DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-05-2020 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.05.2020 um 10.30 UTC



Zunächst unbeständig mit Schauer und einzelnen Gewitter, an den Alpen
vorübergehend regnerisch, im Verlauf von Westen zunehmend wieder trocken.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 27.05.2020


Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Samstag liegt Deutschland
auf der Vorderseite eines Kurzwellentroges in einer diffluenten, westlichen
Höhenströmung, die in unteren troposphärischen Schichten einen Bodentrog stützt,
in dem ein teils okkludiertes Frontensystem eingebettet ist. Dieses überquert
Deutschland im Tagesverlauf ostwärts und beginnt an den Alpen zu schleifen. Im
Umfeld des Frontenzuges kommt es dabei zu schauerartigen, im Süden auch länger
anhaltenden und anfangs auch gewittrigen Niederschlägen. Rückseitig wird mit
Übergreifen eines Troges im Nordwesten und Norden Hebung generiert, die das
Schauerpotential nochmals erhöht. Die Temperaturdifferenz zwischen 850 und 500
hPa von etwa 23 Grad sollte zusammen mit der Konstitution des Troges jedoch
nicht ausreichen, Gewitter auszulösen. In der Nacht zum Sonntag soll nach
Leseart des deterministischen IFS eine weiterer, recht schwach ausgeprägter Trog
den Norden ergreifen, sodass es dort erneut geringe konvektive Signale gibt.

Am Sonntag bäumt sich über dem Ostatlantik und den Britischen Inseln ein Rücken
auf, dessen Achse über Irland hinweg zum Nordmeer reicht. Bodennah korreliert
der Rücken mit einem kräftigen Hoch mit Schwerpunkt an der Westspitze Cornwalls,
dessen Ausläufer sich südostwärts bis in den westlichen Alpenraum erstrecken.
Vorderseitig stützt der Rücken eine markante Intensivierung des
Kurzwellentroges, der sowohl die Wellenlänge als auch die Amplitude signifikant
erhöhen kann. Ausgehend von dem Höhentiefzentrum, von Schweden bis zum Baltikum
reichend, kann er sich schon bis Sonntagabend nach Südosteuropa ausbreiten.
Deutschland liegt dabei in einer hochreichend nordwestlichen Grundströmung, in
die wiederholt kurzwellige Anteile eingelagert sind. Diese führen wiederum vor
allem im Norden und der Mitte zu schauerartigen Regenfällen, während im
Südwesten bei Hochdruckeinfluss die Sonne länger scheinen kann.

Ab Montag bleibt die Grundstruktur der Geopotentialverteilung erhalten. Vom
Atlantik bzw. Frankreich erstreckt sich weiter ein Rücken über England und die
Nordsee hinweg in nordöstliche Richtung. Dessen Achse nähert sich dabei nur
langsam Deutschland und erreicht das Land schließlich am Donnerstag. Bodennah
korreliert der Rücken weiter mit einem ausgeprägten Hoch, dessen Schwerpunkt
sich nur zögerlich in nordöstliche Richtung zur Nordsee bzw. zur Ostsee hin
verlagert. Auf der Vorderseite des Rückens kann sich der Langwellentrog weiter
nach Süden verschieben und schließlich ein geschlossenen Höhentiefkomplex mit
Zentren über Südosteuropa bilden. Das Wetter in Deutschland wird dabei bis
einschließlich Mittwoch von einer eher zyklonal geprägten, nord- bis
nordöstlichen Höhenströmung bestimmt, wobei diesem bodennah zunehmend hoher
Luftdruck entgegensteht. Zudem sickert in den Norden und Westen deutlich
trockenere Luft ein, die potentielle, abgehobene Konvektion zusätzlich dämpft.
In der Osthälfte muss dagegen bis zur Wochenmitte mehr oder weniger stark
ausgeprägt mit Schauern gerechnet werden. Zudem kann es staubedingt am
Erzgebirge und den Alpen länger regnerisch bleiben. Mit Übergreifen der
Rückenachse am Donnerstag und somit hochreichend antizyklonalen Verhältnissen
wird es auch im Osten und Südosten zunehmend trocken.

Am Freitag liegt die Nordhälfte auf der Rückseite des Rückens und somit
gleichzeitig auf der Vorderseite eines schwachen Troges über der Nordsee. Dieser
geht bodennah mit tiefem Luftdruck einher, der auch den Nordwesten und Norden
erfasst. Die Hebungsprozesse sind nach derzeitigem Stand aber eher schwach,
sodass es dort nur geringe Schauersignale gibt. Der Rest des Landes wird weiter
vom Rücken sowie dem korrelierenden Bodenhoch dominiert. Absinken sorgt somit
verbreitet für viel Sonne.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der aktuelle 00 UTC Lauf des IFS zeigt eine gute Konsistenz zum gestrigen 12 UTC
Lauf. Der gestrige 00 UTC-Lauf weicht dagegen schon ab Sonntag zunehmend von den
aktuellen Berechnungen der Geopotential- und Luftdruckstrukturen ab. Entgegen
des gestrigen 00 UTC-Laufes zeigen die neueren Interpretationen eine kräftigere
sowie auch weiter nach Westen ausgreifende Austrogung über dem östlichen
Mitteleuropa bzw. Osteuropa. Somit kann der zyklonale Einfluss in der Höhe vor
allem in der Osthälfte länger anhalten und das Wetter bis Mittwoch unbeständig
gestalten. Der Westen profitiert dabei früher von dem sich von Westen
ausbreitenden hohen Luftdruck.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die deterministischen Modelle anderer Wetterdienste (ICON, GFS, GEM, UKMO)
zeigen bis einschließlich Sonntag eine sehr gute Übereinstimmung mit den IFS des
ECMWF. Ab Montag nehmen die Unterschiede im Detail zu, wobei die großskaligen
Strukturen von allen Modellen vergleichbar bleiben. Die Abweichungen sind dabei
vor allem bei der Lage und auch der Entwicklungsgeschwindigkeit der
Rücken-Trog-Kombination über Mittel- und Osteuropa zu verzeichnen. Im Vergleich
zum IFS zeigen sowohl ICON als auch GFS eine etwas östlichere Austrogung, wobei
das ICON-Modell zwischen den Interpolationen vom IFS und GFS liegt. Während beim
ICON somit allenfalls der äußerste Osten und Südosten bei weiter zyklonaler
Prägung bis Mittwoch leicht unbeständig bleiben, steht beim GFS ausgehend vom
Höhentiefkomplex über Südosteuropa schon ab Dienstag kein Niederschlag mehr auf
dem Programm. Auch die Entwicklungsgeschwindigkeit ist zunächst beim ICON und
beim GFS etwas schneller als beim IFS. Durch die weiter nach Osten verschobene
Lage des Langwellentroges beim GFS ist von Westen auch rascher der Weg frei für
neue kurzwellige Anteile. Entsprechend gelangt der Norden schon am Mittwoch auf
die Vorderseite eines Kurzwellentroges, sodass es nach jenem Modell dort erste
Schauersignale gibt. Bei IFS und vor allem bei ICON ist der Rücken über West-
und Nordwesteuropa breiter aufgestellt, sodass die weiteren Entwicklungen etwas
blockiert werden. Beim IFS kann sich erst am Freitag ein Kurzwellentrog in den
Norden schieben und evtl. für Schauer genügend Hebung generieren. Das GEM zeigt
zum IFS und UKMO zum ICON vergleichbare Entwicklungen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen diverser Städte in Deutschland zeigen bezüglich der Temperatur
bis einschlich Sonntag bei einem geringen Spread eine hohe Vorhersagegüte. Beim
Geopotential liegt das Ensemble bis einschließlich Samstag eng beisammen und
lässt somit eine seriöse Vorhersage zu.

Je nach Parameter nehmen die Unsicherheiten ab Samstag bzw. Sonntag ausgehend
von einer signifikanten Spreizung des Ensembles deutlich zu. Auffällig ist, dass
der Haupt- und der Kontrolllauf nahezu an allen betrachteten Orten von Sonntag
bis Donnerstag für das Geopotential im unteren Bereich des ENS liegen. Im
Vergleich zum gesamten Ensemble sehen diese demnach den Trog etwas stärker
ausgeprägt und auch länger wetterbestimmend. Dies zeigt sich auch bei den
Temperaturen, wo vom Haupt- und Kontrolllauf tendenziell etwas kühlere Werte zu
Wochenbeginn dominieren. Unter Berücksichtigung des gesamten ENS sollte der
hochreichend hohe Luftdruck rascher ostwärts vorankommen und somit das Wetter
ähnlich zum ICON auch im Osten etwas schneller trocken gestalten. Interessant
ist zudem die deutliche Spreizung des ENS beim Geopotential zum Ende der Woche.
Dort liegen Haupt- und Kontrolllauf im Bereich der größten
Vorhersagewahrscheinlichkeit. Der Verlauf einzelner Member zeigen jedoch, dass
der von Westen in den Norden steuernde Trog durchaus intensiver ausfallen und
analog zum GFS auch zeitlich früher übergreifen kann. Bei den Temperaturen
werden diese Lösungswege durch das Zurückgehen der Temperaturen nach
Trogdurchgang angedeutet.
Die Meteogramme stützen die Prognosen der Rauchfahnen durch entsprechend große
Box-Plots.

Die hohe Vorhersagegüte zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums, +72 bis +96h,
wird auch in der Clusteranalyse deutlich, wo zwei Cluster ausreichen, die
Unsicherheiten im Geopotential- und Luftdruckfeld ausreichend zu beschreiben.
Die Aufteilung des ENS in zwei Cluster beruht aber schon in diesem Zeitraum auf
gewisse Unterschiede hinsichtlich der Ausprägung und des Troges sowie dessen
Frontensystem, die Deutschland von Freitag bis Samstagabend überqueren. Bei
Cluster 1 mit Haupt- und Kontrolllauf wird der Kurzwellentrog, auch aufgrund
fehlender bzw. geringer Blockierung durch einen Rücken (vgl. Cluster 2),
intensiver und mit schnellerer Entwicklung gerechnet. Grundsätzlich dominiert
über alle Zeitschritte und Cluster hinweg noch das großskalige Schema einer
positiven NAO.

Im Zeitraum +120 bis 168h werden schon 4 Cluster benötigt, um die Unsicherheiten
im Geopotential- und Luftdruckfeld abzubilden. Dabei wechselnd nahezu alle
Cluster rasch vom Schema einer positiven NAO hin zu einer Blockierung, die
Cluster übergreifend durch einen kräftigen Rücken über dem Ostatlantik und
Westeuropa ausgeht. Die wesentlichen, vor allem aus Wettersicht in Deutschland
wichtigen Unterschiede beziehen sich erneut auf die Trogentwicklung über dem
östlichen Mitteleuropa bzw. Osteuropa. Hier zeigen sich sehr schön die
Lösungsvarianten, die von den anderen betrachteten Globalmodellen gezeigt
werden. Der Hauptlauf des IFS wird dabei in Cluster 3 einsortiert und nur von
weiteren 8 Membern gestützt, sodass diese Lösung mit einem weit nach Westen
verschobenen Höhentiefkomplex und somit einem unbeständigen Wettercharakter im
Osten und Südosten bis Mittwoch eher unwahrscheinlich ist. Das Cluster 2 mit 16
Mitgliedern zeigt sehr schön die Entwicklungen des det. ICON-Modells. Der Trog
ist im Vergleich zum IFS etwas weiter nach Osten verschoben und verfügt über
eine leicht geringere Wellenlänge. Cluster 1 mit insgesamt 20 Unterstützern
präsentiert eine zum GFS vergleichbare Entwicklung. Zwar hängt der Rücken den
Vorgaben des GFS etwas hinterher, indem er westlicher liegt, was wiederum die
weiterführenden Entwicklungen zum Ende der Woche hin zum IFS beeinflusst. Die
Lage sowie auch die Ausprägung des Troges über Osteuropa jedoch passt in diesem
Zeitraum sehr gut zu der GFS-Lösung. Demnach würde es wohl auch schon am
Dienstag landesweit weitgehend trocken bleiben.

In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h reicht schließlich ein
Cluster, um die Unsicherheiten des ENS einzufangen. Der Langwellentrog über
Osteuropa ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr relevant für das Wetter in Mittel-
und Westeuropa. Im Fokus steht dann der Rücken, der wiederum analog zum
deterministischen IFS-Lauf und anders als beim GFS stark ausgeprägt ist und
potentielle Tröge zunächst weiter blockiert.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der EFI zeigt mit Trogdurchgang am Wochenende im Norden geringe Hinweise für
überdurchschnittliche Windgeschwindigkeiten bezüglich des Modellklimas. Gestützt
wird diese Entwicklung aber auch von der Probabilistik. Vor allem EZ-EPS und
C-Leps sehen dort mit Wahrscheinlichkeiten zwischen 5 und 40% (C-Leps) bzw. 10
bis 55% (EZ-EPS) stürmische Böen, an exponierten Küstenabschnitten auch
Sturmböen. Das ICON ist bezüglich des Windes insgesamt schwächer aufgestellt und
zeigt allenfalls Werte bis 5% für entsprechende Windspitzen im Norden.
Das EZ-EPS, auf dem auch der EFI basiert, gibt auch im Alpenraum geringe Signale
für stürmische Böen an, die gleichermaßen und verständlich vom EFI getragen
werden.

Bezüglich des Niederschlags sind beim EFI am Samstag an den Alpen druch die
schleifende Front ebenfalls Ausschläge hin zu überdurchschnittliche Regenmengen
zu verzeichnen. Auch diese werden bevorzugt von den auf dem IFS basierenden ENS
gestützt. Während beim EZ-EPS ein Modelllauf das Erreichen der
Dauerregenschwelle von 30 l/qm zeigt, stützen beim höher aufgelösten C-Leps 5
bis 30% der Läufe Regenmengen über dem besagten Schwellenwert.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, ICON-EPS, bei TT auch MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel