DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-05-2020 15:01
SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 18.05.2020 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
GWL: BM->HM
Ruhiges, weitestgehend warnfreies Wetter.
Erst zum Donnerstag von Westen her leicht ansteigendes Gewitterrisiko.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... hat sich die Strömungskonfiguration an der Südflanke zweier
hochreichender Tiefkomplexe über dem Nordostatlantik sowie Nord-/Nordosteuropa
vorübergehend stark zonalisiert. Mitverantwortlich dafür ist ein kleiner, aber
markanter Kurzwellentrog, der aus Zirkulation des westlichen Höhentiefs heraus-
und schließlich in die des östlichen hineinläuft und den zwischen den Tiefs
liegenden Rücken stark abflacht. Heute Abend wird der Kurzwellentrog knapp
nördlich von Schottland analysiert und schwenkt im Laufe der Nacht über die
mittlere Nordsee nach Jütland. Vorderseitig stützt er eine kleine
Warmfrontwelle, die Dienstagfrüh mit rund 1010 hPa etwa über Gotland zu finden
sein wird.

Diese Zonalisierung bekommt die Nordhälfte Deutschlands zu spüren, indem sie
unter die westnordwestliche Höhenströmung gelangt, in der feuchte, wolkenreiche
Meeresluft herangeführt wird.
Nachdem der vor allem WLA-gestützte Regen über dem Norden und Nordosten ostwärts
abgezogen ist, wird mit der übergreifenden Kaltfront des angesprochenen Tiefs
neuer, leichter Regen spätestens ausgangs der Nacht im Norden ankommen. Der
Gradient zieht dabei wieder etwas an, allerdings fällt die Böigkeit aufgrund der
noch stabilen Verhältnisse schwach aus, sodass warnwürdige Böen (Bft 7) wie
schon am Vortage allenfalls auf exponierte Küstenabschnitte beschränkt bleiben.


Die Südhälfte profitiert weiterhin von einer Geopotenzial- und Hochdruckbrücke,
die vom Ostatlantik über das südliche Mitteleuropa bis zum Schwarzen Meer
reicht. In der meist klaren Nacht kann es wieder recht stark auskühlen auf 9 bis
4 Grad. In den westlichen Mittelgebirgen geht es lokal bis auf 2 Grad runter,
sodass Bodenfrost möglich ist. Unter den Wolken im Norden liegen die Tiefstwerte
meist um 10 Grad.



Dienstag ... schwenkt der Kurzwellentrog über die Ostsee zum Baltikum ab.
Insgesamt beginnt die Strömungskonfiguration nun wieder stärker zu mäandrieren,
denn starke, nordwärts orientierte WLA kräftig den Rücken zwischen den beiden
quasi stationären hochreichenden Tiefkomplexen, dessen Achse Dienstagabend von
Portugal bis Island reicht. Vorderseitig baut sich eine langestreckte
Hochdruckzone von Südwesteuropa bis zum Nordpolarmeer auf, mit zwei
Schwerpunkten über dem Ärmelkanal und dem Nordmeer. Gleichzeitig wird die
ehemalige Hochdruckbrücke über Osteuropa durch die stärkere Austrogung abgebaut.


Die Nordosthälfte Deutschlands gelangt folglich unter eine nordwestliche
Höhenströmung, die nicht zuletzt auch durch den abziehenden Kurzwellentrog
leicht zyklonal konturiert ist. Am Boden dreht der Wind durch den Abbau der
Brücke am Rande des neuen Hochschwerpunktes im Tagesverlauf landesweit auf Nord
bis Nordwest.

Dadurch kommt die Kaltfront zunächst noch etwas nach Süden voran, um dann aber
diagonal etwa von den Niederlanden bis nach Sachsen bzw. Brandenburg stationär
zu werden. Das ist auch der Streifen, in dem es am wolkigsten sein wird.
Schauerartiger Regen fällt vor allem vormittags im Wirkungsbereich des
Kurzwellentroges im Norden und Nordosten, bevor es dort in der postfrontal
einsickernden trockenen Polarluft am Nachmittag wieder freundlicher wird. Durch
die leichte Labilisierung im Nordosten nimmt di Böigkeit des Windes etwas zu,
sodass im Tagesverlauf zumindest an der Küste Vorpommerns einzelne steife Böen
Bft 7 möglich sind.

Im Süden und Südwesten überwiegt in trockener Luft ganztags Sonnenschein.
Allenfalls an den Alpen reicht die Grundschichtfeuchte aus, etwas stärkere
Quellbewölkung hervorzurufen, die Schauerneigung ist aber sehr gering.

Bei der Temperatur verschärft sich das Südwest-Nordost-Gefälle. Selbst mit Sonne
steigt das Quecksilber in der polaren Luftmasse im Norden nur auf 15 bis 19
Grad. Unter den Wolken diagonal über der Mitte sind auch nur Werte um 20 Grad
drin, im Süden und Südwesten dagegen warme 23 bis 27 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Rücken nach Westfrankreich und
Großbritannien, der korrespondierende Hochschwerpunkt nach Benelux. Über
Deutschland bleibt die nordwestliche Höhenströmung erhalten, die aber nun
durchweg neutral bis leicht antizyklonal konturiert ist.

Unter dem Absinken löst sich die Kaltfront diagonal vom Nordwesten bis in den
Südosten liegend auf, hinterlässt aber eine feuchte Luftmasse, in der sich
dichte Wolkenfelder halten oder hochnebelartige Bewölkung ausbreiten kann.
Niederschlag fällt aber kaum mehr, denn die Wolkendecke reicht nur noch bis
700/750 hPa, wo sie auf die Absinkinversion stößt. Gebietsweise ist Nebel
möglich, vor allem im Nordwesten.

Im Nordosten sowie im Süden und Südwesten verläuft die Nacht gering bewölkt oder
klar. In der trockenen Kaltluft im Nordosten geht die Temperatur auf 6 bis 3
Grad zurück, Bodenfrost ist nicht ganz ausgeschlossen. Ansonsten werden
Tiefstwerte zwischen 11 und 7 Grad erwartet.



Mittwoch ... ändert sich an der Strömungskonfiguration wenig. Der Rücken kräftig
sich noch etwas und schwenkt zur Nordsee. Der Schwerpunkt des Hochs bzw. die
Hochachse verlagert sich nach Norddeutschland bzw. Mitteleuropa, sodass am Boden
nunmehr umlaufende, schwache Winde zu erwarten sind.

Das Absinken ist zwar relativ stark, allerdings benötigt es einige Zeit, die
feuchten Rudimente der ehemaligen Kaltfront bzw. Luftmassengrenze "von oben"
abzutrocknen. In dem Streifen vom Nordwesten in den Südosten startet der Tag
folglich teils hochnebelartig bedeckt. Diese Hochnebeldecke bricht mit
turbulenter Durchmischung zwar auf, rasch kommt aus der feuchten Grundschicht
aber flache Konvektion in Form von Quellwolken in Gang, die an der
Absinkinversion bei 700-800 hPa breitlaufen. Viel Sonne sollte man also nicht
erwartet, die MOS-Prognosen für die Sonnenscheindauer und Temperatur könnten
eventuell zu hoch gegriffen sein. Einige Modelle (IFS, GFS) rechnen sogar mit
Schauern, in Anbetracht der warmen Tops (kaum unter 0 Grad) dürfte das aber eher
unwahrscheinlich sein.

Überwiegend freundlich oder sonnig präsentieren sich der Nordosten und
Südwesten. Während im Südwesten Sommerwärme herrscht (Tmax um oder über 25
Grad), bleibt es im Nordosten bei Frühlingsfrische (15-21 Grad). Im breiten
Streifen dazwischen bleibt abzuwarten, ob die anvisierten, flächigen 20 bis 24
Grad wirklich erreicht werden können.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht der Rücken Benelux und Nordwegen, der
Hochschwerpunkt wandert über nach Polen ab. Dadurch bekommt die Strömung über
Deutschland wieder mehr Westkomponente, sodass die Luftmassengrenze mitsamt
Feuchtigkeit und Bewölkung wieder nach Nordosten vorankommt. Schwache WLA könnte
die Luftmassengrenze im Norden und Nordosten sogar nochmal aktivieren, sodass
leichter Regen möglich ist. Insbesondere ICON zeigt entsprechende Hinweise
darauf.

Im übrigen Land schafft es das Absinken nun, die Luftmasse soweit von oben
abzutrocknen, dass die Nacht meist klar verläuft.

Die Luft kühlt dabei auf 12 bis 5 Grad, Richtung Lausitz bis auf 4 Grad ab.
Bodenfrost sollte aber nun die absolute Ausnahme bleiben.



Donnerstag ... erreicht der Rücken mit seiner Achse Deutschland. Ein
Kurzwellentrog läuft nachfolgend zwar aus dem ostatlantischen Höhentiefkomplex
bis zur Nordsee und nach Benelux bereits heraus, dieser wird aber von WLA
zugeschüttet und verliert somit rasch an Kontur.

Dennoch beginnt der Luftdruck von Westen zu fallen, das Hoch zieht sich bis zum
Abend zur Baltischen See zurück. Dadurch dreht der Wind langsam über Ost auf
südliche Richtungen. Vor allem in den Westen und Nordwesten gelangt damit
feuchtere Luft, die auch leicht instabil geschichtet ist. Ob die
Grundschichtfeuchte und Labilisierung durch den vergammelnden Kurzwellentrog
ausreichen, um abends erste Gewitter auszulösen (dann durchaus mit Potenzial für
Starkregen und stürmische Böen), ist aber noch fraglich.

Im Nordosten halten sich anfangs noch dichte Wolken durch die als Warmfront nach
Nordosten abziehende Luftmassengrenze.

Von diesen beiden "Schönheitsfehlern" abgesehen, präsentiert sich der Tag
allerdings ziemlich freundlich und vor allem nach Süden zu auch sonnig. Das
Südwest-Nordost-Gefälle der Temperatur bleibt zwar erhalten, durch die
niedertroposphärische WLA aber auf höherem Niveau als an den Vortagen. Die Range
bei den Höchstwerten reicht von 16/17 Grad auf Rücken bis 29 Grad am Rhein und
an seinen Nebenflüssen. Ob's für die "magischen" 30 Grad reicht, mag für
Statstikfreunde von Interesse sein, macht den Braten aber auch nicht mehr Fett.





Modellvergleich und -einschätzung
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Die großen Globalmodelle à la ICON, GFS und IFS haben die kurzfristige
Wetterentwicklung gut im Griff, sodass es keine nennenswerten Unterschiede gibt.

Kleinere Unschärfen zeigen sich am ehesten noch am Donnerstag beim ersten
"zyklonalen Angriff" in Form des sich von Westen nähernden Kurzwellentroges. Bei
GFS ist dieser etwas markanter, was sich (zusammen mit dem üblichen positiven
"Feuchtebias" des Modells) sofort in verbreiteteren Schauer- und
Gewittersignalen im Westen Deutschlands niederschlägt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser