Hochkeils verschärft sich vor allem im unmittelbar
postfrontalen Bereich der Gradient etwas und der Wind frischt aus West bis
Nordwest auf. Eventuell reicht es in einigen Hochlagen für steife bis stürmische
Böen.

Samstag ... kommt der Randtrog, der inzwischen die Haupttrogachse markiert, von
den Britischen Inseln bis zum Abend zur Nordsee und nach Benelux voran. Die
Kaltfront zieht somit nur allmählich über Süddeutschland hinweg südostwärts und
erreicht am späteren Nachmittag die Alpen. Mit Annäherung des Randtroges wird
die frontale Hebung weiterhin dynamisch vor allem durch PVA gestützt, so dass an
ihr nach wie vor recht kräftige schauerartige Regenfälle auftreten, im Vorfeld
kann es vor allem in Südostbayern auch noch einzelne Gewitter (mit Böen Bft 7
bis 8 und eventuell auch Starkregen) geben.
Postfrontal schiebt sich der Hochkeil bis zum Abend allmählich nach Südwest- und
Süddeutschland, so dass die Regenfälle nachlassen. Der Norden und auch die
mittleren Landesteilen geraten dagegen zunehmend in den Einflussbereich des
Höhentroges, der zu einer Labilisierung der Luftmasse führt. Die Temperatur in
850 hPa sinkt im Einflussbereich maritimer Polarluft postfrontal auf 1 bis 4
Grad, in 500 hPa bis zum Abend im Norden auf -24 bis -29 Grad. Vor allem dort
entwickeln sich im Tagesverlauf einzelne Schauer und kurze Gewitter, begleitet
von Graupel und einzelnen Böen Bft 7 bis 8. Mit Annäherung eines flachen
Bodentroges über der Nordsee verschärft sich vor allem im Nordwesten der
Gradient, so dass dort auch außerhalb von Schauern vermehrt steife Böen aus West
auftreten, ähnliches gilt auch für Süddeutschland (in erster Linie im
Alpenvorland) bei Kaltfrontpassage.
Die Temperaturen gehen gegenüber dem Vortag deutlich zurück. Präfrontal werden
im äußersten Südosten eventuell noch einmal 21 bis 24 Grad erreicht, sonst aber
nur noch 15 bis 19 Grad, wobei es im Frontbereich überwiegend bedeckt bleibt,
postfrontal in der Mitte und im Norden aber zwischendurch auch mal wieder die
Sonne zeigt.



Modellvergleich und -einschätzung
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Aus den synoptischen Basisfeldern lassen sich kaum Modellunterschiede ableiten.
Im Detail ergeben sich aber durchaus und in erster Linie auch prognoserelevante
(weniger warnrelevante) Differenzen, vor allem, was die Wetteraktivität der
Warm- und Kaltfront am Freitag und Samstag angeht. Diese wurden bereits im Text
besprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff